Auswertungsgespräch Hospitation Schulpsychologin
Verfasst: Do 12. Apr 2012, 10:21
Endlich hat die Schulpsychologin sich mal gemeldet und ihr Einschätzung von der Hospitation in der Schule mitgeteilt. Ist ja jetzt auch schon wieder ein bisschen was her...
Sie hat gesagt, auf den ersten Blick sieht es nach ADS ohne Hyperaktivität aus, was aber auf jeden Fall so rüberkam, war, dass sie wirklich so gut wie keinen Spaß bei der Sache hat. Sie hat die ganze Zeit nur einmal gelacht, als die 5 Minuten-Pause war. Was sehr auffällig auch noch war, ist, dass sie die Schulpsychologin sofort wiedererkannt hat, obwohl sie die ja erst einmal gesehen hat (letzten Sommer vor der Einschulung). Sie hat massiv den Körperkontakt gesucht und wollte eigentlich durchgängig ihre Hand halten. Wir vermuten, dass dahinter sowas steckt nach dem Motto "endlich mal ein Mensch, der mich versteht".
Ansonsten ist es wohl, dass man ihr das kaum ansehen kann, wie sie sich gerade fühlt, denn sie blickt die ganze Zeit im Unterricht ernst, schaut aus dem Fenster oder blättert im Heft. Wenn sie eine Aufgabe bearbeiten soll, braucht sie immer eine Extra-Aufforderung, aber wenn man sie fragt, ob sie überhaupt weiß, wie das geht, kann sie genau wiedergeben, was verlangt wird und das inhaltlich auch alles beantworten. Sie wirkt dennoch abwesend.
Dann gab es irgendwie eine Sportstunde und da wurde "Plumssack" gespielt. Da soll es so rübergekommen sein, als ob sie die Spielregeln überhaupt nicht begriffen hat. Die hat dann irgendwann nur noch das gemacht, was die anderen ihr gesagt haben. Irgendwann hat sie sich ganz rausgezogen und an die Seite gesetzt. Ganz klar, sie kannte das Spiel entweder nicht oder sie kannte es und hat sich bis jetzt immer davor gedrückt (=keine Spielpraxis). Ich weiß aber auch aus dem Reha-Sport, dass sie mit solchen Gruppenspielen einfach nichts anfangen kann. Auf jeden Fall ist das als altersuntypisch aufgefallen, weil es für die meisten Kinder eine Freude war, ein Geschenk sozusagen, nur für meine Tochter war das eine lästige Pflicht.
Der Kern des Ganzen war glaube ich, dass es zwischen den Lehrern und ihr ständig zu Missverständnissen kommt, weil sie nichts sagt. Sie beschwert sich nicht, sie sagt nie, dass sie lieber was anderes machen möchte oder dergleichen. Sie verhandelt nicht. Bei gibt es entweder nur "Dienst nach Vorschrift" oder "Totalverweigerung". Und die Vermutung der Psychologin war einfach, dass das immer noch eine Reaktion, quasi eine Bewältigungsstrategie ist, um mit den Erfahrungen aus dem 1. Kindergartenjahr fertig zu werden. Sie hat sich das so in den Kopf gesetzt, dass ihre Wünsche, Vorstellungen, Ideen usw. von den Erwachsenen sowieso abgelehnt werden.Sie wendet diese Blockade-Technik an, um dafür zu sorgen, dass die Erwachsenen dann so in Verzweiflung geraten, dass sie miteinander ÜBER sie reden und dann etwas tun, damit es ihr besser geht. Der Kindergartenwechsel und die frühe Einschulung haben ihr die Bestätigung gegeben, dass sie so etwas erreichen kann, wenn sie es auf die Spitze treibt.
Das Problem ist nur, dass sie darüber verlernt oder nie gelernt hat, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und im direkten Gespräch mit den Erwachsenen ihre Anliegen anzubringen und durchzusetzen. Man nennt das "Selbstwirksamkeit". Also heißt das, sie fühlt sich der Willkür der Erwachsenen ausgeliefert und hat das Gefühl, dass sie selber überhaupt nichts erreichen kann. Deswegen stellt sie auch die Kommunikation ein.
Das traurige ist auch, dass man ihr eine besonders hohe Intelligenz so im Schulalltag auch nicht anmerkt, weil sie wirklich nur das macht, was sie unbedingt muss. Sie zeigt kaum Ehrgeiz oder arbeitet irgendwie besonders schnell, so dass man auf die Idee kommen könnte, dass sie inhaltlich unterfordert ist. Deswegen ist bisher auch noch kein Lehrer auf die Idee gekommen, ihr Zusatzaufgaben zu geben. Im Ergebnis ist sie nicht besser als die anderen guten Schüler ihrer Klasse auch. Das einzige, was eben besonders ist, ist dass sie im Kopf rechnet und Wörter aus dem Gedächtnis schreibt. Das merkt man daran, dass sie auch da, wo man einfach nur was abschreiben soll, nach Lauten schreibt und dann viele Wörter "falsch" geschrieben werden. Sie nimmt diese Hilfen wie 20er-Feld usw. nicht an. Sie macht es sich selber schwer. Das macht sie wahrscheinlich, um sich selber herauszufordern.
