FamilyUndercover hat geschrieben:Danke für Euren lieben Antworten. Es war kein einziger Vorwurf dabei.
Das ist wirklich nett.
Dennoch bin ich sehr traurig.
Sie tut mir so leid.
Ihr beschreibt Eure Kinder, dies ist sehr interessant. Lieben Dank. Ich erkenne nur meine E darin nicht wieder.
Sie hat nicht vor der Schule gelesen, sie hat nicht gerechnet oder könnte Dinonamen auswendig.
Was sie allerdings hat, erst jetzt ,denke ich darüber nach...sie grübelt viel. Sie weint oft, weil es keine Hoffnung für die Welt gibt. Weil es immer Kriege, immer Ungerechtigkeit, immer Machtspiele und Gewalt geben.wird. Weil sie privilegiert ist, andere nicht....usw.
Ich kann sie da kaum trösten.
Sie ist da tief verzweifelt- schon immer!
Ich Versuche sie zu verstehen, Hochbegabung zu verstehen. Es ist schwer
Zumal es bei drei Kindern im Ra steht ( E.ist ja schon getestet, J. folgt und G.in 2 Jahren vor der Einschulung).
Darf ich Euch fragen: Wo sehr ihr, das größte Geschenk innerhalb der HB von Euren Kindern? Wo die größte Last?
Entschuldigt, die Platten Fragen. Aber ich muss mich langsam rantasten.
Liebe Grüße und ein großes Dankeschön.
I.
PS: Der Buchtipp Extrem beschenkt, kam Recht gut an. Ein Fallbeispiel war sehr ähnlich
Hallo nochmal,
ich finde es verständlich, dass sie dir leid tut, weil sie erst ein Teenie werden musste und sie damit so lang „allein“ war. Aber weißt du, das ist JETZT nicht wichtig. Wichtig ist, dass ihr JETZT die Ursache für ihre Gefühle kennt.
Viele, viele hochbegabte Menschen wissen dies laaange nicht. Und mit lange meine ich nicht, bis zur Pupertät, sondern eher bis zu den Wechseljahren oder länger
.
Ich bin jetzt 42 und erst seit mein Sohn verhaltensauffällig wurde, die Diagnostik gemacht wurde und so weiter, fing ich an, mich mit meiner eigenen doch sehr wahrscheinlichen Hochbegabung zu beschäftigen (ich habe als junge Erwachsene im Rahmen des Bewerbungsverfahrens zur Ausbildung einen ausführlichen IQ-Test mitgemacht und hatte da ein sehr hohes Ergebnis. Aber ich habe dem keine Bedeutung beigemessen. Ich war vielmehr froh, nicht durchgefallen zu sein und wohl „Glück“ gehabt zu haben). Ich war auch kein Wunderkind. In der Schule war ich mittelmäßig bis zur Mittleren Reife, teilweise sogar richtig schlecht. Und: Paralllele zu deiner Tochter: ich habe leider Gottes eine ausgewachsene Prüfungsangst, zum Glück nur bei mündlichen,bzw. praktischen Prüfungen. Da hab ich aber noch jede verhauen. Von den Mündlichen Prüfungen der Mittleren Reife und dem Abitur über die Fahrschul-Prüfung und die mündliche Prüfung der Ausbildung hab ich auch den Sand gesetzt...Ich habe auch gelitten und mich anders, fremd, „nicht richtig“, eben wie ein Alien gefühlt. Ich war frustriert, teilweise depressiv, oft unzufrieden und immer wieder dachte ich:“ irgendwas stimmt mit mir nicht. Warum denke/benehme ich mich nicht wie die anderen? Warum habe ich an vielen Dingen, die meine Altergenossen spannend und toll finden so gar kein Interesse und warum habe ich Interessen, die ich mit niemandem teilen kann?“ Und so weiter und so fort. Und ja, ich habe auch wenig darum geweint, dass ich nicht „gesehen“ wurde, als mir bewusst wurde, warum ich all diese Gefühle und „Probleme“ hatte, emotional, wie sozial. Vieles hätte anders laufen können Aber: Hätte, hätte Fahrradkette…Das ist passiert, nicht mehr zu ändern, der Drops ist gelutscht. Also nach vorne schauen und bei euch gibt’s noch viel „vorne“. Deine Tochter hat noch ihr ganzes Leben vor sich. Bei deiner Tochter ist es nicht „zu spät“. Es ist nie zu spät davon zu erfahren.
