Zeitungsartikel "Schlau, aber kaum belastbar"

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Katja und Co
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Zeitungsartikel "Schlau, aber kaum belastbar"

Beitrag von Katja und Co »

Hallo,

auf der Wissenschaftsseite meiner Tageszeitung war ein - wie ich finde - ganz interesanter Artikel zu lesen. Vielleicht interessiert es ja den einen oder anderen auch.

Schlau, aber kaum belastbar
Hochintelligent zu sein, wünscht sich jeder. In stressigen Situationen ist das aber nicht immer vorteilhaft
14.03.2007

Wissenschaft - Seite 13

Jana Schlütter

Wenn ein kluger Kopf unter Stress nicht kühl bleibt, versagt er trotz hoher Intelligenz. Besonders in Testsituationen, in denen es auf eine gute Leistung ankommt, lähmt die Sorge um das eigene Abschneiden diejenigen, für die die Aufgaben eigentlich kein Problem darstellen sollten. Für Menschen dagegen, die nur durchschnittlich begabt sind, macht der Druck keinen Unterschied. Ihre Leistung bleibt unter Stress gleich. Zu diesem Ergebnis kam eine Arbeitsgruppe um Sian Beilock. Die Psychologin von der University of Chicago präsentierte ihre Studie kürzlich auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science in San Francisco.

Schwitzende Prüflinge

Beilock hat für ihre Untersuchung 92 Studenten zunächst einem Intelligenztest unterzogen und sie dann unter normalen Bedingungen sowie unter Stress Mathematikaufgaben lösen lassen. Diese erforderten einen zwar einfachen, aber ungewöhnlichen Algorithmus: Von drei Zahlen musste die mittlere Zahl von der ersten subtrahiert und das Ergebnis durch die letzte Zahl geteilt werden. War das Ergebnis eine ganze Zahl, war die Behauptung richtig - dies galt es zu überprüfen.

Die Aufgaben mussten innerhalb kurzer Zeit vor den Augen einer Kommission gelöst werden. Zusätzlich wurde den Studenten ein Partner zur Seite gestellt. Dieser Partner habe in den Tests bereits seine Fähigkeit, die Aufgaben zu lösen, verbessert - und daher Anspruch auf einen kleinen Geldgewinn, wurde den Probanden erklärt. Das Geld erhalte der Partner aber nur, wenn auch der neue Kandidat sich verbessere. "Um die Prüflinge so richtig ins Schwitzen zu bringen, haben wir sie außerdem mit einer Videokamera gefilmt", berichtete Beilock.

Die Psychologin und ihr Team hatten erwartet, dass Studenten mit einem großen Arbeitsgedächtnis nicht so schnell unter Druck geraten, da sie eine bessere Ausgangssituation haben. Das Arbeitsgedächtnis speichert für kurze Zeit die einströmenden Informationen und macht es möglich, sie zu bewerten, einzuordnen und Irrelevantes auszublenden. Fähigkeiten, die auf der Aktivität des Arbeitsgedächtnisses aufbauen, fassen Forscher mit dem Begriff fluide Intelligenz zusammen. Die meisten Intelligenztests messen diese Art von Intelligenz.

Als Beilock und ihre Kollegen die Ergebnisse auswerteten, erlebten sie eine Überraschung: Die Leistungsfähigkeit der Hochintelligenten sank unter Stress rapide. Statt 80 Prozent nutzten nur noch 60 Prozent dieser Studenten den zielführenden Algorithmus, alle anderen verließen sich auf ungewohnte Schätzungen. Weniger intelligente Studenten dagegen nutzten unter Druck vermehrt die angemessene Lösungsmethode - der Anteil stieg von 60 auf 65 Prozent. Darüber hinaus bewiesen diese Prüflinge mehr Routine: Sie waren kreativer im Erfinden von Notlösungen.

