ADHS und ein bisschen Asperger

hochbegabt oder ADS oder beides?
Rabaukenmama
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Re: ADHS und ein bisschen Asperger

Beitrag von Rabaukenmama »

Twochild hat geschrieben: Hallo Rabaukenmama,
vielen Dank für deinen Beitrag. Ich versuche mal auf alles zu antworten.
Bei der ASS Abklärung wurde die Lehrerin mittels eines Fragebogens befragt. Bei der ADHS-Diagnostik aber nicht. Und soweit ich weiß, muss ja auch dort in mehreren Bereichen der Nachweis dasein um die Diagnose zu stellen.

Für ASS wurden mehrere Tests gemacht ADOS II, MBAS, Disyps III und ein Vorgespräch. In allen Tests hatte er Punkte blieb aber insgesamt unter dem Cut-off. Deswegen meinte der Arzt, dass er „leichte autistische Züge“ habe und man seine weitere Entwicklung noch abwarten müsse.
Hallo Twochild!

Ja, so kenne ich das auch! ASS-Abklärung mit Lehrer-Fragebogen und ADHS-Abklärung ohne. Wobei bei der Eltern-Befragung der Score z.B. bei der sozialen Kompetenz UNTER dem Cut-Off lag, obwohl ich definitiv ehrliche Antworten gegeben habe. Bei der Lehrerbefragung war er aber über dem Cut-Off und bei der Leistungsuntersuchung (ADOS-2) kam aber bei der sozialen Interaktion "im hohen Symptomleves des autistischen Spektrums" raus.

So gesehen dürfte bei euch alles ordentlich gemacht worden sei. Mich persönlich regen nur so Aussagen wie "leicht autistische Züge" auf - gerade bei einer Spektrumskrankheit. Von da zur Aussage "Jeder ist ein bißchen autistisch" ist dann nur ein kurzer Weg. Und diese Aussage ist in meinen Augen einerseits ein Bagatellisieren einer ernsthaften Wahrnehmungsstörung und impliziert andererseits ein unnötig-Sorgen-machen bei Menschen außerhalb des Spektrums.

Ich will da auch nicht klüger sein als die KJPS (oder wer auch immer die Testungen bei deinem Sohn gemacht haben), nur rein von deiner Beschreibung her hätte ich erst mal mehr autistische als ADHS-Anzeichen gesehen.
Twochild hat geschrieben: Zu den Meltdowns; ich habe mich ja auch schon vor der Testung mit dem Thema beschäftigt und glaube eigentlich nicht, dass er welche hat, wenn er ausrastet. Es passiert fast immer wenn Anforderungen an ihn gestellt werden, die er nicht erfüllen möchte (z.B. Hausaufgaben), er seinen Willen nicht durchsetzen kann, etwas nicht so klappt, wie er sich das vorgestellt hat oder er etwas missinterpretiert. Meist dauert es nur 5-10 Minuten, dafür dann mehrfach hintereinander – Schreien, Türen knallen, noch mehr Schreien und Heulen. Und es war ein weiter Weg bis dahin. Früher hat er sich an mich gehängt, damit ich ihn beruhige, während er geschrien und geschimpft hat. Das war schon sehr paradox.
Es kommt aber auch vor, dass es sich bis zu 1,5 Std hinzieht und er so ausrastet, dass er Sachen rumschmeißt und kaputt macht. Fast immer dabei sind Äußerungen in denen er sich selbst runter macht „Ich bin zu blöd. Keiner mag mich. Ich bin euch egal. Ich will Tod sein.“ Das war dann ja auch der Grund warum wir nochmal zum Ki-psych gegangen sind.
Nein, das sind sehr wahrscheinlich keine Meltdowns. Das ist genau das Verhalten, welches ich von meinem älteren Sohn kenne, wenn er (wie du das von deinem Sohn beschreibst) Anforderungen nicht erfüllen möchte, seinen Willen nicht durchsetzen kann, etwas nicht so klappt, wie er es sich vorgestellt hat, oder er etwas mißinterpretiert. Wobei es bei meinem Sohn "kurz und schmerzvoll" ist, also erst mal großes Drama, aber in 1-2 Minuten schon wieder vorbei. Er schmeißt dabei auch nicht mit Sachen rum oder macht was kaputt. Daher ist es für uns auch nicht so belastend wie für euch, aber eben trotzdem auffällig für einen 10jährigen, weil es eher an die Trotzphase eines Kleinkinds erinnert. So Aussagen wie "Ich bin zu blöd. Keiner mag mich. Ich wünschte, ich würde nicht mehr leben!" kennen ich aber auch in diesen Phasen. Das haben wir auch mit unserem KJP (Kinder- und Jugendpsychiater) besprochen, der gerade für so was mMn besserer Ansprechpartner ist als ein KinderPSYCHOLOGE. Positiv bei meinem Sohn ist dabei, dass er, wenn er nicht gerade so eine schlechte Phase hat, durchaus eine ausgeglichen-fröhliche bis leicht überdrehte Grundstimmung hat und zumindest zu Hause meistens mit sich und der Welt "im reinen" ist.

