...puh, der Arme.
Ohne Ahnung von ADHS zu haben, nur aus meinen eigenen Erfahrungen und dem was ich bisher zu HB so gelesen habe, denke ich eigentlich, dass es wahrscheinlich ist, dass das meiste von dem, was du beschreibst, auf massive Unterforderung und Misfit zurückzuführen ist.
Und wie die Lehrer reagiert haben, finde ich sehr traurig.
Klingt für mich nach Lehrern, die ihre eigene Verantwortung dafür, wie das Kind den Unterricht empfindet (nicht herausfordernd genug), so gar nicht eingestehen wollen.
Unsere Lehrerin hat übrigens damals zwar grundsätzlich sehr zugewandt, aber spontan auch ähnlich reagiert. Sie war etwas beleidigt und fühlte sich persönlich angegriffen, wie sie später dann auch selbst zugab, weil bei ihr ankam: "Ihr Unterricht ist zu langweilig".
Sie gebe sich doch solche Mühe, den Unterricht abwechslungsreich zu gestalten und das Kind habe Zusatzaufgaben im Gegensatz zu einigen anderen Schülern ja auch bisher immer abgelehnt, sie müsse da schon auch selbst mehr Engagement zeigen etc pp.
(Also die Verantwortung schön ans Kind abgeschoben - wie bei euch auch geschehen. Dabei ist er das Kind und für seine Symptomatik nun wirklich nicht allein verantwortlich!)
Da ich merkte, dass die Lehrerin es nicht so ganz verstanden hat und es womöglich als persönlichen Angriff sah, habe ich ihr damals nach dem Gespräch noch eine Email geschrieben, wo ich alles in Ruhe ausformulieren konnte.
Ich habe ausdrücklich ihren Unterricht gelobt und gemeint, dass ich das sehr wohl sehe, wie viel Mühe sie sich mit dem Unterricht und der Klasse gibt (was auch stimmte!) und es nicht an ihrem Unterricht liegt, sondern einfach daran, dass er nicht zum Kind passt. (bzw umgedreht, das Kind nicht zum Unterricht)
Und dass es bei Kindern mit Schwächen ja auch so sei und da würde man auch nicht sagen, es liege am Lehrer, dass der Unterricht für sie zu schwierig sei... und dass man die Kinder ja dann auch entsprechend fördern würde.
Da sie Musiklehrerin ist und hier den Chor leitet, habe ich ihr noch eine passende Metapher beschrieben.
Ich schrieb, dass es für das Kind etwa so sei, als wenn es komplizierte, schnelle Tanzschritte könne und schnelle Musik liebe und sich immer auf das Tanzen gefreut habe, man dann aber immer nur langsamen Walzer u.ä spielt und als sei das nicht schon enttäuschend genug, sei sie dann auch noch zusätzlich gefesselt, so dass sie ihre eigentlichen Fähigkeiten gar nicht ausleben könne. (Dein Sohn hat diese Fesseln scheints nicht, meine angepasste Tochter sehr wohl, sie hat sie sich tw selbst angelegt)
Dass das natürlich auf Dauer sehr frustrierend ist und jede Motivation zum Tanzen/mitzutanzen erstickt und (bei meiner Tochter) das Selbstwertgefühl und den Glauben an die eigenen Fähigkeiten torpediert, weil sie nie gemäß ihrer Fähigkeiten frei tanzen darf/kann.
Dein Sohn scheint sich da wohl freier zu geben und tanzt dann halt jetzt Einfachaus der Reihe, weil das eine ihm nicht entspricht (der durchschnittliche Unterricht) und das andere (gemäß seiner wirklichen Fähigkeiten) ja nicht möglich ist. (Welche Wahl hat er denn da? )
Unsere Lehrerin meinte nach der Mail, so habe sie es jetzt besser verstanden. Sie hat sich dann auch durchaus bemüht, versprach auch, bei der Beratungsstelle anzurufen, die ausdrücklich auch Lehrer berät. Allerdings verlief es dann mehr oder weniger im Sande bzw. war sie dann erstmal zur Kur und dann hat recht bald eine Referendarin die Klasse übernommen, so dass sie gar nicht mehr allzuviele Möglichkeiten hatte.
Unser Gespräch fand Anfang 4. Klasse statt und wir haben uns dann damit getröstet, dass es nicht mehr allzu lang ist.
Und ab und zu gab es tatsächlich mal einen kleinen Lichtblick, als meine Tochter bspw einen besonderen Vortrag vorbereiten durfte und zum Thema "Werbung" einen Werbespot gestalten und mit Scratch programmieren durfte, wo die anderen ein Plakat gestalteten.
(Wo sich dann auch sehr gut zeigte, dass bei passendem Stoff und richtiger Herangehensweise sehr wohl (wieder) Motivation da ist!)
Bei euch allerdings liegen jetzt noch mehrere Schuljahre vor euch und darum würde ich da jetzt unbedingt dranbleiben.
So wie du es beschreibst, scheinen die Lehrer gar keine Ahnung von der Materie zu haben und zeigen scheints auch leider nicht allzuviel Offenheit und Entgegenkommen.
(Irgendwie scheint der Großteil aller Lehrer auf das Thema Hb höchst allergisch zu reagieren. Warum bloß fühlen sie sich angegriffen? Hat es womöglich was mit dem Gefühl der Unterlegenheit zu tun? Ich kapiers nicht... ICH würde mich ja freuen, so ein besonderes Kind zu haben...)
