ADHS im allgemeinen

hochbegabt oder ADS oder beides?
Siegele
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Re: ADHS im allgemeinen

Beitrag von Siegele »

Maja-M hat geschrieben: Ich habe mit einigen forschenden Ärzten gesprochen und die Aussage ist immer dieselbe: Auf gar keinen Fall Psychopharmaka einsetzen!
Ich wünschte, diese Ärzte würden eine Lobby gründen, in der sie endlich mal die ungeschminkten Fakten zu diesem brisanten Thema auf den Tisch legen.
Ich bin immer wieder mit Kindern und Eltern konfrontiert, die schlichtweg "kaum etwas" bis "Nichts" über dieses Krankheitsbild (und dessen vielerlei Abstufungen) wissen, aber SEHR schnell mit Chemie-Kloppern wie Ritalin& Co. zur Hand sind. :evil:

Was mich unter´m Strich massiv nervt, ist der Umstand, das sich viele, eher Einkommensschwache Eltern eine Austestung des Kindes in einem Naturheilzentrum oder bei einem Homöopathen überhaupt leisten können, da die Krankenkassen nicht mitspielen. Und seien wir ehrlich...das "Hyperkinetische Syndrom" wurde eben von diesen Kontra-Schulmedizinern überhaupt erst gefunden, bzw. dessen Ursachen.
Maca
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Re: ADHS im allgemeinen

Beitrag von Maca »

http://www.medizinfo.de/kinder/probleme ... lgen.shtml

Dieses Störungsbild zu ignorieren oder ausschließlich mit (bei eindeutiger Diagnose) unwirksamer Naturmedizin zu behandeln, wäre ein unverzeihliches Versäumnis verantwortungsvoller Eltern.

Das Problem mit der "Chemiekeule Methylphenidat" ist, dass sie nur eingesetzt werden darf, wenn das Krankheitsbild der ADS eindeutig diagnostiziert wurde.

Und das können NUR darauf spezialisierte Fachärzte mit viel Erfahrung.

Wer seinem unruhigen, zappeligen Kind auf den bloßen Verdacht und weil der Kinderarzt meint " man könne es ja mal probieren", Ritalin gibt, handelt wie jemand, der jemandem, der ein bißchen schwitzt, Insulin spritzen möchte, weil er meint, dass dieser gewiss Diabetes habe.
Insulin würde man natürlich auch NUR bei gesicherter Diagnose verabreichen und dann würde NIEMAND die Gabe verurteilen,
im Gegenteil, Eltern, die einem zuckerkranken Kind Insulin vorenthalten würden und stattdessen zum Homöopathen liefen, machten sich strafbar.

Warum man bei der gesicherten Diagnose einer Stoffwechselstörung bei der Dopamin zu schnell verstoffwechselt wird, meint, die Sypmtomatik genauso gut mit homöopathischen Pillen , Meditation oder Algentherapie in den Griff zu bekommen, ist mir ein Rätsel.
Rabaukenmama
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Re: ADHS im allgemeinen

Beitrag von Rabaukenmama »

@Maca

Auch wenn ich deinen Standpunkt verstehe hinkt der Vergleich mit Insulin mMn gewaltig. Das hat hauptsächlich 3 Gründe:

1) Diabetes kann unbehandelt zum Tod führen. Vor der Entdeckung der Insulin-Therapie konnte man den Tod durch konsequentes fasten ein bis zwei Jahre hinauszögern. Vor diesem Hintergrund sind sogar etwaige Nebenwirkungen des Insulins erst mal zu vernachlässigen. Theodor Ryder war einer der ersten erfolgreichen Insulin-Patienten, wer googlen man kann (auch an Hand der eindrucksvollen Fotos vorher/nachher) sehen, wie lebenswichtig die Gabe von Insulin für diesen Menschen war - und für viele Diabetiker immer noch ist.

