Re: Sprung 1. zu 2. Klasse
Verfasst: Do 2. Jul 2020, 11:39
Diese Wahrnehmung habe ich auch.charlotte12 hat geschrieben:Ich habe bei meiner Tochter überhaupt keine guten Erfahrungen mit Herauszögern gemacht.Jedes Kind ist anders, daher möchte ich nichts verallgemeinern. Aber bei meiner Tochter gibt (bzw. gab) es Fenster, in denen sie in kürzester Zeit riesige Stoffmengen hobbymäßig lernt. Ist dieses Fenster dann aber geschlossen bzw. hat sie schlicht keine Lust, erfordert es immense Anstrengung und Tränen, um ihr einen Bruchteil von dem beizubringen, was sie im Fenster ohne mein Zutun einfach so gelernt hätte. Meine Tochter kann seit dem Ende von Klasse 1 den kompletten Grundschulstoff in Deutsch, dauerhaft. War quasi ein Unfall - sie fand die Figuren von einer Lernplattform so toll und nutzte zwei Wochen Ferien, um sämtliche Grundschulfilmchen samt Übungen in sich einzusaugen. Ich bin heute überzeugt, dass sie sich genauso gelangweilt hätte, wenn sie diesen Stoff über die nächsten drei Jahre in Mikro-Häppchen serviert neu im Deutschunterricht gelernt hätte, nur mit dem Unterschied, dass wir (wie bei anderen Dingen) Kämpfe und Tränen gehabt hätten. Ich würde dem Kind das Heft der dritten Klasse geben und das Heft von Klasse 4 auch, wenn sie sich das wünscht. In Deutsch wiederholt sich sowieso in endlosen Kreisen über die gesamte Grundschulzeit hinweg der immer gleiche Stoff ständig, das Drittklässlerheft wird gar nicht sooo viel anders sein als das Heft der zweiten Klasse. Die Hefte werden immer weniger ansprechend für die Kleinen, weil spätestens mit Beginn von Klasse 5 irgendwann die spielerischen Elemente fehlen. Dh. es ist eher unwahrscheinlich, dass sie sich in den nächsten drei Wochen bis auf Abitur-Niveau hocharbeitet.Aber ich traue mich noch nicht so richtig, ihr jetzt Eigenmächtig noch schwerere Sachen zu geben. Auch in Deutsch möchte sie mit dem Heft der dritten Klasse anfangen. Mal sehen wie lange ich das herrauszögern kann.
Bremsen hilft meiner Meinung nach genau gar nichts. Es ist evtl sogar eher doppelt schlecht: Einmal, wenn das Kind gegen sein aktuelles Interesse ausgebremst wird und dann nochmal, wenn sie es dann endlich lernen darf, aber dann entweder keine Lust mehr drauf hat, oder es trotzdem in Rekordtempo drauf hat und sich dann doch langweilt.
Darum habe ich bei Tochter zwei ihre Wünsche und Interessen immer unterstützt, selbst wenn es hieß, Schulstoff vorwegzunehmen. So habe ich ihr bspw das Lesen mit Hilfe einer Fibel beigebracht, als sie mit noch nicht ganz 5 immer wieder sagte, sie möchte endlich lesen lernen.
Und als sie Geige lernen wollte, durfte sie auch mit 5 damit anfangen, obwohl wir ein Instrument an sich erst ab Grundschulalter angedacht hatten.
Schwer tu ich mich allerdings bei der Großen mit Inhalten, die nicht ganz altersangemessen sind (Bücher über reale Verbrechen, die sie mit 10/11 lesen wollte)
Aber um sowas gehts ja hier grad gar nicht.
Ich würde dir jedenfalls raten, dein Kind all das lernen zu lassen, was sie lernen möchte, wann sie es lernen möchte. Auch wenn es Stoff vorwegnimmt.
Das ist eine sehr wertvolle Lernerfahrung, die ihr auf lange Sicht sehr viel mehr nützt, als dass sie Inhalte erst lernt, wenn sie gemäß Lehrplan "dran" sind, nur um Langweile zu vermeiden. (was eh nicht funktionieren wird!)
