Klassenclown

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
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LeMa22
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Klassenclown

Beitrag von LeMa22 »

Seit letzter Woche haben wir die Bestätigung, dass unser Sohn (8) hochbegabt ist. Ehrlich gesagt, habe ich geweint - geweint, dass mein Instinkt richtig lag, aber auch vor Furcht vor der Aufgabe ihm gerecht zu werden.

Seit Klasse 1 gibt es leider Probleme im Arbeits- und Sozialverhalten meines Sohnes. Er quatscht ständig rein, fokussiert sich nicht auf seine Aufgaben, lenkt andere dadurch ab. Dabei ist er häufig sehr albern, ein richtiger Klassenclown. Vor allem bei der Fachlehrerin (Mathe) scheint dies noch gravierender zu sein. Auf die Frage warum er das tut, kommt immer es ist so langweilig.
Gleichzeitig möchte ich aber auch betonen, dass es auch zu Hause nicht immer einfach ist. Auch hier testet er unheimlich gern Grenzen und ist häufig albern. Manchmal kann ich keine vernünftigen Gespräche mit ihm führen, weine und zweifle stark an meiner Erziehung.

Seine Lehrerinnen sind bemüht Veränderungen vorzunehmen, habe aber den Eindruck, dass sie selbst nicht so richtig wissen wie bzw. eben von den Schwierigkeiten bei der Aufgabenwahl Hochbegabter keine Erfahrung haben: Sprich er soll - bis wir hoffentlich mit einem Gespräch anderes bewirken - weiterhin Routineaufgaben machen und als Anreiz gibt es Zusatzaufgaben...

Bis das Gespräch stattfindet und wir vielleicht durch Externe eine bessere Möglichkeit haben über gute Bedingungen für Hochbegabte in Regelklassen zu sprechen, versuche ich an seine Vernunft zu appellieren: Ich habe seinen Kopf mit einem Rennauto verglichen, dass gern schnell fährt, aber es eben Verkehrsvorschriften (Regeln) gibt, an die er sich genauso wie nicht so schnelle Autos halten muss - dass diese aber wichtig sind, damit es nicht zu Unfällen (Unterrichtsstörungen etc.) kommt. Dass er aber sicherlich mit so einem schnellen Auto auch mal wirklich schnell fahren sollte - wenn man schon so ein schnelles Auto besitzt - sprich andere Aufgaben.

Gibt es hier Familien, dessen Kind sich auch wie ein Klassenclown benimmt? Oder in der Vergangenheit tat? Gab es irgendwann Verbesserungen? Wenn ja, was ist geschehen? Haben allein andere Aufgaben zu einer Verbesserung geführt?
Katze_keine_Ahnung
Dauergast
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Re: Klassenclown

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Hallo,

Clown ist eine Ausweichstrategie bei sozialen Unsicherheiten. Damit überdecken Kinder Ängste und Unwohlsein in den für sie unangenehmen sozialen Situationen. Hat er Freunde in der Klasse? Ist er bei der Gemeinschaft gut akzeptiert?
Rabaukenmama
Dauergast
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Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24

Re: Klassenclown

Beitrag von Rabaukenmama »

Hallo LeMa22!

Erst mal herzlich willkommen hier :) . Ich sehe viele Paralellen zwischen deinem Sohn und meinem älteren Sohn (mittlerweile 13). Auch er war gern Klassenclown, hat viel rumgeblödelt, aber sein Humor war (und ist) für die meisten anderen Kinder schlicht unverständlich.

Dieser Sohn hat lt. WISC IV ein sehr heterogenes Intelligenzprofil, wo als Gesamtwert nicht mal eine Hochbegabung rauskommt. Aber mittlerweile gehen wir davon aus, dass seine mittlerweile diagnostizierten Behinderungen (Asperger Autismus und ADHS) den Gesamtwert nach unten ziehen und das Testergebnis nicht sein tatsächliches kognitives Potential zeigt.

Auch mein Mann war Klassenclown und mit 8 Jahren hat seinerzeit die Direktorin einen IQ-Test angeregt, in der Hoffnung, den "Störenfried" wegen Intelligenzmangel an einer Sonderschule abschieben zu können. Das Testergebnis war dann auch deutlich überdurchschnittlich, wenn auch unter der HB-Grenze und der Plan der Direktorin vom Tisch. Mittlerweile vermuten wir aber (also nicht nur ich, auch mein Mann), dass er nie diagnostizierter Asperger Autist ist, wo ja auch die normalen IQ-Tests oft "nach unten" falsch sind.

Ich selbst bin getestet HB an der Grenze zur Höchstbegabung und zwar trotz (erst als Erwachsener diagnostizierter) ausgeprägter ADHS.

Also wir wissen, wo unser Sohn "es" herhat, sowohl die Intelligenz als auch ADHS und Autismus. Beide Störungen sind nämlich bei sehr klugen Kindern ausgesprochen schwer zu diagnostizieren, da diese Kinder viel mit ihrer kognitiven Fitness wettmachen.

Es ist auch was an Katze´s Aussage dran, dass manche Kinder mit sozialen Unsicherheiten (und das sind eben oft Kinder mit einer besonderen Form der Wahrnehmung) sich mit blödeln und auffällig-sein in den Vordergrund stellen. Bei meinem Sohn war das zum Beispiel, wenn er wo "dazu gehören" oder "gesehen werden" wollte, aber nicht wusste, wie er das ohne rumkasperln anstellen sollte. Wobei meinem Sohn nie gereicht hat, nur als "Ah, da ist auch ein anderes Kind!" wahrgenommen zu werden, er wollte (und will) immer der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit sein. Und das funktioniert mit angepasstem Verhalten eben nicht.

