bei uns hat sich in den letzten Wochen einiges getan. Die Hauptsache ist die Entscheidung, für unseren jüngeren Sohn mal das der Schule angeschlossene Internat auszuprobieren. Grund dafür ist, dass er phasenweise so anstrengend ist, dass mein Mann und ich einfach überfordert sind und es nicht mehr schaffen. Und dann setzt leider der ältere Bruder oft noch den Tupfen auf´s i und die Situation eskaliert.
Beim jüngeren Sohn sind es einfach viele autismusbedingte Besonderheiten. Vor allem in der Früh, wenn er zum Schulbus soll, ist es anstrengend. Dabei muss er selbst gar nichts machen, außer rausgehen. Denn ich wickle ihn, ziehe ihn an, richte die Jause her, bereite die Schultasche vor. Aber entweder mein Sohn will nicht aufstehen oder er will sich nicht anziehen lassen, oder er will Gummibärli ohne Ende zum Frühstück (2 Mini-Sackerl bekommt er ohnehin, das ist Teil des Morgen-Rituals) oder er will noch spielen,... Alles antreiben oder drängen wird mit schlagen, kratzen, treten und kreischen "beantwortet". Und selbst wenn es halbwegs gut läuft muss man auf ganz viele Sachen aufpassen, sonst kommt sofort ein Kreisch-Anfall. So darf z.B. die Schultasche nicht über eine bestimmte Höhe angehoben werden, mein Sohn will selbst die Tür aufmachen, seine Jacke anzuziehen ist er auch an kalten, verregneten Tagen meistens nicht bereit und wenn wir Pech haben fällt ihm im Bus noch was ein, was er spontan haben will (z.B. ein bestimmtes "Lustiges Taschenbuch") und wir haben dann dort das Trara, weil der Bus natürlich nicht warten kann, bis alle Bedürfnisse befriedigt sind.
Das alles ist unheimlich anstrengend. Seit Weihnachten hat mein Mann seine Arbeitszeit verändert damit ich da nicht jeden Morgen alleine "durch" muss. Schließlich muss ich danach ja noch den großen Bruder wecken, zum anziehen motivieren und in die Schule bringen, bevor ich selbst in die Arbeit weiter fahre. In der Schule und im Hort ist mein Sohn meistens ziemlich problemlos. Am späten Nachmittag, wenn er mit dem Bus heimgebracht wird, ist er auch meistens gut gelaunt und wenn man aufpasst, dass man nichts macht, was ihn ärgert, kann man einen ruhigen Abend haben. Der nächste Kampf ist dann oft das Zähne putzen am Abend. Wir putzen nur 1x am Tag, weil wir in die Früh einfach nicht die Kraft haben, das auch noch durchzuziehen. Aber trotz bis zu 60 Minuten Vorlaufzeit eskaliert es immer wieder. Dann fliegt die elektrische Kinder-Zahnbürste über 3 Wände durchs Badezimmer und ich zucke aus, klemme mir mein kreischendes, schlagendes Kind zwischen die Beine und putze ihm gegen seinen Willen die Zähne

Zum einschlafen braucht mein Sohn Begleitung, es muss immer wer neben ihm liegen und ihm die Hand halten. Er kommt mit 9 Stunden Schlaf (von 21h30 bis 6h30) aus und auch wenn wir probieren, ihn mal früher ins Bett zu bringen, ist er dazu nicht bereit. In der Nacht wandert er dann von Bett zu Bett. Von meinem Mann zu mir, von mir zu seinem Bruder, von seinem Bruder wieder zu mir,...dabei drückt er sich immer ganz fest an die jeweilige Person, so dass (zumindest bei mir) schlafen kaum mehr möglich ist. Daher bin ich auch dauer-übermüdet, was meine Geduld natürlich nicht vergrößert.