Das ist auch einer der Gründe, warum wir uns nach dem mißglückten Versuch mit verschiedenen ADHS-Medikamenten erst mal gegen eine Medikation entschieden haben. Meiner Meinung nach hat mein Sohn auch vom Neurofeedback ziemlich gut profitiert und es besteht insgesamt kein großer Leidensdruck - weder für ihn selbst noch für uns als seine Familie.

Beim jüngeren Bruder war es komplett anders. Auslöser für dessen Meltdowns waren oft ähnliche Dinge wie bei meinem älteren Sohn. Aber der große Unterschied war, dass dann irgendwann die Situation vom normalen kindlichen Wutanfall in etwas "gekippt" ist, von dem ich bis dahin keine Vorstellung hatte. Wenn bei meinem älteren Sohn dann doch nach seinem Willen gehandelt wurde (z.B. er musste nicht sofort seine HÜ machen) dann hörte der Anfall sofort auf. Bei den Meltdowns meines jüngeren Sohnes war das dann nicht mehr möglich. Wenn es z.B. anfangs darum ging, noch ein Eis zu bekommen, was von uns verneint worden war, konnte ein nachträgliches "Ja, du bekommst doch noch ein Eis!" die Sache nicht mehr rückgängig machen. Im Gegenteil, würde man ihm die der Situation das Eis (was ja der Auslöser war) in die Hand drücken, würde er es einem in hohem Bogen nachwerfen. Der Fahrtendienst zum Kindergarten wollte meinen Sohn mal bei so einem Anfall mit Schokobananen beruhigen . Diese sind dann beim Auto dahinter auf der Windschutzscheibe geklebt. Einmal war der Auslöser für einen 2stündigen Anfall, dass er nicht vom Bad heimfahren wollte. Da sind wir dann 3 Mann (bzw. 2 Mann 1 Frau) hoch :mrgreen: in der Umkleide gesessen und haben eigentlich nur aufgepasst, dass sich unser Wutbürger nicht selbst verletzt und nichts vom Mobilar zerstört. Und danach waren wir alle fix und fertig, während mein Sohn, der den Anfall hatte, eigentlich relaxed und ausgeruht erschien :schwitz: .
Twochild hat geschrieben: Ich finde auch, dass das IQ-Testergebniss nicht für ADHS spricht. In frühreren Testungen sah das anders aus. Wegen Auffälligkeiten im letzten Kigajahr waren wir u.a. mit ihm im SPZ. Der Termin war, bedingt durch die lange Wartezeit, erst als er in der Schule war und es eigentlich gut lief. Dort wurde er ebenfalls getestet und das einzig „auffällige“ Testergebnis lieferte der Aufmerksamkeitstest. Er lag bei T-Werten zwischen 42 und 51. Also unterer Normbereich. Der zweitschlechteste waren Analogien mit 56. Der Rest war zwischen den T-Werten von 62 und 74 (IQ von 118-136) Der Matrizentest lag bei einem T-Wert von 66 (IQ 124) . Insofern verwundert mich der aktuelle IQ Wert 88 im FS schon sehr. Damals wurde außer einer leichten Koordinationsstörung nichts festgestellt. Des Weiteren wurde uns geraten ggf im weiteren Verlauf auf HB zu testen.
Hat man euch gesagt, warum ADHS diagnostiziert wurde, worauf sich also die Diagnose stützt? Außer der mangelhaften Impulskontrolle (die auch andere Ursachen haben oder einfach eine (vorübergehende) Charakterschwäche sein kann), spricht von deiner Beschreibung nichts dafür. Bei meinem Sohn waren es außerdem (zusätzlich zur Impulsivität) noch motorische Unruhe, leichte Ablenkbarkeit, geringes Durchhaltevermögen und (bei der Testung) schwankende Grundstimmung. Gut, schwankende Grundstimmung kann man bei deinem Sohn vermutlich auch annehmen, zumindest was das kippen in diese Wut-Phasen anbelangt.
Twochild hat geschrieben: Die Entwicklung eures jüngeren Sohnes mit den Medis hört sich super an. Klingt nach deutlich mehr Lebensqualität für alle Familienmitglieder!
Wir werden die Medis wohl ausprobieren. Einfach um es wenigstens mal getestet zu haben. Bei uns besteht auf jeden Fall ein Leidensdruck. Die Außenwelt sieht kein Problem, jedenfalls nicht das was wir hier zu Hause erleben und mein Sohn leidet sicherlich unter den Wutausbrüchen. Er ist von einer Medieinnahme aber überhaupt nicht begeistert und will das nicht. Da müssen wir noch ein wenig Überzeugungsarbeit leisten. Wie habt ihr das eurem Sohn erklärt?
Ehrlich gesagt haben wir beim jüngeren Sohn gar nicht viel erklärt sondern einfach nur das Medikament (Risperidon) verabreicht. Er hat auf Grund unterschiedlicher Erkrankungen schön öfter Medis bekommen und es hat anstandslos geklappt. Ich habe schon einmal versucht, ihm in Gebärdensprache zu erklären, dass er die Medizin bekommt, weil sie ihm hilft, sich besser zu fühlen. Wie viel davon er verstanden hat, weiß ich aber nicht. Für ihn sind wir als Eltern immer noch allwissend und er hinterfragt solche Entscheidungen nicht.

