mein Sohn hat ADHS, nun offiziell...

hochbegabt oder ADS oder beides?
Meine3
Dauergast
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Re: mein Sohn hat ADHS, nun offiziell...

Beitrag von Meine3 »

Katze_keine_Ahnung hat geschrieben:@Meine3

was sagt dein Mann zu dem Vorschlag sich auch durch die Fachliteratur erstmal zu informieren? Meine Meinung zu MPH hat sich geändert nachdem den Statement gelesen habe, dass im Gegensatz zur Laienmeinung, MPH sei an die Kinder verabreichte Droge, MPH zu einer niedrigeren Drogengefährdung von ADHSlern führt. Nicht nur dadurch, dass generelle innere Unruhe gemindert wird, sondern auch nicht unwesentlich durch die Verbesserung der sozialen Position und Erhöhung des Selbstwertes.

Wenn die Symptome nach der Gabe von MPH deutlich weniger werden, werdet ihr auch sehen können, ob und wie viel von ASS dabei ist.
Hallo Katze,

er sagte, er werde sich in über ADHS und die Medis informieren und was dazu lesen. Allerdings ist er sehr lesefaul mittlerweile, weil er abends einfach geschlaucht und müde ist...Ansonsten ist er oft sehr festgefahren mit seiner Meinung und auch überzeugt, dass seine Ansichten die richtigen sind (also mehr als andere, die sich auch mal überzeugen lassen ;) ). Er hat in den letzten Monaten akzeptiert, dass er wohl die genetische Ursache für Sohnemanns Besonderheiten ist, denn er war als Kind genau so im Verhalten. Er erkennt sich ständig wieder. Das heißt, mein Mann muss sich nicht nur mit dem Störungsbild unseres Kindes auseinander setzen, sondern auch mit seinem eigenen.

Er ist der Meinung, dass etwaige Studien etc. wegen der Pharmaindustrie so positive Resultate zeigen und nicht, weil es wirklich so ist. Schließlich sei das Geschäft mit Ritalin und Co. ein Milliardengeschäft. Klar, mit letzterem hat er Recht. Aber ICH habe im Gegensatz zu ihm auch mit anderen betroffenen Eltern gesprochen und persönliche Erfahrungen ausgetauscht, er nicht. Und daher glaube ich, dass Medikamente durchaus eine gute Lösung sein können, auch wenn es fast "zu einfach" erscheint...

Es ist also hauptsächlich wieder einmal eine Diskussion zwischen meinem Mann und mir. Aber das kriegen wir hin. Wobei mein Mann vor Medikamenten eher nochmal einen Schulwechsel in BEtracht ziehen würde. Das ist bei mir nicht der Fall, weil alle Veränderungen in diese Richtung bislang die Lage deutlich verschlechtert haben und mein Sohn schlicht nicht will...
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.
Meine3
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Re: mein Sohn hat ADHS, nun offiziell...

Beitrag von Meine3 »

sinus hat geschrieben:Hallo meine3. Wie gehts dir jetzt mit dem Ergebnis? Wird das schulisch was ändern? Weiß die Lehrerin jetzt schon Bescheid? Wenn ja - wie hat sie reagiert?
Hallo Sinus,

danke der Nachfrage. Mir geht es seltsam. Auf der einen Seite bin ich erleichtert, weil ich nicht „gaga“ zu sein scheine. Die bisherigen Untersuchungen sind nämlich eindeutig in Bezug auf ADHS und nicht nur grenzwertig. Das einzige, was eben nicht so ganz „passt“, ist, dass die Konzentrationstests (VG und AGD) innerhalb der Wechsler-Tests nicht so unterirdisch sind, wie sie es bei Kindern mit ADHS sonst sind. Außerdem kann man jetzt eben in verschiedene Richtungen gezielter aktiv werden.

