sind alle hochbegabten automatisch Genies?

ganz allgemein zu Hochbegabung und IQ, theoretisch und praktisch
Leonie

Re: sind alle hochbegabten automatisch Genies?

Beitrag von Leonie »

Hallo,
ich weiß noch nicht genau, ob meine Tochter (5) hochbegabt ist, obwohl sie in ihrem Umfeld deutlich weiter ist als die anderen Kinder, weil sie schreiben, lesen, rechnen kann und vor allem laut der Erzieherin im kreativen Bereich 2 Jahre voraus ist. Was mich hier im Forum wundert, sind die Animositäten der Eltern. Es wirkt fast so, als seien manche von ihnen schon öfter angefeindet worden. Das ist in meinem Umfeld glücklicherweise nicht der Fall.

Eigentlich aber interessiert mich die gestellte Frage: Sind alle hochbegabten automatisch Genies, oder, was macht ein Genie aus? Ist die Frage nach den Genies nicht eigentlich eine, die in das Forum der "speziellen Hochbegabungen" gehört? Bezeichnet man einen Menschen mit einer allgemeinen Hochbegabung überhaupt als Genie, nur weil er alles sehr gut kann? Er muss damit ja nicht unbedingt an der Spitze sein, wie jemand mit einer speziellen Hochbegabung. Und wenn mein Kind auf irgendeine Art ein Genie sein sollte, was mache ich, damit es ein glückliches Genie wird, das zwar seine Interessen und Gefühle ausleben kann, aber sich trotzdem sicher und auf seine Weise geliebt in seinem sozialen Gefüge bewegt? Was mache ich, damit meine Tochter in der Schule nicht auffällig wird, nicht die Lust verliert? Wie gelingt es uns, das Genie auch für andere einzusetzen? Ich bin der Meinung, dass man mit einer besonderen Begabung, mit besonderen Fähigkeiten, auch nur als "überdurchschnittlich begabt", den Auftrag hat, die Fähigkeiten verantwortlich einzusetzen. Wie gelingt mir die Umsetzung des Anspruchs, ohne ihn für mein Kind zum Thema zu machen? Ich möchte nicht per "Self fulfilling prophecy" meine Tochter unter Druck setzen. Ich möchte sie aber auch nicht bremsen, wenn sie mir stolz verkündet, dass die Bilder in ihrem Kopf beim Lesen viel schöner seien, als die in den Büchern, obwohl ich sie mit meiner Bestärkung in die Position versetze, dass sie für die Schule schon sehr weit sein wird.

Die Frage ist auch: Muss ich mir eigentlich die Gedanken überhaupt machen, mal vorausgesetzt, dass sie per Definitionem zu den Hochbegabten gehören würde? Ab wann muss ich im Voraus handeln, wie lange sollte ich nur beobachten? Wenn ich meine zu erkennen, dass sie eine besondere Förderung im Sinne von "Entsprechung" ihrer Interessen bräuchte, setze ich möglichst früh an und melde sie auf besonderen Schulen an (die es in noch vertretbarer Entfernung hier sogar gäbe), oder lasse ich sie lieber in dem sozialen Umfeld, dass sie auch sicher macht, auch wenn ihre intellektuellen Ansprüche vielleicht andere sind? Inwieweit ist es möglich, diese Ansprüche privat abzufangen? Und, sozial gesehen, Ist es OK, wenn ich sie bewußt zu Hause lasse, damit sie spielen kann, was sie offensichtlich braucht, oder sollte ich sie lieber nicht viel mehr mit anderen Kindern zusammen bringen (obwohl ihr dann genau das Spielen, dass sie zu Hause mit ihrer kleinen Schwester hat, fehlt)? Wie sind Eure Erfahrungen?

Und ein letztes: Wie geht Ihr damit um, im Grunde völlig stolz auf Eure klugen Kinder zu sein, aber dies nicht zeigen zu wollen, um keinen Neid hervorzurufen?
3mefree
Dauergast
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Re: sind alle hochbegabten automatisch Genies?

Beitrag von 3mefree »

HAllo heikew!

