"Ich wäre am liebsten unsichtbar" sagt sie regelmäßig, manchmal kommt auch sowas wie "Ich hasse mich" und "Warum kann ich mich selbst eigentlich nicht liebhaben?"
Hallo liebe Sinus,
ich kenne das von meiner mittleren Tochter (und mir und meinem Vater), die ähnliche Dinge sagt, nicht ganz so drastisch. Eher sowas wie:" keiner mag mich" "Ich fühle mich ganz allein auf der Welt", "ich habe Angst einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen". Sie hat auch immer extrem "Liebeskummer", wenn eine Spieleverabredung vorbei ist, als unsere Katze starb, etc. Trauer und Abschied erlebt sie SEHR intensiv... Sie hat ziemlich sicher die Hochsensibilität von mir "geerbt" und fühlt sich eben seit letztem Jahr auch allein gelassen, seit wir den heißgeliebten alten Kindergarten "verlassen" haben. Wir haben ja schon an anderer Stelle festgestellt, dass bei unseren Töchtern da einige Parallelen auftun.
Ich vermute, dass sie nun auch schon unter gewissen hormonellen Schwankungen leidet.
Das vermute ich auch sehr stark

. Die Pupertät war bei mir auch geprägt von Selbstzweifeln und Selbsthass

, aber das wurde dann auch schlagartig mit 17-18 Jahren wieder VIEL besser. Da hatte ich sogar eine sehr gute Phase

, emotional betrachtet.
Trotzdem machen mir solche Äußerungen Sorgen. Grad im Hinblick auf die Pubertät - da kann ja alles mögliche Schlimme aus solchem "Selbsthass" werden... Und was erst, wenn sie irgendwann sowas nicht mehr mit mir bespricht, es in sich reinfrisst und mir gar nicht mehr erzählt, wenn sie sich so schlecht fühlt???
Natürlich machst du dir Sorgen, keiner möchte seine Kinder in der Grundstimmung so traurig und selbstzweifelnd sehen. Aber....
Sie teilt ihre Gefühle bisher wirklich ausschließlich mit mir, sonst lässt sie sich von niemandem in die Karten gucken.
Sie sagt, außer mir versteht sie niemand wirklich und selbst ich würde sie nicht gänzlich verstehen. Sie hätte niemandem, dem sie alle ihre Sorgen anvertrauen könne...
...aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen, dass der Umstand, dass sie sich dir anvertraut und in dir eine Person hat, bei der sie sich sicher fühlt, Gold wert ist und mindestens die halbe Miete. Sie wird wohl immer ein melancholischer Typ sein, aber zum Einen weiß sie über ihre "Besonderheiten" (HB und HSP) Bescheid, was schonmal sehr viel wert ist, da sie sich ja zumindest ihre Andersartigkeit erklären kann und zum anderen ist sie nicht allein. Auch wenn sie sich oft so fühlt. Sie hat DICH

.
Ich bin jedenfalls immer wieder unsicher, inwieweit man da evtl nicht doch therapeutisch eingreifen sollte...
Nicht, dass ich mir später Vorwürfe mache, nicht rechtzeitig aktiv geworden zu sein.
Das ist eine gute Frage. Ich glaube mir persönlich hätte ein Therapeutenbesuch in diesem Alter nur noch mehr das Gefühl gegeben, ich sei "nicht normal" und es hätte diese Gefühle verstärkt, zumindest im vorpupertären Alter oder in der Pupertät (10-16 Jahre ca.) . Ab 16 hätte es mir glaube ich wiederum eher geholfen. Ich würde das eventuell einfach mal vorsichtig bei ihr ansprechen?! Sie ist ja schon in einem Alter, wo sie sicherlich dazu eine Meinung hat. Sicherlich wird hier nun die ein oder andere Mutter sagen, dass das nicht die Entscheidung des Kindes ist und das sehe ich genau so. Aber die Meinung des Kindes dazu finde ich nicht unerheblich bei der Entscheidungsfindung!
Ich denke mal, dass im RL kaum jemand über sowas spricht, falls das eigene Kind sowas sagt.
Auch weiß ich nicht, ob solche Phasen, wo man sich selbst so gar nicht mag, nicht zur normalen Reifung dazugehören.
Darum kann ich wirklich kaum einschätzen, ob andere Kinder sowas nicht auch sagen.
Es gibt einfach melancholische Menschen. Oft kommt das mit Hochsensibilität zusammen denke ich mal. Aber sicherlich nicht immer. Eine gute Freundin erzählt mir regelmäßig von ihrem Sohn (7 Jahre alt aktuell), der auch solche Anwandlungen hat, der aber diese Emotionen noch viel intensiver lebt. Er benutzt sogar manchmal die Sorge seiner Mutter um ihn als Druckmittel

... "wenn du nicht bei mir bleibst, dann springe ich aus dem Fenster" hat er zum Beispiel schon gesagt. Das war kurz nach der Einschulung und man muss sagen, dass er mit 4 von Spanien nach Deutschland kam, sich hier eingelebt hat und dann mit frischen 6 Jahren eingeschult wurde. Er war immer sehr anhänglich und eher ängstlich und eben melancholisch. Ist aber sonst seltsamerweise ein ganz fröhliches, "normales" Kind