Auf der anderen Seite ist es natürlich trotzdem eine Sache, die man erst verdauen muss. Vor allem die Tatsache, was mein Sohn alles kompensieren muss, wie undankbar dieses Störungsbild ist, wieviel Unterstützung er eigentlich bräuchte (Stichwort Schulbegleitung), aber recht sicher nicht bekommt, sofern nicht noch die ASs-Diagnose hinzu kommt.

Die Lehrerin weiß seit gestern Bescheid und wir haben über weitere mögliche Nachteilsausgleiche gesprochen und ich soll mir Gedanken machen und wenn mir was einfällt, was noch helfen könnte, soll ich Bescheid geben. Anders herum ebenfalls. Sie sagt, dass sie sich das schon gedacht hat, dass er die Diagnose bekommt. Sie habe vor 2 Jahren schon einmal ein Kind mit ADHS in der Klasse gehabt, das aber „nicht so stark betroffen war“ (ich vermute, das kind hatte die ADS ohne H...), sie sich aber bei Sohnemann wundert, dass er es immer wieder auch mal einen Tag hinbekommt, sich „normal“ zu verhalten und dann aber wieder ins alte Muster verfällt...

Natürlich hat sie sich für Medikamente ausgesprochen oder für einen Schulwechsel :cry: und hat die große Belastung auch für die anderen Schüler ihrer Klasse und Sohnemanns immer schlechtere Stellung innerhalb der Klasse betont. Ansonsten fachlich haben wir bis auf die Schreibvermeidungshaltung des Sohnes absolut keine Sorgen. Alles top, nur das Schreiben ist eben ein Problem. Das strengt ihn an und er vermeidet es wo es nur geht. Das artet täglich in Kömpfen aus und ist sehr mühselig...
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Rabaukenmama
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Re: mein Sohn hat ADHS, nun offiziell...

Beitrag von Rabaukenmama »

Meine3 hat geschrieben: Das einzige, was eben nicht so ganz „passt“, ist, dass die Konzentrationstests (VG und AGD) innerhalb der Wechsler-Tests nicht so unterirdisch sind, wie sie es bei Kindern mit ADHS sonst sind.
Unsere Söhne haben ja sehr ähnliche Ergebnisse beim WISC. Ich bin mir mittlerweile ziemlich sicher, dass (hohc-)begabte ADHS-Kinder eben NICHT so unterirdische Werte haben wie durchschnittlich oder unterdurchschnittlich intelligente ADHS-Kinder. Die VG ist z.B. bei meinem Sohn mit 91 der schlechteste Wert, das AGD mit 102 der zweitschlechteste. Beides fällt aber noch unter "Durchschnitt" (Bereich 85-114), obwohl die anderen Werte allesamt höher sind.

Ich bin ja selbst erwachsene ADHSlerin mit Hochbegabung und bei mir ist es exakt dasselbe. Hab meinen ehemaligen "Berufseignungstest" gefunden, den ich mit 14 Jahren gemacht habe. Alle Wert oberer Durchschnitt, überdurchschnittlich oder stark überdurchschnittlich, nur die Arbeitsgewindigkeit LEICHT unterdurchschnittlich. An meiner eigenen ADHS habe ich mittlerweile keinerlei Zweifel mehr. Und mich wundert gar nicht dass die Ergebnisse meines Sohnes so sind, wie sie eben sind.

Ich vermute, dass viele Kinderpsychologen und KJPs einfach zu wenig Erfahrung mit AD(H)S in Kombi mit Hochbegabung haben und daher als ihre Referenzwerte die der NT-Kinder hernehmen. Und bei einem durchschnittlich intelligenten Kind mit homogenen Entwicklungsprofil ist eben ein VG-Wert im unteren Durchschnittsbereich kein Indiz für ADHS, bei einem Kind, welches aber in so ziemlich allen anderen Bereichen überdurchschnittlich oder stark überdurchschnittlich unterwegs ist, sehr wohl.
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Katze_keine_Ahnung
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Re: mein Sohn hat ADHS, nun offiziell...

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Bezogen auf 150+ ist 100 doch unterirdischer als 80 bezogen auf 100... Das Konzept scheint zu stimmen.
Maca
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Re: mein Sohn hat ADHS, nun offiziell...

