Ich denke auch er ist ein realitätsnahes Zukunftsszenario. Schon jetzt ist es ja so, dass die Eltern von heute nicht reicher sind, als seinerzeit die eigenen Eltern es waren. Ich kenne persönlich junge Menschen, wo es sich exakt in die Richtung entwickelt, von der im Bericht die Rede ist. Die also mit 20 bei den Eltern zu Haus sitzen und noch nicht mal die Motivation aufbringen, sich für einen Arbeitsplatz oder eine Lehrstelle vorzustellen.
Generell beobachte ich bei den jungen Menschen die ich kenne, eine gewisse Orientierungslosigkeit, so eine es-ist-eh-wurscht-was-ich-mal-(beruflich)-mache-Einstellung. Es gibt kaum noch Träume, eher den Wunsch, irgenwie irgendwo reinzurutschen und "irgendwas"(Arbeitsplatz) zu finden.Solche Jugendlichen gab es auch schon, als ich jung war, aber meiner Beobachtung nach zahlenmäßig weniger.
Auch die virtuelle Welt wird immer wichtiger, ist teilweise bei den Jugendlichen schon präsenter als die Realität. So gesehen ist auch die risikolose, virtuelle Freundin eine plausible Zeiterscheinung.
Mein Sohn ist erst 8 und er spielt gerne virtuelle Spiele. Sogar bei Spielen, die ausdrücklich für sein Alter geeignet sind, werden Wünsche geweckt, die in der Realität nicht erfüllbar sind, zum Beispiel eine Trillion Euro zu besitzen. Und das Belohnungszentrum im Hirn reagiert darauf, schüttet Neurotransmitter aus, gibt dem Spieler das Gefühl, ein Sieger zu sein, unabhängig davon, wie erfolgreich derjenige das reale Leben zu meistern imstande ist.
Was bei uns (zumindest in Österreich) mMn anders ist, als in Japan, ist, dass momentan unter den Erwachsenen, die über Jobvergabe (in erster Linie bei Lehrstellen) entscheiden, etliche sind, die sich nicht für Schulnoten interessieren. Sie geben einfach den jungen Leuten, denen sie auf den ersten Blick was zutrauen, eine Chance, auch wenn die Noten schlecht sind. Wer sich in der Schule nicht "bewährt" hat, kriegt mit 15-20, wenn er ins Berufsleben einsteigt, noch eine Chance.
Es gibt auch andere Länder als Beispiele für die Entwicklung der Gesellschaft. Ich muß aber zugeben die heutige Situation nicht zu kennen. In Ägypten z.B. war es vor einigen Jahren so, dass es viele arme Menschen ohne Ausbildung gab, viele arbeitslose Akademiker, und einen großen Mangel an Facharbeitern. Handwerker haben mehr verdient als Ärzte oder Uni-Professoren. Wer (als Eltern) Geld hatte, ließ seine Kinder studieren. Wenn sie fertig waren gab es aber oft keine Arbeit. Wer arm war könnte es sich nicht leisten, seine Kinder einen Beruf erlernen zu lassen, weil sie in der Ausbildungszeit zu wenig verdienten, um davon auch noch Eltern, Geschwister und Verwandte zu unterstützen. Daher nahmen diese jungen Leute nach der Schule eher Gelegenheitsjobs an, als eine Lehre zu absolvieren. Daher gab es viele frei Lehrstellen, kaum Lehrlinge und viel zu wenig gut ausgebildetes Personal in klassischen, handwerklichen Berufen.
