Binnendifferenzierung

schneller, mehr oder anderes lernen, was ist besser?
charlotte12
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Binnendifferenzierung

Beitrag von charlotte12 »

Wie läuft bei euch Binnendifferenzierung ab? Hat das Kind einfach nur andere Aufgaben und soll sich still verhalten? Oder darf es Fragen dazu stellen, erhält Erklärungen usw.? Falls ja, wie schafft das die Lehrkraft? Ich verstehe einerseits das Problem, dass die Lehrkraft nicht parallel zum normalen Unterricht andere Dinge abseits vom normalen Stoff erklären kann. Andererseits empfindet zumindest mein Kind alternative Aufgaben nur dann als motivierend, wenn sie schwer genug sind, dass es auch mal hängenbleibt. Da es dann aber keine Hilfestellung dazu erhält, reagiert es mit Frust. Kennt ihr funktionierende Modelle, die ohne zusätzliche Belastung der Lehrkraft funktionieren?
Bliss
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Re: Binnendifferenzierung

Beitrag von Bliss »

Meine Erfahrung: Wenn Binnendifferenzierung nicht schon standardmäßig vorgesehen ist und wirklich alle Kinder individuell arbeiten können wird das auf Dauer nichts. Mein Sohn hatte in der 2.ten Klasse einen Lehrer, der begeistert von seinen Fähigkeiten war und da gern jede Menge Dinge angeleiert hätte (der IQ Test z.b erfolgte auch auf seine Initative hin). Die Sonderrolle, die mein Sohn aber in der Klasse gehabt hätte, die sonst eher im Gleichschritt vorgeht hat ihm gar nicht behagt, also wollte er lieber keine Differenzierung. Auch eine Frage zu dem Zusatzmaterial stellen geht eigentlich nur, wenn im Unterricht dafür Phasen vorgesehen ist, in denen der Lehrer mit jedem Kind mal einzeln spricht, sonst wäre es erstens wieder eine Sonderrolle und zweitens je nach Kind eine zu große Hürde da auf sich aufmerksam zu machen.

Außerdem ist das Feedback vielen Kindern ja auch wichtig, da mangelt es wenn eben nicht standardmäßig für jedes Kind individuelles Arbeiten vorgesehen ist auch oft.
alibaba

Re: Binnendifferenzierung

Beitrag von alibaba »

Das Kind braucht ja eine Rückmeldung. Kann oder will der Lehrer das nicht machen, hat Kind zwangsläufig das Problem. In der 2.Klasse erklärte mir -bei 10 Kindern- die Lehrerin, die Klasse sei so heterogen, da kann sie nicht alles leisten, nicht mal für die ganz Schwachen. Hier läge dann auch die Aufmerksamkeit. Schneller zu sein ist ein Luxusproblem.

Hier gab es - immerhin- Arbeitsblätter mit Knobelaufgaben. Man durfte auch lesen. Aber persönliche Beglückung bei Knobeldingen gab es hier nicht. Auch keine Hilfestellung.

Vielleicht kann Dir ja koschka weiter helfen. Deren Kinder lernen nur durchs ansehen oder einmaliges durchlesen. Die brauchen keine Erklärung bzw. Lesen sich die Erklärung selber durch. Da sollte dann ja auch die Hilfestellung eines Lehrers sich erübrigen.

Ich kenne daher keine Möglichkeit ohne den Lehrer, denn meine Kinder benötigen einen Lehrer oder Mentor.
charlotte12
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Re: Binnendifferenzierung

Beitrag von charlotte12 »