Beitrag von Maca »

Ich glaube, dass die Heterogenität innerhalb eines Testprofils an sich viel ausschlaggebender ist als spezifisch schlechte Werte in AG und VG.
Maca
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Re: mein Sohn hat ADHS, nun offiziell...

Beitrag von Maca »

Meine3 hat geschrieben:


Die Lehrerin weiß seit gestern Bescheid und wir haben über weitere mögliche Nachteilsausgleiche gesprochen und ich soll mir Gedanken machen und wenn mir was einfällt, was noch helfen könnte, soll ich Bescheid geben. Anders herum ebenfalls. Sie sagt, dass sie sich das schon gedacht hat, dass er die Diagnose bekommt. Sie habe vor 2 Jahren schon einmal ein Kind mit ADHS in der Klasse gehabt, das aber „nicht so stark betroffen war“ (ich vermute, das kind hatte die ADS ohne H...)
Sowas triggert mich immer ein bißchen.
Hypoaktive ADSler sind doch nicht weniger betroffen, nur weil sie ihren inneren Druck nicht nach außen abgeben und damit weniger auffallen.
Der Ausprägungsgrad wird ja nicht durch die Hyperaktivität bestimmt, sondern durch das Ausmaß der Reizfilterschwäche und das Vorliegen von Begleitstörungen.
Aber das wolltest du wahrscheinlich auch nicht sagen.
Meine3
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Re: mein Sohn hat ADHS, nun offiziell...

Beitrag von Meine3 »

Maca hat geschrieben:
Meine3 hat geschrieben:


Die Lehrerin weiß seit gestern Bescheid und wir haben über weitere mögliche Nachteilsausgleiche gesprochen und ich soll mir Gedanken machen und wenn mir was einfällt, was noch helfen könnte, soll ich Bescheid geben. Anders herum ebenfalls. Sie sagt, dass sie sich das schon gedacht hat, dass er die Diagnose bekommt. Sie habe vor 2 Jahren schon einmal ein Kind mit ADHS in der Klasse gehabt, das aber „nicht so stark betroffen war“ (ich vermute, das kind hatte die ADS ohne H...)
Sowas triggert mich immer ein bißchen.
Hypoaktive ADSler sind doch nicht weniger betroffen, nur weil sie ihren inneren Druck nicht nach außen abgeben und damit weniger auffallen.
Der Ausprägungsgrad wird ja nicht durch die Hyperaktivität bestimmt, sondern durch das Ausmaß der Reizfilterschwäche und das Vorliegen von Begleitstörungen.
Aber das wolltest du wahrscheinlich auch nicht sagen.

dass sich das triggert, kann ich gut verstehen, hat es mich nämlich auch :fahne: . Daher die Gänsefüßchen. Es ist nicht meine Schlussfolgerung gewesen, sondern die der Lehrerin. Aber anhand ihrer Erklärungen war dieses Kind nicht so unruhig und sozial weniger auffällig, sondern eher das Gegenteil. Das klingt für MICH nach ADS, für sie als Lehrkraft wirkt es, als sei das Kind weniger betroffen, weil
SIE weniger durch das Kind gestört wird :roll:, was natürlich so nicht stimmt. Es ist nur ihre Wahrnehmung des Kindes: stört weniger=weniger betroffen
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.
Rabaukenmama
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Re: mein Sohn hat ADHS, nun offiziell...

Beitrag von Rabaukenmama »

Bei Wahrnehmungsstörung bedeutet im Volksmund "stark betroffen" übersetzt "sehr auffällig" bzw. "sehr störend". Daran, wie es dem Kind damit geht, denkt niemand. Ist bei Autismus exakt dasselbe, wobei ich da ehrlich zugeben muss, dass ich anfangs auch ähnlich gedacht habe. Es gibt ja auch aggressive Autisten, die über Tische und Stühle gehen und solche, die überhaupt nicht zugänglich sind. Da dachte ich, mein Sohn sei wohl, wenn überhaupt, ein "leichter Fall", weil eben nicht so auffällig.

