Hallo Keksle,
ich berichte mal aus eigener Erfahrung. Dass ich hochbegabt sein könnte, kam mir nie in den Sinn. Ich fühlte mich immer dumm. Im Nachhinein muss ich sagen, ist mein Leben (schulischer Werdegang, Berufsleben, soziales Verhalten) richtig typisch für ein nicht erkanntes HB-Kind gewesen. In meinem Leben war auch sonst viel los (Scheidung der Eltern, überforderte, alleinerziehende Mutter, Auszug mit 16, während der mittleren Reife, Suizid des Vaters...), so dass ich auch wirklich "andere Sorgen" hatte, als mir Gedanken über meinen Intellekt zu machen
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Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens zur Ausbildung wurde ein sehr umfangreicher und "großflächig" angelegter Iq- und Eignungstest gemacht. Da hatte ich dann 99%. Ehrlich gesagt, war mir zu diesem Zeitpunkt der Begriff "Hochbegabung" aber noch nicht so geläufig. Das kam erst, als mein Bruder mir erzählte, dass sein Sohn höchstbgegabt sei und er nun auch einen IQ-Test gemacht hat und auch hochbegabt ist und dann hat er gefragt ob ich denn auch weiß ob ich hochbegabt wäre. Ich erzählte ihm von diesem Test und meinte, dass ich es nicht weiß, dass ich aber glaube, dass ich hochsensibel bin.
Zur Hochsensibilität habe ich relativ früh gefunden, weil ich mich immer gefragt habe, warum ich mich so "anders" oder oft fehl am Platz in der Gesellschaft fühle, warum mich Streits, Ungerechtigkeiten oder Unstimmigkeiten mehr zu belasten SCHEINEN (sprechen kann ich ja nur von mir selbst), warum mir als Kind so oft gesagt wurde, ich sei eine "Mimose", eine "beleidigte Leberwurst" oder einfach nur "empfindlich"...
Dass viele Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen Hochsensibilität und Hochbegabung sehen, darauf bin ich aber erst gestoßen, als es dann um die HB meiner Kinder ging
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Tatsächlich setze ich mich mit meiner eigenen Hochbegabgung, die ja höchstwahrscheinlich vorliegt, auch erst richtig auseinander, seit es bei meinen Kindern so auffällig ist, dass sie in allem immer irgendwie schneller und weiter sind und waren als die anderen Kinder um sie herum, und dies uns auch sehr früh schon bei jedem Kind zurück gemeldet wurde (Erzieher, andere Eltern...).
Dass ich hochsensibel bin, das steht für mich fest:
Ich bin übermäßig geräuschempfindlich, bei einem Gehörtest kam dann auch raus, dass ich ein übergutes Gehör habe
. Ich höre eine Maus nachts im Nebenzimmer pupsen und wache davon auf
. Ich vertrage viele Medikamente nicht, bzw. reagiere sehr stark drauf, brauche von vielen Medis nur die Hälfte. Ich hasse Etiketten an Kleidungen, oder "verkrempelte" Ärmel in der Jacke, iich bin megalichtempfindlich, geruchsempfindlich und "stimmungsempfindlich". Ich habe einen starken Gerechtigkeitssinn und auch wenn ich mich selbst manchmal schlampig ausdrücke, weil ich ungeduldig bin
, hasse ich ungenaue Formulierungen. Ich nehme vieles "wörtlich". Sagt jemand IMMER in einem Streit ("immer vergisst du den Müll rauszubringen"), so nehme ich das wörtlich und ärgere mich, denn das stimmt ja nicht. Und so weiter. Ich kann Blicke und andere nonverbale Kommunikation sehr gut deuten, was früher für mich sehr schwer war, denn oft passt, das, was ein Mensch nonverbal ausdrückt eben nicht zu dem, was er SAGT... Sprich: Lügen oder Unaufrichtigkeiten stören mich sehr und ich merke sie leider auch schnell....
Auch kognitiv habe ich mich immer sehr unterschieden. Im Berufsleben bin ich immer schnell innerhalb der Firma aufgestiegen, meine rasante Auffassungsgabe wurde stets gelobt. Auf der anderen Seite habe ich öfter "angeeckt". Sowohl imt Vorgesetzten
, als auch mit "Untergebenen". Im Nachhinein ist mir soooo vieles klar geworden. Auch hier: ich schloss von mir auf andere:" warum hat denn niemand diesen doofen Fehler bemerkt, so unnötig, so was muss doch nicht passieren. Können die nicht besser "aufpassen". So oft habe ich mich über so etwas geärgert und war ehrlich gesagt dadurch auch oft "von oben herab". Jetzt im Nachhinein habe ich viel mehr Verständnis für die Kollegen, die es schlicht vielleicht einfach nicht "gerafft" haben, die nicht in sekundenschnelle den Fehler sehen KONNTEN, während es für mich, sofort ins Auge stach...Die Hochbegabung erklärt auch, warum ich in der Schule so viel geträumt habe und ich die ständigen Wiederholungen, vor allen in den Sprach- und Sachfächern wirklich als quälend empfunden habe.
An meinen Kindern stelle ich viele dieser hochsensiblen "Fähigkeiten" (oder auch "Bürden") auch fest. Ich kann so gut auf sie eingehen, verstehe schnell was sie drückt oder wo was stört. Mein Mann guckt dann immer nur blöd aus der Wäsche
, da er nicht hochsensibel ist.
Hochsensibel zu sein ist eigentlich schön, genau wie hochbegabt zu sein, man nimmt viel mehr wahr. Aber wenn du das nicht weißt, dass du mehr wahrnimmst als andere, kann das schon zu Problemem führen. Bei mir war es so. Ich schloss früher, wie es so viele tun, von mir auf andere. Aber das funktionierte irgendwie nie
.... Das Problem ist also eher der Umgang in der Gesellschaft damit oder du selbst im sozialen Umfeld. Oft habe ich engeeckt mit meinem empfindlich sein oder dass ich in ner Disco Zustände bekomme, weil es zu laut ist
...Ich war nie so mega der Partylöwe (hatte aber eine kurze, sehr (!!) wilde Phase, da dachte ich einfach ich MUSS das tun, um dazu zu gehören); sondern eher der Bücherwurm...Ich brauche viel Zeit allein, in Ruhe, für mich. Zu Hause, ohne viel Lärm, viele Leute, viele Eindrücke... Mein Mann ist das genaue Gegenteil: Party, am liebsten mit dem Popo auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig (das stresst mich furchtbar), und auch körperlich ist er viel unempfindlicher...
Aber ich hatte schon immer mindestens einen Menschen in meinem Leben, mit dem ich richtig dicke war. Nur so viele Freunde und Bekanntschaften: das war mir immer zu viel und überfordert mich schnell...
Seit ich um meine Eigenheiten weiß, fühle ich mich viel normaler
, da ich damit besser umgehen kann, besser unterscheiden kann, was in Ordnung ist und was nicht. Wann ICH ein Problem habe, und wann mein Gegenüber...Ich kann mich besser abgrenzen, nein sagen, oder eben auch JA...
Es ist gut, wenn man es weiß.
Gruß, Nora