..
Also JA, solche Phasen haben auch andere Kinder. Inwiefern das "noch" normal ist oder schon pathologisch, das ist nicht einfach so zu beantworten, das ist ja auch, wie so oft ein schleichender, weicher Übergang von gesund bis hin zu pathologisch. Und ab wann man zum Therapeuten geht ist auch schwer zu beantworten, ich denke das können eben nur die Eltern (ggf. zusammen mit dem Kind) entscheiden. Im Falle meiner Freundin und ihrem Sohn hat sich diese schlimme Phase sehr gebessert ( sie leben jetz leider wieder in Spanien und er hat den Umzug dahin sehr gut verkraftet und ist schon wieder gut integriert), aber dennoch ist und bleibt er ein melancholisches, sensibles Kind. Ich persönlich wäre bei solchen (ich springe sonst aus dem Fenster) Äußerungen wahrscheinlich zum Therapeuten oder wäre zumindest mal zum psychologischen Dienst. Meine Freundin hat es nicht getan.
Kennt ihr solche Sätze/Gefühle auch? Vielleicht auch von euch selbst?
Und wenn ja - gab es "Hochzeiten" solcher Äußerungen, zog sich das über Jahre hinweg, wurde es irgendwann besser?
Wie reagiert ihr?
Und würdet ihr da noch was anderes unternehmen, als mit dem Kind Gespräche führen?
Ja, ich kenne diese Gefühle und ich war auch noch sehr klein, als ich das erste Mal so empfunden habe (ca. 4,5-5 Jahre)...Und immer wieder, mal schlimmer, mal weniger schlimm habe ich mich so gefühlt. Bis ins junge Erwachsenenalter und bis hin zu Depressionen. Aber ich habe es überwunden (ich war zwar kurzzeitig mal in Therapie, aber nicht wegen der Depressionen, sondern wegen eines Traumas, dem Suizid meines Vaters) aus eigener Kraft heraus. Es gab also immer gute Phasen und so lala Phasen und sehr schlechte Phasen... Es ist nicht so, als hätte ich die Melancholie oder die depressiven Verstimmungen komplett abgelegt, aber ich kann gut damit leben und habe mich SO wie ich bin akzeptiert und aktive Depressionen hate ich seit dem Wochenbett meines Sohnes nicht mehr, toi, toi, toi. Bei mir sind es so genannte "reaktive" Depressionen, sprich: ich reagiere auf gewisse Situationen depressiv, bin es aber nicht chronisch. Ich muss aber dazu sagen, dass ich wirklich eine harte Kindheit und Jugend hatte und wenn ich ein stabileres und sichereres zu Hause gehabt, und wäre nicht so viel Mist passiert, wäre es wahrscheinlich nicht dazu gekommen, dass sich die grundsätzlich unterschwellige Melancholie zu Depressionen entwickelt.
Gespräche tun schon SO viel und das Wissen darüber, warum man sich als anders erlebt und sich dadurch allein fühlt auch. Als ich als Kind oder Jugendliche versuchte mit meiner Mutter zu sprechen oder wenn ich solche Dinge geäußert habe wie (ich will nicht mehr leben), dann sagte meine Mutter nur:" sag sowas nicht! Das tut MIR weh!"

. Von daher: toll, dass du das aushältst, ihr zuhörst und für sie da bist. Ich bin sicher, weil du so achtsam bist und einfach eine gute Mama, ist schon so viel gewonnen, was vielleicht anderenfalls irgendwann in eine falsche Richtung gehen könnte. Bei mir war es meine Oma, die mir Sicherheit und Halt im Leben gegeben hat, bei meinem Vater, der eine wirklich schlimme Kindheit hatte (körperliche und seelische Misshandlung) lief es nicht so gut. Er beging Suizid als ich 24 war. Aber auch ER hätte ganz anders damit umgehen können. Er hätte sich helfen lassen können. Die Depressionen waren bei ihm nur eine Begleiterscheinung von einer schweren psychischen Erkrankung. Also mach dir bitte jetzt keine Sorgen, dass das bei deiner Tochter passieren könnte. Was ich damit sagen will, ist: wenn du als melancholischer Mensch, der zu Depressionen neigt, eine Sicherheit und Konstante im Leben hast und du einigermaßen vernünftig bist und dir helfen lässt, wenn es sein muss, so kannst du sehr gut lernen damit umzugehen. Es ist nicht der Untergang der Welt melancholisch zu sein, auch wenn man das manchmal so empfinden mag

. Und solang deine Tochter mit dir darüber spricht, ist das schonmal gut.
PS: Ach - meistens ist es übrigens im Winter, dass sie gehäuft sowas sagt und ich mir um dieses Thema mehr Sorgen und Gedanken mache. Also das Kind ist (wie die Oma übrigens auch, beide sind meiner Meinung nach hochsensibel und sich auch sonst charakterlich sehr ähnlich) definitiv auch ziemlich "wetterfühlig".
Darum versuche ich jetzt wohl auch mal noch Vitamin D + Tageslichtlampe...
Wettefühlig bin ich auch extrem, das bringt sicher auch die HS mit sich. Mir hat Massage, Sauna und Sport auch immer SEHR geholfen in den Wintermonaten

. Tut es auch jetzt noch. Und VIEL VitaminC (am besten in der natürlich Form, also Zitrusfrüchte und Co.). UND: viel raus gehen!! Trotz schlechtem Wetter. Die dunkle Jahreszeit fördert natürlich Schwermut, das ist bei melancholischen Menschen "normal", dass sie im Winter schlechter drauf sind als im Sommer.
Ansonsten kann ich nur sagen, was MIR gut getan hätte und was auch meiner Tochter am meisten hilft sich zu beruhigen, wenn sie sich in so einer Phase befindet: zuhören, wenig bis garnichts dazu sagen, in den Arm nehmen und gesagt bekommen, dass man geliebt wird...
In diesem Sinne wünsche ich dir weiterhin viel Kraft mit deinen wundervollen, besonderen Töchtern. Du wirst dich schon richtig entscheiden