Beim älteren Sohn habe ich vor der Medikation ausführlich besprochen, dass WIR (mein Mann und ich) WOLLEN dass er das Medikament ausprobiert, weil wir schauen wollen, ob es ihm damit besser gelingt, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten.

Nachdem wir die Entscheidung zum ausprobieren getroffen hatten haben wir nachträglich nicht noch so getan, als würden wir diese unserem Sohn selbst überlassen. Da gab es keine Überzeugungsarbeit zu leisten. Als unser Sohn eine bakterielle Infektion hatte, haben wir ihm schließlich auch (mit entsprechender Erklärung: du bekommst das jetzt, weil...) die verordneten Antibiotika gegeben, ohne uns vorher sein OKAY dazu zu holen. Und hätte er Diabetes würden wir auch nicht bei ihm nachfragen, ob er bereit wäre, sich Insulin spritzen zu lassen. Ich sehe hier die Verantwortung für die Entscheidung DES AUSPROBIERENS von Medikamenten klar bei den Eltern.

Wenn das Kind dann beim tatsächlichen Versuch über Beschwerden klagt, die wahrscheinlich mit dem Medikament im Zusammenhang stehen, liegt es auch in der Verantwortung der Eltern, gemeinsam mit dem begleitenden Profi (in unserem Fall war das der KJP) über Dosisänderung, absetzen oder ausprobieren eines anderen Medikaments bzw. einer anderen Behandlung zu entscheiden.
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Re: ADHS und ein bisschen Asperger