Beilock vermutet, dass das Phänomen durch unterschiedliche Strategien bei der Lösung von Aufgaben zu erklären ist. Sehr intelligente Menschen verlassen sich zumeist auf das große Arbeitsgedächtnis ihres Gehirns - im Alltag erzielen sie so die besten Ergebnisse. Wie die Studie zeigt, wird die Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses offenbar durch Stress beeinflusst. Besonders intelligente Menschen scheinen besonders anfällig dafür zu sein. Ihr Arbeitsgedächtnis ist unter Anspannung mit Nervenflattern beschäftigt und die Kapazität für zusätzliche Rechenoperationen sinkt. "Statt den besten Lösungsweg zu beschreiten, gerieten sie auf Abwege und fingen bei den Mathematikaufgaben an, zu schätzen und zu raten", berichtete Beilock.

Weniger Begabte aber, die sich ohnehin nicht auf ein großes Arbeitsgedächtnis stützen können, sind in dieser Situation im Vorteil. Sie sind es gewohnt, die Lösungswege abzukürzen, indem sie raten oder schätzen. Ob Prüfungsangst zusätzlich einen Teil des Gehirns beschäftigt, ist dabei unerheblich. Das erklärt nach Ansicht von Beilock, dass die Leistung eines sehr intelligenten Menschen hinter die eines durchschnittlich begabten zurückfällt.

Auch in anderen Situationen stehen sich Menschen mit ausgeprägter fluider Intelligenz selbst im Weg. Das zeigte eine ebenfalls in San Francisco vorgestellte Studie des US-Psychologen Jeremy Gray von der Yale University in New Haven. Er untersuchte, wie Selbstbeherrschung und Emotionen kognitive Fähigkeiten beeinträchtigen können. Dazu ließ er fünfzig Psychologiestudenten zunächst einen traurigen Film sehen, danach sollten sie Mathematik- und Logikaufgaben lösen. Ein Teil der Studenten durfte während des Films keine Emotionen zeigen - ihre Gesichtszüge wurden mit einer Videokamera aufgezeichnet.

Allzu beherrscht

Das strengte intelligente Studenten so sehr an, dass sie bei den folgenden Aufgaben schlechter abschnitten als gleich schlaue Kommilitonen, die sich während des Films nicht hatten beherrschen müssen. Bei weniger intelligenten Probanden ergaben keine signifikanten Leistungsunterschiede. Nach Ansicht von Jeremy Gray haben die Resultate mit den verschiedenartigen Strategien beider Gruppen zu tun: "Die außergewöhnlich Begabten haben sich in die erste Aufgabe gestürzt und dabei ihr Hirn stärker aktiviert als die Normalbegabten - ihr Denkorgan verbrauchte dabei mehr Glukose", sagte der US-Psychologe. Für die nächste Aufgabe seien dann weniger Reserven übrig geblieben.

"Unsere Ergebnisse sollten denjenigen zu denken geben, die Eignungsprüfungen für Universitäten oder Aufgaben für Assessmentcenter entwerfen", sagte Beilock. "Wenn dort nicht Stressresistenz, sondern Intelligenz gemessen werden soll, sagen die Testresultate kaum etwas über die tatsächliche Leistungsfähigkeit eines Kandidaten aus." Besser geeignet für diese Zwecke seien Tests, in denen Schätzungen und Ratespiele nicht weiterhelfen. Sian Beilock: "Denkbar ist auch, Menschen mit Prüfungsangst mehr Zeit für ihre Aufgaben zu lassen, damit sie nicht noch stärker unter Druck geraten."

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Foto: Normalbegabte sind der psychischen Belastung durch eine Prüfung wie hier an der Magdeburger Universität besser gewachsen als Hochintelligente.
Axel
Dauergast
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Registriert: Di 16. Aug 2005, 12:51

Re: Zeitungsartikel

Beitrag von Axel »

Ich bin mir unsicher, ob die Stichprobe ausreicht, um eine treffende Aussage zu machen.
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