Kind steht sich selbst im Weg

Mein Kluges Kind macht was es will
Mijal
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Re: Kind steht sich selbst im Weg

Beitrag von Mijal »

Nun, wir haben ihr Getränk nicht in den Ausguß geschüttet - weil ich das zu schade gefunden hätte. Sie durfte den letzten Rest (bis zur obersten Glaskante noch selber einschenken) - was sie aber erst nach einer viertelstunde Geheule und unter Tränen dann doch machen wollte. Auch bei uns anderen wollte sie nicht einschenken. Ansonsten haben wir ihr vorgeschlagen doch ein wenig abzutrinken oder auszutrinken und dann neu einzuschenken. Wir haben versprochen nächstes Mal daran zu denken, dass sie das schon alleine kann usw. Wir haben ihr angeboten ihr Brot selber zu schmieren, sie gefragt, was sie essen möchte... Kein Erfolg. Sie hat nur einen Anlass zum Heulen nach dem anderen gefunden. Das Brot war zu klein, die Wurstpackung wollte sie selber öffnen (obwohl sie das sonst nie will) - Papa hat sie dann wieder zu gemacht, damit sie die selber öffnen konnte, plötzlich wollte sie genau den Aufschnitt essen, den der Opa grade leer gemacht hat und dergleichen (es waren am Ende glaube ich etwa fünf neue Heulattacken, die der ersten folgten). Sie musste dann nach dem Essen, als sie sich gefangen hatte, das Trinken, dass sie während ihres Wutanfalls auf dem Tisch verteilt hatte (sie hatte mit der Hand das Trinken aus dem Glas geschaufelt), selber (grob - also rein symbolisch - mit drei Mal hin und her wischen) wieder aufwischen. Oma hat ihr dann mitgeholfen und wir haben ein bisschen Quatsch drumrum gemacht (Wischstriche gezählt, gedichtet - sie liebt Reime - witzige Details entdeckt - die Tropfen die beim Wischen alle mit dem Lappen eingefangen werden etc.). Aber uns war es wichtig, dass sie sich am Wegmachen beteiligt und dass sie kein neues bzw. leeres Glas kriegt, weil das sonst eben ausartet. So nach dem Motto: Mein Stück Käse hat ein Loch. Ich will ein anderes... Oder ich will heute keinen weißen Teller, sondern einen mit Blumen, kratz bitte alles wieder runter, Mama, und füll mir einen neuen Teller... :roll:
Kurz und gut: Wir haben uns gesagt, dass wir diese beiden Punkte durchsetzen (konsequent bleiben) wollten und drum herum waren wir kooperativ, kreativ und offen für andere Vorschläge. Wenn sie z.B. gefragt hätte, ob ihre Oma das Glas leer trinken möchte, damit sie neu einschenken kann, dann wäre das okay gewesen, solange die Oma dazu Lust gehabt hätte. Manchmal schlägt sie ja durchaus Kompromisse vor, auf die ich auch oft eingehe.
Mijal
Dauergast
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Re: Kind steht sich selbst im Weg

Beitrag von Mijal »

Interessant, dass du das schreibst, Koschka.

In der Tat bin ich mir inzwischen ziemlich sicher, dass sie auch Probleme mit "zu viel Reizen" hat. Ich hatte in anderem Zusammenhang schon mal geschrieben, dass es sein könnte, dass sie "hochsensibel" ist. Obs das wirklich gibt, weiß ich nicht. Man kanns auch nicht genau feststellen oder beweisen. Es gibt aber definitiv so eine Art "Menschentyp" auf den bestimmte Beschreibungen passen und da gehört sie anscheinend dazu. Ich leider auch. :oops:
Im Großen und Ganzen geht es dabei eben um Reizüberflutung. Man sagt diese Menschen würden mehr Reize als andere aufnehmen und deswegen schneller "überreizt" sein. In der Tat, wird dann empfohlen sich in ein ruhiges Zimmer zurück zu ziehen. Häufig wird von Hochsensibilität in Zusammenhang mit HB gesprochen und es soll wohl häufig mit HB in Kombination vorkommen, kann wohl aber auch ohne HB sein.