Vielen Dank für eure Rückmeldungen. Es tut gut zu hören, dass der Ansatz, dem Kind ohne Anleitung und ohne Feedback schwierigere Aufgaben zu geben, nicht nur bei meinem Kind nicht funktioniert. Und es tut auch gut zu hören, dass differenzierende Lehrer selten sind und nicht der Normalfall. Bestätigt die alte Weisheit, dass Lehrer entweder von sich aus differenzieren oder gar nicht. Ich habe versucht, die Rolle von daheim und Schule umzudrehen, mit meinem Kind zu Hause die schwierigeren Aufgaben zu besprechen und ihm quasi "Hausis" für die Schulstunden schwierigere Übungen als Stillarbeit mitzugeben. Aber obwohl meine Tochter diese Idee erst mal super fand, klappte es mangels Motivation nicht. Leider gibt es bei uns keinen Hochbegabten-Zug in erreichbarer Entfernung :(
@Koschka: Den Vorschlag mit einer Klasse für IQ > 120 oder so habe ich auch schon gemacht und die Auskunft erhalten, dass das mit der Grenze von 130 zentrale Vorgaben des Landes sind und von Seiten der Schule nichts daran geändert werden kann.
Rabaukenmama
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Re: Binnendifferenzierung

Beitrag von Rabaukenmama »

Ganz ehrlich - in der Schulzeit meiner Kinder habe ich bisher noch keinen Lehrer gefunden, der zu Binnendifferenzierung bereit UND imstande war. Die beiden Lehrerinnen in der Klasse meines älteren Sohnes bemühen sich zumindest darum - aber dieses feine Gespür, was wer wann braucht (das muss nicht unbedingt EXTRA viel Zeit und Aufmerksamkeit sein) haben Sie meinem Ermessen nach nicht.

Beim jüngeren Sohn ist die Voraussetzung eine andere. Der bekommt zwar wirklich individuelle Aufgaben, aber da sind auch 4 Kinder unterschiedlicher Schulstufen und nur 2 Lehrer - die Situation ist mit einer Klasse mit 20 oder mehr Kindern und einer Lehrperson absolut nicht vergleichbar.

In meiner eigenen Schulzeit hatte ich gerade mal EINE Lehrerin, die differenzieren wollte und konnte. Das war meine Grundschullehrerin in der 3. und 4. Klasse :D . Wir waren eine sehr heterogene Klasse mit 32 Kindern. Trotzdem hat sie es irgendwie geschafft, jedem das Gefühl zu geben, persönlich geschätzt zu werden und sie hat jede Stärke gesehen und aus keiner Schwäche ein Drama gemacht.

Dann gab es noch einige LehrerInnen, ich schätze mal 5, die sich, wie die Lehrerinnen meines älteren Sohnes, zumindest Mühe gegeben haben. Durch mehrere Schulwechsel hatte ich in Summe mit mindestens 50 Lehrern zu tun, von der Warte gesehen ist diese Zahl verschwindend gering.

Aber ich hatte auch eine Kindergärtnerin, die mich individuell gefördert hat, und das, obwohl damals für 30 Kinder (4-6 Jahre alt) gerade mal 2 Kindergärtnerinnen da waren. Ich weiß noch, wie sie mir ganz allein Gedichte beigebracht hat, während die anderen draußen gespielt haben. Ich glaube auch, mich erinnern zu können, dass sie ein künstlerisch sehr begabtes Mädchen in Sachen malen gefördert hat (sie ist heut übrigens Kunstmalerin).

Ich stimme koschka zu: es liegt nicht an der Klassenschülerzahl, oder der Klassenzusammensetzung ob differenziert werden "kann", es liegt am wollen und können der Lehrperson.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
alibaba

Re: Binnendifferenzierung

Beitrag von alibaba »

Ich persönlich finde das tolle Gerede von Binnendifferenzierung vollkommenen Quatsch. Eigentlich wäre ein schneller vorankommen gewünscht, keine noch so tollen Zusatzaufgaben. Mein Großer will weder ständig den Kameraden helfen noch andere Aufgaben im Unterricht. Der will eigentlich ein Thema hören und zum nächsten gehen, so wie er es verstanden hat. Und das ist schlicht weg und einfach im Schulsystem nicht möglich. Hier geht halt nur, alle machen alles gleich schnell. Ist man schneller, bekommt man Knobelaufgaben. Super! Das ist Beschäftigung, aber keine Differenzierung. Okay - auch Beschäftigung kann Langeweile reduzieren - aber mit einer adäquaten Differenzierung hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Auch nicht, wenn man dann im Unterricht lesen darf. Mein Kind macht das sehr oft im Unterricht. Aber auch das ist keine Lösung.

