Elly95 hat geschrieben: ↑Fr 29. Sep 2023, 12:51
@ Meine3 Erstmal vielen Dank für deine Antwort!
Mit dem Spielverhalten hatte ich mich nicht so gut ausgedrückt.
Als er 15 Monate alt war, waren seine Rollenspiele so monoton.
Mittlerweile spielt er aber total fantasievoll. Er spielt zwar auch vieles nach, was er erlebt oder gesehen hat, aber kombiniert auch immer wieder Dinge.
Das er bestimmen will, was andere sagen, hatten wir mit 2 Jahren sehr extrem. Ich musste da genau die Sätze sagen, die er vorgegeben hat und wenn ich doch mal ein Fehler gemacht habe, ist er eskaliert. Das hat mich richtig kirre gemacht, ist aber zum Glück aktuell nicht mehr so. Bei seinem "Freund", den wir 1x wöchentlich treffen, will er aber tatsächlich immer bestimmen, was er machen soll. So richtig spielen tuen die beiden nicht.
Er hat bereits mit 2,5 Jahren angefangen eigene Geschichten zu erzählen. Die Themen sind zwar immer ähnlich und er baut Dinge ein, die er im Raum sieht, aber ich finde ihn trotzdem kreativ. Er hat auch immer mal wieder neue Spielideen und fragt mich dann ganz süß, ob ich seine Idee gut finde.
Was für mich sehr störend ist, dass er so gut wie gar nicht allein spielt, er ist dann in kurzer Zeit total dysreguliert. Gegen Abend klappt es manchmal.
Hallo,
mein Sohn hat auch mit 2,5 Geschichten erzählt und erfunden. Mein Sohn hatte schon immer eine weitschweifende und sehr reiche Fantasiewelt

, allerdings kann er eben die Fantasiewelten ANDERER NICHT mit einbinden. Das "freie" Rollen-Spielen MIT anderen Kindern gestaltet sich schwierig. Das heißt nicht, dass es nicht stattfindet, aber wie oben beschrieben, ist er dann sehr dominant, früher (so mit 6-8) hat er seinen Schwester sogar ins Ohr geflüstert, was sie als nächstes sagen und tun sollen. Wenn sie davon abgewichen sind, empfand er das als "falsches spielen", wurde sauer oder driftete eben ab, indem er laut und wild gestikulierend seine Geschichte "weiterspann" ohne auf die anderen Kinder und ihre Ideen zu achten. Er hat eigentlich immer ältere Kinder zum spielen gesucht, denn die haben noch eher "mitgemacht" (also bei IHM und seinen Vorstellungen)... Das vorgeben wie andere zu spielen haben, sowohl bei uns Eltern als auch bei anderen Kindern war schon immer ein markantes Merkmal seiner Spielweise. Es stimmt nicht, dass autistische Kinder grundsätzlich KEINE Fantasie haben, manchmal bilden sie ganze Welten um sich herum, und verlieren sich vollkommen darin, so dass es sogar schwer ist, ihnen den Bezug zur Realität wieder nahe zu bringen. Zum Beispiel haben viele autistische Kinder ausgeprägte "unsichtbare Freunde", was ja auch sehr für Fantasie spricht. Dass autistische Kinder also keine Fantasie haben ist eine sehr veraltete Sichtweise. Es gibt diese autistischen Kinder, die quasie garkeine Rollenspiele spielen, nur rezitieren oder Dinge nachspielen (am besten noch 1:1 und wortgetreu, was mein Sohn auch heute ncoh sehr oft und gerne tut) und garnicht in der LAge sind, fantasiereich zu spielen, aber das ist bei weitem nicht bei jedem autistischen Kind so, vor allem nicht, wenn das Kind gleichzeitig über eine gute bis sehr gute Intelligenz verfügt. Fakt ist, dass das Sozial- und Spielverhalten aber bei allen autistischen Kindern auffällig ist. In welcher Form und wie genau, unterscheidet sich aber sehr stark.
Ich habe auch gelesen, dass Autist:innen nicht bzw. selten lügen.