Beitrag von Rabaukenmama »

sinus hat geschrieben: Meine große Tochter hat übrigens glaube ich die gesamte Grundschul- und Hortzeit nicht einmal vor anderen geweint. Auch im Kindergartenalter war das schon so. (Tränen und Wutausbrüche etc gabs/gibts ausschließlich daheim)
Nichtmal zur Klassenfahrt, vor der sie große Angst hatte und gar nicht mit wollte und wohl viele der Mädchen abends vor Heimweh ein paar Tränchen vergossen, liess sie sich "in die Karten gucken".
Trotzdem sagte sie immer wieder von sich: "Ich bin so eine Heulsuse!, warum bin ich bloß so empfindlich?"
Deine Tochter sieht sich in solchen Momenten einfach selbst als empfindliche Heulsuse, unabhängig davon, wie sie (dank ihrer "Fassade") auf andere wirkt. Es reicht ihr nicht, als starke Persönlichkeit gesehen zu werden, sie will sich auch selbst so empfinden. Das kann sie aber nicht, wenn sie gerade (wieder) von Selbstzweifeln geplagt wird.

Die Tatsache, dass sie sich VOR ANDEREN nicht erlaubt, zu weinen, trübt nicht ihren Blick auf ihr eigenes Inneres. Es geht ihr nicht darum, die Starke zu SPIELEN, sie würde gern stark SEIN. Und auch, wenn sie das in der Sicht ALLER, die sie kennen (einschließlich ihrer Familie), durchaus ist, ändert das nichts an ihrem Selbstbild.
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Re: ADHS und ein bisschen Asperger

Beitrag von Rabaukenmama »

sinus hat geschrieben:
Auch wenn es noch nicht ganz weg ist. Aktuell sticht sie bei solchen Anfällen aber wenigstens auf ein extra dafür von uns hergestelltes Wutkissen ein (mit ihrer Schere :? ), statt sich selbst zu schlagen oder zu beißen.
Und sie hat jetzt immerhin zum Ausgleich auch viel öfter sehr fröhliche Phasen, in denen sie ausgelassen und albern ist, was in der Grundschulzeit nicht allzuoft vorkam.
Und mit ihren besten, "ausgewählten" Freunden zusammen ist sie auch immer gut drauf - witzig, locker, frech...
Das hört sich schon mal sehr gut an :) .

Was die Wut betrifft so habe ich persönlich postive Erfahrungen mit Plastik-Kleiderbügeln gemacht, die ich im Falle von extremen Wutanfällen noch heute abbreche. Nachdem ich als junge Erwachsene 2x meine Wut an meiner eigenen Brille ausgelassen haben (und das ziemlich teuer wurde), habe ich diese billige Alternative entdeckt. Vor allem aber hat man Kleiderbügel immer zu Hause :mrgreen: .
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Re: ADHS und ein bisschen Asperger

Beitrag von sinus »

Rabaukenmama hat geschrieben:
sinus hat geschrieben: Meine große Tochter hat übrigens glaube ich die gesamte Grundschul- und Hortzeit nicht einmal vor anderen geweint. Auch im Kindergartenalter war das schon so. (Tränen und Wutausbrüche etc gabs/gibts ausschließlich daheim)
Nichtmal zur Klassenfahrt, vor der sie große Angst hatte und gar nicht mit wollte und wohl viele der Mädchen abends vor Heimweh ein paar Tränchen vergossen, liess sie sich "in die Karten gucken".
Trotzdem sagte sie immer wieder von sich: "Ich bin so eine Heulsuse!, warum bin ich bloß so empfindlich?"
Deine Tochter sieht sich in solchen Momenten einfach selbst als empfindliche Heulsuse, unabhängig davon, wie sie (dank ihrer "Fassade") auf andere wirkt. Es reicht ihr nicht, als starke Persönlichkeit gesehen zu werden, sie will sich auch selbst so empfinden. Das kann sie aber nicht, wenn sie gerade (wieder) von Selbstzweifeln geplagt wird.

Die Tatsache, dass sie sich VOR ANDEREN nicht erlaubt, zu weinen, trübt nicht ihren Blick auf ihr eigenes Inneres. Es geht ihr nicht darum, die Starke zu SPIELEN, sie würde gern stark SEIN. Und auch, wenn sie das in der Sicht ALLER, die sie kennen (einschließlich ihrer Familie), durchaus ist, ändert das nichts an ihrem Selbstbild.