Du schreibst:
heikew hat geschrieben: Also ich bin eher der coole Typ. ich versuche hinterm Berg zu halten mit dem was das Kind so kann und macht. Wir freuen uns still für uns, das ist uns lieber. Wenn dann mal positives Feedback aus der Schule oder dem Sportverein kommt, ist das umso schöner.
Du hast schon recht, und ich halte mich schon sehr zurück und überleg 5x, wem ich was erzähl, weils immer große Augen und mitunter auch blöde Anspielungen (Lehrerkind!) gibt. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das immer gut ist. Bekommen unsere Kinder nicht manchmal das Gefühl, dass ihre Begabung verheimlicht werden muss? Fühlen sie sich nicht oft schon als Alien, wenn sie etwas früher können oder rascher begreifen? Mir macht es schon Gedanken, weshalb sie sich bemüssigt fühlen, sich unauffällig zu geben....
Ich sehe ja, dass sie leidet und unentspannt ist, wenn sie laufend unterfordert wird. Und ist es nicht auch für sie ein Grundrecht, ihren Bedürfnissen nach gefördert zu werden, egal ob das in den Normrahmen passt oder nicht???

Weißt du, ich will sie sicher nicht überheblich machen. 'Aber sie soll auch ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln! Sie soll wissen, dass sie begabt ist, und soll auch wissen, dass das ein Geschenk ist, nicht erarbeitet. Und deshalb ist die Hochbegabung nichts, was sie übermäßig stolz machen sollte, sondern viel mehr das Bewusstsein wecken sollte, dass sie ihre Begabungen für sich und andere sehr positiv einsetzen kann.

LG, 3mefree
JOJO

Re: sind alle hochbegabten automatisch Genies?

Beitrag von JOJO »

Hallo 3mefree,

für uns ist hier der einzige Ort, wo man sehr frei über sich und sein Kind schreiben kann. Und trotzdem denke ich oft daran, daß es "als zur Schau stellen", oder "wer kann was besser" ausgelegt werden kann. Aber ich hoffe, daß dies weder hier im Forum, noch in dem privaten Austausch geschieht.

Außerhalb ist es für die anderen Eltern sehr schwehr, und ich möchte nicht wissen, was über uns geredet wird.

Manchmal vergleiche ich es mit Eltern von behinderten Kindern. Oft ist ihnen das eine oder andere peinlich. Das merken selbst die normal begabt behinderten Kinder. Wie muß es erst den hochbegabten, oft sehr sensiblen Kindern gehen?

Unsere Tochter las die Baderegeln im Schwimmbad (mit etwa 4,75). Da saßen Schwimmkurseltern und bemittleidende Bemerkungen wie "Oh je, die kann ja schon lesen" kamen. Was denkt da wohl mein Kind? Ganz zu schweigen von dem Einschulungschaos? Jetzt im KIGA waren einige Eltern erstaunt, als sie unsere Maus lesen hörten. Das konnte ich nicht erzählen. Aber hier gibt es wenig "vergleichbare" Kinder.

Natürlich wird uns Drill vorgeworfen. (Auch wenn wir keine Lehrer sind.) Wir behandeln unser Kind nur nicht ganz wie Kaspar Hauser.
Da liegt warscheinlich der Punkt. Irgendwo zwischen Kaspar Hauser und Eislaufeltern.

Nur ein paar Wochenendgedanken

JOJO
3mefree
Dauergast
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Registriert: Mo 6. Apr 2009, 00:21

Re: sind alle hochbegabten automatisch Genies?

Beitrag von 3mefree »

Hallo Heike!

Du hast schon auch Recht mit:
heikew hat geschrieben: Ich meine, unsere Welt ist für andere schwer begreifbar. Neid und Mißgunst sind oft an der Tagesordnung und das wird auch so bleiben. Ich lebe stressfreier, wenn die anderen eben doch nicht alles wissen. Wir erfahren ja auch nicht alles.
Ich versuche halt einen Mittelweg zwischen "Mund zu " und um ihr Recht auf adäquate Förderung - wie sie immerihn auch für Hb-Kinder im Lehrplan festgeschrieben steht - kämpfen. Das ist ein Spagat, der nicht immer leicht zu schaffen ist.
Ich glaube ja, das viel mehr begabte Kinder herumlaufen, als allgemein angenommen wird und hoffe, dass sich unsere Gesellschaft irgendwann auch darauf einstellen wird. Dazu möchte ich gerne auch meinen Beitrag leisten, aber immer nur so, dass es meinem Kind nicht auf den Kopf fällt. Aber offengestanden, manchmal geht mir da schon der Mut aus!

Danke auch für deine Rückenstärkung, ich arbeite daran, mir eine festere Haut zuzulegen! Ich ärgere mich halt immer, wenn eine gute Sache oder eine Möglichkeit abgeschlagen werden, nur weil manche sogenannte "Fachleute" kein Verständnis für die Bedürfnisse von unseren Kindern haben!!! Ich kenne eine Mutter, die hat einen körperbehinderten Sohn und einen Hochbegabten. Sie erzählt, es war oft leichter, für ihren behinderten Sohn Verständnis und Unterstützung zu bekommen, als für ihren hochbegabten Sohn!!! schon traurig, oder?
Liebe Grüße, 3mefree
PrinzessinLola
Beiträge: 36
Registriert: Do 23. Apr 2009, 18:06
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Re: sind alle hochbegabten automatisch Genies?

