Hallo aus Deutschland

Einfach nur über sich und seine Kinder erzählen
Neugiertiger
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Re: Hallo aus Deutschland

Beitrag von Neugiertiger »

Darauf, nachmittags weiterhin Hirnfutter anzubieten hab ich mich eh schon eingestellt.
Und wir sind auch zusätzlich ziemlich viel geocachen, da muss man auch immer wieder was zählen, rechnen, lesen, schrauben, recherchieren, ... Find ich vor allem gut, weil es bisschen Bewegung und Outdoor auch mit reinbringt. Er liebts auch heiß und innig, ist so unser Mama - Sohn - Hobby (Mein Mann geht nur selten mit). Frustrationstoleranz, Ausdauer, Mut und Selbstvertrauen schults auch. Die ersten beiden Punkte sind kein Problem, aber die letzten beiden tuts ihm sehr gut noch etwas zu trainieren.
Rabaukenmama
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Re: Hallo aus Deutschland

Beitrag von Rabaukenmama »

@Neugiertiger: Mein Sohn geht ja schon in die erste Klasse, aber das meiste lernt er nach wie vor eigenmotiviert. Vergangen Samstag waren wir gemeinsam (Mutter-Sohn-Ausflug) in Salzburg im "Haus der Natur", einem Museum, welches ist selbst schon als Kind geliebt habe :) . Dort war er hauptsächlich im Raum für Klimaentwicklung und hat sich immer wieder einen Kurzfilm über die Entstehung der Treibhausgase angesehen. Dann hat er sich das alles aufgeschrieben (Zusammensetzung der Atmosphäre, chemische Formeln der Treibhausgase) und Atom-Modelle von den Gasen gezeichnet. Bei der Heimfahrt im Zug haben wir gemeinsam noch mal den Aufbau von Atomen und Molekülen besprochen und warum manche Elemente eher eine Bindung eingehen als andere.

Das alles ist natürlich NICHT Stoff der ersten Klasse und nicht mal in der Klasse meines Sohnes, die ja eine Mehrstufenklasse ist, wird es auch nur annähernd so ausführlich durchgenommen. Aufbau der Atome kommt in der Schule meines Wissens ab 2./3. Klasse Hauptschule bzw. Gymnasium dran.

Es ist, wie Remo H. Largo im Buch "Babyjahre" so klar schreibt:

Das Kind ist aktiv, und es entwickelt sich aus sich heraus. Aber das Kind ist zugleich selektiv. Es sucht bestimmte Erfahrungen und ist nicht für alles zugänglich. „Seine Neigungen und Interessen richten sich nach seinem Entwicklungsstand. Das Kind ist kein Gefäss, das sich mit beliebigem Inhalt bzw. Erfahrungen füllen lässt“. Und dies aus biologischen Gründen, nicht weil die „Pädagogik von Kinde aus“ Partei ergreift.

Ich verstehe wenn mein Sohn Hausübungen, wo er ständig etwas wiederholen soll, was er schon seit Jahren kann, sinnlos findet! Da finde ich in meiner Einstellung immer mehr zu Momo, die ja die Sinnhaftigkeit von Hausübungen überhaupt in Frage stellt. Wobei ich ja noch das Glück habe, dass aus einer nicht (vollständig) erledigten Hausübung kein Drama gemacht wird und die Lehrerinnen bemüht sind, gemeinsam mit Kindern und Eltern Lösungen zu finden :) .

Und wegen der viel gepriesenen "Arbeitshaltung", die das Kind angeblich durch das erledigen der HÜ lernt, fällt mir ein, dass ich selbst meine Arbeitshaltung erst IN DER ARBEIT bekommen habe. Da wußte ich, dass das, was ich tue, einen Sinn hat. Und wenn meine Aufgabe war, faulige Orangen auszusortieren, war mir klar, dass das einfach gemacht werden muss, weil die guten Orangen sonst auch faulig werden. Aber wozu soll ich Rechenaufgaben lösen, die ich ohnehin längst kann, wenn der Zettel oder das Heft ohnehin früher oder später im Papierkorb landet?

So gesehen würden unsere Kinder in der Schule weniger Frustrationstoleranz und Resilienz benötigen (zwei Eigenschaften, an denen es nicht nur meinem Sohn mangelt ;) ), wenn wirklich nur Arbeiten von ihnen erwartet würden, deren Sinn sich ihnen auch erschließt. Nicht umsonst liebt mein Sohn den Werkunterricht: man macht etwas, was man dann sieht und "benutzen" kann. Sei es auch nur ein schlecht gestrickter Topflappen (in meiner Kindheit DAS klassische, schulgefertigte Muttertagsgeschenk)...