Ja, ich weiß. Sehe ich auch so.
Ich wollte damit nur aufzeigen, dass man nach außen oft nicht sieht, was im Inneren wirklich vorgeht und welche "Last" das für den Betroffenen sein kann. Die sich dann zu Hause bzw im geschützen Rahmen dann mitunter mit erschreckender und oft für andere überraschender Heftigkeit Bahn bricht.
Zuletzt geändert von sinus am So 7. Jun 2020, 17:01, insgesamt 1-mal geändert.
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sinus
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Re: ADHS und ein bisschen Asperger

Beitrag von sinus »

Rabaukenmama hat geschrieben: Es geht ihr nicht darum, die Starke zu SPIELEN, sie würde gern stark SEIN. Und auch, wenn sie das in der Sicht ALLER, die sie kennen (einschließlich ihrer Familie), durchaus ist, ändert das nichts an ihrem Selbstbild.
Ihr Bedürfnis, ihr Inneres zu entwickeln, bzw bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten in sich selbst zu entdecken, kann man sehr schön an ihren Lieblingsthemen beobachten. Ihre Lieblingsthemen lebte sie von Anfang an immer so dermaßen intensiv aus, dass ich zwangsläufig anfing, darüber nachzudenken, was das Thema wohl für sie auf der Metaebene bedeutete.
(Darüber habe ich sogar auch schon mir ihr selbst philosophiert.)
So wie manche Kinder deutliche Vorlieben für bestimmte Geschichten/Märchen entwickeln, weil sie ein bestimmtes Thema behandeln/widerspiegeln, was sie besonders beschäftigt, so waren es bei ihr immer schon Tiere, an denen sie sich da "abarbeitet".
(Lieblingsmärchen erzählen übrigens auch sehr viel über einen Menschen, seine inneren Konflikte, Bedürfnisse, Sehnsüchte und Wünsche... Bei meiner Großen war es eine Zeit lang "Schneewittchen", was sie immer und immer wieder hören wollte)

Als junges Kleinkind (2-3) war sie bestimmt gut ein Jahr lang (!) ein "Vogelbaby". Sie liebte damals Rolf Zuckowskis Vogelhochzeit und spielte sehr intensiv Rollenspiele als Vogeljunges.
Wenn ich sie früh weckte, sagte sie, sie wolle noch im Nest bleiben, wenn sie stolperte sagte sie Sachen wie "Das Vogelbaby kann noch nicht richtig fliegen" etc.
Zu der Zeit steckte sie manchmal so in ihrer Rolle, dass ich es richtig schwer hatte, das "echte" Kind anzusprechen.

Ich denke, damals fühlte sie wie in der Übergangsphase vom Nestling zum Ästling. Als kleiner Vogel, der einerseits noch Nestwärme brauchte, anderseits spürte sie, dass es Zeit war, die Welt selbst zu erkunden. (passt zur erste Ablösungsphase im/nach dem 3. Lebensjahr)
Diese Rolle bot ihr offensichtlich sehr viel, um sich innerlich und äußerlich damit auseinanderzusetzen.

Danach kam das Urmel. (3-4) Ebenso intensiv.
Mit ihm teilt sie auch so Einiges. Bspw dass es von ihrer Art niemanden sonst gibt.
Das könnte das innere Fühlen ihrer kognitiven Besonderheit betreffen, aber auch ihr Aussehen/ihre Herkunft. (Sie ist mit ihrer deutsch-nepalesischen Herkunft schon auch eine etwas ungewöhnliche Mischung).
Auch sagte sie mir im Nachhinein mal, dass es im Kindergartenalter Zeiten gab, wo sie sich fragte, ob sie womöglich adoptiert sei, weil sie sich irgendwie so fremd fühlte. (Das sei aber - zum Glück - längst nicht mehr so, wie sie mir versicherte.)