Sie wird jetzt ein Training bekommen, mit dem sie lernen soll, ihr Bedürfnisse zu erkennen und so zu äußern, dass die Lehrer mit ihr gemeinsam eine Lösung entwickeln können. Sie soll lernen, dass die Lehrer nicht ihre Feinde sind, sondern dass sie auch einer Möglichkeit interessiert sind, wie sie mit ihr wieder ins Gespräch kommen können. Gleichzeitig bekommen wir Eltern eine Beratung, wie wir sie etwas mehr loslassen können und ihr die Verantwortung für ihre Angelegenheiten altersgemäß auch übertragen können, ohne dass wir selber das Gefühl haben, wir lassen sie jetzt im Stich.
Wir haben auch nochmal darüber gesprochen, wie schlimm das für uns war, als der Kindergarten so ins Blaue hinein diesen Autismus-Verdacht geäußert hat und dann sowas gesagt hat wie:"Sie müssen damit rechnen, dass ihr Kind niemals eine normale Schule wird besuchen können." So ein Gedanke frisst sich so tief ins Gehirn, dass es total schwierig ist, davon wieder wegzukommen. Letztlich hat die Psychologin nochmal gesagt:"Die Sache mit dem Autismus ist definitiv vom Tisch." Das, was meine Tochter jetzt hat, ist weder eine Störung noch eine Behinderung, sondern einfach nur eine Fähigkeit, die sie einfach noch nicht hat.
Manchmal ist es eben so, dass eine unbedachte Bemerkung von Erwachsenen das Selbstbild der Kinder auf Jahre beschädigen kann. Was jetzt hilft, ist die "Macht der kleinen Schritten". Sie muss über kleinere Erfolgserlebnisse wieder das Gefühl bekommen, dass sie selber Einfluss nehmen kann. Es gibt ja auch noch was zwischen Überanpassung und Rebellion.
Der schönste und versöhnenste Satz war für mich aber:"Ihre Tochter ist in der Schule auf jeden Fall goldrichtig aufgehoben."
Und sie hat noch gesagt, dass wir unsere Tochter nicht immer nur für das Loben sollen, was sie sowieso gut kann, sondern vor allem für das, wofür sie sich besonders angestrengt hat.
Sie hat gesagt, auf den ersten Blick sieht es nach ADS ohne Hyperaktivität aus, was aber auf jeden Fall so rüberkam, war, dass sie wirklich so gut wie keinen Spaß bei der Sache hat. Sie hat die ganze Zeit nur einmal gelacht, als die 5 Minuten-Pause war. Was sehr auffällig auch noch war, ist, dass sie die Schulpsychologin sofort wiedererkannt hat, obwohl sie die ja erst einmal gesehen hat (letzten Sommer vor der Einschulung). Sie hat massiv den Körperkontakt gesucht und wollte eigentlich durchgängig ihre Hand halten. Wir vermuten, dass dahinter sowas steckt nach dem Motto "endlich mal ein Mensch, der mich versteht".
Ansonsten ist es wohl, dass man ihr das kaum ansehen kann, wie sie sich gerade fühlt, denn sie blickt die ganze Zeit im Unterricht ernst, schaut aus dem Fenster oder blättert im Heft. Wenn sie eine Aufgabe bearbeiten soll, braucht sie immer eine Extra-Aufforderung, aber wenn man sie fragt, ob sie überhaupt weiß, wie das geht, kann sie genau wiedergeben, was verlangt wird und das inhaltlich auch alles beantworten. Sie wirkt dennoch abwesend.
Dann gab es irgendwie eine Sportstunde und da wurde "Plumssack" gespielt. Da soll es so rübergekommen sein, als ob sie die Spielregeln überhaupt nicht begriffen hat. Die hat dann irgendwann nur noch das gemacht, was die anderen ihr gesagt haben. Irgendwann hat sie sich ganz rausgezogen und an die Seite gesetzt. Ganz klar, sie kannte das Spiel entweder nicht oder sie kannte es und hat sich bis jetzt immer davor gedrückt (=keine Spielpraxis). Ich weiß aber auch aus dem Reha-Sport, dass sie mit solchen Gruppenspielen einfach nichts anfangen kann. Auf jeden Fall ist das als altersuntypisch aufgefallen, weil es für die meisten Kinder eine Freude war, ein Geschenk sozusagen, nur für meine Tochter war das eine lästige Pflicht.