Bei meinem Sohn traf dies tatsächlich zu bis er ca. 8,5 war. Da dämmerte ihm langsam, dass seine Erlebnis und Gedankenwelt für andere NICHT einsehbar ist und auch er fing dann an zu lügen, dann und wann, jedoch ehrlich gesagt lügt er auch heute noch ziemlich schlecht und neigt schon sehr zu Aufrichtigkeit

. Aber auch hier: Pauschal kann und darf man das auf keinen Fall über alle autistischen Kinder sagen. Insbesondere, wenn das Kind merkt, dass es durch Lügen eine Entlastung erfährt, wie im folgenden beschrieben:
Mein Sohn kann aber fast zu gut lügen. So hat er bereits mit 2 Jahren und 3 Monaten der Tagesmutter gesagt, dass ihn zwei Kinder geschlagen haben. Die Tagesmutter hatte noch die Stiller-Stuhl-Regel, wenn Kinder gehauen haben. Er hat immer öfter behauptet, dass sie ihn geschlagen hätten und dann schließlich zugegeben, dass er dies nur sagt, damit er in Ruhe spielen kann. Die Jungs waren sehr wild und er hat ihnen immer gesagt, dass er nicht mit ihnen spielen will.Ich wusste nicht, ob ich sein Verhalten lustig oder beängstigend finden sollte, da es ja schon schlau, aber eben auch berechnend von ihm war.
Er hat gelogen, weil es dann ruhiger war und er sensorisch dann nicht mehr so überreizt war. Es ist tatsächlich so, dass Autisten grundsätzlich (also pauschal) eine eher unausgereifte ToM haben (Theorie of Mind, das Vermögen sich in andere hineinzuversetzen, also einen Perspektivwechsel zu tätigen) und bei manchen Autisten FEHLT es ganz. Aber auch hier gibt es Abstufungen und unterschiedliche Ausprägungen.
Was für mich auch nicht passt, ist sein Humor. Er hatte da schon ganz früh ein Verständnis für und witzelt sehr oft mit uns oder anderen Erwachsenen rum.
Oder können Autist:innen durchaus auch humorvoll sein und Humor verstehen?
Mein Sohn ist schon immer EXTREm humorvoll, schlägt damit aber oft über die Stränge. Bedeutet: er spürt nicht, wann es angebracht ist, einen Scherz zu machen und wann nicht und hat da oft ein ganz mieses Timing. Er hat früh Ironie verstanden (als Konzept), aber oft in der Situation dann garnicht. Also JA: Autist:innen können durchaus humorvoll sein oder/und Humor verstehen, andere haben damit wiederum große Probleme.
Mein Sohn hat wie deiner auch ganz bestimmte Vorstellungen, wie Dinge zu laufen haben, aber da ist eben die Frage inwieweit das noch ins normale Kleinkindverhalten fällt, da mit 3 ja in der Regel noch kein Perspektivwechsel stattfindet.
ja, das kann natürlich altersbedingt sein.
Wenn ein Ablauf nicht so funktioniert, wie er es will, flippt er aus und will es nochmal von vorne machen.
kommt mir sehr bekannt vor

.
Beispiel heute: Beim Autofahren zur Kita soll immer Musik laufen, dann kam jedoch eine Werbeunterbrechung und trotz dass ich schnell aufs Radio umgeschalten habe, ist er ausgeflippt und wollte, dass ich nochmal umdrehe und die Strecke erneut fahre
tut mir leid, das zu sagen, aber das klingt sehr typisch autistisch und ist kein "normales" Verhalten. Dass er ausflippt ist eine Sache, das kann auch neurotypischen Kindern passieren, dass er drauf besteht, dass du die Strecke nochmal fährst, weist jedoch auf ein großes Bedürfnis nach festen Abläufen, die auch nicht geändert werden dürfen und die ihn sehr beunruhigen und das ist ein typisches Verhalten für autistische Kinder (was mein Sohn jetzt zum Beispiel weniger zeigt, nicht in der Form wie dein Sohn).
Letzendlich geht es mir vor allem darum heraufzufinden, ob etwas wirklich zu viel für ihn ist bzw. er es nicht kann oder ob ich strenger in der Erziehung sein muss.
Genau darum ging es mir auch. Jahrelang. Von den einen habe ich gehört, ich sei zu streng, andere sagten, ich sei zu nachlässig, zu wenig konsequent. Ich hab mich dabei fast verrückt gemacht, heraus zu finden,was denn nun "richtig" ist. Fakt ist, dass ich als Mutter eigentlich immer intuitiv den richtigen Riecher hatte und mich nur durch die Außenwelt habe verunsichern lassen. Es hat 4,5 Jahre gebraucht, bis wir die vollständige Diagnose hatten, ich war Opfer von Vorurteilen, offener Kritik und bösen Blicken, mein Sohn wurde gemobbt, ausgegrenzt und schlicht nicht verstanden. Alles, weil alle davon ausgingen, er sei "nur" hochbegabt, und dadurch natürlich noch MEHR von ihm erwartet haben als von einem normal intelligenten, normal entwickelten Kind, aber selbst DAS wäre für ihn eine absolute Überforderung gewesen und war es auch. Die Folge waren viele Meltdowns (autistische Ausbrüche, die von außen aussehen, als hätte das Kind quasi grundlos eien Trotz- oder Wutanfall. Wichtig ist hier zu sehen: was war die Ursache? Retrospektiv waren es bei uns immer entweder sensorische oder emotionale Überforderung oder Änderungen in einem Ablauf, der für ihn sich lebensiwchtig anfühlt, so wie für deinen Sohn das Ritual mit der Musik im Auto wohl SEHR SEHR wichtig ist), Leid, Verunsicherung, ständige Überforderung, psychosomatische Probleme, Verweigerung, Vermeidungshaltung, etcpp.