Um die Einschulung herum bzw in Klasse eins hat sie sich nicht nur die Haare abgeschnitten und sich eine "Jungenidentität" zugelegt, sondern auch eine große Vorliebe für Wölfe entwickelt. Der von ihr ausgesuchte Ranzen bspw war schwarz mit Wolf. Sehr vieles drehte sich damals um den Wolf.
Beides (der Wolf und das Junge Sein) sehe ich als Versuch, innere Stärke zu entdecken und zu zeigen.
Sei wollte kein "empfindliches, zartes Mädchen" sein, sondern ein starker Wolf, vor dem man Respekt hat.
Der Wolf passte sehr genau zu ihrem Empfinden: Er steht für Stärke (die sie gern gehabt hätte) und Unabhängigkeit (die ihr definitiv auch wichtig ist).

Im Laufe der Grundschulzeit entdeckte sie dann ihre noch andauernde Passion für Katzen. Natürlich auch darum, weil wir ein Katerbaby bekamen. Aber wir hatten auch vorher schon eine Katze gehabt. Und auch Meerschweinchen (gabs zwei zum Schulanfang) und Kaninchen. (hatten wir schon vorher)
Katzen sind wirklich eine regelrechte Obsession geworden, alles drehte sich nur noch um Katzen. (genaugenommen dauert diese Phase wie gesagt immernoch an)
Sie selbst verhielt sich oft "katzisch", beim Kuscheln rieb sie sich an mir bspw, aber sie fauchte einen auch gern mal an, statt auf irgendwas abwehrend zu antworten.
Eine Weile lang (kurz nach dem Testergebnis) trieb sie es sogar soweit, dass sie auf fast alles nur mit "Miau!" antwortete - meiner Meinung nach ein Protest gegen die Erkenntnis, dass sie so besonders schlau sein sollte.
Sie malte gut 2 Jahre lang nur noch Katzen (wirklich NUR Katzen, jede Mal-Aufgabe, egal welches Thema, wurde so umgesetzt, dass am Ende eine Katze das Motiv bildete!), kennt zig Katzenrassen, ist ein wandelndes Katzenlexikon, hat gut 20 Katzenkuscheltiere (alle mit eigenem Namen), ein schwarzes Katzenkostüm für Halloween, ein ganzes Regal Sachbücher, Geschichten und Romane mit und über über Katzen (Lieblingsbuch lange: "Nero Corleone") und ich musste um den 11. Geburtstag mir ihr zusammen pelzige Katzenohren an einem Haarreif basteln, den sie dann lange zu Hause gern trug.

Hier zeigt sich, denke ich, ihre an sich große Anschmiegsamkeit, der Wunsch nach Geborgenheit, dem verwöhnt und liebkost Werden, den sie definitiv hat (aber nur mir gegenüber zeigt), aber sie kann auch sehr "kratzbürstig" und eigenwillig sein.
Das Wesen einer Katze (eigenwillig, eigenständig, kratzbürstig und anschmiegsam zugleich) entspricht ihr aktuell wirklich sehr.

Wir sind schon gespannt, was als nächstes kommt. Aber grad gestern kam per Post ein Hoodie, den ich ihr bestellt hatte. Schwarz mit wilder Katze drauf und Katzenohren an der Kapuze und sie war restlos begeistert und hat gleich darin geschlafen.
In ihren Animationsfilmen hat sie (also ihr Alter Ego) übrigens auch immer Katzenohren.
Malen tut sie seit kurzem aber nun endlich auch menschliche Figuren, zwar meist mit Katzenohren und leicht katzigen Eigenschaften, aber es ist wirklich jetzt das erste Mal, dass sie freiwillig MENSCHEN malt.

Ansonsten beschäftigt sie sich ja gerade mit realen Kriminalfällen, Serienmördern etc.
Da gibt es so ein Podcast, den sie hört, wo es u.a. auch darum geht, wie die Täter zum Kriminellen geworden sind, nach welchen Gesichtspunkten sie ihre Opfer gewählt haben etc. Also deren Psychoprofil.
Ich glaube, neben der natürlich faszinierenden tw langwierigen Aufklärungsarbeit bei solchen Fällen geht es evtl momentan in die Richtung, die "dunkle Seite" in sich selbst aufzudecken und sich ggf (hoffentlich :? ) mit ihr zu versöhnen.
Zuletzt geändert von sinus am So 7. Jun 2020, 16:44, insgesamt 8-mal geändert.
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sinus
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Re: ADHS und ein bisschen Asperger