Ich kann dir nur raten, das Land Schuldanien zu verlassen und dich ins hier und jetzt zu begeben. Für sie. Sie braucht dich jetzt. Als Stütze als jemand, der ihr zuhört, der ihr zeigt, dass sie genau so wie sie ist, RICHTIG und gut ist. Nicht als jemand, der ihr das Gefühl gibt, etwas zu haben oder zu sein, worüber man traurig sein muss, es sollte dir in keinem Fall leid tun, dass sie SO ist. Das wird sie spüren und dann wird sie sich dir auch nicht zeigen oder öffnen können.
Warum hohe Begabung AUCH eine Gabe, ein Geschenk ist? Sagt das Wort „HochbeGABung“ das nicht schon? Deine Tochter hat ein unheimlich hohes kognitives Potenzial, ein höheres als die allermeisten Menschen auf diesem Erdball. DAS ist erst einmal etwas Besonderes, was Gutes, was Schönes.
Wenn du ihre Kindheit Revue passieren lässt, gibt es sicherlich so einiges, was sie doch von anderen Kindern unterschieden hat und das ist doch sicherlich nicht nur ihre Schwermut? Ich würde gerne mehr über deine Tochter erfahren. Wie ist sie so? Was mag sie? Was sind ihre Hobbies? Was ist ihr wichtig? Wie ist sie so im sozialen Umgang?
Sie hat auf jeden Fall eine sehr große soziale Ader, deswegen ihr großes Mitgefühl, dass du schon beschrieben hast, das dann sogar in Leid umschlagen kann. Aber es ist eben nicht nur LEID. Es ist auch eine Gabe! Vielleicht liest du dir mal die Geschichte von Greta Thunberg durch. Gut, sie ist Autistin. Aber eben auch hochbegabt. Und sie hat genau aus diesem enormen Mitgefühl für die Natur, die Erde etwas ganz Großartiges gemacht und auch sie hat erst einmal furchtbar gelitten, sogar aufgehört zu essen (was natürlich wiederum ein Extremfall ist).
Nicht jeder wird ein zweiter Einstein, eine Greta Thunberg, eine Madame Curie. Das muss auch nicht sein. Aber das Potenzial etwas Tolles aus ihrem Leben zu machen, hat deine Tochter in jedem Fall. Wichtig ist, dass deine Tochter etwas findet, wo sie sich ausleben kann, in einem positiven Sinne. Das Melancholische, das sie wohl hat, das höre ich auch sehr stark bei dir heraus. Aber jede Medaille hat zwei Seiten. Auch das ist nicht nur schlecht. Und auch hier spreche ich aus eigener Erfahrung
. Hör ihr einfach zu, aber versuch das Gehörte von deinen eigenen Gefühlen zu trennen. Du kannst ihr nur helfen, wenn du ihr Halt geben kannst. Wenn du es aushalten kannst, dass sie manchmal leidet oder traurig ist oder die Welt nicht versteht.
Und zu den Fähigkeiten deiner Tochter: Man muss nicht vor der Schule rechnen, lesen oder alle Dinonamen auswendig können. Das hilft niemandem weiter
. Großes Mitgefühl und ein feines Gespür für soziale Ungerechtigkeit sind eine ebenso große „Leistung“, wenn nicht sogar größer, etwas was sie ausmacht und besonders macht.
Und wenn sie beschließt einfach ganz „normal“ irgendeine Popel-Ausbildung zu machen und darin dann glücklich ist und zufrieden, dann ist es doch auch super. Hauptsache sie wird ein zufriedener Mensch. Das wird sie sicherlich nicht, wenn ihre Mutter von Selbstzweifeln und Schuldgeführen zerfressen alles bereut und ihr das Gefühl vermittelt, das etwas ganz Furchtbares mit ihr los ist. Nicht böse gemeint. Ich kann deine Gefühle verstehen, sehr gut sogar. Aber sie helfen nicht. Weder dir noch deinem Kind.
Was die Vergleicherei mit anderen Hochbegabten angeht:
Mein Sohn hat auch vor der Schule nicht gelesen. Dafür hat er 3 Wochen nach Schulbeginn gelesen, alle Buchstaben gekonnt und war quasi „durch“ mit dem Schulstoff der 1. Klasse (bis auf das schön schreiben, das will nicht so recht klappen). Meine Tochter liest vor der Schule. Aber nun auch keine Bücher oder so. Sie bekommt auch sehr gerne vorgelesen und liest nur hin und wieder Überschriften oder Aufdrucke auf Lebensmittelverpackungen oder Mal ein paar Sätze aus Sohnemanns Lesefibel. Wird sie dadurch Vorteile haben? Ich glaube nicht. Ihr wird einfach langweilig sein in der 1. Klasse
… Nichts desto trotz habe ich meine Kinder nie in ihrem Wissensdrang gebremst, sondern war bei Bedarf da um Fragen zu beantworten.