Auch hier beobachte ich die Entwicklung, dass viele Eltern dahinter sind, ihre Kinder an die Uni zu bekommen, unabhängig vom Willen und den Interessen der Jugendlichen selbst. Lehrberufe sind in gebildeten Bevölkerungsschichten nicht gerade positiv besetzt. Dabei kann mMn ein früher Eintritt ins Berufsleben in einem guten Lehrbetrieb bei jungen Leuten durchaus einen Reifeschub bewirken. Plötzlich ist der extrisische Druck, doch gute Noten zu schreiben, weg. Statt dessen sind praktisches arbeiten, logisches denken und kreative Ideen gefragt. Der Spielraum, in dem sich der junge Mensch bewegt, wird weiter, und gibt den Blick frei auf die tatsächlichen, eigenen Möglichkeiten, fernab der elterlichen und gesellschaftlichen Erwartungen. Der Wert des Geldes ändert sich, sobald es selbst verdient werden muss. Arbeit und Freizeit sind klar getrennt. Nach einen arbeitsreichen Tag kann man drucklos den eigenen Interessen nachgehen. Kein schlechtes Gewissen, weil man noch für die Schularbeit lernen sollte, keine Mutter, die nachläuft, um noch Vokabel abzuprüfen,...
Ich denke dass die elterlichen Vorstellungen, wie der ideale Lebensweg eines klugen, jungen Menschen aussehen SOLLTE, manche Jugendlichen in genau das Dilemma treibt, welches im Bericht über die japanischen Probleme beschrieben ist.
Kann es bei uns in 20 Jahren etwa so aussehen?
-
- Dauergast
- Beiträge: 2973
- Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24
Re: Kann es bei uns in 20 Jahren etwa so aussehen?
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
-
- Dauergast
- Beiträge: 2973
- Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24
Re: Kann es bei uns in 20 Jahren etwa so aussehen?
Ich denke mal, auch bei Bildung gibt es eine "Deckelung". In Entwicklungs- und Schwllenländern ist auch bildungsmäßig noch Luft nach oben. Wenn es einer Nation schon in der 3. Generation grundsätzlich "gut geht" ist von Haus aus nicht mehr so viel drin. Bei Japan kommt noch erschwerend hinzu, dass es sich die Eltern rein finanziell leisten können, ihr (meist einziges) Kind auch als noch als Erwachsener "durchzufüttern", und außerdem noch dazu bereit sind, das zu tun. Japan ist eine Nation, wo die Kinder nicht nebenher aufwachsen, sondern der vielgeliebte Mittelpunkt sind, in den viel (sowohl Zeit als auch Geld) investiert wird. Diese Kinder stoßen Mama und Papa dann nicht mit 20 so einfach raus in die Welt!Koschka hat geschrieben:@Rabaukenmama
Ich weiß nicht, was die janapische Generation in diese aussichtslose Lage gebracht hat. Frühe waren die gesellschaftliche Grenzen überall, und erst recht in Asien, viel enger. Es wurde vorbestimmt, dass der Sohn von Schreiner demselben beruft ausübt, auch wenn er stattdessen lieber Tänzer oder Maler geworden wäre. Aber dieser Druck und Vorbestimmung haben die Menschen nicht dazu gebracht einfach zuhause alleine zu sitzen und nichts zu tun. Ich glaube da kommt die Konsumgesellschaft in Vordergrund, und so wie du es richtig erwähnst einfach die fehlenden Träume und der Zwang zum Aufstieg. Die Eltern der Vorgenerationen haben nicht so drauf gehofft, dass ihre Kinder in allem, und vor allem in Bildung und Kariere sie übertreffen werden.
Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen selbst wissen das. Es geht ihnen durch eigene Anstrengung nicht wirklich besser, als wenn sie einfach im gemachten Nest bleiben. Und wenn sie sich selbst raus ins Leben wagen könnte ja was "schiefgehen". Versagensängste sind - meiner Beobachtung nach - gerade bei Menschen, die sehr behütet aufgewachsen sind, stärker ausgeprägt. Beruflich erfolgreich zu sein ist keine verlockende Option für sie, sondern eine Bürde.
