AD(h)S- was es ist und wie es sich "anfühlt"

hochbegabt oder ADS oder beides?
honey25
Beiträge: 19
Registriert: Sa 21. Jan 2006, 16:07

AD(h)S- was es ist und wie es sich "anfühlt"

Beitrag von honey25 »

Hallöchen

was hier meiner Meinung nach gefehlt hat, ist ein Bericht, wie sich ADS als Betroffener "anfühlt". Ich selber bin zwar nicht betroffen aber eine Bekannte von mir (übrigens auch HB) und sie konnte es mir sehr bildhaft erklären, so das ich mir es wenigstens "ansatzweise" vorstellen kann.

Das größte Problem an ADS ist, das SÄMTLICHE informationen ungefiltert und gleichwertig auf das Gehirn Treffen. Das Bedeutet:
Man steht in einer Menschenmasse und hört alle geräusche exakt gleichlaut...

Alle Gerüche sind gleich intensiv...

Alle Lichter gleich hell...

und diese ganzen informationen strömen auf einen ein ohne das man unterscheiden kann was "wichtig" ist und was nicht.

Stellt euch vor ihr fahrt im auto und seht jeden grashalm, jedes fenster, jeden vogel, jede katze, jede werbetafel usw. und müßtet euch auf das ALLES konzentrieren...

Wenn dann noch Hyperaktivität dazu kommt, bedeutet das zusätzlich, das sich euer Körper anfühlt als wärt ihr ununterbrochen im wirlepool, ein ständiges kribbeln am körper... Ein ständig Nervöses gefühl...

Was das bedeutet machen folgende Beispiele vieleicht noch etwas bewußter:
Meine Bekannte kann nur ein bestimmtes Parfüm benutzen, was sie extra für sie zusammenstellen läßt.
Ihr "Deo" besteht aus einem Waschkristall (geruchsfrei)
Sie kann bestimmte sachen nicht essen/ trinken , weil sie die kleinsten gewürzmengen rausschmeckt...
Wenn sie Kaffee trinkt, wird sie MÜDE ...

Ich könnte noch ein weile so weiter schreiben, aber ich denke ihr versteht worauf ich hinaus will...
ADS ist etwas, was das Leben sehr einschränkt und aus diesem Grund solltet ihr es eurer Kindern so angenehm wie möglich machen.

Sicher kennen es eure Kinder nicht anders, aber muß man sie deswegen unnötig "stressen" wo sie sowieso unter dauernder Reizüberflutung sten?

In diesem Sinne

Liebe Grüße
honey25
Amy
Beiträge: 17
Registriert: Fr 10. Feb 2006, 16:41

Re: AD(h)S- was es ist und wie es sich "anfühlt"

Beitrag von Amy »

Hei das ist mal ein klasse Bericht. Man hört immer nur "über" die Leute etwas. Es mal aus der anderen Perspektive zu betrachten ist toll. Aber es ist erschreckend. Es muss furchtbar sein, wenn es einem so geht!
honey25
Beiträge: 19
Registriert: Sa 21. Jan 2006, 16:07

Re: AD(h)S- was es ist und wie es sich "anfühlt"

Beitrag von honey25 »

genau deswegen habe ich es verfasst *smile*

aber andererseits kennen es betroffene nicht anders...
sie haben es ein leben lang so...

"Der Mensch ist ein Gewohnheitstier"


Liebe Grüße
honey25
Sonnenscheinchen
Beiträge: 1
Registriert: Fr 16. Jun 2006, 14:33

Re: AD(h)S- was es ist und wie es sich "anfühlt"

Beitrag von Sonnenscheinchen »

Hallo ihr lieben,

ja, zum Thema Gefühl kann ich auch ein Lied singen. Leider wollen die meisten gar nicht wissen, wie man sich fühlt und meinen oft das seien alles nur Ausreden für irgentetwas!