Mittlerweile hat sich diese Einstellung relativiert, einerseits, weil er (leider) mit zunehmenden Alter im Vergleich zu Gleichaltrigen immer auffälliger wurde, und weil ich andererseits mittlerweile deutlich merke, wie sehr er selbst unter seinen Störungen leidet. Und die Kombi ADHS und ASS macht es besonders schwer. Durch den Autismus ist das Kind oft nicht in der Lage, sich "normal" zu verhalten, weil es einfach keine Ahnung hat, was in dieser oder jener Situation "normal" wäre. Dadurch ist bei einem wahrnehmungsgestörten Kind mit Anpassungswillen jede Reaktion ein Versuch, das "Richtige" zu sagen oder zu tun. Aus Versuch und Irrtum kann das Kind aber trotzdem nicht dieselben Schlüsse ziehen wie ein neurotypisches Kind, weil ihm eben die Skills für ein soziales Miteinander nicht beherrscht. Es kann in einer Situation besser sein, nachzugeben, und in einer anderen, auf dem eigenen Standpunkt zu beharren. Das kommt alles von der ASS-Seite.

Von der ADHS-Seite kommt noch eine geringe Frustrationsschwelle und geringe Emotionskontrolle dazu. Das kann z.B. bei meinem Sohn dazu führen, dass er sich auf Grund einer ganz normalen Aussage total angegriffen und schwer beleidigt fühlt und entsprechend wütend reagiert (was dann keiner versteht).

Umgekehrt bekommt er durch seine ASS manchmal gar nicht mit, wenn er WIRKLICH durch den Kakao gezogen wird und wenn sich andere Kinder auf seine Kosten lustig machen. Dadurch kann er auch da nicht angemessen reagieren.

Ich habe schon mal das Beispiel geschrieben, als ein anderes Kind im Hort meinem Sohn freudig gesagt hat, dass es heute Spaghetti zum Mittagessen gibt. Mein Sohn hat das andere Kind angeknurrt "Lass mich in Ruhe und hör auf, mich zu provozieren!" Als ich nachgefragt habe, warum er so unfreundlich reagiert meinte mein Sohn, der andere Junge habe ihn mit der Aussage sicher provozieren wollen, denn dass es Spaghetti gibt steht schließlich für jeden lesbar am Speiseplan. Somit kann der einzige Grund, dass der andere Junge das trotzdem zu ihm sagt, sein, dass ihn dieser Junge eben ärgern will. Denn schließlich kann er ja selbst lesen!

Dieses typisch autistische Missverständnis hat mir auch gezeigt wie falsch die Sichtweise von außen wegen "stark betroffen" oder "weniger stark betroffen" ist. Meinem Sohn kann man vorwerfen, dass er unfreundlich ist, aber sein Verhalten ist nicht extrem auffällig. Ein anderes autistisches Kind, welches beim gleichen Missverständnis zuschlägt, wird als "schwerer Fall" angesehen. Ein wieder anderes autistisches Kind, welches sich schwer beleidigt fühlt, aber nach außen hin keine Reaktion zeigt, gilt als "wenig betroffen" oder sogar als "normal" - und das unabhängig davon, wie sehr das Kind selbst leidet.

Daher bekommen auch die auffälligsten Kinder die meisten Hilfen in Form von Therapien, Nachteilsausgleichen, Medikation, usw., während man bei den weniger auffälligen oft der Ansicht ist, sie würden es schon so irgendwie schaffen. Hier ist mMn ganz wichtig, wirklich hinzuschauen, wie es dem Kind insgesamt geht. Bei meinem älteren Sohn habe ich seit dem Wechsel ins Gymnasium sehr deutlich gemerkt, wie sehr er unter Umständen leidet, die neurotypischen Kindern auch manchmal Schwierigkeiten machen, aber nicht annähernd in dem Ausmaß!

