Wo bekommt man Hilfe?

ganz allgemein zu Hochbegabung und IQ, theoretisch und praktisch
alibaba

Re: Wo bekommt man Hilfe?

Beitrag von alibaba »

Akira999999 hat geschrieben: Es wurde ein iq Test gemacht. Dieser besagte einen durchschnittlichen iq von 105 in Teilbereichen allerdings 115-120 und der Vermerk, wenn die Konzentration gleich geblieben wäre, hätte er deutlich höhere (überdurchschnittle Ergebnisse) erzielen können.

Wenn ich gerade über Underwriter lese, dann sehe ich da meinen Jungen komplett wieder. Jetzt im vierten Schuljahr sacken seine Leistungen immer mehr ab.
Ich glaube, du hast eine falsche Vorstellung von einem Underachiever. Wenn der IQ deines Sohnes 105 ist, würde es für einen Underachiever bedeuten, dass er massiv unter seinen Leistungen bliebt, die gemessen zum IQ stehen. Also ein Kind mit einem IQ von 130 sollte eigentlich keine 4 auf dem Zeugnis stehen haben. Denn man würde hier eine 1 erwarten. Alles natürlich nur theoretisch. Auch ein Kind mit einem IQ von 105 kann eine 1 haben, aber es würde keiner die Augenbrauen runzeln, wenn da eben eine 3 stände. Mein Kindgroß wäre so ein Underachiever. Hoher IQ und grottige Noten (versetzen ist dann gerade noch mal gut gegangen), auch da wo der IQ-Test ihm theoretisch viel IQ bescheinigte. :gruebel:

Akira999999 hat geschrieben: Er hat einfach "keinen Bock" .
Vielleicht legt ihn ja die Kombination von ADHS und LRS einfach lahm. Kein Bock ist ja immer relativ.

Ich finde eure Diagnosen sehr speziell und vielschichtig um hier einfach sagen zu können, so oder so sehe ich das. Wenn Du denkst, dass dein Kind falsch getestet wurde oder es hätte anders getestet werden müssen, dann wird Dir wohl nichts Anderes übrig bleiben, als selber zu einem Spezialisten zu gehen und den zu suchen und das dann privat zu bezahlen. Und was wäre dann? Sähest du dein Kind eher auf einer anderen Schulform? Ein IQ von 105, dazu ADHS und LRS - wo dachtest Du, wäre die "Einschulung" sinnvoll?
Ich finde, deine Variante der Gemeinschaftsschule klingt doch erst einmal ganz logisch und sinnvoll.

Wenn Du jetzt denkst diese Diagnosen sind so nicht richtig, wirst Du weiter kämpfen müssen. Stück für Stück. Aber als Kassenpatient wird das schwierig. Verbliebe nur der private Weg.
Auguste
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Re: Wo bekommt man Hilfe?

Beitrag von Auguste »

Hallo Akira,

So wie Du Deinen Sohn schilderst, sehe auch ich keinen Underachiever. Euer Problem scheint nicht die "zu hohe" Intelligenz zu sein. Eurer Problem dürfte ADHS und LRS heißen. Weiß die Schule von den Diagnosen? Was macht ihr außer Medikamente geben?

Bei LRS gibt es in NRW einen Nachteilsausgleich. Dein Sohn hat evl. Anspruch auf Förderstunden. Das müsstest Du mit der Schule besprechen, am besten mit dem Schulpsychologen oder Schulsozialarbeiter (wenn es bei Euch einen gibt). Da kann man auch das Thema ADHS ansprechen. Wenn die Medikamente Wirkung zeigen, dann hat Dein Sohn ADHS. Gegen Unterforderung (aufgrund von (Hoch-)Begabung) helfen die Medis nämlich nicht ;)

Wenn ihr von Eurem jetzigen KJP nur das Rezept und sonst keine Hilfe und keine Therapievorschläge bekommt, dann sucht Euch eine(n) andere(n). In Eurer Gegend gibt es doch sicher mehr als einen Kinder- und Jugendpsychiater. Und die werden nicht alle nur privat abrechnen. An Deiner Stelle würde ich jetzt nicht gezielt nach jemandem suchen, der sich mit (hoch)begabten Kindern auskennt, sondern eher nach jemandem, der sich mit ADHS und LRS auskennt. Ich glaube nämlich, dass diese Diagnosen im Moment eher für den Frust und das "Nullbock" bei Deinem Sohn verantwortlich sind. Aber da gibt es Möglichkeiten in der Schule und außerhalb der Schule Therapien, um dem Kind zu helfen. Mit den Diagnosen LRS und ADHS bekommt man in der Schule nach meiner Erfahrung eher Hilfe als wenn das Kind "nur" (hoch)begabt ist. Die ADHS- und LRS-Kinder bekommen bei uns z.B. jederzeit "Extrawürste" in Form von anderen Aufgaben oder Förderunterricht. Mit einem Kind was "nur" begabt ist, läufst du da viel öfter gegen Wände, als in der Schule etwas zu erreichen.