Beitrag von PrinzessinLola »

Hallöchen!

Also auf viele von Leonies Fragen würde ich wiefolgt antworten: Ich finde es ist unheimlich wichtig auf sein Herz zu hören! Letztendlich geht es ja darum dass das Kind glücklich ist. Und dafür ist sowohl ein gutes Einfühlungsvermögen nötig, als auch eben die Fähigkeit auf sein eigenes Herz zu hören und dann zu entscheiden was richtig ist.
3mefree hat geschrieben:
Unsere älteste Tochter scheint auch nicht das Genie in Person zu sein, wenn man sie so oberflächlich sieht. sie hat sich schon früher lesen und schreiben und rechnen beigebracht als andere und uns hie und da verwundert, aber ich hätte sie selbst eher als "gut begabt" eingeschätzt. Wir haben sie testen lassen, weil sie extrem "unrund" war und zuhause aggressiv reagiert hat. Wir dachten, sie würde sich vielleicht selbst überfordern und allen etwas beweisen wollen, deshalb so verspannt reagieren.
der Test ergab dann eine Höchstbegabung, deren Ausmaß ich vielleicht noch nicht einmal begreife...
Mädchen, die ja im Allgemeinen "sozial angepasster" reagieren als Jungen, fallen auch bei vorhandener HB seltener auf. Oft nutzen sie auch ihren IQ dazu, ihre "Andersartigkeit" möglichst gut zu verstecken!
So ähnlich ist das bei uns auch. Ich selbst wurde auf einen IQ von 148 getestet. Okay, ich konnte mit 4 lesen... Aber sonst? Sonst war ich auch kein Überflieger. In der Schule war ich immer eine durchschnittliche Schülerin. Das Klavierspielen hab ich mir ein bisschen selbst beigebracht, aber spielen kann ich auch nur die einfachere Stücke, die jeder normal begabte auch schnell spielen könnte. Überhaupt war ich immer überall im Durchschnitt. Nur mein Gedächtnis ist auch wirklich gut. Zumindest kannte ich früher jede Telefonnummer und jedes Geburtsdatum. Aber seit ich Mutter bin und andere Dinge im Kopf hab ist das auch nicht mehr so.

Meinen Sohn hab ich noch nicht testen lassen. Aber auch er hat eher versteckte Talente. Er kann sich an vieles erinnern, auch an Dinge die um seinen 2. Geburtstag passiert sind. Er ist jetzt 5 geworden, aber richtig lesen oder schreiben kann er auch nicht. Nur die Namen von allen Kindern seiner Kiga-Gruppe, aber das ist denk ich eher so ein Einprägungsding. Er kann nicht mal rechts und links immer richtig benennen (aber wir üben und er macht sich :P ). Dafür hat er aber ein mega-Detailwissen in Gebieten, die man einem 5-jährigen Jungen jetzt nicht unbedingt zuordnen würde. Zum Beispiel kennt er die Top 4 von Germanys Next Topmodel komplett mit Namen und weiß, wer welches Fotoshooting schießen durfte :lol: , er kennt sämtliche Make-up Utensilien, interessiert sich auch für Klamottenmarken, und bei jedem Ding das in unserem Kühlschrank steht weiß er, aus welchem Laden das Ding ist. Was ich wohl dazusagen sollte: Beim einkaufen ist er nur alle paar Wochen mal dabei, sonst gehen wir ohne ihn. Die Namen von Klamottenmarken werden nur nebenbei erwähnt, schließlich will ich keinen kleinen Markenproll heranziehen, aber das erledigt er wohl gerade selber :roll: Wenn ich mich schminke ist er auch selten dabei..... Aber erzähl das mal einer den Leuten die dir dann unterstellen du wärst eine Schicki-Micki-Mama, die ihrem Kind das eintrichtert.......... :twisted:

LG, Nessy
3mefree
Dauergast
Beiträge: 61
Registriert: Mo 6. Apr 2009, 00:21

Re: sind alle hochbegabten automatisch Genies?