30 Minuten ruhig sitzen und konzentriert eine Mathe-Hausübung machen ist für meinen Sohn eine echte Meisterleistung. Und auch da kann vorkommen, dass er beim letzten Beispiel einfach nicht mehr weiter kommt, weil die Konzentrationsspanne schlichtweg überschritten ist und er nicht mehr an das rankommt, was er eigentlich im Kopf hat. Auch das kenne ich von mir, nur habe ich als Erwachsene mittlerweile Strategien entwickelt, dass das nicht so auffällt.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Meine3
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Re: mein Sohn hat ADHS, nun offiziell...

Beitrag von Meine3 »

sinus hat geschrieben:Hallo meine3. Wie gehts dir jetzt mit dem Ergebnis? Wird das schulisch was ändern? Weiß die Lehrerin jetzt schon Bescheid? Wenn ja - wie hat sie reagiert?

Hallo Sinus,

Versuch 3 dir zu antworten. 8-)

Da ich bei "wie gehts dir? Und wie hat die KL reagiert? Etwas ausholen muss, wurde ich zwischenzeitlich immer von meinen Kindern unterbrochen und konnte die Nachricht nicht zu Ende schreiben:

Nun habe ich alles erst in einem Word-Dokument geschrieben, da kann man bei Unterbrechungen weiterschreiben und muss nicht von vorn anfangen.

Also, zu Frage 1.

Mir geht es tatsächlich besser. Zuvor hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, ICH sei das Problem, nur ich sähe, dass mein Sohn nicht einfach einen miesen Charakter hat, sondern das eine reale Ursache hat. ES klingt vielleicht egoistisch, aber bestätigt zu bekommen, was man 2,5 Jahre lang sieht und gegenüber jedem „kämpfen“ muss fürs Kind (auch gegenüber dem Mann teilweise), damit dem Kind geholfen wird, das ist schon wirklich sehr ermüdend und diese rein psychische Last, „gaga“ zu sein und umsonst gegen Windmühlen zu kämpfen, ist von mir abgefallen. Ich gebe mir nicht mehr jeden Abend beim zu Bett gehen die Schuld für das miserable Verhalten meines Kindes. Ich weiß nun woher es kommt, kann die richtige Fachlektüre lesen, kann Elterngruppen besuchen, mich austauschen und anfangen zu akzeptieren. Auch für meinen Mann ist das grade eine sehr aufregende Zeit. Er war ja lange noch der Meinung unser Sohn sei völlig „normal“, nur weil ER als Kind ganz genau so war. Irgendwann hat er dann gemerkt, dass unser Sohn in vielen Situationen aber komplett anders reagiert und agiert als andere Kinder und dass er selbst wohl auch die selben zu Grunde liegenden Defizite hat wie mein Sohn.

Und dass er dadurch einen negativen Stempel kriegen könnte oder ähnliches: diese Angst habe ich längst nicht mehr. Denn den Stempel hat er längst :o(. Mit einer Diagnose hat man wenigsten noch eine Begründung (die die wenigsten interessiert, daher hilft das einem am meisten selbst).

Mein Mann und ich können beide verständnisvoller sein, seit wir wissen, dass er wirklich in vielen Situationen sein bestes gibt und er nicht mit Absicht so „schwierig“ ist.

Wir haben bereits vor der Rückmeldung durch die KJP mit einem Chip-System begonnen zu Hause, was wir eigentlich „doof“ finden, weil wir mehr so in Richtung gewaltfreie Kommunikation gehen, aber bei unserem Sohn bringt das nunmal nichts mit der gewaltfreien Kommunikation (was ja schon frustig genug ist). Dieses Chip-SYstem belohnt richtiges Verhalten in Situationen, die schon mehrfach (oft über JAHRE) lang immer wieder besprochen wurden und die Regeln mehr als klar sind und dennoch für ihn schwer einzuhalten sind, die er also in Vergangenheit immer wieder in massiven Ausmaß misachtet hat (versehentlich). Wenn er es schafft, sich an die Regeln zu halten, bekommt er einen Chip. Missachtet er sie, kommt ein Chip weg. Zudem gibt es Chips für Helfen bei ihm unliebsamen Arbeiten, wie gute Mitarbeit beim homeschooling (ein guter Tag in der Schule), den Müll rausbringen, den Tisch decken. Wenn er das nicht macht oder hinbekommt, gibt’s keinen Abzug, das ist lediglich ein Bonus.

