Noch ein Zugang im Club der hochbegabten DDR-Kinder
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Endlich habe ich Zeit gefunden, mir mal eure Geschichten durchzulesen (die ich extrem interessant finde) und möchte mich hier auch vorstellen.
Anfang der 70er in der DDR geboren, war ich bereits im Kindergartenalter ein Außenseiter. Ich konnte sehr früh sprechen, mit 5 Jahren habe ich ganze Bücher gelesen (aber keine Kinderbücher, sondern z.B. Fachbücher über Wildtiere in Afrika), ohne daß mir es jemand beigebracht hätte. Im Kindergarten kam ich mir albern vor, das mitzumachen, was alle anderen machten. Ich fand das schlicht und ergreifend "blöd". Ich habe mich geschämt, mit anderen rumzuhopsen oder so etwas in der Art, und habe dabei deshalb auch nie mitgemacht - eben, weil ich es kindisch und albern fand. Für meine Begriffe waren das Spiele für 2jährige und nicht für mich.
Jemanden, mit dem ich mich ernsthalt über meine Interessen unterhalten konnte, hatte ich, bis auf meine Mutter, nicht.
In der Schule habe ich mich 12 Jahre bis zum Abi eigentlich nur gelangweilt. Ich habe zu Hause
nie für die Schule gearbeitet, und hatte trotzdem nur 1er und 2er. Deswegen galt ich bei allen als Streber, und ich mußte auch oft für die Lehrer als Beispiel herhalten ("Schaut euch mal die xyz an, die kann das, weil sie fleißig zu Hause ist"). Das war, wie gesagt, völliger Schwachsinn, aber für meine Lehrer war das ein Ding der Unmöglichkeit, daß ein Kind zu Hause nicht lernt und übt und trotzdem 1er Zeugnisdurchschnitte hat. Ich hab mein Abi mit 1,2 gemacht, ohne je dafür einen Hefter in die Hand genommen zu haben.
Im Schulalter kristallisierten sich dann schon früh die Interessen heraus, die ich heute noch habe: Medizin und südostasiatische Ethnologie (also Völkerkunde), vor allem Kambodscha. Natürlich konnte ich mich damit wieder mit keinem unterhalten. Mein Taschengeld habe ich für entsprechende Fachliteratur ausgegeben, und alles andere, womit sich 10, 12 oder 14 Jahre alte Mädchen normalerweise beschäftigen, war mir ziemlich egal - bis auf meine Puppenfamilie zu Hause, die ich hingebungsvoll und lange gepflegt habe (ja, es konne passieren, daß ich mit 15 noch meine Babypuppe in den Arm genommen habe
.....) Matheolympiaden und sowas habe ich nie mitgemacht, obwohl ich mehrmals vorgeschlagen wurde - das war mir Zeitverschwendung gegenüber meinen wahren Interessen, also Medizin und Völkerkunde...
Ich wollte Medizin studieren, was mir aber vom DDR-Regime verwehrt wurde, weil ich nicht systemtreu war und mich geweigert habe, in die SED einzutreten. Ich war aber wild entschlossen, auch ohne Partei meinen Studeinplatz zu bekommen, und hatte Widerspruch gegen den Bescheid eingelgt (eine Todsünde), der freilich abgelehnt wurde. Doch im nächsten Jahr wollte ich es wieder probieren. Deshalb habe ich als pflegerische Hilfskraft im örtlichen Krankenhaus an, wo ich schon immer in den Schulferien gejobt und manches Mal die Schwestern mit meinem angelesenen medizinischen Wissen verblüfft hatte.
Dann kam (Gott sei Dank!!!) die "Wende" dazwischen, und ich wurde plötzlich von heute auf morgen mit Kußhand an meiner Wunschuniversität zum Medizinstudium immatrikuliert. Im Studium hab ich mich zum ersten Mal als Gleiche unter Gleichen gefühlt, gefordert, gefördert, anerkannt. Das war eine schöne Zeit! Doch auch da fiel mir das Lernen viel leichter als anderen, und auch das Studium habe ich mit 1,7 abgeschlossen. Im Studium haben wir im Rahmen der Psychologievorlesungen über Intelligenztests gesprochen und hatten freiwillig die Möglichkeit, uns sozusagen im "Selbstexperiment" mit psychologischer Anleitung und Auswertung testen zu lassen - ich fand das lustig, habe aus Spaß mitgemacht und fiel aus allen Wolken über meinen IQ von 150............
Meine Interessen habe ich im Studium weiter ausgebaut und miteinander verbunden - in einem Verein, der sich um Waisenkinder und medizinische Entwicklung in Südostasien kümmert. (Da bin ich noch heute aktiv, mittlerweile im Vorstand). Nach dem Studium habe ich meinen Facharzt in Rekordzeit gemacht und bin eine der jüngsten Fachärztinnen für Anästhesie und Intensivmedizin in Deutschland gewesen (29 bei Bestehen der Prüfung). Neben meiner Arbeit in der Klinik bin ich beizeiten selbst mit nach Kambodscha geflogen, habe autodidaktisch die Sprache gelernt (nicht nur Sprechen, auch in Wort und Schrift). Daraus wurden sieben Jahre regelmäßigen Aufenthaltes dort in internationalen Teams und mit den kamobdschanischen Kollegen. Diese sieben Jahre waren für mich
DIE Erfüllung schlechthin! Mein medizinisches Wissen und Können mit meinen (zwar auch nur autodidaktischen, aber immerhin) völkerkundlichen Kenntnissen in Einklang zu bringen und noch dazu den Menschen dort zu helfen, haben mich rundherum glücklich gemacht.
Noch glücklicher macht mich nur mein Sohn, der vor anderthalb Jahren geboren wurde und der mich mehr braucht, als alle anderen Menschen auf der Welt. Deshalb ist momentan auch meine aktive Entwicklungshilfezeit vorbei. Rückblickend auf meine eigenen Erfahrungen und mit dem heutigen Stand der Wissenschaft betrachtet, befürchte ich (ja, ich befürchte es regelrecht), daß mein kleiner Sohn auch hochbegabt werden könnte.
Es ist schön, ihn aufwachsen zu sehen, aber (ganz ehrlich und unter uns) - "nur" mit Familie und "normaler" Arbeit in meinem Beruf in Deutschland fange ich schon wieder an, mich unterfordert zu fühlen....