Meine Große hat in der Schule brav alles so gelernt, wie es dran war, kam auch nicht lesend in die Schule. Darum haben wir bei ihr auch nie über einen Sprung nachgedacht. Ihre Lernmotivation war Mitte der Grundschule dann aber total im Keller und wir arbeiten derzeit immernoch mühsam daran, dass sie positive Lernerfahrungen macht, Freude am Lernen findet.
Deine hat diese Freude noch... das würde ich ihr unter allen Umständen erhalten wollen!
Zusätzlich würde ich natürlich für weiteren "Stoff" sorgen. Meine 6jährige bspw war und ist gut beschäftigt mit dem Lernern von Noten, Rhythmen etc durchs Instrument.
(Lesen hat sie trotzdem nebenbei geübt und erlernt )
Meine Große hat in Klasse 3 Programmieren gelernt. Und aktuell macht sie Animationsfilme, wo sie auch selbst gelernt hat, die einzelne Bilder zu erstellen und sie zu einem Film zusammenzufügen.
Jetzt stehen ja die Sommerferien an - da gibt es doch bestimmt Ferienprogramme, die anspruchsvoll und kreativ sind und für deine Tochter geeignet wären.
Grad im Bereich Medien gibt es oft gute und vielseitige Angebote, die sowohl die Kreativität, als auch den Intellekt herausfordern.
Auch in den Museen findet hier viel statt in den Ferien.
Melde dein Kind da ruhig auch bei Angeboten für ältere Kinder an - bei meinen Kindern hat das schon mehrfach problemlos geklappt.
Deine Idee, eine Elterngruppe für Hb-Kinder zu gründen finde ich auch gut. Vielleicht findet sich ja da eine Freundin/ein Freund für deine Tochter.
Meine Tochter hatte das Glück, schon im Krabbelkindalter einen besten Freund zu finden, der zu ihr passt. Sie sind bis heute ganz eng und sehen sich mindesten 2x die Woche. Wenn sie ihn mal ein paar Tage nicht sieht, bekommt sie "Artur-Mangel", wie sie immer sagt.
Meine BEIDEN Mädchen haben übrigens mit Mädchen kaum Freundschaften geschlossen. Die Kleine (6) zählt genau wie die Schwester nur Jungs zu ihren Spielfreunden, gern ältere. (der 3 Jahre ältere Nachbarjunge bspw ist ihr liebster Freund)
Die Große ist seit diesem Jahr an einer Paragraph 4 Schule (Konzept für besonders Begabte) und geht zwar nach wie vor nicht gern zur Schule, aber hat dort jetzt immerhin endlich Freundinnen. 2 Mädels, mit denen sie sich richtig gut versteht und die in den Ferien sogar ein paar Tage am Stück bei uns verbringen.
Im Grundschulalter hat meine Tochter sich auch immer sehr nach einer richtigen Freundin gesehnt und sich sehr fremd unter den Klassenkameraden gefühlt.
Noch nicht für jetzt, aber für später könntet ihr evtl doch auch mal noch über ein Internat nachdenken. Da gibt es ja einige für mehrfach Begabte, die besonders für Hochleister geeignet sind.
St. Afra in Meißen wäre da beispielhaft zu nennen. So teuer ist das auch gar nicht, wie man vielleicht denkt.
Wenn ihr oder die Schule eure Tochter ausbremst, sehe ich tatsächlich die Gefahr, dass ihre Motivation irgendwann absackt. Das wäre sehr schade.
Ich würde darum eine Beratungsstelle aufsuchen, die sich auf Hochbegabung spezialisiert hat und euch dort zu Schullaufbahn und passenden Freizeitangeboten beraten lassen.
Ich habe sehr gute Erfahrungen mit so einer Stelle gemacht und kenne auch andere, die davon profitiert haben.
Hier gut es dafür u.a. die BzB - "Beratungsstelle zur Begabtenförderung" - eine Stelle vom Land, die kostenlos testen und sehr gut beraten und unmittelbar auch mit Schulen zusammenarbeiten und mir wirklich sehr kompetent scheinen.
Die kann man auch einfach anrufen. (Habe schon 2x sehr lange, hilfreiche Gespräche geführt.)
Gibt es evtl bei euch auch so eine Stelle?
Und hast du da evtl. schonmal auf der Seite der KARG Stiftung gesucht?