Der Kern des Ganzen war glaube ich, dass es zwischen den Lehrern und ihr ständig zu Missverständnissen kommt, weil sie nichts sagt. Sie beschwert sich nicht, sie sagt nie, dass sie lieber was anderes machen möchte oder dergleichen. Sie verhandelt nicht. Bei gibt es entweder nur "Dienst nach Vorschrift" oder "Totalverweigerung". Und die Vermutung der Psychologin war einfach, dass das immer noch eine Reaktion, quasi eine Bewältigungsstrategie ist, um mit den Erfahrungen aus dem 1. Kindergartenjahr fertig zu werden. Sie hat sich das so in den Kopf gesetzt, dass ihre Wünsche, Vorstellungen, Ideen usw. von den Erwachsenen sowieso abgelehnt werden.Sie wendet diese Blockade-Technik an, um dafür zu sorgen, dass die Erwachsenen dann so in Verzweiflung geraten, dass sie miteinander ÜBER sie reden und dann etwas tun, damit es ihr besser geht. Der Kindergartenwechsel und die frühe Einschulung haben ihr die Bestätigung gegeben, dass sie so etwas erreichen kann, wenn sie es auf die Spitze treibt.
Das Problem ist nur, dass sie darüber verlernt oder nie gelernt hat, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und im direkten Gespräch mit den Erwachsenen ihre Anliegen anzubringen und durchzusetzen. Man nennt das "Selbstwirksamkeit". Also heißt das, sie fühlt sich der Willkür der Erwachsenen ausgeliefert und hat das Gefühl, dass sie selber überhaupt nichts erreichen kann. Deswegen stellt sie auch die Kommunikation ein.
Das traurige ist auch, dass man ihr eine besonders hohe Intelligenz so im Schulalltag auch nicht anmerkt, weil sie wirklich nur das macht, was sie unbedingt muss. Sie zeigt kaum Ehrgeiz oder arbeitet irgendwie besonders schnell, so dass man auf die Idee kommen könnte, dass sie inhaltlich unterfordert ist. Deswegen ist bisher auch noch kein Lehrer auf die Idee gekommen, ihr Zusatzaufgaben zu geben. Im Ergebnis ist sie nicht besser als die anderen guten Schüler ihrer Klasse auch. Das einzige, was eben besonders ist, ist dass sie im Kopf rechnet und Wörter aus dem Gedächtnis schreibt. Das merkt man daran, dass sie auch da, wo man einfach nur was abschreiben soll, nach Lauten schreibt und dann viele Wörter "falsch" geschrieben werden. Sie nimmt diese Hilfen wie 20er-Feld usw. nicht an. Sie macht es sich selber schwer. Das macht sie wahrscheinlich, um sich selber herauszufordern.
Sie wird jetzt ein Training bekommen, mit dem sie lernen soll, ihr Bedürfnisse zu erkennen und so zu äußern, dass die Lehrer mit ihr gemeinsam eine Lösung entwickeln können. Sie soll lernen, dass die Lehrer nicht ihre Feinde sind, sondern dass sie auch einer Möglichkeit interessiert sind, wie sie mit ihr wieder ins Gespräch kommen können. Gleichzeitig bekommen wir Eltern eine Beratung, wie wir sie etwas mehr loslassen können und ihr die Verantwortung für ihre Angelegenheiten altersgemäß auch übertragen können, ohne dass wir selber das Gefühl haben, wir lassen sie jetzt im Stich.
Wir haben auch nochmal darüber gesprochen, wie schlimm das für uns war, als der Kindergarten so ins Blaue hinein diesen Autismus-Verdacht geäußert hat und dann sowas gesagt hat wie:"Sie müssen damit rechnen, dass ihr Kind niemals eine normale Schule wird besuchen können." So ein Gedanke frisst sich so tief ins Gehirn, dass es total schwierig ist, davon wieder wegzukommen. Letztlich hat die Psychologin nochmal gesagt:"Die Sache mit dem Autismus ist definitiv vom Tisch." Das, was meine Tochter jetzt hat, ist weder eine Störung noch eine Behinderung, sondern einfach nur eine Fähigkeit, die sie einfach noch nicht hat.
Manchmal ist es eben so, dass eine unbedachte Bemerkung von Erwachsenen das Selbstbild der Kinder auf Jahre beschädigen kann. Was jetzt hilft, ist die "Macht der kleinen Schritten". Sie muss über kleinere Erfolgserlebnisse wieder das Gefühl bekommen, dass sie selber Einfluss nehmen kann. Es gibt ja auch noch was zwischen Überanpassung und Rebellion.
Der schönste und versöhnenste Satz war für mich aber:"Ihre Tochter ist in der Schule auf jeden Fall goldrichtig aufgehoben."
Und sie hat noch gesagt, dass wir unsere Tochter nicht immer nur für das Loben sollen, was sie sowieso gut kann, sondern vor allem für das, wofür sie sich besonders angestrengt hat.