Ich kann bisher nur Erfahrungen im Grundschulbereich anbieten. Und da war es bisher immer so (auch vor etlichen Jahren, beim älteren Sohn meines Mannes) dass nach einem Gespräch für eine GEWISSE ZEIT etwas Leben in die (jeweils besprochene) Sache gelangt ist und sich die Situation VORÜBERGEHEND merklich verbessert hat. Man muss sich halt klar sein, dass es notwendig ist, "lästig" zu sein, und immer wieder auf der Matte der Lehrer zu stehen, wenn man diese Verbesserungen dauerhaft behalten will. Egal, ob das das Kind selbst regelt oder dessen Eltern - EINMAL sagen und ab dann ist alles anders war zumindest bei uns bisher nicht!
Was ist ganz interessant finde ist die Diskussion wegen erlaubt bzw. nicht erlaubt in Sachen Kinder allein im Klassenraum, Schulgelände verlassen, Freistunden in anderen Klassen verbringen, usw.
Ich finde da schon befremdlich, dass alibaba einerseits meint, es wäre nicht zulässig, wenn zwei Kinder "allein" in einem Raum was üben (im Beispiel: kognitiv stärkeres Kind bringt schwächerem Kind gewissen Unterrichtsstoff bei), umgekehrt aber ganz Klassen stundenlang komplett sich selbst überlassen werden, wo es anscheindend völlig ausreicht, wenn ein Lehrer einer anderen Klasse hie und da mal reinschaut! Wenn da nicht mit zweierlei Maß gemessen wird, wo dann?
In der Schule meines Sohnes ist es übrigens durchaus üblich, dass das eine oder andere Kind mal spontan in einer Paralellklasse "untergebracht" wird, wenn es sich aus der Situation ergibt. Mein Sohn hat z.B. keine offiziellen Nachteilsausgleiche, aber es ist bekannt, dass er mit großen Menschenansammlungen und Ausflügen nicht gut zurecht kommt. Wenn jetzt seine Anwesenheit bei einer schulischen Veranstaltung (Aufmarsch der Schulen am Rathausplatz, Ausflug zum Markt,...) von den Lehrern nicht als notwendig erachtet wird, besprechen die mit dem Lehrer der Paralellklasse, dass mein Sohn in der Zeit dort bleiben darf.
Aber es gibt auch Auslfüge, wo er einfach mit MUSS. Mein Sohn hatte aber den allgemeinen, lockeren Umgang mit "dann geht man halt in eine andere Klasse" schnell durchschaut, und als mal ein Ausflug stattfand, wo er ausdrücklich mit MUSSTE, ging er einfach auf gut Glück in die Paralellklasse, erzählte den Lehrern dort, er würde jetzt hierbleiben, bis seine Schulkameraden zurück kämen, und ließ es einfach drauf ankommen, ob die sich die Mühe machen würden, seine Klassenlehrerin zu kontaktieren und nachzufragen, ob das so ok ist. Haben sie natürlich nicht, sind voll drauf reingefallen! Aber vor dem Abmarsch zum Ausflug fiel auf, dass mein Sohn nicht dabei ist. Also Suchaktion durch die ganze Schule, bis er schließlich grinsend und Comic lesend in der Paralellklasse gefunden wurde
. Das sind halt die Nachteile von so einem lockeren, spontanen Umgang mit "dann halt in eine andere Klasse" - und ältere Kinder sind da bestimmt noch findiger, wenn es darum geht, da ein Schlupfloch für die eigenen Ideen zu finden.
Generell finde ich die ganze Debatte von Aufsicht, Verantwortung, usw. ziemlich übertrieben. Einerseits wird durchaus verlässlichen, verantwortungsbewussten Kindern und Jugendlichen kaum Eigenverantwortung zugestanden, andererseits ist für den Mißbrauch durch die Rabauken nach wie vor Tür und Tor (nicht nur sprichwörtlich) offen. Heute hat jeder Angst, dass "irgend etwas" passieren "könnte" und es steht ständig zur Debatte, was denn rechtlich einwandfrei ist, und was nicht. Hausverstand bleibt zu Hause! Niemand hindert ein Schwänzer-Kind daran, in der Pause oder auch während der Schulstunde einfach das Schulgebäude zu verlassen und was-weiß-ich zu unternehmen. Aber grundsätzlich müssen natürlich alle Kinder rund um die Uhr flächendeckend beaufsichtigt sein! Und wehe, da sind mal ein paar Kinder in der Freistunde ohne Aufsichts-Lehrer im Schulgebäude unterwegs oder sitzen in eine leeren Klasse zusammen!
Passieren kann immer was, da gibt es keine rechtliche Absicherung für alle Fälle. Es gibt aber auch selbst denkfähige Lehrer, denen man zutrauen sollte, den Unterschied zwischen Verantwortung und Fahrlässigkeit zu kennen, und spontane Entscheidungen zu treffen. Ich glaube auch, dass die Schulen das dem Großteil ihrer Lehrer durchaus zutrauen. Das Problem sind dann immer wieder vereinzelte Eltern, die glauben, es müsse alles perfekt, nachvollziehbar und "sicherer als sicher" sein.
In Wien haben vor zwei Jahren Eltern eines Kindergartenkindes den KIGA verklagt, weil ihr Kind dort in der (beaufsichtigten!) Turnstunde vom 40cm hohen Schwebebalken gefallen ist und sich den Arm gebrochen hat. Solche Einzelfällen verunsichern natürlich Kindergärten und Schulen und sie wollen sich in alle möglichen Richtungen "absichern" - ich habe einige Wochen nach diesem Präzidenzfall einen Zettel zum unterschreiben bekommen, dass ich einverstanden bin, dass mein Sohn an der Turnstunde teilnimmt, und der Kindergarten nicht zur Verantwortung gezogen wird, sollte er sich verletzen. In der Schule geht das so munter weiter mit den Zettelchen - bis hin zur Möglichkeit des atomaren Unfalls und der Verabreichung von Kalium-Iod-Tabletten. Und natürlich für die Fotos auf der Schul-Homepage oder im Schaukasten! Wenn ich mein Kind nach einer Krankheit erstmals in die Schule schicke braucht es eine (bei den meisten Ärzten kostenpflichtige!) Infektfrei-Bestätigung, während andere Kinder mit demselben Infekt munter die ganze Zeit in der Schule waren!
Sprich: den ganz normalen, verantwortungsbewussten Eltern und Kindern wird das Leben schwer gemacht, während diejenigen, die sich nichts um Regeln oder Verantwortung scheren weiter munter tun können, was ihnen gerade einfällt.
Aber um zum Thema zurückzukommen: ich verstehe, dass nicht alles immer machbar ist. Aber vieles mangelt auch einfach an der Bereitschaft. Manche Direktoren und Lehrer sind der Meinung, das, was "immer schon" so war, dürfe keinesfalls geändert werden, sonst würden Sodom und Gomorra ausbrechen. In Wirklichkeit ist es deren eigene Bequemlichkeit, unter der dann in erster Linie die Kinder leiden. Wenn etwas nicht ausprobiert wird, weiß man einfach nicht, wie gut oder schlecht es in der Praxis tatsächlich wäre. In der tatsächlichen Praxis-Erprobung würde sich manche Idee vermutlich als Flop herausstellen und die andere als Segen.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)