Ich weiß nicht, wie es ist zu "filtern", aber ich sitze mitten in einer Tätigkeit und verliere mich im nichts.
Wenn ich mal aufgeregt bin, ist das ein Gefühl wie Reisefieber oder Achterbahn rückwärts fahren (kann ich bei meinem Sohn auch feststellen).
Wenn ich mich auf eine bevorstehende Situation vorbereite, habe ich alle möglichen und unmöglichen Verläufe schon x-mal durchdacht und mir vorgestellt, da ich immer denke, so dass die Situation dann oft schon Routine ist.
Auch gibt es oft bei Menschen mit ADS eine zeitweilige fast zwanghafte Situation, sich in ein Thema zu steigern (hyperfocusieren) und andere Dinge darüber zu vernachlässigen.
Institutionen wie Steuerberater, Finanzamt, Notar, aufräumen etc. sind wie unüberwindbare Hindernisse.
Wer mal etwas lustiges über ADS sehen möchte, der achte doch mal bei dem Film Nemo auf Dori! Wenn mein Sohn (9, HB, ADS) mal wieder total fahrig, unruhig und zappelig wird, fällt es ihm am schnellsten auf, wenn ich sage "Dori ist da" statt sitzmal still, werd mal ruhiger, oder ähnliches, dann muss er selbst lachen.
Genau wie Dori braucht ein ADS Mensch die Nähe zu anderen, in der Schule vorn sitzen bringt superviel!
Seit ich durch die Diagnose bei meinem Sohn weiß dass ich ADS habe, und dieses auch angenommen habe, ist mein leben nicht mehr so eine schwere Last. Davor hatte ich oft gezweifelt warum ich klug bin und doch nie abends ins Bett gehe und alles geschafft habe.

Liebe Grüße und gerne antworte ich auch auf Fragen
judith
Beiträge: 48
Registriert: Fr 26. Mai 2006, 12:21

Re: AD(h)S- was es ist und wie es sich

Beitrag von judith »

Liebes Sonnenscheinchen
Danke für deinen Bericht. Es spricht mir aus dem Herzen. Wie ähnlich läuft es bei mir.....

Ps ADS kann auch ohne Hyperaktivität sein, sog. Träumerchen ,ist aber für die Betroffenen besonders für den Schulerfolg genau so prekär.
mit lieben Grüssen
Judith
sophie98
Beiträge: 3
Registriert: Di 28. Nov 2006, 11:39

Re: AD(h)S- was es ist und wie es sich

Beitrag von sophie98 »

Hallo,

ich möchte mich an Euch wenden, weil ich versuche meine Tochter besser zu verstehen. ADS ist zwar nicht diagnostiziert worden, aber eine AVWS, was einige Symptome von ADS beinhaltet(ebenso LRS).
Wir haben gestern erst wieder 2 Klassenarbeiten zurückbekommen. In Deutsch hat sie sich gebessert um eine Note, in Mathe weiterhin schlecht (sie setzt das gelesene nicht um). Wenn wir zu Haus üben ist alles astrein. Aber in der Schule klappt es dann einfach nicht. Sie sagt immer, das sie sich bemühe, aber nicht kann. Ich möchte diese Aussage gerne besser verstehen. Könnt Ihr mir helfen?

LG

Sophie98
Wildes Blut
Beiträge: 2
Registriert: Sa 9. Jun 2007, 16:11

Re: AD(h)S- was es ist und wie es sich "anfühlt"

Beitrag von Wildes Blut »

Hallo.

Ich bin neu hier, hab mich aber wegen zweier Sachen bemüßigt gefühlt, hier einzusteigen: 1. Ich bin ein Hypie par excellence (mehrfach diagnostiziert) und das Kind einer guten Freundin ist es auch. Sie selbst ist es auch, will es aber nicht wahrhaben.

