Hallo Ruth,
Ich denke in eurem Fall ist der Test tatsächlich nicht so relevant, da die Sachlage „eindeutig“ ist. Sie hat extrem viele Stärken und scheint kognitiv keine Schwächen zu haben und ist unglaublich weit, nach deinen Erzählungen. Lediglich die soziale Integration funktioniert nicht, auch nach deinen Erzählungen.
Und HIER denke ich schon, hinsichtlich der Überlegung „Sprung oder nicht“, dass es einen Unterschied macht ob man sagen kann/muss: sie hat einen so hohen IQ, der Versuch sich ein wenig mehr anzupassen ist schlicht zwecklos, da sie quasi mit ihrem IQ allein ist und selbst ein hochbegabtes Kind ihr kein adäquater Spielkamerad wäre und springen mindert wenigstens das Problem mit der Unterforderung oder aber ob sie "einfach" hochbegabt ist (wie viele andere Kinder hier auch
) , gepaart mit einer großen Ungeduld und Wissensdrang und wie viele andere Kinder hier auch
einfach Wege finden muss (und wird?), sich zu integrieren,bzw. Freunde zu finden.
Es hat auch nichts mit verbiegen zu tun, sondern schlicht mit "lernen" und "üben". Klar, das musste deine Tochter sonst nie groß, zumindest nicht im kognitiven Bereich.
Aber in unserem Fall ist das auf jeden Fall das Gebiet wo Sohn was lernen kann und muss. Und sein Verhalten ist umsichtiger geworden und er ist nicht "verbogen", sondern immer noch unser Sohn
. Und all das ist im Alter zwischen 6,5 und 7,5 passiert. Nicht vorher. Wir haben ihm auch nicht gesagt: mach dies, mach jenes, lass das und das sein" Wir haben ihn einfach immer wieder gefragt, wie er es fände, wenn da immer einer reinschreit und er nicht mehr zu Wort kommt, wie er es fände, wenn er von seinem Klassenkameraden oder Freund "korrigiert" wird und er hat eingesehen, dass er das überhaupt nich toll fände. Er hat letzlich selbst bestätigt, dass es ihm viel besser geht, wenn er es schafft, sich zu gedulden, nicht immer alles allen anderen vorwegzunehmen und Rücksicht zu nehmen, weil dann eben alle Kinder viel netter mit ihm sind. Ich schrieb im letzten Beitrag er hat Freunde. Ja, aber anfangs war es nur ein einziger Freund als wir hierher gezogen waren und den Zugang zu den anderen Jungs in seiner Klasse musste er sich hart erarbeiten. DA er „anders“ ist, war das auch schwer für ihn. Es hat ein gutes halbes Jahr gedauert, bis auch andere (außer sein Freund aus der Kita) Klassenkameraden mit ihm spielten. Davor wurde ausgegrenzt, ausgelacht, beschimpft, gemobbt, verprügelt und so weiter. Das volle Programm.
Deine Tochter hat nicht GENAU diese Probleme, das will ich garnicht damit sagen, aber eben auch Probleme im Bereich soziale Interaktion, die in diese Richtung gehen.
Ich sage auch nicht, dass das alles an ihr liegt. Tut es bei meinem Sohn auch nicht. Ich habe so viele Situationen imterlebt, wo mein Sohn einfach nur viel reifer und klüger gehandelt hat, er aber damit nicht an das andere Kind herangekommen ist, weil das andere Kind das schlicht nicht verstanden hat. Und leider wird mein Sohn dann irgendwann auch wütend und verzweifelt.
Das Verhalten
der anderen könnt ihr nicht "ändern". Die eigene Einstellung und das eigene Verhalten kann man aber ändern und das kann auch schon einiges bewirken. Klar, ihr könnt da auch einfach den Kopf in den Sand stecken und sagen: sie will eine Freundin, aber die gibt's halt nicht. Schade. So kommt das grade bei mir an. Aber bringt euch das weiter?