Beitrag von 3mefree »

PrinzessinLola hat geschrieben: Zum Beispiel kennt er die Top 4 von Germanys Next Topmodel komplett mit Namen und weiß, wer welches Fotoshooting schießen durfte :lol: , er kennt sämtliche Make-up Utensilien, interessiert sich auch für Klamottenmarken, und bei jedem Ding das in unserem Kühlschrank steht weiß er, aus welchem Laden das Ding ist. Was ich wohl dazusagen sollte: Beim einkaufen ist er nur alle paar Wochen mal dabei, sonst gehen wir ohne ihn. Die Namen von Klamottenmarken werden nur nebenbei erwähnt, schließlich will ich keinen kleinen Markenproll heranziehen, aber das erledigt er wohl gerade selber :roll: Wenn ich mich schminke ist er auch selten dabei..... Aber erzähl das mal einer den Leuten die dir dann unterstellen du wärst eine Schicki-Micki-Mama, die ihrem Kind das eintrichtert.......... :twisted:

LG, Nessy
Hallo Nessy!
Also wenn du auf diese Dinge keinen großen Wert legst und er dennoch solch ein "Fachwissen" an den Tag legt, halte ich das jetzt aus der Ferne ein wenig für einen Hilfeschrei deines Sohnes! Wenn er das, was du ansiehst und was du "gelegentlich tust" so in den Mittelpunkt seines Interesses stellt, könnte das doch der Versuch sein, Aufmerksamkeit zu erhaschen.
Ich mein das jetzt gar nicht böse oder behaupte, er wäre vernachlässigt, ich sehe darin einfach die kindliche Botschaft: "Schau, was dich interessiert, kenne ich genau, ich bin ein Gesprächspartner auf Augenhöhe!"


Dass er ein kluges Köpfchen hat, ist ja offensichtlich, und er scheint auch nach interessanteren Themen zu suchen, als ihm der KiGa bietet...Und gerade deshalb würde ich ihm soviele Angebote machen, wie möglich: Museen, Ausstellungen, Fachliteratur, Denkspiele, Atlanten und Weltkarten usw., vielleicht findet er dabei sein neues Steckenpferd und fühlt sich noch mehr verstanden?

Ich möchte mit dem, was ich schreibe, keineswegs andeuten, dass ihr ihn nicht ernst genug nehmt, und ich bin auch der Meinung, dass Leute, die sich hier im Forum den Kopf über ihre Kids zerbrechen ganz bestimmt den nötigen Respekt vor ihnen und den Willen zu ihrer Förderung haben - desinteressierte oder auch einfach nur ahnungslose eltern würden wohl nicht hier rumsurfen! Möglicherweise möchte er ja mit diesem speziellen Fachwissen über models, makeup und mode ja auch gar nicht euch aufmerksam machen, sondern die Kindergärtner oder andere BEzugspersonen wie z.B. Omas, große Schwestern o.ä.?

Jedenfalls bist du Arme sicher noch mehr als andere als "verrrückte EhrgeizMum" verschrieen, wenn er solche Dinge äußert.
Mein Beileid und ich wünsche dir die nötige Geduld und jede Menge Humor, um bei blöden Sprüchen darüberstehen zu können! Alles Gute euch! 3mefree
PrinzessinLola
Beiträge: 36
Registriert: Do 23. Apr 2009, 18:06
Wohnort: Uelzen

Re: sind alle hochbegabten automatisch Genies?

Beitrag von PrinzessinLola »

Hallo 3mefree!

Ja, ich verstehe genau was du meinst!
Mein Sohn fordert wirklich seeeehr viel Aufmerksamkeit. Ich bemühe mich auch, ihm so gut es geht gerecht zu werden. Manchmal hab ich auch echt keine Ahnung, wann er zu viel, wann zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Ich glaube ich schaffe den Spagat dazwischen ganz gut, aber ich mache natürlich auch Fehler....

Hm, warum er gerade solche Interessen hat, ist tatsächlich schwer zu sagen. Ich bin ja diejenige mit der er am meisten Zeit verbringt, der Papa ist nur am Wochenende da, ich denke, das ist schon mal eine Sache.
Das andere, was du sagtest, dass er zeigt dass er ein Gesprächspartner auf Augenhöhe ist - da ist wohl auch was wahres dran. Denn ich unterhalte mich oft mit ihm auf "Augenhöhe"; manchmal habe ich das Gefühl, wir sind gute Freunde und nicht Mutter und Sohn... Man kann sich nämlich tatsächlich toll mit ihm unterhalten....

Ja, und er spielt viel mit Mädchen, weil die, wie er sagt "wenigstens lieb sind". Deshalb hat er generell recht weibliche Interessen. Aber er hat auch "normale" Interessen, muss ich jetzt auch mal sagen. Er interessiert sich auch für Automarken, Baustellenfahrzeuge, alles was im Garten rumkriecht und Panzer; das ist nur dann mehr Papas Part :mrgreen:

LG, Nessy
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