Erst einmal: ADS oder ADHS gibt es und es hat nichts mit schlechter Erziehung zu tun. Es ist eine Stoffwechselstörung, die dadurch entsteht, dass im Neocortex, also im Stirnhirn, zwar genug Dopamin ausgeschüttet wird, die Rezeptoren (das sind sowas wie kleine Männchen mit Eimern, wenn man sich das bildlich vorstellen will) das Dopamin aber nur halbherzig weiterleiten und sich lieber mit anderen Sachen beschäftigen.

Ich selbst wurde nicht als Kind, sondern erst als Erwachsener diagnostiziert und stamme in der 3. Generation von Menschen ab, die alle Diagnosekrieterien für ADHS erfüllen.
Als Kind habe ich lieber geträumt oder mir interessante Geschichten vorgestellt, als dass ich mich mit dem befasst habe, was wichtig war. So bin ich einmal mit einem Comic in der Hand lesenderweise vor ein Auto gelaufen. Ging zum Glück glimpflich ab.
Bezüglich der Fokussierung der Aufmerksamkeit ist zu sagen, dass nur das aufgenommen wird, was einem einen Kick gibt, wo das Adrenalin, das ähnlich wirkt wie das Dopamin, ausgeschüttet wird. Ich bin öfter in einer Art Halbtrance durch die Gegend gelaufen und war mit ganz anderen Sachen befasst. Mathematik war für mich ein Alptraum, erstens weil damals gerade die Zeichensetzung verändert wurde (bei geteilt) und ich, so hart ich mich auch konzentrieren wollte, nichts mitbekam: Zum einen Ohr rein, zum andern raus.
In anderen Fächern, außer Sport, war ich gut. In Sport war ich nur genervt, weil ich mich fragte: "Warum in alles in der Welt soll ich jetzt über dieses Ding da springen? Wozu soll das gerade jetzt gut sein?"
Lieber beschäftigte ich mich mit Geschichte oder las über die Evolutionslehre und andere spannende Sachen, besonders Robin Hood hatte es mir angetan.
Als Hypie hat man ein dauerndes Getöse im Kopf: "Mir ist heiß, mein Fuß juckt, ich möchte jetzt lieber barfuß laufen." "Morgen kommt Tante Hilde zu Besuch, die ist immer lustig." "Warum hat man Napoleon damals eigentlich verbannt, ich weiß es nicht mehr." "Mann, der Film gestern war echt schräg." "Britta hat mich grade angelächelt." "Heute gibts Nudeln." Das alles auf einmal und im Physikunterricht. Und nicht nur da: Tausende von durcheinanderrasenden Gedanken, 365 Tage im Jahr, außer in Schaltjahren.
Dazu die ständige Unsicherheit, weil man ständig getriezt wird, man sei nichts, man könne nichts, man sei doof usw. usf. Jede kritik wirkt wie ein persönlicher Angriff und nachts liegt man wach und fragt sich: "Was hab ich wieder falsch gemacht? WARUM?"
Hinzu kommt die Abwechslung zwischen Lahm*rschigkeit und Getriebensein. Bestimmte Dinge wollen getan oder gesagt werden, man hibbelt hin und her ist total unruhig und impulsiv, und es kommt, wie es kommen "muss", prompt ist wieder ein Autoritätskonflikt da.
Abgesehen davon, dass ADHSler oder wie ich es kenne ADDler, sowieso immer ein gestörtes Gefühl zu Autoritäten haben. Man könnte meinen, ADDLer hätten den Anarchismus erfunden *ggg*
Es ist nicht so, dass man nicht richtig hinhört, man hört hin, aber die Hälfte wird rausgefiltert, unangenehme Sachen verdrängt, Selbstsabotage verübt, weil man erst handelt, dann denkt.
Viele ADHSler landen dann bei den drogen, weil diese ihnen wenigstens kurzzeitig eine Auszeit geben. Kokain wirkt auf ADHSler beruhigend, wie ich mal bei einem Freund mitbekam, der böse abgerutscht war. Andere gehen damit ab wie Schmidts Katze.