Es ist bescheuert, aber es hilft bislang überraschend gut. Ich bin gespannt wie lange. Die Belohnungen sind aber eben auch „cool“ (PC-Zeit oder Abend-Fernsehzeit mit den Eltern ohne Geschwister, was grundsätzlich alle Kinder ab 8 ab und zu bekommen, aber im Moment ist es für ihn eben ein Highlight mit Mama und Papa abends noch einen Film zu schauen). Im Normalfall gibt’s bei uns beides nur in ganz homöopathischen Dosen.Wir haben ihm gesagt, dass, wenn er es dauerhaft schafft, sich an die Regeln zu halten, wir das Chip-System wieder abschaffen und er dann feste Zeiten PC und Fernsehzeit mit den Eltern bekommt.Es soll ihm nur helfen, die Regeln zu verinnerlichen. Derzeit gibt’s das für ihn nur, wenn das Verhalten passt.

Wie gesagt, eigentlich mögen wir sowas nicht. Aber Kinder mit ADHS brauchen oft eine zusätzliche Motivation, sich an Regeln zu halten, die sie selbst unsinnig finden (z.B. Treppe nicht runter rasen, darauf niemanden überholen) und es scheint zu klappen.

Dann kam die vorläufige (noch nicht vollständige?) Diagnose und ich erzählte derKJP von unserem Chip-System. Die KJP war total begeistert, da sie sowas uns ohnehin vorgeschlagen hätte.

Was die KL so sagt: nun, sie ist überaus höflich, umgänglich und freundlich. Sie ist eine wirklich sehr gute Lehrerin. Sozial und pädagogisch sehr kompetent. Nur das mit dem differentierten Unterrichtsstoff ist sehr begrenzt. Sozial geht sie schon jetzt sehr differenziert auf ihn ein. Er sitzt bei ihr vorne, allein. Sie berührt ihn, wenn er wieder zu viel vor sich hin murmelt oder kaspert oder träumt. Sie erinnert ihn öfter an seine Schulsachen als andere Kinder, er darf sich Auszeiten nehmen und kurz vor die Tür (ist derzeit problematisch, weil er zuletzt dann draußen Unfug gemacht hat), sie hat Kopfhörer ausprobiert (führt leider dazu, dass er lauter wird, anstatt lauter. Für ihn gut, für den Rest der Klasse doof). Sie bat mich, wenn ich Ideen habe, die ihr jederzeit mitzuteilen, damit sie es ausprobieren kann (sofern es umsetzbar ist). Ansonsten hat sie schon klar zu verstehen gegeben, dass SIE es für besser hält, wenn der Sohn entweder medikamentös eingestellt wird oder aber die Schule wechselt. Sie schilderte sehr ausführich, wie schwierig der Unterricht mit ihm sei, nicht nur für sie, vor allem auch für die anderen Schüler der Klasse.

Mein Mann würde eher noch einen weiteren Schulwechsel probieren als ihm Medis geben, ich gehe da eher nach dem Wunsch meines Sohnes, der UNBEDINGT an dieser Schule bleiben möchte.

Also danke der Nachfrage, du siehst, es geht viel im Kopf rum und ist viel los.
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.
Meine3
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Re: mein Sohn hat ADHS, nun offiziell...

Beitrag von Meine3 »

sinus hat geschrieben:Hallo meine3. Wie gehts dir jetzt mit dem Ergebnis? Wird das schulisch was ändern? Weiß die Lehrerin jetzt schon Bescheid? Wenn ja - wie hat sie reagiert?