Beitrag von sinus »

@twochild: Sorry für den Exkurs etwas abseits.
Die Blätter sind bunt
nun bellt der Hund
nun lacht der Mund
Raureif liegt auf dem Gras.
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(Herbstgedicht der 6jährigen)
Maca
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Re: ADHS und ein bisschen Asperger

Beitrag von Maca »

Twochild hat geschrieben:Es wurde auch ein IQ Test gemacht, der auch anders ausfiel, als ich ihn bei einem ADHS Kind erwarten würde. Er wurde mit dem Wisc V getestet

SV 130
VRV 119
FS 88 ( :shock: )
AGD 112
VG 109
Insgesamt ebenfalls 109

Ich finde die 88 im FS schon krass und denke, dass sowas ja eigentlich im Alltag auffallen müsste, oder ??? Das er sprachlich stark ist war schon klar. Die VRV hätte ich schlechter eingeschätzt, ebenso wie die VG.

Ich frage mich (wenn ich das Ergebnis denn Ernst nehme), ob seine Schwierigkeiten vielleicht mit der krassen Differenz zwischen SV und FS damit zu tun haben könnten???
Hallo,

Ignoriere den Untertest “Fluides Schlussfolgern“ einfach.
Der niedrige Wert ist kein Indiz für grundlegende Probleme deines Kindes logisch zu denken, sondern er zeigt einfach seine Unfähigkeit/ Unwillen die Konzentration längerfristig aufrechtzuerhalten und welcher Untertest dann schlechter ausfällt als seinem Potential entspricht, ist vermutlich Zufall, bzw. es betrifft das, was ihn aktuell am wenigsten zu fesseln vermag oder den letzten Teil.
Die Motivationskomponente spielt bei Aufmerksamkeitsstörungen eine extrem wichtige Rolle.

LG
Twochild
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Re: ADHS und ein bisschen Asperger

Beitrag von Twochild »

Hallo sinus,
sinus hat geschrieben: Wie sieht es aus mit Scratch? Hat er evtl Interesse am Programmieren?
Mit Scratch hatte meine Große in Klasse drei viel Spaß!
Das ist leicht zu lernen und zu verstehen, so dass man schnell Erfolge haben kann und kann online passieren. (Keine Installation, keine Kosten. Könnt ihr ja mal reingucken. Wenn du magst, schreib ich dir noch Buchtipps dazu, mit deren Hilfe meine Tochter das allein gelernt hat)
Spielt er gern Minecraft?
Das wäre mal wieder was. Er hat das vor so ca. 2 Jahren mal probiert. Nachdem ich gesehen habe, wieviel Zeit darin „versinkt“ haben wir es wieder eingeschränkt. Man merkt bei ihm leider, wenn er viel Zeit vor dem Laptop, TV, Tablet etc verbringt (mehr Unruhe und Unausgeglichenheit). Könnten ich aber mal wieder anregen. Gefallen hat es ihm auf jeden Fall. Er hatte da übrigens auche einen Freund zu Besuch, der dann zwei Stunden neben ohm gesessen hat und geduldig zugeschaut hat. Meine Anregungen z.B. mal zu tauschen, lehneten beide ab.
Das Gleiche gilt für Minecraft. Da hab ich am eigenen Leib erlebt, wie schnell die Zeit vergeht, wenn man erstmal was angefangen hat ;)
sinus hat geschrieben:
Ebenfalls im Alter deines Sohnes hat sie eine Weile lang mit Begeisterung Englisch gelernt mit der App "Duolingo".
Und anspruchsvolle Brettspiele waren und sind beliebt.
Danke für die Anregungen. Bei Brettspielen kommt ihm leider häufiger seine mäßige Aufmersamkeitsspanne in die Quere. Gepaart mit der geringen Frusttrationstoleranz ungünstig. Es wird aber laaaangsam besser und die Spielfiguren fliegen nicht mehr ganz so häufig durch die Gegend. Woanders zu spielen ist da vielleicht eine gute Idee, da er sich da ja in der Regel gut im Griff hat.
Twochild
Dauergast
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Re: ADHS und ein bisschen Asperger