Das Plus dabei ist aber, dass man bei der ganzen Geschichte ungeheuer kreativ wird, nicht nur im Unsinn, sondern generell. Wo andere nur sagen "Geht nich, ham wa nich, ham wa noch nie so gemacht." sucht ein ADHSler automatisch nach Hintertüren und seiteneingängen und fragt sich: "Warum eigentlich nicht?" Umso eindrücklicher ist das, wenn auch noch HB dazukommt.

Für mich waren viele Jahre eine schlimme Tortur, trotz schöner Erlebnisse, bis mir eine Arbeitskollegin von ihrem Sohn erzählte, der ein diagnostizierter Hypie war. Ich habe sie mir erstmal genauer angesehen und mich gefragt, ob ich mal etwas mit ihr hatte, denn die Eigenschaften waren geradezu grotesk ähnlich wie bei mir. Dann ging eine lange Odyssee los, bis ich meine Diagnosen hatte und einige Jahre regelömäßig Ritalin nahm, einfach um konzentrierter zu arbeiten und Sachen schneller und präziser in den Griff zu bekommen. Interessant war auch, dass ich nun besser fokussieren konnte und Befindlichkeiten meiner Umwelt besser wahrnahm und besser abwägen konnte, d. h. ich konnte mein Potential besser nutzen. Seit einiger zeit nehme ich es nur noch sporadisch, wenn ich weiß, dass bestimmte sachen einfach durchgezogen werden müssen.
Zu Befürchtungen, das Zeug mache abhängig, kann ich nur sagen, dass es dummes Zeug ist, eher vergisst man die Einnahme. Der zustand mit und ohne Rita ist auch interessant: mit Rita arbeitet man stringenter, kann sich besser konzentrieren, Prioritäten setzen, sich zurücknehmen. Lässt die Wirkung nach, merkt man dass der alte Zustand wieder eintritt und die ADHS-Symptome wieder hervorbrechen. Das nennt man dann Rebound. Das soziale Lernen und das unter Rita Erlernte behält man aber.

Bestimmte Atem- und Bewegungstechniken wie Yoga oder Tai Chi, Qi Gong usw. können aber auch helfen.

Soviel dazu, wie sich das anfühlt: Es ist wie ein Vulkan, der jederzeit vor der Eruption steht oder ein fließender ruhiger Fluss - und nichts dazwischen. Gemischt mit Selbstzweifeln.
Sunnybo
Beiträge: 19
Registriert: Do 30. Okt 2008, 19:02

Re: AD(h)S- was es ist und wie es sich

Beitrag von Sunnybo »

Das kommt für mich jetzt etwas überraschend. Vieles was du schreibst, kenne ich, aber nicht von meinem Kind, sondern von mir!

Noch nie haben ich so einen Bericht gelesen, wo ein Erwachsener, der selber betroffen ist, so genau beschreibt wie es ihm geht und wie es ist ADS zu haben.
Da muß ich nochmal in Ruhe drüber nachdenken.
Cornelia
Dauergast
Beiträge: 56
Registriert: So 25. Mai 2008, 19:25

Re: AD(h)S- was es ist und wie es sich "anfühlt"

Beitrag von Cornelia »

HALLO;

BESSER HÄTTE ES NICHT AUSGEDRÜCKT WERDEN KÖNNEN
mein kind ist betroffen!!!!
mittel bis schwergradig noch dazu autistische züge.
das ist ein täglicher kampf.
lg
Cornelia
Dauergast
Beiträge: 56
Registriert: So 25. Mai 2008, 19:25

Re: AD(h)S- was es ist und wie es sich "anfühlt"

Beitrag von Cornelia »

hallo, das stimmt!!! ich bin jetzt ein wenig traurig - das rückt mein kind in ein anderes licht - er hat das ein leben lang???? oh gott hilfe !!!!!
honey25 hat geschrieben:genau deswegen habe ich es verfasst *smile*

aber andererseits kennen es betroffene nicht anders...
sie haben es ein leben lang so...

"Der Mensch ist ein Gewohnheitstier"


Liebe Grüße
honey25
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