Dazwischen ist der ältere Bruder, der einem wirklich STÄNDIG mit seinen Themen niederquatscht. Sei es, dass er von Entenhausen und Spongebob erzählt oder irgenwelche abstruse Theorien zum Urknall aufstellt. Es interessiert ihn nicht, ob man gerade Zeit und Nerven hat, ihm zuzuhören, ob ich mit meinem Mann im Gespräch bin oder gerade telefoniere oder ob mein Mann die Fernseh-Nachrichten hören will. Wenn irgend etwas dann nicht nach seinem Kopf geht (Beispiel: wir machen einen Sonntagsausflug und er will nicht) dann kreischt er wie am Spieß.
Vor ca. 4 Wochen waren wir echt total am Limit. Die Osterferien, wo Schule und Hort unseres jüngeren Sohnes geschlossen hatten, haben uns den Rest gegeben. Er braucht dringend viel Struktur, aber wir waren einfach nicht in der Lage, ihm diese zu geben. Gott sei Dank haben wir noch einige Stunden pro Woche eine sehr liebe Betreuerin als Entlastung. Mit ihr kommt unser jüngerer Sohn gut aus und bei ihr ist er auch fast immer brav. Aber natürlich ist es eine andere Voraussetzung, wenn eine Person für 4 Stunden nur da ist, um sich mit ihm zu beschäftigen, als wenn man nebenbei noch den Haushalt mit allem, was dazu gehört, und das Familienleben bewältigen muss.
Sowohl mein Mann als auch ich sind in Psychotherapie, sonst hätten wir das alles nicht mal bis jetzt geschafft. Auch unser älterer Sohn ist in Psychotherapie um eine bessere Frusttoleranz zu lernen. Seit einem Monat nehme ich auch Antidepressiva und unser jüngerer Sohn bekommt Risperidon, ein starkes Medikament, das helfen, soll, ihn ruhiger zu machen. Es wirkt auch, aber eben nicht immer. Gott sei Dank habe ich von den unzähligen Nebenwirkungen, die dieses Medikament hat, noch nichts bei meinem Sohn bemerkt.
Weil es so nicht weiter gehen kann haben wir uns entschlossen, unseren jüngeren Sohn im Juni erst mal probehalber im an die Schule angeschlossenen Internat unterzubringen. Da so viele Feiertage, Fenstertage und Termine sind und wir ihn an den Wochenenden heim nehmen, wird er insgesamt nur 10x im Internat übernachten. Die Voraussetzungen sind ganz gut, er kennt die Internatsgruppe, weil er schon mehrmals dort war, als seine Hortgruppe Betreuungsnotstand hatte. Das einzige Kind, mit dem mein Sohn von sich aus kommuniziert, ein 2 Jahre älterer Klassenkamerad, ist auch in diesem Internat. Es ist ein sehr guter Betreuungsschlüssel, für insgesamt 6 Kinder sind tagsüber fix 3 Betreuungspersonen da und nachts 2. Die Betreuer sind alle im Umgang mit behinderten Kindern bestens geschult, können Gebärdensprache und gehen sehr liebevoll auf jeden einzelnen ein. Wir haben unseren Sohn in den letzten 2 Wochen darauf vorbereitet und er weiß (zumindest theoretisch) was auf ihn zukommt. Wie es dann in der Praxis aussieht kann ohnehin niemand vorhersagen.
Nach dem Probemonat werden wir entscheiden, ob unser jüngerer Sohn auch im nächsten Schuljahr im Internat sein wird. Leider ist die Sache ziemlich teuer (über 1000 Euro im Monat) und weil wir so "reich" sind (mein Mann arbeitet Vollzeit, ich Teilzeit) bekommen wir keinerlei Zuschüsse vom Staat. Und die Kosten übersteigen natürlich das Pflegegeld und die erhöhte Familienbeihilfe bei weitem. Wir haben ja auch noch die laufenden Kosten für Kleidung, Frisör, Fördermaterial, Brillen, Horchi-Batterien, orthopädische Einlagen, usw. Zusätzliche Therapien wie Ergo oder Logo werden sich dann nicht mehr ausgehen.
Von morgen auf übermorgen wird mein Sohn die erste Nacht im Internat verbringen. Wir hoffen sehr, dass diese Entscheidung für uns und ihn eine Erleichterung sein wird. Drückt uns die Daumen, dass es gut geht!
Lg Rabaukenmama