...ich hab jetzt quasi nur das Ausgangspost gelesen.
So phasenweise kenne ich das von meiner Tochter (grad 7 geworden) auch. Besonders auffällig war das im Voschuljahr. Da kamen ähnliche Aussagen, wie du sagst: "ich bin eine Belastung für dich", "ich bin nichts wert", "Ich habe keine richtigen Freunde", "keiner versteht mich wirklich", "ich wäre am Liebsten nicht da", "ich bin an allem schuld" und " du tust sooo viel für mich und ich tu gar nichts".
Das sind so Aussagen, die einen wirklich erschrecken können...
Sie konnte da auch keine konkreten Dinge nennen, die sie zu diesen Aussagen bringen, sie hat dann scheints eher so ein umfassenes Gefühl von nicht-da-sein wollen. Oder sich irgendwie schuldig fühlen.
Sie äußert dann sowas wie "An allem, was schief geht, bin ich schuld" und "Ich kann gar nichts!" und eben "ich bin eine Belastung für dich".
Einmal vor ca. einem Jahr sgte sie sogar unter schluchzen: "Jetzt heule ich dir die Ohren voll und nun machst du dir bestimmt auch noch Sorgen um mich".
Das hat mich so getroffen - dass sie sich nicht nur unter den eigenen Problemen leidet, sondern sich dabei noch um mich Sorgen macht, weil sie mir diese Sorgen aufbürdet... So verzwickt muss man erstmal denken in dem Alter! Wenn man sich vorstellt, dass sie häufiger so weit denkt - das muss tarsächlich oft überfordernd sein.
Zur Aussage "Ich hab gar keine richtigen Freunde.": sie hatte jede Menge Freunde, ständig wollte und will jemand uns besuchen und mit ihr spielen. Ich werde oft regelrecht bedrängt von den Kindern, dass sie mal wieder zu uns kommen wollen! Wie passt das zusammen?!
Sie war damals der Meinung, das seien alles keine "richtigen" Freunde, niemand verstünde sie so wirklich so richtig - außer mir.
Was sicher irgendwie auch stimmt - sie hat vermutlich hohe Ansprüche an Freundschaft, erwartet da mehr an Loyalität und tiefem Verständnis füreinander, als die meisten Gleichaltrigen ihr bieten können und wollen... so meine Vermutung.
Meistens kommt/kam sowas hier übrigens abends, dann ist da sicher auch die Müdigkeit bissle mitschuld, die sie so dünnhäutig macht.
Aktuell kam hier sowas übrigens länger nicht, was mich natürlich freut. Wir hatten das Problem eher im Vorschuljahr. (da war sin isngesamt etwas launisch, auch manchmal überbordend albern, was an sich auch nicht ihrem Charakter entspricht...)
Als es wirklich akut war und mir echt Sorgen bereitete, habe ich ein "Sorgentagebuch" angefangen mit ihr.
Eigentlich wollte ich damit ihre Wahrnehmung mehr auf die schönen Dinge im Leben lenken und bat sie darum, mir jeden Abend drei Dinge des Tages zu nennen, die schön gewesen waren.
Stattdessen bestand sie dann allerdings drauf, mir ihre Sorgen zu nennen, DIE sollte ich aufschreiben.
Das haben wir dann ein paar Wochen fast täglich gemacht und ich bilde mir ein, es hat geholfen.
Uns beiden.
Mir, weil ich ihre Sorgen besser kennenlernte und feststellte, dass es offensichtlich nicht ganz so "schlimm" war, wie ich dachte; dass es zumeist Sachen waren, über die sie hinwegkommen würde, Erfahrungen, durch die sie einfach - wie alle Menschen - einfach mal durch muss.
(Die meisten Sorgen bertrafen wirklich kleine Dinge. Ich hatte damals befürchtet, dass es die famliäre Situation sei, die kleine Schwester, zu wenig Zuwendung meinerseits etc, was ihr so zusetzte. Stattdessen kamen die Schwester und das zu Hause immer bei den schönen Dingen mit vor und die unschönen Dinge stammten allermeistens aus dem Kindergarten. Es ging da um Kleinigkeiten, Dinge, die andere Kinder gesagt oder gemacht hatten, die in dem Alter eigentlich normal sind, bei denen sie sich sicher nicht viel gedacht hatten, normale Kabbeleien unter Kindern hlat. Sie aber nahm das alles offensichtlich viel tiefer wahr, nahm es sich sehr zu Herzen und sehr persönlich. Kein Mobbing oder so übrigens, normale kleine Ärgereien und unbedachte Äußerungen!
(sowas wie "XZ sagt immer gleich, wenn es nicht nach ihrem Kopf geht, ich sei nicht mehr ihre Freundin. Wenn sie sowas sagt - da kann sie ja gar nicht wirklich meine Freundin sein...")
Ihr ging es danach - also nach dem Aufschreiben - wirklich besser, allein weil all die unschönen Dinge dann aufgeschrieben waren.
Sie meinte selbst, dass die Sorgen gleich viel kleiner wären, wenn ich sie aufgeschrieben habe und sie im Buch steckten, statt in ihrem Kopf und Herzen.