2) Diabetes KANN klar diagnostiziert werden. Der Blutzuckerspiegel ist messbar, ein "Hypo" ist ein sehr ernst zu nehmendes Warnsignal. Es mag Extremfälle von ADHS geben, wo es auch keine Zweifel gibt, aber der Großteil ist in einer Grauzone, wo man nicht klar sagen kann, in wie weit ein Kind im "normalen" Bereich einfach lebhaft ist. Und bei den Fällen, die ich kenne, wo ADHS VON MEDIZINERN diagnostiziert wurde, gab´s nicht mal eine Austestung des Dopamin-Stoffwechsels :evil: .

3) Im Gegensatz zur Behandlung mit Insulin steht auch finanzielle Interessen der Pharma-Konzerne dahinter. Hypokratischer Eid hin oder her - jedes mit Medikamenten behandelte Kind bringt Profit für die Pharmakonzerne, die sich bei Ärzten, die öfter etwas diagnostizieren, durchaus bedanken. Damit will ich absolut nicht die ganze Ärzteschaft der Bestechlichkeit anklagen - aber es reichen ein paar Prozent (ach was, ein paar Promille!) um tausenden Kindern falsche Diagnosen zu bescheren und tausenden Eltern falsche Informationen zu geben! Dazu kommt, dass die verabreiten Medikamente leider häufig schlimme Nebenwirkungen haben, so dass IN MANCHEN FÄLLEN nicht mal mehr klar erkennbar ist ob sie nicht mehr schaden als sie nützen.

Liebe Maca, ich halte ADHS für keine "Erfindung" und käme nie auf die Idee, jemanden, der sich mit gesicherter Diagnose für die Gabe von Medikamenten entscheidet, zu verurteilen. Aber es gibt einfach Unterschiede zwischen "Krankheit A" und "Krankheit B".

Dass mein jüngerer Sohn gehörlos ist wird von niemanden angezweifelt. Dass er zusätzlich Autist ist haben wir erst kürzlich erfahren. Und während die Reaktionen auf die Gehörlosigkeit hauptsächlich "Ach, das arme, arme Kind!" sind, ist die Autismus-Diagnose immer noch viele Laien (die sich für durchaus kompetent in der Sache halten) schlichtweg Unsinn. Ehrlich gesagt bin ich mir dieser Diagnose auch selbst nicht sicher - obwohl mir die Ärzte bei der Entwicklungsdiagnostik durchaus einen kompetenten und ehrlichen Eindruck gemacht haben. Aber sie sind trotzdem Menschen, die sich irren können. Die Frage ob Medikamente oder nicht stellt sich bei Autismus nicht - von der Warte kann ich die Verhaltens-Tipps (die auch einem gesunden Kind nicht schaden) gefahrlos anwenden. So gesehen bin ich sehr froh, kein Kind zu haben, wo die Diagnose ADHS im Raum steht ;) .
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Maca
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Re: ADHS im allgemeinen

Beitrag von Maca »

@rabaukenmama,
die fachärztlichen Richtlinien zur Diagnostik von ADS sehen eine "Austestung des Dopamine-Stoffwechsels " auch nicht vor.

Den Vergleich zwischen den Krankheiten finde ich in Bezug auf die Unterfunktion von Organen in beiden Fällen , legitim.

Im Falle von Diabetes ist es das Pankreas, dessen zelluläres Funktionsgewebe der Langerhanschen Inseln, nicht mehr genügend Insulin oder gar keins mehr bereitstellt.

Bei der ADS liegt nach heutigem Wissenstand eine Unterfunktion im Frontalhirn vor, was sich in einer ungenügenden Reizfilterleistung zeigt und dazu führt, das Hirnstrukturen sich verändern und das neurotypische hormonelle Gleichgewicht nicht erreicht werden kann.
Vor allem Dopamin steht dem Gehirn nicht lange genug zur Verfügung, da es schon gleich an seinem Wirkort im synaptischen Spalt wieder abgebaut wird.
Dopamin ist aber für die regelrechte Enwicklung des Menschengehirns extrem wichtig,
da es Antrieb, Motivation und Aktivität steuert.
Steht es nicht ausreichend zur Verfügung kann Methylphenidat dessen Abbau verzögern und so im besten Fall dem Gehirn helfen, sich störungsfreier zu entwickeln.
Es wird aber NUR unter bestimmten Vorraussetzungen nötig sein , dann wenn das Frontalhirn wirklich JEDEN Reiz durchlässt!!!!!!!!
Dann benötigt dieses Wunderwerk eine Zeit der Erholung , damit es seine Selbstregenerationskräfte aktivieren kann, um Strukturen zu bilden, in Form von gefestigten Informationsbahnen, die den Betroffenen nachhaltig das Leben erleichtern.
Und glaub mir, das merkt man als Mutter.