Du schreibst, dass der IQ von einem Wert "runtergezogen" wurde. Das wird wohl (wie schon vermutet wurde) die Verarbeitungsgeschwindigkeit sein. Wenn ansonsten die Werte nur in Teilbereichen bei 115-120 waren, dann reißt die Verarbeitungsgeschwindigkeit bei einem Gesamt-IQ von 105 den Test auch nicht so weit runter, dass da mit den Medis deutlich mehr zu erwarten wäre.

Es mag sein, dass Dein Sohn ein besseres Ergebnis erzielt hätte, wenn die Konzentration besser gewesen wäre (z.B. mit Medis). Aber was hilft dir das? Was hast Du davon, wenn Dein Sohn in Wirklichkeit einen Gesamt-IQ von vielleicht 115 (=überdurchschnittlich) hat? Die Probleme aufgrund von ADHS und LRS sind dann doch immer noch da. Die gehen ja nicht weg, nur weil auf dem Papier eine andere Zahl steht. Möglicherweise ist Dein Sohn im Moment gar nicht unterfordert, sondern überfordert -aufgrund von ADHS und LRS. Auch das kann zu Frustration und "Nullbock" führen.

Ich habe einen begabten Sohn mit AVWS (auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung). Zwischen seinem höchstem und dem niedrigstem Wert (Verarbeitungsgeschwindigkeit) liegen 48 Punkte. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit ist bei meinem Sohn sogar unterdurchschnittlich - also unter 85. Der (eigentlich nicht auswertbare) Gesamt-IQ ist trotzdem überdurchschnittlich. Das beeindruckt die Lehrer überhaupt nicht und mein Sohn bekommt deswegen keine "Extrawürste" in der Schule.

Aufgrund seiner Intelligenz ist mein Sohn aber in der Lage, seine AVWS weitestgehend selbst zu kompensieren und er hat eigene Strategien entwickelt, mit denen er trotz seiner Einschränkung im Alltag und in der Schule gut klar kommt. Deswegen hat auch 9 Jahre lang niemand mitbekommen, dass unser Sohn ein "Hörproblem" hat - auch wir Eltern nicht.

Auch Dein Sohn wird in gewissem Maße (unbewusst) Strategien entwickelt haben, um mit seinen Einschränkungen klar zu kommen. Nur wird das um so anstrengender für ihn, je anspruchsvoller der Unterricht wird. Dann reicht die Intelligenz halt nicht mehr aus, um seine Defizite zu kompensieren und in der Schule gut mitzukommen - egal ob sein IQ nun 105 oder 115 ist. Die Medis sind eine Hilfe. Die helfen aber nicht gegen LRS. Das LRS-Problem muss man anders angehen und da würde ich bei Euch als erstes ansetzen - beginnend in der Schule.

Gruß
Rabaukenmama
Dauergast
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Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24

Re: Wo bekommt man Hilfe?

Beitrag von Rabaukenmama »

Auguste hat geschrieben: Ich habe einen begabten Sohn mit AVWS (auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung). Zwischen seinem höchstem und dem niedrigstem Wert (Verarbeitungsgeschwindigkeit) liegen 48 Punkte. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit ist bei meinem Sohn sogar unterdurchschnittlich - also unter 85. Der (eigentlich nicht auswertbare) Gesamt-IQ ist trotzdem überdurchschnittlich. Das beeindruckt die Lehrer überhaupt nicht und mein Sohn bekommt deswegen keine "Extrawürste" in der Schule.
Hallo Auguste!

Bei meinem Sohn (ADHS und Asperger Autismus) ist es sehr ähnlich, auch ähnlich wie bei Akiras Sohn. Der Gesamt-IQ von 118 wurde erreicht, weil die Verarbeitungsgeschwindigkeit (in seinem Fall 90) den Gesamtwert nach unten gezogen hat. Zwischen höchstem und niedrigstem Wert lagen bei ihm mehr als 60! IQ-Punkte, weil er den sprachlichen Teil vom WISC gedeckelt hat (IQ 150+ in diesem Bereich). Die anderen Werte lagen durchwegs im oberen Durchschnittsbereich (100-115) oder waren überdurchschnittlich (115-130).

Das einzige Kind mit noch größerem Unterschied zwischen bestem und schlechtestem Unterwert ist übrigens mein jüngerer Sohn (gehörlos und frühkindlicher Autist), der bei der letzten Testung einen Gesamt-IQ von 85 erreicht hat (bestes Ergebnis 130+, schlechtestes unter 60).

Du hast völlig recht, Extrawürste gibt es "nur" für einen hohen IQ schulisch normalerweise nicht. Selbst die nachweislich hochbegabten Kinder etlicher User hier stoßen ständig gegen Barrieren und es wird viel, viel mehr auf die Defizite geschaut als auf die Fähigkeiten. Das ist ein Problem des Schulsystems allgemein. Hilfen gibt es tatsächlich deutlich MEHR für Defizite als für Begabungen.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
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