Ich möchte dir nicht einreden, dein Kind sei autistisch. Aber ich möchte klarstellen, dass nichts was du schreibst GEGEN Autismus spricht, es aber einiges gibt, was in die Richtung geht. Du bist die Mutter, du kennst ihn am besten. Bleibt das Bauchgefühl, da "stimmt" was nicht. Geh dem nach.
Zum Abschluss möchte ich das Autismusspektrum noch kurz mit einem Vergleich erklären:
Autismus ist ein ganzer Blumenstrauß an Symptomen. Es gibt bestimmte Diagnose-Kriterien, das sind die Blumensorten im Blumenstrauß, die erfüllt sein müssen, damit die Autismusdiagnose gestellt werden müssen. Alle "Blumensorten" müssen irgendwie vertreten sein beim Kind. Diese Blumen sehen aber nicht alle gleich aus und sind auch nicht gleich stark vertreten. Es kann also sein, dass dein Kind nur wenige Gänseblümchen hat (er hat sie aber) und viele Nelken, ein paar Rosen, sehr sehr viele Lilien und somit die Diagnose erhält, obwohl ein anderes autistisches Kind sehr viele Gänseblümchen hat, wenige Nelken, fast keine Rosen und auch sehr sehr viele LIlien und beide sind autistisch. ABER: nur weil man ein Gänseblümchen und zwei Nelken im Strauß hat ist man noch lange nicht autistisch. DAHER ist die Diagnose so schwer und deswegen ist kein Autist wieder der andere.
Die 3 Haupt-Diagnosekriterien bei Autismus sind:
-Defizite in der sozialen Interaktion, bzw. den sozialen Fähigkeiten
-verbale und/oder nonverbale Kommunikation sind beeinträchtigt
-Sie zeigen wiederholte, stereotype Verhaltensweisen und spezielle Interessen.
Achtung: Art und Schweregrad der Symptome sind individuell und je nach Autismus-Form sehr unterschiedlich.
Mögliche Symptome (nur eine Auswahl, es muss nicht alles zutreffen oder kann sich anders äußern) für Defizite in der sozialen Interaktion sind:
-Ängste in sozialen Situationen, sich zurückziehen, soziale Situationen vermeiden
-übergriffiges oder inadäquates Verhalten in sozialen Situationen
-Fluchttendenzen oder Wutanfälle in sozialen Situationen
-"Unhöflich" sein, das nicht beachten von gängigen Höflichkeitsfloskeln, etcpp.
-Auffälligkeiten im Spielverhalten (sehr unterschiedliche Ausprägungen sind hier möglich)
-Probleme mit Gleichaltrigen "adäquat" in Kontakt zu treten oder den Kontakt aufrecht zu erhalten
-das nicht erkennen von angemessenem Verhalten gegenüber Autoritätspersonen (das Kind macht kein Unterschied ob Bundeskanzler, Kassiererin, Lehrerin, Mutter oder gleichaltriger Freund)
Mögliche Symptome für Defizite in nonverbaler und verbalter Kommunikation sind:
-das Kind spricht nicht, spät, sehr wenig, lange in Fantasiesprache, etcpp.
