Hallo meine3,
Bei uns ist die Diagnose nun schon weit über drei Jahre her.
Sie zog sich damals aber mehr oder weniger über 5Jahre hin, weil in unserem Fall eher ich diejenige war, die sich vor dem endgültigen “Stempel“ fürchtete.
Mein Mann hielt das Ganze eher für eine überspannte Problemsuche, um verträumte und unkonzentrierte Kinder unter einer pathologischen Begrifflichkeit zu einen und als Therapiekunden auszunehmen.
Er war aber grundsätzlich mit jeder Diagnostik einverstanden , ließ sich im Laufe der Zeit immer mehr auf die Problematik ein und akzeptierte dieses Störungsbild irgendwann auch vollständig.
Meine Tochter ist aber auch ein ADS(ohne H)ler wie aus dem Lehrbuch.
AD(H)S hat so viele Facetten und Ausprägungen und es ist seiner Erscheinung leider oft ziemlich unberechenbar.
Unsere Ärztin erzählte, dass viele Familien diverse Anläufe für eine Diagnostik starten, weil sie oft vorher absagen um kurze Zeit später um einen neuen Termin zu bitten.
Das liegt daran, dass ADS in sehr unterschiedlichen Phasen ablaufen kann.
Ist das Kind in einer guten Phase denkt man schnell „ach guck, eigentlich alles gut, haben uns wohl reingesteigert, eigentlich ist unser Goldschatz gaaaanz normal“, kippt das dann, weil die Kompensationsstrategien extrem viel Energie rauben und das Kind “Erhohlungsphasen“ braucht, in denen das Störungsbild sich eindeutig zeigt, zieht es einen wieder zu den Experten um Hilfe zu bekommen.
Was Eltern immer im Hinterkopf haben sollten ist, dass die veränderte AD(H)S-Wahrnehmung im reizintensiven Kinder-und Schulalltag eine enorme Belastung darstellt, die jedes Kind anders wuppt.
Gerade die sehr sensiblen Kinder mit dünnem Fell und ständigen Selbstzweifeln (weil sie z.b. alles abwägen und sich selber hinterfragen) profitieren, meiner Erfahrung nach, deutlich von dem Wissen um ihre Abweichung von der neurotypischen Norm.
Für meine Tochter war die gesicherte Diagnose und die nachfolgende psychotherapeutische (und medikamentöse) Begleitung ein absoluter Segen. Ich muß aber auch ehrlich zugestehen, dass sie damals in einem desolaten emotionalen Zustand war, ausgebrannt, beginnende Depression, katastrophales Selbstwerterleben, extreme Geschwisterrivalität mit Vorformen von Hass.....
Wenn man als Eltern Teil des Prozesses ist, sieht man manchmal die schleichende Verschlechterung nicht in der Intensität, wie sie objektiv auftritt.
Aus der Retrospektive heraus bin ich heute erschüttert, wie schlecht es meinem Kind damals ging.
Auf älteren Fotos sieht man ihre Erschöpfung im Vergleich zu späteren sehr eindeutig.
Das ist jetzt ein recht extremes Beispiel, ausserdem weiß ich nicht, wie unsere Tochter sich in einem sehr strukturierten Umfeld entwickelt hätte. Mein Mann und ich sind leider Vollchaoten, was für aufmerksamkeitsgestörte Kinder suboptimal ist.
Du bist so sehr im Thema drin und schwingst so intensiv mit deinen Kindern mit, dass du weniger Gefahr laufen wirst, eindeutige Signale nicht richtig einzuordnen. Wenn überhaupt bestünde vielleicht die Gefahr der Überinterpretation, aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es mitfühlende Eltern gibt, die davor gefeit sind.
So eine Metaebene hat niemand, auch wenn einige das gerne für sich in Anspruch nehmen.
Wenn dein Mann zur Zeit so ablehnend reagiert, finde ich das wirklich schwierig.
So ein Ärztemarathon kostet echt Kraft, man muß auch ein Stück seiner Intimsphäre hergeben, dazu müssten im besseren Fall beide Eltern bereit sein. Wenn sich nur einer engagiert und das alles emotional alleine stemmen muss, geht das auf‘ s Zahnfleisch, frustriert und später reagiert man schon auf flapsige Bemerkungen sehr......unentspannt!
Ich habe meinem Mann damals immer und immer wieder klargemacht, dass er alles alleinig aus dem Blickwinkel seines Kindes sehen muss, losgelöst von Fremdwirkung, Konventionen und eigenen Befindlichkeiten.
Es geht nur um den individuellen Leidensdruck, ob und wie stark er vorhanden ist und wie man ihn lindern kann, alles andere hat weniger Priorität.
Das hat er, wie gesagt, irgendwann auch eingesehen.
euch schicke ich erstmal ( von unbekannter Seite) einen dicken Batzen Kraft!
LG
von Maca