Angebrachter wäre eine Vertiefung. Nur was will ich in der GS in Mathematik vertiefen? Dazu benötige ich komplexere Informationen, die erst mit dem Alter und steigenden SJ kommen. Es ist in meinen Augen keine Lösung dem 1.Klässler einfach Aufgaben des 2.Klässlers zu geben. Es löst auch gar nichts, wenn ich dem Kind erlaube Kapitel 6, statt Kapitel 1 zu bearbeiten - egal in welcher Klassenstufe. Das löst das Grundproblem nur kurz. Was passiert denn, wenn ich mit Kapitel 6 durch bin oder am Endes des Buches, aber noch ein SJ vor mir liegt, da ich es schaffte, dass in 14 Tagen durchzuarbeiten.

Mein Kind kann seine Möglichkeiten gar nicht ausleben. Gerade sitzt er über der GFS und erklärte mir, dass er nur das und das zu Papier bringen kann, da es die anderen Kinder sonst nicht verstehen, wenn er ankäme und die chemischen Hintergründe des Experimentes erklären wollte.

Angenehmer ist es nachmittäglich, wenn man dann gezielt zu Veranstaltungen darf. Das finde ich dann eine schon bessere Differenzierung, die ja aber erst einmal nicht das Problem der Schule löst, aber immerhin dem Kind dann Räume öffnet, etwas anderes machen zu dürfen und das Gehirn mehrdimensional einzusetzen.

Ich sehe das Ganze mittlerweile sehr nüchtern. Entweder ich mache Differenzierung selber - da ich ja keinen Lehrer benötige, lerne ich das eben selber - oder ich arrangiere mich mit dem was ich bekommen kann und schaue, dass es mir nicht ganz so langweilig wird, im absitzen meiner Zeit und schaue, dass ich in meiner Freizeit mein Gehirnlevel hoch halte.
alibaba

Re: Binnendifferenzierung

Beitrag von alibaba »

@koschka

Hier kommt aber kein Lehrer und erklärt dir, wie man, als Beispiel, den Zirkel zu bedienen hat, wenn eben das Thema Zirkel nicht für alle im Unterricht dran kommt. Im Unterricht machen hier alle das Selbe. Intensivierungsstunden sind ja etwas Anderes. So wie nachmittägliche Aktivitäten ja auch etwas anderes sind. Es geht mir konkret um die Differenzierung im Unterricht und das gibt es hier nicht. Was schon ein Problem der Mitarbeit wäre. Wenn ich mich mit etwas anderem beschäftigen darf, kann ich ja zum Thema nicht mitarbeiten. Das geht also nicht. Denn zumindest hier ist das Neue auch Neuland. Wenn ich - wie bei euch - aufgrund von der Vorwegnahme einer Fremdsprache schon mehr kann - mag das vielleicht auch anders sein. In der Franz-klasse meiner Tochter sitzen auch Muttersprachler. Aber selbst die müssen sich melden und zuhören. Würden die Englisch in Französisch machen, könnten die sich auch nicht mehr melden und bekämen schlechte Mitarbeitsnoten. Im Prinzip ist man im System gefangen. Die Muttersprachler dürfen auch den Unterricht nicht schwänzen. :schwitz: Also machen die das, was der Rest auch macht.

Offene Aufgaben sind problematisch. Die gibt es hier - allerdings in der Gruppe. Du benötigst als Lehrer immer mehrere gute Schüler, die selbständig voran kommen und die Gruppe gleich mitnehmen. Außerdem klagt - meine Kind - dann über die "Langsamkeit" der anderen Schüler und das er mal wieder "alles" alleine machen musste.

Im Prinzip darf man - als Binnendifferenzierung - keinen Schulstoff vorweg nehmen. Liest man mal im Internet, was es denn an Förderangeboten gibt, sind das alles losgelöst vom Schulstoff angebotene Dinge. Und sie sind komplex. Außerdem erfolgen sie meist in kleinen Gruppen. Die Kinder sind dann alle auch willig das zu tun, sie haben sich ja dafür angemeldet.
alibaba

Re: Binnendifferenzierung

Beitrag von alibaba »

Koschka hat geschrieben: Mein Großer kann im Unterricht ein englisches Buch lesen und gleichzeitig im Unterricht aufpassen. Er hört mit einem Ohr zu, was geschiet. So kann er durchaus mitarbeiten.
Aber sich in ein anderes Thema zu vertiefen ist etwas anderes als nur ein Buch zu lesen.