Beitrag von Twochild »

Rabaukenmama hat geschrieben:
sinus hat geschrieben:
Auch wenn es noch nicht ganz weg ist. Aktuell sticht sie bei solchen Anfällen aber wenigstens auf ein extra dafür von uns hergestelltes Wutkissen ein (mit ihrer Schere :? ), statt sich selbst zu schlagen oder zu beißen.
Und sie hat jetzt immerhin zum Ausgleich auch viel öfter sehr fröhliche Phasen, in denen sie ausgelassen und albern ist, was in der Grundschulzeit nicht allzuoft vorkam.
Und mit ihren besten, "ausgewählten" Freunden zusammen ist sie auch immer gut drauf - witzig, locker, frech...
Das hört sich schon mal sehr gut an :) .

Was die Wut betrifft so habe ich persönlich postive Erfahrungen mit Plastik-Kleiderbügeln gemacht, die ich im Falle von extremen Wutanfällen noch heute abbreche. Nachdem ich als junge Erwachsene 2x meine Wut an meiner eigenen Brille ausgelassen haben (und das ziemlich teuer wurde), habe ich diese billige Alternative entdeckt. Vor allem aber hat man Kleiderbügel immer zu Hause :mrgreen: .
Wir haben hier eine Wutkiste angelegt. Mit einem Block, Stiften, Büchern zum Thema, einem passenden Kritzelheft und Knautsch- und Igelball. Das nimmt er mal besser, mal schlechter an. Generell hilft ihm lesen sehr wieder runter zu kommen, wenn die erste Wutwelle durch ist.
Twochild
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Re: ADHS und ein bisschen Asperger

Beitrag von Twochild »

Rabaukenmama hat geschrieben: Beim älteren Sohn habe ich vor der Medikation ausführlich besprochen, dass WIR (mein Mann und ich) WOLLEN dass er das Medikament ausprobiert, weil wir schauen wollen, ob es ihm damit besser gelingt, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten.

Nachdem wir die Entscheidung zum ausprobieren getroffen hatten haben wir nachträglich nicht noch so getan, als würden wir diese unserem Sohn selbst überlassen. Da gab es keine Überzeugungsarbeit zu leisten. .
Du hast natürlich Recht, dass die Eltern die Entscheidung tragen. Ich finde es vermutlich schwierig, weil ich die Argumente meines Sohnes gut nachvollziehen kann. Er sagt, dass er erst alles andere Ausprobieren möchte bevor er Medis nimmt, die ja für schwere ADHSler sind und das sei er nicht und auserdem habe es Nebenwirkungen wie Appetitlosigkeit und Schlafstörungen. Er möchte zunächst Neurofeedback testen.
Ich habe nun mit ihm besprochen, dass wir morgen in einer Praxis für NFB anrufen. Da wir vermutlich erst in 4-6 Wochen einen Termin bekommen werden, kann er in der Zwischenzeit Medikamente TESTEN. Er ist damit ja nicht verpflichtet es ewig zu nehmen und wenn die negative Nebenwirkungen überwiegen sowieso nicht. Darauf konnte er sich einlassen. Mal sehen wie das ist, wenn er die erste Pille nehmen soll...

Ich zweifle vermutlich, weil ich immer wieder denke, dass es doch auch so geht.

Und schwupp, saß er heute heulend und schreiend auf dem Trampolin – es gab irgenwie Stress mit der Schwester – schlug sich selber vehement ins Gesicht begleitet von „ich bin blöd“ „ich will nicht mehr leben“ etc... Meine Tochter war total geschockt, da er das zum ersten Mal gemacht hat und wollte ihn davon abhalten, was es nur noch schlimmer gemacht hat. Er hat sich dann auf meinem Schoß recht schnell ablenken und halbwegs beruhigen lassen.

Da denke ich dann wieder, okay es muss etwas passieren.
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