Diese permanente Reizüberflutung bewirkt diffusen Stress und dann können verschiedene allgemeine Stresssymptome auftreten, die aber auch in anderem Zusammenhang wie z.B. AD(H)S oder Asperger (auch ein Problem mit Reizüberflutung - liegt in dem Fall aber eher an der Verarbeitung) zu beobachten sind.

Ganz spezifische Merkmale dagegen sollen wohl sehr viel Kreativität, Fantasie, emotionale Empfindsamkeit und ein Gespür für Zwischenmenschliches oder auch Unausgesprochenes sein.

Nun, unsere Schwierigkeiten sind mehr oder weniger Tagesform abhängig und es ist nicht unbedingt so, dass die Große nach bestimmten Ereignissen überdreht, sondern vor allen Dingen, wenn sie schlecht drauf, hungrig oder müde ist. In wühligen Situationen zieht sie sich dann lieber in ihre eigene Fantasiewelt zurück und kommt erst wieder aus sich raus, wenns ruhiger ist. Sie schafft sich ihr ruhiges Zimmer praktisch selbst, indem sie sich absondert. Kurios ist allerdings, dass es ihr dann in wirklich ruhigen Situationen wieder "zu langweilig" ist und sie umbedingt etwas unternehmen will und mich regelrecht quält, doch endlich Kinder einzuladen oder irgendwo hin zu fahren. Allerdings sind dann mehr als zwei Kinder zu Besuch - ganz wie bei euch - definitiv zu viel. Besser noch - nur ein Kind. Sonst wird sie quengelig und/oder zieht sich zurück.

Die zweite Schwierigkeit ist, dass sie sich vieles viel zu sehr zu Herzen nimmt. Unbedachte Kinderworte nimmt sie bitter ernst und ist tagelang tiefbetrübt. Auch wenn Dinge kaputt gehen oder Lebewesen krank werden beunruhigt sie das zutiefst. Ein umgefahrener Pfahl einer Ampel "verfolgt" sie tagelang. Sie überlegt dann, was nun aus dem wird, und dass der doch nicht so bleiben kann. Die Ampeln sind ja wichtig, sonst gibts doch Unfälle...

Sie ist aber insgesamt wirklich gut darin sämtliche Strategien anzuwenden, die Stress minimieren. Sie zieht sich von selbst zurück, sie versucht sich Muster und Strukturen zu erschließen, wo sie Neues schnell einordnen kann, sie versucht möglichst viel selber zu können und selbst zu bestimmen, sodass nicht so viel Unvorhergesehens und Unkontrollierbares sie bedrohen kann, sie sucht viel Nähe und Geborgenheit, sie fordert Aufmerksamkeit und Anleitung ein und sie bewegt sich (treibt Sport), wenn sie zu kribbelig wird.

Ich versuche sie dabei zu unterstützen und ihr einen sicheren Rahmen zu bieten (Rituale, klare Regeln und Grenzen, viel Liebe und Respekt, Vertrauen in ihre Fähigkeiten, Antworten auf ihre Fragen...), aber es ist manchmal schwierig sich ständig auf sie einzulassen, weil ihr Bruder ja auch noch da ist und ganz schön viel einfordert. Soll heißen, manchmal habe ich einfach keine Zeit stundenlang mit ihr herum zu kaspern, weil ich böse Mama es gewagt habe, das heiße Essen ein paar mal umzurühren und abzukühlen, wodurch ich leider ihre Essästhetik zerstört habe - Riesentheater (die Tomatensoße liegt nicht mehr oben auf den Nudeln - was allerdings nicht immer ein Problem ist, nur wenns ihr grade mal so passt). Damit muss sie dann einfach leben, wenn ihr Bruder gleichzeitig versucht auf verschiedenste Art mit dem Küchenstuhl umzukippen und sich weigert sich in sein Stühlchen setzen zu lassen. :schwitz:

Jetzt ist es schon wieder nen Roman geworden.