Ich hab auch bewusst damals gar nicht viel kommentiert, sie einfach diktieren lassen. Nur manchmal gab ich ein paar Denkanstöße, allerdings habe ich versucht zu vermeiden, Ratschläge zu geben. Darum ging es schließlich nicht, wenn sie Ratschläge hätte haben wollen, hätte sie mich ja direkt dazu gefragt und es mir nicht nur diktiert. Sie sollte ja auch auf keinen Fall den Eindruck bekommen, ihre Sorgen seien keine wirklichen Sorgen, weil es ja Lösungen dafür gibt - die ich kenne, sie selbst aber nicht...
Die schönen Dinge zusammenzu bekommen, fiel ihr leider übrigens oft richtig schwer. Selbst an Tagen, wo wir wirklich viele schöne und besondere Sachen zusammen unternommen haben, fiel ihr abends nicht viel für diese "Rubrik" ein und sie bestand immer vehement drauf, mir vor allem die nicht schönen Dinge zu sagen.
Nun gut, dann sollte es eben so sein. Ich hab einfach nur als "Medium" fungiert und geschrieben und ihr dann nochmal vorgelesen. Dann haben wir das Buch weggelegt, gekuschelt, vorgelesen und dann gings ins Bett.
Ich bilde mir ein, dass ihr das wirklich geholfen hat. Vielleicht hat sie auf diese Weise auch loslassen können vom Kummer und womöglich durchs Konkretisieren der Probleme auch selbst Lösungen gefunden bzw sich damit besser abgefunden.... Ich weiß es nicht.
Das Tagebuch jedenfalls haben wir nur ca. einen Monat lang täglich benutzt, dann immer seltener. Jetzt liegts nur noch rum und derzeit ist sie eigentlich wieder sehr "in ihrer Mitte" habe ich den Eindruck. (Genau das war neulich die erste Anmerkung der Lehrerin im Elterngespräch - dass sie so sehr in sich zu ruhen scheint! Wie wunderbar!)
Grad neulich sagte sie mir auch "ich habe so viele neue Freunde in der Schule und im Hort... so viele brauche ich eigentlich gar nicht!"
Ich habe auch bisschen den Eindruck, dass sie ziemlich jahrszeitenfühlig ist. Die beschriebene Phase war letztes Jahr gegen Ende des Winters und ich hatte jedes Jahr den Eindruck, sie hätte im Winter vermehrt Probleme mit sich selbst.
Auffällig fand ich auch immer, dass sie ausgerechnet im Winter oft unglaublich farbenfrohe Bilder zu malen begann. Malt sie etwa Frühlingsbilder als Therapie gegen "Winterdepression"?!
So ab Januar meinte sie auch fast täglich, dass sie sich so sehr nach dem Frühling sehne....
Kürzlich las ich dieses Buch
http://www.amazon.de/gp/product/3406...=sr_1_1&sr=8-1
– die Autorin beschrieb in so vielen Punkten so treffend MEIN Kind...
Eine Menge scheinbarer Charaktereienschaften bzw Verhaltensweisen, die ich eher ihrem Naturell zuschob, habe ich im Buch wiedergefunden.
Das war auch irgendwie erleichternd, dass es mitunter vielleicht an ihrer Wahrnehmung der Welt und des genaueren Analysierens/Erfassens der Umfeldes liegt, dass sie so und nicht anders ist und reagiert... Grad bei so Dingen, die einem manchmal Sorgen bereiten, wie - nur mal eines von mehreren Beispieln - die schon erwähnte Sehnsucht nach "richtigen" Freunden.
Das Buch hat mir auch ein wenig Last von der Seele genommen und mir geholfen, so manches in anderem Licht zu sehen. Ich - ICH! - konnte mich plötzlich viel besser arangieren mit so einigen Sachen, die sie betreffen.
(Bsp: ihre ungewöhnlich intensiven Ausbrüche, wenn beim Instrument Üben mal was nicht klappt. Wo sie doch sonst so ausgeglichen ist! ... Genau sowas wird da auch im Buch beschrieben!)
Es gab wirklich viele Aha-Effekte für mich.
Ich vermute - vor allem nachdem ich das Buch las - dass es keine depressive Persönlichkeit ist, die sich in solchen Aussagen widerspiegelt – wie ich mitunter bei meiner Tochter ansatzweise befürchtete, wenn sie mal wieder sowas gesagt hatte –, sondern dass Ursache vermutlich eher ein sensibles, kluges Kind ist, welches geistig und kognitiv und was den Gebrauch seiner Sinne sowie die Ansprüche sich selbst gegenüber und seine Umwelt betreffend sehr viel "weiter" ist; mehr mitbekommt, als alterstypisch; wo aber die sozialen und emotionalen Erfahrungen dann noch hinterherhinken, weil diese Erfahrungen in em Alter eben einfach erstmal gemacht werden müssen, ganz unabhängig vom IQ.
Also es geht da darum, dass man gewisse Schluchten einfach überqueren muss, egal, mit welchem "Gepäck" und mit welcher Ausrüstung man nun unterwegs ist.
Und jemand mit viel Gefahrenbewusstsein und größerem Weitblick empfindet die Schlucht dann - obwohl er vielleicht viel besser für den Weg ausgerüstet ist - umso tiefer und gefährlicher.
So, jetzt muss ich erstmal die Kleine "abfüttern", sorry, wenn es tw etwas unstrukturiert geschreiben ist. Die eineinhlabjährige hängt mir hier grad am Rockzipfel..