Wie du dein kognitives Potenzial letztendlich nutzt, liegt doch vor allem an deinen Interessen, an deinen Leidenschaften, daran was dich motiviert und neugierig macht. Ich bin überzeugt, dass jeder (hochbegabte) Mensch min. 1 Sache hat, für die er richtig „brennt“. Diese Sache muss sie finden. Und höchstwahrscheinlich ist das auch bei den „Normalos“ so. Ich bin überzeugt, dass ein normal begabter Mensch mit sehr viel Ehrgeiz, Motivation und Ausdauer mehr oder genau so viel leisten kann wie ein Hochbegabter, der diese Eigenschaften eben nicht hat und eher bequem oder pessimistisch ist und schnell aufgibt. Hochbegabung ist eben kein Garant für Erfolg. Es gehört sehr viel mehr dazu, erfolgreich in etwas zu sein. Aber wenn man dazu auch noch hochbegabt ist, schadet das sicherlich nicht. Es ist eher das „drumherum“, die negativen möglichen Begleiterscheinungen, eben der Fakt, dass man oft anders denkt und wahrnimmt als der Rest. Das ist in der Kindheit und Jugend oft schwierig, vor allem wenn man es nicht einzuordnen weiß, wird aber leichter im Erwachsenenalter, vor allem wenn man um seine Hochbegabung weiß.
Bei mir war diese eine besondere Sache das malen, schreiben, zeichnen, kreativ sein und Sprachen. Ich bin Autodidakt und habe mir sehr viele Dinge selbst beigebracht und erarbeitet, war immer vielseitig interessiert, aber auch oft überehrgeizig oder wiederum zu schnell entmutigt und bequem. Ich bin beruflich absolut kein Überflieger. Das liegt aber nicht an der Hochbegabung sondern an meinem Charakter und meinem familiären Background und den Lebensumständen. Ich sitze also nicht da und denke:" oh mein Gott, ich Arme. ich bin hochbegabt und mein ganzes Leben lief so verkehrt." Ich denke, ich bin einfach selbst "Schuld" daran, dass ich bis heute beruflich orientierungslos bin, auch wenn mir bewusst ist, dass dies sicherlich etwas mit meiner Hochbegabung zu tun hat, bzw. mit dem Fakt, dass ich mich einfach für zu viele Dinge interessiere/interessiert habe und ich mich nie festlegen konnte. Nichts desto trotz: Wäre ich nicht charakterlich so gestrickt wie ich es bin, hätte es ganz anders laufen können. Hochbegabung sollte keine Entschuldigung sein für nicht dazu gehören (können), für in der Schule versagen oder ähnliches. Aber es kann eine Erklärung liefern und man kann DANN versuchen es besser zu machen.
Bei meinem Sohn sind es verschiedene „Phasen“, in denen er sich einer Sache sehr hingebungsvoll und intensiv widmet und eben sein hohes Merkvermögen, wenn ihn etwas interessiert. Wenn ihn etwas nicht interessiert, dann ist es sehr, sehr schwierig, ihm die Angelegenheit schmackhaft zu machen und das ist sehr anstrengend. Im Moment ist seine große Leidenschaft lesen (er ist 1.Klässler und liest derzeit 1-4 Stunden täglich, manchmal sogar mehr und zwar alles von Comics über Sachbücher bis hin zu Kinderromanen. Er hat sogar schon einen Erwachsenenroman aus meinem Regal gemobst, weil er den Titel so spannend fand, nur um dann festzustellen, dass der Titel irreführend ist
) und Schlangen. DAfür hat er eine regelrechte Abneigung gegen Rechnen entwickelt obwohl er das VOR der Schulzeit sehr gern gemacht hat.
Bei meiner Tochter ist es ebenfalls malen, zeichnen, basteln, anderen helfen, für andere da sein. Sie ist vor allem sozial sehr kompetent. Mein Sohn hingegen hat da so seine Problemchen.
Sie sind so verschieden, trotz wahrscheinlich ähnlichem IQ, trotz gleichem Umfeld.