Was sagte denn die Beratungsstelle im Gespräch zu den Lehrern?
Wenn sie sogar dabei waren, sind sie doch sicher auch zu Wort gekommen?
Und gab es hinterher noch eine Auswertung?
Wir haben übrigens einen Jungen im Bekanntenkreis, bei dem es genauso ablief wie bei euch. (an Tochters Grundchule, sein IQ wie der deines Sohnes)
Da er auch nicht der brave Schüler war, sondern sich so wie dein Sohn verhielt, wurde ihm ebenfalls gesagt, dass ohne Verhaltensänderung seinerseits er auch ganz bestimmt keine Sonderbehandlung erwarten dürfe.
Er solle erstmal lernen sich zu benehmen, dann rede man über Extraförderung.
Da die Eltern da also völlig an die Wand liefen und alle Erklärungen und Gespräche nichts änderten, nahmen sie den Jungen schließlich von der Schule und er wechselte in eine Grundschule, die ein Programm namens "Fördern & Fordern" anbietet und wo mehrere der Lehrer eine Schulung von der regional zuständigen Hochbegabtenstelle bekommen hatten, wie man mit diesen Kindern umgeht, wie gutes Enrichment aussieht usw.
Diese Beratungsstelle bietet hier sowas kostenfrei an und kommt dazu sogar direkt in die Schule.
In dieser Schule wendet man sich dann wohl auch bei solchen "Problemkindern"/-fällen auch an die Beratungsstelle und arbeitet dann eng mit denen zusammen, um eine Lösung zu finden, was wohl meistens auch gut funktioniert.
Allerdings versuchen sie wohl dabei möglichst, einen Klassensprung zu vermeiden. Damit habe man weniger gute Erfahrungen gemacht, als mit Enrichment innerhalb der Altersgruppe.
(So sagte mir das damals die Direktorin, als ich das Gespräch suchte, als ich bei meiner Nr. zwei wegen der Erfahrungen der großen Tochter nach dieser schule und ggf sogar einer Früheinschulung fragte)
Für den erwähnte Sohn der Bekannten hat der Wechsel übrigens gelohnt, sagen die Eltern und jetzt an der weiterführenden Schule (normales Gymnasium) klappts auch.
Aktuell (er ist inzwischen so um die 13/14 Jahre alt) engagiert er sich wohl besonders für den Sport und braucht/will sonst keine besondere Förderung mehr.
Raten kann ich dir an der Stelle natürlich nicht allzuviel, außer auf dein Bauchgefühl zu hören und dranzubleiben.
Hast du mit deinem Sohn denn schonmal über das Testergebnis gesprochen?
Was sagt die Beratungsstelle, wie ihr das ihm gegenüber kommunizieren sollt?
Ich bin aus meiner eigenen Erfahrung dafür, dem Kind zu sagen, was los ist.
Vielleicht etwa so:
"Du hast da einen echten Turbomotor in dir, der leider nie ganz ausgefahren wird, darum dreht er öfter mal frei.
Das sieht für die anderen dann so aus, als wenn das Auto nicht richtig funktioniert, aber eigentlich tut es das, nur kann es eben nicht auf der Rennstrecke fahren, wo er das beweisen kann..."
Dann würde ich ihm ggf. auch erklären, wie wichtig es für die anderen ist zu sehen, dass er sich bemüht und dass er vermutlich nur dann die Gelegenheit bekommt, auch mal paar Runden auf dem Hockenheimring zu drehen.
Irgendwie so.
Bei meiner Tochter würde ich es übrigens anders formulieren, denn die hatte schon damit begonnen, ihren Motor selbst zu demontieren im Glauben, er sei fehlerhaft
Darum würde ich dir gern noch dazu sagen: Seid froh, dass er es nach außen zeigt, dass da was nicht passt (wie wohl nicht untypisch für hochbegabte Jungen), statt es zu verstecken und die schlechter Gefühle gegen sich selbst und nach innen zu richten (wie eher typisch für hochbegabte Mädchen).
Seht und nutzt es als Chance...
Und im Zweifelsfall wäre eine Klassen-/Klassenstufen- oder gar Schulwechsel zu überlegen, wenn es seitens der Schule so gar kein Entgegenkommen gibt.
Viel Glück und Herzlich willkommen hier!
Berichte bitte weiter!!!!
PS: Auch wenn meine Tochter in der Schule - anders als dein Sohn - brav und angepasst und völlig unauffällig war - zu Hause war sie dafür impulsiv, bekam heftige Wutanfälle, verzweifelte schnell an sich und war sehr unausgeglichen. Generell wurde sie auch immer demotivierter und immer weniger offen für Angebote - auch die unsererseits. Nahezu alles war doof und langweilig... (Das macht eine Förderung dann tatsächlich schwer. Darum war unser Ansatzpunkt vor allem erstmal, sie innerlich zu stärken.)
Parallel dazu haben wir Felder gesucht, wo sie zu begeistern war. (in Klasse drei hat sie - übrigens ohne unsere Unterstützung - mit Programmieren begonnen)
Also ich bin überzeugt, dass dauerhafte und heftige Unterforderung und Misfit an den allerwenigsten Kindern spurlos vorrübergeht und es nicht pathologisch ist, sondern eher gesund, dass sie darauf irgendwie (individuell anders) reagieren!
Hat er Freunde, die gut zu ihm passen? Das halte ich auch für sehr wichtig.