Du hast Angst davor, deiner Aufgabe (mit deinem Kind) gerecht zu werden, aber wenn es Probleme geben sollte, dann ist der Auslöser nur selten eine Hochbegabung, sondern es kann auch noch was Anderes dahinter sein. Mittlerweile betrachte ich ein "nur" hochbegabtes Kind als keine größere Herausforderung als ein durchschnittlich begabtes Kind. Probleme, zum Beispiel in der Schule, ergeben sich nicht durch hohe Intelligenz, sondern entweder durch andere, individuelle Persönlichkeitsmerkmale oder eben durch (zusätzliche) Behinderungen wie AD(H)S, Autismus, AVWS, usw.

Ich bin ja selbst ADHSlerin und hatte in der Schule extreme Probleme mit Mobbing und damit, immer wieder wegen meiner Angriffsfläche (die ich bereitwillig anbot) gehänselt und "vorgeführt" zu werden.

Mein älterer Sohn gilt mittlerweile als "unbeschulbar" und war das vergangene Schuljahr (nach 2 Jahren Gymnasium mit vielen Schwierigkeiten) durchgehend im homeschooling. Das ist bei uns in Österreich ja möglich. Er ist gerade im Prüfungs-Endspurt der Externistenprüfungen (insgesamt 15 :twisted: ) nach AHS-Lehrplan, und wie es ausschaut, wird er trotz minimaler schulischer Anstrengungen alle bestehen. Trotzdem möchte ich, dass er nächstes Jahr wieder eine Schule besucht, weil ICH mir den häuslichen Unterricht nicht ein weiteres Jahr antun will.

Leider ist es praktisch unmöglich eine Schule zu finden. Wir haben mittlerweile geschätzte 15 Ablehnungen von in Frage kommenden Schulen, von Gymnasium bis Sonderschule! Für "normale" Schulen ist sein Sozialverhalten (viel "stören" des Unterrichts, geringe Frusttoleranz, immer wieder soziale Missverständnisse) nicht tragbar, bei Sonderschulen mit gut strukturierten Kleinklassen (nach Mittelschullehrplan) passt er auf Grund seiner kognitiven Fitness nicht ins Setting.

Mit unserer Geschichte will ich dir keine Angst machen, ich will dich nur anregen, wenn die Probleme deines Kindes bestehen bleiben, weiter zu forschen, und nicht alle Schwierigkeiten auf seine Hochbegabung zu schieben. Die Kombi Hochbegabung und Wahrnehmungsstörung ist gar nicht so selten, nur tun sich leider auch sogenannte "Fachleute" (Psychiatoren, Psychologen, Neurologen, SPZ-Ärzte,...) schwer, bei dieser Kombi korrekte Diagnosen zu stellen. Ich finde aber, dass es vor allem für die Eltern selbst unheimlich wichtig ist, zu wissen, was wirklich hinter den Schwierigkeiten steckt.

Bei uns war es so, dass wir abwechselnd unseren Sohn und unseren Erziehungsstil für die Schwierigkeiten verantwortlich gemacht haben, und beides hat uns mehr geschadet als weiter gebracht. Mittlerweile weiß ich schon ziemlich gut, was mein Sohn kann und was er nicht kann, und das entspannt vor allem den Umgang in der Familie.

So, das war mal ein ganz langer Text. Wenn ich dich damit verwirrt habe, war es nicht meine Absicht. Aber ich denke, dass ich selbst vielleicht dankbar gewesen wäre, hätte mich jemand vor Jahren (als klar war, dass mein Sohn sehr klug ist, er aber noch keine anderen Diagnosen hatte) auf diese Dinge aufmerksam gemacht. Alles Gute!
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
LeMa22
Beiträge: 7
Registriert: Di 2. Mai 2023, 08:29

Re: Klassenclown

Beitrag von LeMa22 »

@Katze_keine_Ahnung
Mein Eindruck ist, dass er recht beliebt ist. Diesbezüglich habe ich auch noch nichts von seiner Klassenlehrerin gehört. Ich selbst habe auch mal angesprochen, ob er evtl. nicht das größte Selbstbewusstsein hat (wie bei mir der Fall) und dann durch Albernheit davon ablenken möchte: Die Klassenlehrerin meinte das würde wenn nur in Kreisgesprächen auffallen, weil er da wohl relativ leise spricht (also Erzählkreis etc.)

@Rabaukenmama: Nein, du verwirrst mich nicht. Ich bin dankbar über alle Anregungen. Kam vielleicht falsch rüber: Nein, ich denke auch, dass das nicht nur die Hochbegabung ist. Ich habe in letzter Zeit in verschiedenen Gruppen zu meinem Fall Autismus, ADHS usw. gelesen... ich musste ganz schön schlucken - zumindest Autismus wäre mir so gar nicht in den Sinn gekommen. Scheint, als sollten wir weitertesten... Problem... ich bin mit den Verhaltensauffälligkeiten zur Kinderärztin gegangen, die mich mit den Worten "Sie sind ja Pädagogin - da fällt Ihnen doch was ein!" abgespeist hat (ich bin Lehrerin, allerdings noch recht frisch). Sprich...da komme ich nicht weiter und müsste mir selbst Psychologen suchen.
Deine Geschichte hilft, macht mir aber gleichzeitig tatsächlich auch Angst :-/ Alles Gute für deinen Sohn
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