-das Kind spricht viel zu viel (monologisiert)
- Das Kind spricht mit hochgestochenem Wortschatz, verwendet Fachbegriffe, zitiert viel, etcpp., die Sprache klingt wie "abgelesen"
-das Kind hat eine ungewöhnliche Sprechweise oder eine ungewohnte Intonation
-Wechselseitigkeit in Gesprächen ist nicht oder nur wenig vorhanden
-das Kind reagiert verzögert, unpassend oder garnicht auf Ansprache, Aufforderungen oder Fragen
-versteht keine Witze oder Ironie, Dop, peldeutigkeiten, nimmt vieles sehr wörtlich ODER besteht auf sehr klare Aussagen, missversteht, Aussagen, reagiert ungewöhnlich auf Fragen, handelt "konträr" und nicht nachvollziehbar
-das Kind weiß nicht, wie man tröstet, ist unsicher wie es sich verhalten soll, tröstet NICHT
-das Kind zeigt wenig eigene Mimik und/oder Gestik
-das Kind versteht wenig oder keine Mimik und Gestik und handelt dementsprechend oft unverständlich
-das Kind hält wenig oder kaum Blickkontakt
-das Kind verwendet Mimik, aber sie passt oft nicht zum gesagten, wirkt aufgesetzt oder unaufrichtig oder viel zu übertrieben
etcpp
-das Kind kann seine Lautstärke nicht an die Umgebung anpassen oder tut es selten
-das Kind lacht an unpassenden Stellen oder lacht eben nicht, wenn es angepasst wäre
-das Kind weint "grundlos" oder weint nicht/zeigt keine Trauer, wenn es eigentlich angebracht wäre
Mögliche Ausprägungen des 3. Kriterium, wiederholte, stereotype Verhaltensweisen und spezielle Interessen, können sein:
-das Kind hat ungewöhnliche (altersuntypisch oder sehr stark eingegrenzte) Interessen und befasst sich fast ausschließlich damit
-Das Kind hat zwar alterstypische INteressen, aber das INteresse und die INtensität gehen weit über ein "normales Maß" hinaus, das Kind wirkt wie besessen von dem Thema (diese Themen können von Zeit zu Zeit wechseln oder über viele Jahre/ein Leben lang gleich bleiben)
-das Kind hat bestimmte Abläufe und Rituale, die genau und immer gleichbleibend befolgt werden müssen
-das Kind zeigt sich wiederholende Bewegungsabläufe, die es verstärkt zeigt bei sensorischer Erregung
-das Kind verlangt, dass man bestimmte Dinge/Abläufe immer wieder wiederholt oder wiederholt selbst bestimmte Dinge/Abläufe immer wieder (über ein normales Maß hinausgehend)
-das Kind hat bestimmte Gegenstände, an denen es ungewöhnlich stark hängt (damit sind nicht die normalen Kuscheltiere gemeint, kann aber auch sein)
-das Kind mag Gegenstände oder Dinge, die sich wiederholend bewegen (Kreisel, Räder, Karussels, Laufband, fließendes Wasser, etcpp.) und ist davon ausnehmend fasziniert
-das Kind ist ungewöhnlich fasziniert von bestimmten Dingen, Gegenständen oder auch Körperteilen
-das Kind wiederholt ständig das Gesagte (Echolalie)
-das Kind wiederholt gerne bestimmte Sätze, LIedtexte, Wörter oder will, dass man bestimmte Sätze, Lieder, Wörter immer wieder wiederholt
-das Kind hat Angst vor Veränderungen und/oder kommt mit Veränderungen nicht gut klar, reagiert mit Wut, Verzweiflung, Weinen oder starker Unruhe
-das Kind hat Probleme mit Übergängen (jeglicher Art)
etcpp- ALLE 3 Diagnosekriterien müssen in einem besitmmten Maß vorhanden sein, aber nicht alle gleichstark und nicht auf die selbe Art und Weise.
Ein letztes Kriterium, das aber bislang nicht fest etabliert war, aber durchaus sehr bekannt ist und auch abgefragt wird, sind BEsonderheiten in der sensorischen Wahrnehmung, hierbei ist wichtig zu wissen, dass das Kind entweder hypOsensibel sein kann oder hypERsensibel, auch in verschiedenen sensorischen Bereichen unterschiedlich, zum Beispiel SEHR wärmeempfindlich, aber fast kein Schmerzempfinden. Das betrifft nahezu alle sensorischen Reize:
-Schmerz
-Temperatur
-Geruch
-Tastsinn (deswegen werden manche Autisten nicht gerne angefasst, andere wiederum sind richtige Kuschelmonster)
-Gehör
-Geschmack
-visuelle Reize
Bei dem Kind ist das organische Hörvermögen beispielsweise normal ausgeprägt, dennoch reaigert es extrem empfindlich auf bestimmte Geräusche oder Lärm. Das Kind empfängt die sensorischen Signale zwar genau wie alle anderen Kinder, verarbeitet (!) sie aber ganz anders.
Aus dieser sensorisch besonderen WAhrnehmung entstehen dann nochmal ganz viele mögliche Symptome, wie zum Beispiel, selektives Essverhalten, VErweigerung bei Arztbesuchen, nicht gestreichelt werden wollen, sich nicht warm anziehen wollen, bestimmte Stoffe ablehnen, bestimmte Lichtquellen SEHR faszinierend finden und mögen oder eben absolut nicht mögen und meiden, bestimmte Orte meiden (GEruch, Licht, Geräusche) etcpp.
Gruß
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.