Hallo Sinus,

Versuch 3 dir zu antworten. 8-)

Da ich bei "wie gehts dir? Und wie hat die KL reagiert? Etwas ausholen muss, wurde ich zwischenzeitlich immer von meinen Kindern unterbrochen und konnte die Nachricht nicht zu Ende schreiben:

Nun habe ich alles erst in einem Word-Dokument geschrieben, da kann man bei Unterbrechungen weiterschreiben und muss nicht von vorn anfangen.

Also, zu Frage 1.

Mir geht es tatsächlich besser. Zuvor hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, ICH sei das Problem, nur ich sähe, dass mein Sohn nicht einfach einen miesen Charakter hat, sondern das eine reale Ursache hat. ES klingt vielleicht egoistisch, aber bestätigt zu bekommen, was man 2,5 Jahre lang sieht und gegenüber jedem „kämpfen“ muss fürs Kind (auch gegenüber dem Mann teilweise), damit dem Kind geholfen wird, das ist schon wirklich sehr ermüdend und diese rein psychische Last, „gaga“ zu sein und umsonst gegen Windmühlen zu kämpfen, ist von mir abgefallen. Ich gebe mir nicht mehr jeden Abend beim zu Bett gehen die Schuld für das miserable Verhalten meines Kindes. Ich weiß nun woher es kommt, kann die richtige Fachlektüre lesen, kann Elterngruppen besuchen, mich austauschen und anfangen zu akzeptieren. Auch für meinen Mann ist das grade eine sehr aufregende Zeit. Er war ja lange noch der Meinung unser Sohn sei völlig „normal“, nur weil ER als Kind ganz genau so war. Irgendwann hat er dann gemerkt, dass unser Sohn in vielen Situationen aber komplett anders reagiert und agiert als andere Kinder und dass er selbst wohl auch die selben zu Grunde liegenden Defizite hat wie mein Sohn.

Und dass er dadurch einen negativen Stempel kriegen könnte oder ähnliches: diese Angst habe ich längst nicht mehr. Denn den Stempel hat er längst :o(. Mit einer Diagnose hat man wenigsten noch eine Begründung (die die wenigsten interessiert, daher hilft das einem am meisten selbst).

Mein Mann und ich können beide verständnisvoller sein, seit wir wissen, dass er wirklich in vielen Situationen sein bestes gibt und er nicht mit Absicht so „schwierig“ ist.

Wir haben bereits vor der Rückmeldung durch die KJP mit einem Chip-System begonnen zu Hause, was wir eigentlich „doof“ finden, weil wir mehr so in Richtung gewaltfreie Kommunikation gehen, aber bei unserem Sohn bringt das nunmal nichts mit der gewaltfreien Kommunikation (was ja schon frustig genug ist). Dieses Chip-SYstem belohnt richtiges Verhalten in Situationen, die schon mehrfach (oft über JAHRE) lang immer wieder besprochen wurden und die Regeln mehr als klar sind und dennoch für ihn schwer einzuhalten sind, die er also in Vergangenheit immer wieder in massiven Ausmaß misachtet hat (versehentlich). Wenn er es schafft, sich an die Regeln zu halten, bekommt er einen Chip. Missachtet er sie, kommt ein Chip weg. Zudem gibt es Chips für Helfen bei ihm unliebsamen Arbeiten, wie gute Mitarbeit beim homeschooling (ein guter Tag in der Schule), den Müll rausbringen, den Tisch decken. Wenn er das nicht macht oder hinbekommt, gibt’s keinen Abzug, das ist lediglich ein Bonus.

Es ist bescheuert, aber es hilft bislang überraschend gut. Ich bin gespannt wie lange. Die Belohnungen sind aber eben auch „cool“ (PC-Zeit oder Abend-Fernsehzeit mit den Eltern ohne Geschwister, was grundsätzlich alle Kinder ab 8 ab und zu bekommen, aber im Moment ist es für ihn eben ein Highlight mit Mama und Papa abends noch einen Film zu schauen). Im Normalfall gibt’s bei uns beides nur in ganz homöopathischen Dosen.Wir haben ihm gesagt, dass, wenn er es dauerhaft schafft, sich an die Regeln zu halten, wir das Chip-System wieder abschaffen und er dann feste Zeiten PC und Fernsehzeit mit den Eltern bekommt.Es soll ihm nur helfen, die Regeln zu verinnerlichen. Derzeit gibt’s das für ihn nur, wenn das Verhalten passt.

