Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Edainwen
Dauergast
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Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Edainwen »

Dann wünsche ich euch weiterhin alles Gute 👍

Deine Begründung finde ich allerdings tatsächlich ziemlich schräg. Eingebildete Kinder kenne ich nämlich nur aus der Regelklasse meiner Tochter. In der HB-Klasse des Sohnes gibt es keine, zumindest sind mir noch keine aufgefallen. Denn gerade dadurch, dass die Kinder viel unter sich sind, sehen sie ja, dass weder alle HBs gute Noten haben, noch, dass allen alles total leicht fällt. Sie haben quasi Normalität auf einem höheren Level. In der Regelklasse würden sie immer auffallen, weil ihnen da tatsächlich das meiste leichter fällt. Das böte dann tatsächlich mehr Potenzial, eingebildet zu werden.
Auch bei den anderen Klassen bei uns in der Schule haben die HBs keinen schlechten Ruf. Wie gesagt, mein Sohn hat auch viele Freunde in den anderen Klassen. Die kennen sich nämlich untereinander und wissen, dass die HBs auch nur ganz normale Kinder sind. Als eingebildet gelten sie höchstens bei anderen Gymnasien, die keine HB-Klassen haben, da diese Kinder dann aus Unwissenheit oft neidisch auf die Begabung sind. Tatsächlich ist das Leben aber für ganz normal begabte Kinder in der Regel am einfachsten, also definitiv kein Grund zu Neid 😁
Lieselotte
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Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Lieselotte »

Hier an der Schule ist es so, dass aus den anderen Klassen oft Sprüche kommen. Die HBs bleiben auch sehr lange im Klassenverband unter sich und werden selbst in der Oberstufe nur teilweise im normalen Kurssystem unterrichtet. Vielleicht verstärkt das den Effekt? Und die persönlichen Rückmeldungen, die ich bekommen habe, waren leider oft in dem Bereich "sozial sehr schwierig", "Freunde in anderen Klassen frühestens ab der Oberstufe", usw.

Das "eingebildet sein" war für uns nur einer von mehreren Punkten. Der weitaus wichtigere war einfach dieser "Stempel", den wir nicht auf dem Kind haben wollten. Und den bekäme es halt, weil im Zeugnis stehen würde, dass es diesen Zweig besucht hätte. Wir definieren das Kind aber nicht über seine HB und wir möchten auch nicht, dass das andere tun.

Wir haben lange überlegt, ob es richtig ist, nur um diesen Stempel zu vermeiden auf die bessere Förderung zu verzichten. Aber wie einige anmerkten, so viel mehr Förderung ist es dann auch nicht, und den Teil der Förderung, der darauf abzielt, Underachiever zu erreichen, benötigt unser Kind nicht. Wir haben das Glück auch zu Hause einiges abdecken zu können und ein Einzugsgebiet mit leistungsstarken Kindern zu haben, da wird es auch auf dem normalen Gymnasium zurechtkommen.
Katze_keine_Ahnung
Dauergast
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Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Es braucht nicht mehr viel, um dem Kind statt des offenen Stempels "ich bin hochbegabt" einen für andere unsichtbaren zu geben: "es ist nicht normal, hochbegabt zu sein", der weitaus schlimmer ist.
Lieselotte
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Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Lieselotte »

Entschuldigt die späte Rückmeldung, wir waren anderweitig verplant.

Um den Stempel "es ist nicht normal, hochbegabt zu sein" mache ich mir gar keine Sorgen. Das Kind weiß ja nichts von der HB und ist es gewohnt, sich in einem Umfeld mit einem sehr hohen Anteil an weit überdurchschnittlich Begabten, darunter sicher viele Hochbegabte, zu bewegen. Aber eben, ohne dass das besonders thematisiert wird. Es nimmt Begabung, Können, ausgefallene Interessen nicht als etwas Außergewöhnliches wahr, sondern als gegeben und zum Wohle aller einsetzbar. Also eben als ganz normal.
Baobab
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Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Baobab »

Ich hatte zwei Kinder in einer hb-Klasse - die Große, höchstbegabt, ist unter dem Leistungsdruck fast zerbrochen, sie würde ich im Nachhinein nie wieder in so eine Klasse geben. Der Druck kam sowohl von der Schule als auch aus der Klasse selbst. Zwei ihrer Freundinnen sind mit Magersucht in der Klinik gelandet.

Der mittlere hat zusätzlich noch ADS und ASS - der hatte zumindest einen geschützteren Raum mit einigen Kindern in der Klasse, die ebenfalls nicht „normal“ waren.

Die Schule, an der die beiden waren, nennt die Klasse zwar auf dem Papier Hochbegabtenklasse, es ist aber tatsächlich eine Hochleister-Klasse. Die meisten Schüler dieser Klassen werden an dieser Schule von den anderen Schülern ausgegrenzt.

Aber das kann an anderen Schulen wiederum ganz anders aussehen.
Lieselotte
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Registriert: Mo 28. Nov 2022, 19:18

Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Lieselotte »

Über Leistungsdruck habe ich mir ehrlich gesagt gar keine Gedanken gemacht. Aber Du hast vermutlich Recht, dass sich hinter der Bezeichnung HB-Klasse sehr unterschiedliche Konzepte verbergen.

Bei Freunden in Bayern habe ich vom Erzählen her das Gefühl, dass die HB-Klassen sehr konkurrenzorientiert sind und hauptsächlich Hochleister genommen werden. Aber dort ist das Schulsystem insgesamt ja auch deutlich kompetitiver.

Eine Cousine hat ein Kind an einem CJD in der HB-Klasse, da scheint auch der ein oder andere Minderleister bewusst aufgenommen worden zu sein.

Kann so oder so sein. Konkurrenzdenken, Magersucht und Co findet man auch in den etwas schnöseligeren Schulen, Bill-Klassen, usw.

Wie hat sich der Leistungsdruck im Falle Deiner Tochter denn geäußert? Was würde von den Schülern erwartet? Ging der Druck eher von der Schule oder von den Mitschülern aus?
Katze_keine_Ahnung
Dauergast
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Registriert: Do 23. Jan 2020, 09:33

Re: Gute/schlechte Erfahrungen mit Begabtenklassen?

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Leider sind die Jugendlichen insgesamt psychisch sehr stark betroffen. Die Therapieplätze sind sehr rar, man bekommt rechtzeitig kaum Hilfe. Psychische Erkrankungen werden in social Media glorifiziert. Emoszene erlebt ihr Comeback. Darüber hinaus ist Magersucht nachgewiesenermaßen ansteckend. Zwei in einer Klasse sind daher keine Seltenheit.

Die hochbegabten Klassen sind selbst innerhalb einer Schule sehr unterschiedlich. Den Leistungsdruck kann ich nicht bestätigen. Vor allem beim Sohn war lernen eher verpönt, und ein 4er Schnitt in der Schulaufgabe auch keine Seltenheit.
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