Aber vielleicht schreibst du ja mal, wie ihr jetzt inzwischen damit klarkommt, Koschka. Ich meine außer das mit dem ruhigen Zimmer. Wie ist das sonst so im Alltag? Vielleicht kann ich was von euch lernen.
zickl2000
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Registriert: Di 17. Dez 2013, 13:04

Re: Kind steht sich selbst im Weg

Beitrag von zickl2000 »

Ja, mein Kind ist auch so, und im Moment ganz besonders. Inzwischen weiß ich, das er ab und an testet, ob Dinge auch wirklich passieren. Ihr könnt sicher sein mir tut es mindestens ganau so weh wie ihm :oops: , dieses Jahr wird es unter dem Weihnachtsbaum seeeehr leer werden. Ich gebe ihm seit einer Woche Chancen und Gelegenheiten Regeln einzuhalten, er spielt mit mir. Er spricht mit mir, erzählt mir, und sobald ich ein wenig einlenke und Friedensbereitschaft zeige...ZACK nö, ich will garkeinen Frieden, Geschenke sind mir egal (sind sie natürlich nicht), etc. Heute habe ich beschlossen es wirklich durchzuziehen (mir graust es jetzt schon). Ich sehe keine andere Möglichkeit mehr ihm zu zeigen, das Regeln eingehalten werden müssen, das niemand beleidigt werden darf (er hat mich mehrfach heftigst beschimpft mit Ausdrücken, die er sicher nicht zu Hause gelernt hat), das nichts aus Wut kaputt gemacht wird (meine Weihnachtsdeko war auch schon dran) und das niemand gehauen und beleidigt wird, wenn man selbst etwas nicht schafft und sauer ist. Klingt wie ein gaaanz schlimmes Kind, oder? Ist er aber nicht. Er kann sich benehmen, hilft ausgesprochen gerne und ist total verschmust. Nur im Moment ist alles anders. Ich habe ihm auch schon Stress reduziert, Schlaf-bzw. Ruhepensum erhöht, mir mehr Zeit genommen, nichts hilft. Nun eben so. Wer hat ähnliche Erfahrungen?
Rabaukenmama
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Re: Kind steht sich selbst im Weg

Beitrag von Rabaukenmama »

Hallo zickl2000,
wie alt ist Dein Kind (sorry wenn woanders erwähnt, ich lese nicht alle Beiträge)? Hört sich sehr nach Machtkapf an - was wür Regeln sind, wo er jetzt "die Chance und Gelgenheiten" hat, sie einzuhalten? Und was war vorher?

Bei meinem Sohn (wird 4) funktionieren Regeln nur, wenn sie gemeinsam vereinbart wurden, und nicht, wenn ich sie ihm einseitig aufdrängen will. Aber bei uns gibt´s insgesamt nur wenig Regeln, wir beschränken uns da echt auf das Notwendigste (die grösste Herauusforderung davon ist Zähne putzen).

Strafen und Belohnungen wende ich kaum an, daher kann ich da nicht mitreden. Die wenigen Dinge, die ich gegen seinen Willen durchsetzen will klappen noch am besten mit Ablenkung und "Schmäh" - aber längst nicht immer. Bei und werden täglich jede Menge Kompromisse geschlossen, anders geht´s gar nicht.

Irgendwie ist mir die Vorstellung suspekt, einem Kind, dem ICH gerne eine Freude machen will, seine Weihnachtsgeschenke vorzuenthalten. Warum hast du das vor? Um ihm zu zeigen dass du den Machtkampf gewinnen und es "kleinkriegen" will? Oder weil du selbst der Ansicht bist dass Geschenke "verdient" werden müssen?
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
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