Zur Zeit kann man ADS nicht so eindeutig und einfach erkennen wie eine Diabetes, keine Frage.
Und wenn überhaupt kein Insulin mehr produziert wird, sind die Folgen sehr viel unmittelbarer und drastischer.
Insulin hilft, den Zucker aus dem Blut heraus, dem Gesamtorganismus, den Muskeln und vor allem dem Gehirn zur Verfügung zu stellen. Gelingt dies nicht , stellt das Gehirn seine Funktion komplett ein, es funktioniert halt nicht ohne Kohlenhydrate.

Das ADS Hirn besonders Betroffener funktioniert zwar ohne die nicht ausreichend zur Verfügung stehenden Neurotransmitter noch, aber nicht optimal, was Auswirkungen auf die gesamte Entwicklung haben kann.
Die Folgen sind dann sehr viel später erst so richtig ausgeprägt und nicht tödlich, jedenfalls nicht direkt.
Indirekt schon!!!!!!!!!
Denn die Gefahr, dass emotionale Störungen bis zu massiven Depressionen entstehen , die mitunter auch im Suizid enden können sind sehr viel höher, als bei neurotypischen Menschen.

Was die Raffgier der Pharmalobby betrifft , bin ich ganz bei dir .

Methylphenidat WIRD VIEL ZU HÄUFIG ohne jede Notwendigkeit verschrieben.
Und oft liegt auch nur eine leichte Unterfunktion im Stirnlappen vor. Das kann man durch gezieltes ArbeitsorganisationsTraining , Reizminimierung im häuslichen Umfeld, sehr konsequente elterliche Begleitung mit verlässlichen starren Strukturen und stetigem motivierendem Lob von außen, meist gut kompensieren.

Also ist es ähnlich wie beim Diabetes.
Wenn die Bauchspeicheldrüse nur noch eingeschränkt Insulin produziert, kann man mit Diät noch eine zeitlang klarkommen, ohne Medikamente .
Produziert sie gar nichts mehr, muß man andere Wege gehen :mrgreen: .
Rabaukenmama
Dauergast
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Re: ADHS im allgemeinen

Beitrag von Rabaukenmama »

Maca hat geschrieben: Das ADS Hirn besonders Betroffener funktioniert zwar ohne die nicht ausreichend zur Verfügung stehenden Neurotransmitter noch, aber nicht optimal, was Auswirkungen auf die gesamte Entwicklung haben kann.
Die Folgen sind dann sehr viel später erst so richtig ausgeprägt und nicht tödlich, jedenfalls nicht direkt.
Indirekt schon!!!!!!!!!
Denn die Gefahr, dass emotionale Störungen bis zu massiven Depressionen entstehen , die mitunter auch im Suizid enden können sind sehr viel höher, als bei neurotypischen Menschen.
Ich bin mir bei mir selbst mittlerweile ziemlich sicher, dass ich von frühester Kindheit an unbehandelte ADHS habe. Vor einigen Jahren, als der ältere Sohn meines Mannes diese Diagnose bekam, habe ich mich intensiv dafür interessiert. Von ca. 20 ADHS-Merkmalen waren bei mi (in der Kindheit) ganze 19 gegeben. Auch die sozialen Probleme, die fehlende Akzeptanz und das dadurch geringe Selbstwertgefühl waren dabei. Ab dem Alter von 12 Jahren hatte ich über mehr als 15 Jahre immer wiederkehrende Suizidgedanken und ich bin mit 22 Jahren auch in selbstmörderischer Absicht aus dem Fenster gesprungen. Ich weiß ganz genau, was du meinst!