Ich habe im Übrigen auch eine Tochter, die ist jetzt 6;0 Jahre alt. Sie war immer sehr beliebt in der Kita, denn sie handelt extrem sozial, angepasst und ist kein Angeber (quasi das charakterliche Gegenstück zu meinem Sohn, da sieht man auch, wie wenig Erziehung ausmacht
). Sie hat kein großes Selbstbewusstsein und möchte gefallen. Dafür tut sie viel. In der alten Kita, die sie mit 3 noch besucht hat, war sie rundhum happy mit ihren Spielkameraden. Sie hatte einige wenige gleichaltrige Freunde, die meisten waren 1-2 Jahre älter. Sie wurde zu wirklich jedem Geburtstag eingeladen und dann kam der Kitawechsel. Auch hier kam sie gut an und fand schnell Freunde. Allerdings eben nur unter den Vorschülern, während sie grade 4 geworden war.
Warum meine Tochter also so leicht Zugang zu anderen findet, liegt an ihrem Charakter. Sie zeigt eigentlich NIE, was sie alles schon kann. Wir bekommen das immer durch Zufall mit:" huch, das Kind kann ja lesen", "huch, sie fährt ja plötzlich Fahrrad", "huch, wann hat sie denn sprechen gelernt" "schau mal, sie läuft ja!". Im Gegensatz zu meinem Sohn, lernt sie alles wie "nebenbei" und macht keinen großen Wind darum
. Auch ist es ihr absolut nicht wichtig, möglichst viel und schnell zu „lernen“ wie deiner Tochter. Und ich denke das kommt, weil sie bereits ein Hobby hat, das sie ausfüllt, das malen. Hier geht sie völlig drin auf und ist auch ein großes Talent. Sie malt mit 6 Gesichter mit Wimpern, elliptischen Augen, Pupillen, sie malt Augenbrauen und Nasenlöcher, sie malt perspektivisch (Landschaften aus der Vogelperspektive, aber auch dreidimensionale Fahrzeuge oder Körperhaltung der Menschen etc). Dieses ausbrechen aus der Realität und versinken in ihre eigene Welt, wo sie genau so sein kann, wie sie ist, hilft ihr ungemein, im Alltag zurückzustecken und dabei nicht so zu „leiden“. Daher fällt sie garnicht so auf, obwohl sie kognitiv sicherlich sehr fit ist. Ich traue ihr z.B. kognitiv fast mehr zu als meinem Sohn, mein Sohn fällt aber viel mehr auf.
Sie selbst war im letzten Kiga-Jahr trotzdem unglücklich, weil die Spiele der anderen für sie langweilig sind, weil sie andere Dinge spannend findet, weil die älteren Kinder, mit denen sie so schön spielen konnte, alle schon in der Schule sind mittlerweile. Weil sie ihre eigene Andersartigkeit gespürt hat. aber nicht einordnen konnte. Nun kam Corona und alles mit der Einschulung ist ungewiss, es plagen sie viele Ängste, sie ist einsam. Die ersten 2 Monate der Coronazeit hat sie sehr liebevoll und fürsorglich mit ihrer kleinen Schwester gespielt und war glücklich nicht mehr in die Kita zu müssen. Nun haben wir den Vertrag gekündigt bekommen (lange Geschichte, gehört nicht hierher) und im Moment hat sie richtig die Nase voll und wie deine Tochter keine Lust mehr sich ständig für ihre kleine Tochter zu verbiegen. Auch sie braucht Spielkameraden, die ihr gewachsen sind. Wir haben 3 Nachbarskinder, die 8, 5 und 3 sind. Sogar das 8jährige Mädchen passt eigentlich kognitiv nicht wirklich zu ihr. Meine Tochter ist auch ein recht untypisches Mädchen. Sie mag diesen ganzen Mädchenkitsch nicht besonders, sie forscht gern und wäre oft gern ein Junge, weil sie wahrnimmt, dass sie von Jungs aufgrund ihres Geschlechtes oft diskriminiert wird (wie es eben so ist in diesem Alter) und sie selbst eigentlich lieber mit Jungs spielt, weil die nicht so „albern“ sind (ihre Aussage).