Was die Berufswahl und die von Dir angesprochenen engen Grenzen betrifft, so ist es für die jungen Menschen selbst eher schwerer als leichter geworden. Es gibt schon eine gewisse Sicherheit, von klein auf klar zu wissen, was einem in der Zukunft (in dem Fall: im Berufsleben) erwartet. Der Vater, der Schreiner war, hat das Kind von klein auf mit in die Werkstatt genommen, die Atmosphäre dort und die Arbeit sind ihm vertraut und nicht fremd, die Selbstverständlichkeit, mit der das Kind da reinwächst, wird nur von einigen wenigen Freigeistern in Frage gestellt. Es ist nicht immer ein Segen, bei allem die Wahl zu haben!
Ich sehe das mit der eigenen Berufswahl ein bißchen ähnlich wie mit dem selbst-aussuchen des Lebenspartners. Am ersten Blick mag es besser sein, selbst die Wahl zu haben, und nicht fremdbestimmt zu werden. Aber ob es wirklich ein glücklicheres, erfüllteres Leben bringt, hängt sehr viel von der Wesensart des Menschen ab, der die Wahl hat. Es gibt Menschen, die Wünsche und Träume haben, Luftschlösser bauen, sich selbst in soundsoviel Jahren schon irgendwo sehen und die bereit sind, für diese Träume auch Opfer zu bringen (Arbeit, Zeit, Geld,..). Diese profitieren von der Wahlfreiheit, sowohl was Partnerschaft als auch was die Berufswahl betrifft. Aber diejenigen, die ohnehin schon eher orientierungslos sind, werden von der kompletten Wahlfreiheit oft überfordert. Noch dazu, wenn es z.B. heißt "Du kannst alles machen, was du willst, aber es muß schon ein akademischer Beruf sein!". Dann ist die Wahlfreiheit eingeschränkt und die Einschränkung bringt auch den "Nachteil" mit sich, dass es doch einiges an Anstrengung erfordert, ein Studium fertig zu bringen, wenn man in Wirklichkeit nicht mal weiß, was man eigentlich machen WILL.
So ähnlich sehe ich das mit der Partnerwahl. Die Möglichkeit, sich selbst frei auszusuchen, mit welcher Person man sein Leben (oder zumindest einen Abschnitt davon) verbringen will, weckt einerseits übergroße Erwartungshaltungen in diese Person. Andererseits steckt dahinter noch die Angst, den "falschen" Partner zu erwischen. Ich frage mich, ob manche Menschen nicht ein erfüllteres Leben hätten, wenn ihnen diese Wahlmöglichkeiten abgenommen würden (wie es in etlichen Kulturen über viele Generationen gemacht wurde).
Ich habe mal im KH eine Araberin kennengelert, die in einer von den Eltern arrangierten Ehe lebte. Sie war eher ängstlich herangegangen und hat ihren Ehemann erst kurz vor der Hochzeit kennengelernt. Keine Erwartungshaltung an die "große Liebe"! Und dann stellte sich heraus, dass es ein durchaus liebevoller, verantwortungsbewußter, fleißiger Mann war, der sie als Ehefrau akzeptierte und schätzte. Alles keine Selbstverständlichkeit, wie diese Frau aus Beobachtung anderer wußte. Als ich mit ihr sprach merkte ich, dass es mittlerweile zwar keine Herz-Schmerz-Romanze geworden war, aber dass beide Ehepartner glücklich und zufrieden waren und zu schätzen wußten, was sie am jeweils anderen hatte.
Diese Begegnung hat mir sehr zu denken gegeben in einer westlichen Welt, wo Beziehungen mit ganz anderen Erwartungshaltungen eingegangen werden.
Ich rate Eltern deshalb nicht "Sucht Beruf und Partner für eure Kinder aus!" sondern rege an, zu beobachten, wie viel Freiheit und wie viel Führung das eigene Kind auf dem Weg ins Leben benötigt. Unter zu viel Freiheit kann man genauso einbrechen wie unter zu viel (Leistungs-)Druck!
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)