Koschka hat geschrieben: Ich finde es sehr schade, wenn müttersprachler in den gleichen Anfängerstunden sitzen. Gibt es bei uns auch zur Genüge.
Nun gut. Wenn ich böse wäre, könnte ich auf die Idee kommen und fragen, warum man sich denn nicht für die andere Fremdsprache entschieden hat. Es gibt keine lateinischen Muttersprachler.
Koschka hat geschrieben: Dabei gibt es tatsächlich solcher, deren mehr Deutsch nicht schaden würde. Aber wie du richtig schreibst, das Problem liegt in dem System. Solange alle mitgeschliffen werden, solange von allen das Gleiche verlangt wird, geht Differenzierung nicht. Denn Differenzierung bedeutet Anerziehung der Individualität, und wir Deutsche haben damit grundsätzlich ein Problem.
Differenzierung ist schwierig. Ich möchte das nicht alleine nur beim Lehrer sehen, der das nicht kann. Oft verhindert die Klassenstruktur die Machbarkeit. Da sitzen 30 Persönlichkeiten. Schwierig …….
alibaba

Re: Binnendifferenzierung

Beitrag von alibaba »

Ich muss da ja mal für die Lehrer eine Lanze brechen ..... in der GS-Klasse meiner Madame saß nur ein! ADHS-Kind. Nur mit diesem einen Kind hatte sie bereits richtig viel Aufmerksamkeit auf dieses Kind gerichtet. Ich habe 45 Minuten und kämpfe ab Beginn der Stunde mit den Individualitäten des Lebens ..... klug sein und schnell sein, ist ein Luxusproblem, egal ob der Lehrer kann oder nicht kann, will oder nicht will.

Oder wie mein Kind analysiert .... wir haben heute wieder 45 Minuten Hausaufgaben besprochen.

Latein ist nicht so tot, wie man meinen möchte. Unbenommen davon sitzen auch am Gymnasium normal begabte Kinder. Es sollte also zu schaffen sein, auch ohne Hochbegabung. Wegen Latein muss hier kein Kind vom Gymnasium. Hier kann man ausgleichen. Eine 5 im Hauptfach mit einer 3 in einem anderen Hauptfach. Zwei 5er, eine im HF eine im NF, kann ich mit 2er in einem anderen HF und NF ausgleichen. Latein mit Mathe oder Bio mit Sport.
alibaba

Re: Binnendifferenzierung

Beitrag von alibaba »

Mit Latein werden wir immer wieder konfrontiert, wenn man Urlaub nicht nur am Strand verbringt. Neulich hat mein 14-Jähriger eine ganze Meute beglückt, da er die Wörter auf dem Obelisken lesen konnte und zumindest den Zusammenhang dadurch erklären konnte. Praktische Anwendung einer „toten“ Sprache.

Latein ist nur etwas für fleißige Kinder. Die Vokabeln in ihrer Beugung sind permanent anders. Wenn ich das nicht gleich mit lerne, übersetze ich falsch und dann ist es die falsche Zeitform, somit nicht richtig übersetzt. Die Vokabel ist da weniger das Problem. Lerne ich nicht von Anfang an, neben der Vokabel, auch alle Beugungsformen, bringt mich das in Übersetzungsnot, egal ob ich die Vokabel selber kann oder nicht. Ist man nun ein wenig faul, weil man denkt, kann ich mir herleiten, kommt da der Faule durchaus in Schwierigkeiten. Die Übersetzungszeit dauert dann zu lange. Dagegen sind die unregelmäßigen Verben z.B. In Englisch ein kümmerlicher Haufen.

In Tests hat mein Kind regelmäßig 1er. Im Text übersetzen regelmäßig schlechte Noten. Im Text tauchen so gut wie keine Vokabeln aus einem Test auf, sondern eben immer nur die Beugungsform.
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