Wie gesagt, eigentlich mögen wir sowas nicht. Aber Kinder mit ADHS brauchen oft eine zusätzliche Motivation, sich an Regeln zu halten, die sie selbst unsinnig finden (z.B. Treppe nicht runter rasen, darauf niemanden überholen) und es scheint zu klappen.

Dann kam die vorläufige (noch nicht vollständige?) Diagnose und ich erzählte derKJP von unserem Chip-System. Die KJP war total begeistert, da sie sowas uns ohnehin vorgeschlagen hätte.

Zu Frage 2 und 3: Was die KL so sagt: nun, sie ist überaus höflich, umgänglich und freundlich. Sie ist eine wirklich sehr gute Lehrerin. Sozial und pädagogisch sehr kompetent. Nur das mit dem differentierten Unterrichtsstoff ist sehr begrenzt. Sozial geht sie schon jetzt sehr differenziert auf ihn ein. Er sitzt bei ihr vorne, allein. Sie berührt ihn, wenn er wieder zu viel vor sich hin murmelt oder kaspert oder träumt. Sie erinnert ihn öfter an seine Schulsachen als andere Kinder, er darf sich Auszeiten nehmen und kurz vor die Tür (ist derzeit problematisch, weil er zuletzt dann draußen Unfug gemacht hat), sie hat Kopfhörer ausprobiert (führt leider dazu, dass er lauter wird, anstatt lauter. Für ihn gut, für den Rest der Klasse doof). Sie bat mich, wenn ich Ideen habe, die ihr jederzeit mitzuteilen, damit sie es ausprobieren kann (sofern es umsetzbar ist). Ansonsten hat sie schon klar zu verstehen gegeben, dass SIE es für besser hält, wenn der Sohn entweder medikamentös eingestellt wird oder aber die Schule wechselt und am besten fände sie eine Schulbegleitung (die wir recht sicher mit einer Einzeldiagnose ADHS nicht erhalten). Sie schilderte sehr ausführich, wie schwierig der Unterricht mit ihm sei, nicht nur für sie, vor allem auch für die anderen Schüler der Klasse. Die Pausensituation sei derzeit am belastendsten, denn er verletze entweder sich oder andere Kind, eigentlich täglich :roll:. Es ist ihm immer ganz arg und furchtbar unangenehm und er ist immer sehr betroffen. Er macht es nicht absichtlich, er bemüht sich immer, aber es geht halt immer schief.

Mein Mann würde eher noch einen weiteren Schulwechsel probieren als ihm Medis geben, ich gehe da eher nach dem Wunsch meines Sohnes, der UNBEDINGT an dieser Schule bleiben möchte und tendiere daher eher dazu, Medis auszuprobieren und den Schulwechsel nur anzustreben, wenn die Medis nicht greifen oder ihm nicht gut tun.

Also danke der Nachfrage, du siehst, es geht viel im Kopf rum und ist viel los.

Ich vermute, dass wir noch eine ASS-Diagnose erhalten, zumindest den VERDACHT darauf. Denn sein soziales Verhalten ist tatsächlich sehr oft begründet auf Misverständnissen oder schlicht Unverständnis gegenüber der anderen Person. Dieses "sich in andere hinein versetzen" ist für ihn sehr, sehr schwer. Mal sehen.

Grundsätzlich finde ich es wirklich undankbar, dass er einerseits mit so einem hellen Köpfchen gesegnet ist, gleichzeitig aber eben diese konträr dazu wirkenden Probleme hat.

Die KJP hat es ein wenig gewundert, dass beide "Experten" vorher das ADHS nicht gesehen haben :gruebel:, es sei schon sehr deutlich...
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