Das heißt: ich fasel hier nicht einfach irgendwelches Zeug und meine alles besser zu wissen. Ich erzähle von meinen Erfahrungen! Nichts weiter. Ich kenne die Probleme der sozialen Integration, des Misfits durchaus aus eigener Erfahrung (ich als Kind) als auch von meinen Kindern. Mein neuer Ansatz ist eben derzeit, den Fokus nicht (MEHR) auf die Unterforderung und kognitive Langeweile zu legen, sondern auf die soziale Integration. Das ist das, was ich im ersten Schuljahr gelernt habe und womit wir grade ganz gut fahren.
Das sind einfach verschiedene Herangehensweisen. Keine ist PAUSCHAL betrachtet besser oder schlechter. Man muss abwägen, was für das eigene Kind WICHTIGER ist: ein Ende der kognitiven Unterforderung oder ein Ende des sozialen Isolation. Beides gleichermaßen hinzubekommen bei einem hochbegabten Kind auf einer Regelschule ist sehr schwer. Dieses Problem kann behoben werden, wenn das Kind auf eine spezielle Schule für Hochbegabte kommt, ansonsten sehe ich hier nur die Lösungswege, die dir bereits mehrmals vorgeschlagen wurden oder die ihr selbst in Erwägung zieht (nochmal springen).
All diese Erfahrungen, unter anderem auch meine, macht dir wahrscheinlich klarer, was ihr für euer Kind wollt. Ich sehe da schon sehr stark die Tendenz in Richtung zweiter Sprung bei euch. Und wenn all unsere Erfahrungswerte dir geholfen haben, dir darüber klarer zu werden, dann ist das doch gut.
Du hast da also einiges irgendwie in den falschen Hals gekriegt. Ich habe dich als Mutter in keinster Weise kritisiert oder ein Versäumnis angedeutet. Auch halte ich dein Kind nicht für "unsozial". Es geht lediglich um den Umgang, um das Sozialverhalten mit der Peergroup und der ist, nachgewiesen für HBchen oft schwierig. Natürlich wünscht sie sich einen Freund oder eine Freundin, mit der sie auf Augenhöhe spielen kann. Die fallen aber leider nicht vom Himmel. Die muss man suchen oder alternativ selbst sein eigenes Verhalten und die Einstellung dazu ändern und andere Wege finden, kognitiv ausgelastet zu sein und dies nicht über Schulstoff oder die gleichaltrigen Freunde versuchen.
Wie gesagt, gibt es hier mehrere von eigentlich allen Usern bereits aufgezählte Möglichkeiten "fündig" zu werden:
1. Freizeitgestaltung (über Hobbies findet man Gleichgesinnte, auch ältere, die vielleicht besser passen und eben auch eine kognitive Auslastung, die dem Kind helfen, den schwieirgen Alltag besser zu bewältigen, weil es insgesamt ausgeglichener ist)
2. DGhK (hier findet man andere hochbegabte Kinder)
3. sich schon ein wenig anpassen oder Nischen suchen, Wege finden sich zu integrieren, ohne sich selbst aufzugeben
Keiner sagt, dass sie sich verbiegen soll. Das Problem ist, das sie kognitiv zu älteren Kindern passt, daher ein Sprung eigentlich auch sozial betrachtet besser wäre. ABER die anderen Kinder sie nicht akzeptieren werden und sie dann aus anderen Gründen mehr auffallen wird: weil sie bedeutend jünger ist als die anderen.