Ich weiß aber auch, was mir aus dem Schlamassel rausgeholfen hat, und das waren keine Medikamente, sondern echte Freunde, die mich einfach so angenommen haben, wie ich bin. Stundenlange Gespräche über viele Jahre hinweg, ehrliche (Selbst-)Reflexion, Menschen, die an mich geglaubt haben und langsam aber sicher der Glaube an mich selbst, die Motivation, mich damit zu befassen, wie ich "funktioniere" und was ich an meinem Verhalten modifizieren kann (und will) und was nicht.

Ich kenne nur den Weg, den ich gegangen bin. Hätte ich ein Kind mit ADHS wüßte ich nicht, ob ich ihm manche Situationen, in die ich (vermutlich auch durch dieses Krankheitsbild) für mein Kind medikamentös zu verhindern versuchen würde.

Ich weiß aber, wie der Sohn meines Mannes, bei dem sich ADHS nach Jahren als Fehldiagnose herausgestellt hat, auf die Medikamente reagiert hat: mit unvermittelten Weinkrämpfen und schwer depressiven Zuständen! Er selbst hat gesagt das sei, seit er "diese Tabletten" nehmen muss. Er hat die Tabletten übrigens erst Jahre nach erkennen der Fehldiagnose wieder absetzen können, weil er süchtig danach geworden ist.

Vor diesen Hintergründen meines eigenen Wissens halte ich die Entscheidung "Medikamente bei ADHS - ja oder nein?" für eine extrem schwierige. Ich würde mich nie so weit aus dem Fenster lehnen anderen dafür oder dagegen zu raten.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Maca
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Re: ADHS im allgemeinen

Beitrag von Maca »

@rabaukenmama

Ich weiß, dass du viel zu tolerant bist, um die Entscheidungen,die andere nach vielen wohlüberlegten Gedanken getroffen haben, zu verurteilen . :D

Dein Werdegang ist wirklich sehr interessant und dein sehr hoher IQ hat dir mit Sicherheit langfristig geholfen, eventuelle Reizfilterschwäche zu kompensieren.
Aber leicht war es ja auch für dich nicht und wer weiß wieviel einfacher dein Leben gewesen wäre, wenn du ein aufgeklärtes, verständnisvolles Umfeld gehabt hättest und frühzeitiges Organisations-und Konzentrationstraining dir in der Kindheit als Unterstützung zur Verfügung gestanden hätte.

Puhhh,
ich wollte übrigens ABSOLUT keine Webung für Psychopharmaka machen,
sie sind im Rahmen einer Therapie wirklich der letzte Schritt und werden leider nach wie vor

Viel zu voreilig
Viel zu HOCH DOSIERT
Viel zu vielen
und oft auch den FALSCHEN Kindern verabreicht!!!!!

Nämlich oft denen, die stören, die sich durch Dauerbewegung, Zappeligkeit selbst therapieren .

Denn was anderes ist die Hyperaktivitätät ja eigentlich nicht, als der Versuch der Kinder ihr Gehirn durch Bewegung immer wieder zu stimulieren, weil es durch die permanente Reizbeschallung immer kurz davor steht, den Betrieb lahmzulegen. :roll:

Das machen irgendwann die hypoaktiven Kinder, diese haben die Stategie der Selbststimulation nicht entwickelt und träumen sich stattdessen komplett weg.
Meine Tochter drohte ihrer eigenen Welt zu verschwinden
und wir sind SOOOOOOPO froh, dass wir sie wiederhaben!!!! :D

Heute geht die Tendenz dazu, dass man ADSler mit Leidensdruck eher auch medikamentös therapiert, als ADHSler , die vor allem für ihre Umgebung anstrengend sind, aber sich eigentlich ganz wohl fühlen.
Sie leiden ja nicht in erster Linie an ihrem Anderssein, sondern an den negativen Reaktionen, die ihr Umfeld ihrem Verhalten gegenüber entgegenbringt.


Ihnen ist tatsächlich oft eher geholfen, wenn man ihnen mit Verständniss , Toleranz und Geduld begegnet.
Aufgeklärte Lehrer, die auf die besonderen Andersartigkeiten dieser Kinder eingehen, sie stärken und konsequent leiten und
auch an einem guten sozialen Klima mitarbeiten,
könnten so manchen Leidensweg von ADHSlern und langwierige Therapien verkürzen!
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