Such nicht verzweifelt nach Beispielen, die deiner Tochter ähneln. Das bringt doch nichts. Einen „Beweis“, dass sie hochbegabt ist, bringt der Test. Davon abgesehen ist jeder Mensch einzigartig und auch hochbegabte Menschen unterscheiden sich enorm voneinander. Gemein haben sie lediglich eben die hohe kognitive Leistungsfähigkeit des Gehirns und ein hohes Ergebnis bei einem IQ-Test. Gefühlt ist es, glaube ich bei vielen Hochbegabten ein "zu viel" oder "mehr" von allem: Denken, fühlen, Wahrnehmen... Das kann manchmal sehr anstrengend sein und dann eben auch eine Last. aber eben nicht nur.
Es gibt immer wieder Muster, Dinge, die auf viele (nicht alle!) Hochbegabte zutreffen. Wie zum Beispiel eben dass hochbegabte Mädchen eher dazu neigen sich und ihre Fähigkeiten zu verstecken, während Jungs aus der Reihe tanzen und anfangen Probleme zu machen, wenn Unterforderung oder Misfit herrscht. Aber auch das ist lediglich ein Muster, das nicht auf alle zutreffen MUSS.
Mein Neffe war z.B. total unauffällig auf den ersten Blick. Er hat weder geschrieben noch gerechnet vor der Schule oder zumindest hat er es nicht gezeigt, wenn er es konnte und er hat einen IQ um die 147/148 (ganz genau weiß ich es nicht), was an den IQ deiner Tochter schon ganz gut herankommt. Er konnte aber wahnsinnig gut puzzeln schon mit 2 Jahren, ist relativ früh gelaufen und hat früh gesprochen (aber auch nicht Wunderkind-mäßig früh). Er stottert extrem, somit ist er auch sprachlich nicht als sonderlich eloquent aufgefallen, obwohl er auch hier weit überdurchschnittlich befähigt ist. Mittlerweile fällt mir oft auf, dass er einfach extrem bedacht, logisch und effizient und kreativ vorgeht und schlicht „schnell“ im Denken ist. Sei es nun beim Mau-Mau spielen, beim Gravitax-Murmelbahn aufbauen oder beim Witze erzählen oder schauspielern (er will Schauspieler werden
) oder auch dem Lösen einer komplizierten Formel oder dem Schreiben eines Essays.
Ich war auch unauffällig. Lesen gelernt habe ich mit 5 ½ ungefähr, vielleicht auch etwas früher. DA meine Mutter es nicht gemerkt hat, kann ich das nicht genau sagen, da es keine Dokumentation dazu gibt. Schreiben auch (allerdings Spiegelschrift, ich bin Linkshänder), aber ich habe das erst „gezeigt“ kurz bevor ich in die Schule kam. Frag mich nicht warum. Für mich war es „normal“, dass ich die Buchstaben zu Worte zusammensetzen konnte und mitlesen konnte, wenn meine Mutter mir vorlas. Es war keine große Sache für mich, es war einfach ganz natürlich für mich. Ich habe gern vorgelesen bekommen, es gab da noch keinen Grund für mich selbst Bücher zu lesen. Ich habe es also auch nicht gezeigt. Somit wusste es meine Mutter auch erst, als ich es dann zeigte.
Du weißt also nicht, was deine Tochter alles schon konnte oder wusste, ohne es gezeigt zu haben. Und das kannst und darfst du dir nicht vorwerfen.
Also: Wende dein Gesicht der Sonne zu und die Schatten werden hinter dich fallen.
Buchtipps:
Jenseits der Norm - hochbegabt und hoch sensibel? von Andrea Brackmann
Außergewöhnlich Normal hochbegabt, hochsensitiv, hochsensibel: Wie Sie Ihr Potenzial erkennen und enfalten von Anne Heintze (viele Fallbeispiele aber bei vielen nur die Vermutung der Hochbegabung. Dieses Buch hatte ich schnell gelesen, es ist "leichte" Kost, amüsant und kurzweilig dafür nicht ganz so geballt an Sach-Informationen)
Was mir persönlich auch sehr geholfen hat (viele Sachinformationen, eher trocken, aber aufschlussreich, vor allem im Hinblick auf psychische Erkrankung im Vergleich oder gepaart mit Hochbegabung):Doppeldiagnosen und Fehldiagnosen bei Hochbegabung: Ein Ratgeber für Fachpersonen und Betroffene von James T. Webb
Vielleicht auch interessant für deine sensible Tochter: Sind Sie hochsensibel? Wie Sie Ihre Empfindsamkeit erkennen, verstehen und nutzen von Elaine Aaron
Weiterer Tipp:
https://www.dghk.de (Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind e.V.) Hier kannst du dir bei einem regionalen Ansprechpartner „Hilfe“ holen, in Form von Gesprächen, es gibt auch Elterntreffs.
Gruß
Meine3
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.