Es ist also durchaus ein Weg, die Schulzeit so schnell wie möglich durchzuziehen, aber die Kindheit kann man nicht auf die selbe Art und Weise beschleunigen. Sie wird dennoch ein Kind sein und Kinder brauchen. Daher sollte man dieses Problem nicht außer Acht lassen.
Was ich damit sagen will: ich verstehe sowohl dich als Mutter als auch die Situation deines Kindes. Ich dachte, das wäre klar
. Aber dennoch kann man Dinge versuchen und tun, diesen Aspekt der fehlenden Freunde zu mindern. Ganz beheben kann man diese Kluft, die nunmal vor allem im Kindesalter zwischen normal begabten und hochbegabten oder gar höchstbegabten Kindern besteht, aber nicht. Sie wird automatisch kleiner, wenn die Pupertät vorbei ist. Denn dann spielt das Alter keine große Rolle mehr. Es ist DANN wesentlich leichter sich mit einer älteren Person anzufreunden. ABER falls sie bis dahin keine Freunde gehabt haben sollte, so wird sie rein sozial auch einiges nicht gelernt und verpasst haben, was es ihr auch dann schwerer machen wird, Freunde zu finden.
Was du inwiefern mit deiner Tochter alles schon besprochen hast oder nicht, in Bezug auf das soziale Umfeld und den Umgang mit eben solchem, das kann ich nicht wissen, wenn du es nicht erzählst. Das hast du erst mit diesem Beitrag erzählt. Bislang hatte ich nur rausgehört, wie sie sich verhält oder wie sich andere ihr gegenüber verhalten, aber nicht wie ihr als Eltern darauf reagiert und wie ihr das mit ihr zusammen verarbeitet, außer dass ihr eben den Sprung erwägt. Von daher brauchst du dich hier nicht auf die Füße getreten fühlen. Ich sage das sehr oft: wir können nur auf das reagieren, was ihr schreibt. Diese Beschreibungen können nie vollständig sein und deswegen auch oft ein „falsches“ Bild entstehen lassen oder eben einen in eine Richtung denken lassen, die verkehrt ist.
Fakt ist: sich integrieren und dazu gehören zu wollen ist den meisten Kindern ein großes Bedürfnis, auch hochbegabten Kindern, grade hochbegabten Mädchen. Ich weiß das sehr gut aus eigener Erfahrung. Ich habe mich angepasst bis zum erbrechen und das war nicht gut. ABER das allein sein war schlimmer. Zumindest für MICH, DAMALS unter diesen Umständen. Auch hier wieder: eine klare Empfehlung kann dir hier niemand geben und habe ich dir nie gegeben. Es ist euer Leben, eure Entscheidung, euer Kind. IHR wisst am besten, was für sie besser ist. Wir können hier nur unsere Erfahrungen teilen und vielleicht kannst du für dich da etwas rausziehen, vielleicht auch nicht.
Wie man sich als buntes Zebra in der Herde unter all den schwarz-weißen Zebras am besten anpasst, sich am besten integriert, ohne sich selbst aufzugeben, das gehört zu den großen Aufgaben, die wir bunten Zebras im Leben haben. Die einen hochbegabten können das sehr gut, die anderen nicht so gut und das hat meiner Meinung nach eben nicht NUR was mit der Höhe des IQ zu tun, sondern auch mit dem Charakter.
In diesem Sinne: liebe Grüße
Meine 3
PS: mit alibaba eckt man hier hin und wieder mal an. Es ist ein kleiner Kreis von Eltern hier, sehr überschaubar. Das hat den Vorteil dass man sich recht schnell "kennen lernt", aber auch den Nachteil, dass man mit einigen Macken der anderen eben immer wieder konfrontiert wird (und vice versa). Auch ich habe mich schon oft persönlich angegriffen gefühlt und daher unsachlich auf ihre Unsachlichkeit reagiert
. Es geht hier schließlich um einen sehr persönlichen Bereich des Lebens und da bleibt es nicht aus, dass man mal emotional wird.