Geo-catching ist übrigens ein interessantes Hobby! Wollte ich auch schon mal mit meinem Sohn machen, aber den hat´s leider nicht interessiert. Aber wie schon beschrieben, er darf - zumindest zu Hause - selektiv sein, und sich Tätigkeiten aussuchen, die seinen Interessen und seinem Entwicklungsstand entsprechen. Im Museum hätte ich mir auch noch gern die anderen Räume angeschaut (wir haben maximal 1/3 gesehen), aber da mein Sohn aus dem Klimaschutz-Raum nicht rauszubekommen war (und der Ausflug ja eigentlich "für ihn" gedacht war) habe ich nicht darauf beharrt, meine eigenen Liebling-Räume zu besuchen.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Momo
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Re: Hallo aus Deutschland

Beitrag von Momo »

Rabaukenmama hat geschrieben:
Mein Sohn geht ja schon in die erste Klasse, aber das meiste lernt er nach wie vor eigenmotiviert. Vergangen Samstag waren wir gemeinsam (Mutter-Sohn-Ausflug) in Salzburg im "Haus der Natur", einem Museum, welches ist selbst schon als Kind geliebt habe :) . Dort war er hauptsächlich im Raum für Klimaentwicklung und hat sich immer wieder einen Kurzfilm über die Entstehung der Treibhausgase angesehen. Dann hat er sich das alles aufgeschrieben (Zusammensetzung der Atmosphäre, chemische Formeln der Treibhausgase) und Atom-Modelle von den Gasen gezeichnet. Bei der Heimfahrt im Zug haben wir gemeinsam noch mal den Aufbau von Atomen und Molekülen besprochen und warum manche Elemente eher eine Bindung eingehen als andere.
Genau, ist es nicht wunderbar und erstaunlich, mit welchen Themen sich Kinder beschäftigen und auch wie tief sie schon frühzeitig in die Materie einsteigen können, wenn sie etwas wirklich interessiert? Und wie viel Kraft, Nerven und Tränen es auf der anderen Seite kostet, "nicht interessantes Wissen" in die Köpfe der Kinder zu bekommen? Ich beobachte es immer wieder. Meine Tochter ist z.B. schon immer eine begeisterte Natur- und Tierliebhaberin. Sie kann mir Dinge erzählen, da staune ich nur. Und sie lernt täglich dazu.

Und nun kann ich mir das Gedankenexperiment nicht verkneifen, auch wenn es etwas OT ist ;) :
Welche Potentiale könnten sich bei jungen Menschen entfalten, wenn sie jeden Tag die Möglichkeit hätten, sich mit den Themen intensiv zu beschäftigen, die sie WIRKLICH interessieren? Und wenn sie darin von Fachleuten unterstützt werden würden? Wenn sie sich ganz ohne Druck und Vorgaben so lange und so intensiv mit einem Thema beschäftigen könnten, wie sie es wollen? Und wenn sie auf der anderen Seite von dem Druck befreit wären, sich vorgegebenes Wissen aneignen zu müssen? Was würde dann geschehen?

Liebe Grüße von Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Rabaukenmama
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Re: Hallo aus Deutschland

Beitrag von Rabaukenmama »

Momo hat geschrieben: Und nun kann ich mir das Gedankenexperiment nicht verkneifen, auch wenn es etwas OT ist ;) :
Welche Potentiale könnten sich bei jungen Menschen entfalten, wenn sie jeden Tag die Möglichkeit hätten, sich mit den Themen intensiv zu beschäftigen, die sie WIRKLICH interessieren? Und wenn sie darin von Fachleuten unterstützt werden würden? Wenn sie sich ganz ohne Druck und Vorgaben so lange und so intensiv mit einem Thema beschäftigen könnten, wie sie es wollen? Und wenn sie auf der anderen Seite von dem Druck befreit wären, sich vorgegebenes Wissen aneignen zu müssen? Was würde dann geschehen?
Was geschehen würde? Einige Kinder würden sich prächtig entwickeln und ein Leben lang selbst verwirklichen können. Das würde vermutlich einen Großteil der Kinder, deren Eltern hier schreiben, betreffen. Wenn man das Glück hat, ein kluges, vielseitig interessiertes Kind zu haben, welches durch das aufwachsen in einem toleranten, offenen Umfeld sein Potential voll entfalten kann, ist es schwer, sich vorzustellen, dass nicht alle Kinder so "ticken". Nicht, weil sie dumm sind, aber manche Interessen sind einfach so engeschränkt und spezifisch dass rein selbstbestimmtes lernen für sie einfach nicht ausreicht. Und manche Kinder wachsen in (Familien-)Verhältnissen auf wo sie so mit "überleben" beschäftigt sind, dass sie für selbstbestimmtes lernen einfach keinen Kopf haben. Kurz gesagt: es gibt Kinder, die einfach Führung BRAUCHEN. In welcher Form sie diese Führung bekommen sollen, kann diskutiert werden, aber am Bedarf selbst besteht für mich kein Zweifel.

Aber zurück zu Deinem Gedankenexperiment. Auch diese "anderen" Kinder würden eine unbeschwerte Schulzeit genießen und dann daran scheitern, dass in der Berufswelt einfach ein gewisses Mindestlevel an VORkenntnissen erwartet wird. Es ist ja nett, wenn jemand alles über Botanik weiß, aber dieses Fach nicht studieren darf, weil die Voraussetzung dafür eine bestandene Matura ist. Und um die Matura zu bestehen muss man bekanntlich viel später nicht mehr benötigtes Wissen aufbringen.

Also kann der autididakte Botanik-Experte sein Wissen nur hobbymäßig und nie beruflich nutzen, und muss seinen Lebensunterhalt auf andere Weise verdienen. Wenn es für ihn kein Problem ist, als ungelernte Kraft wo zu putzen oder beim Supermarkt um die Ecke die Regale einzuräumen oder Waren über die Scanner-Kasse zu ziehen, ist das auch ok. Aber sobald er etwas anspruchsvolleres machen will geht es nicht ohne Allgemeinbildung, deutsch, Mathe und Fremdsprachen. Nicht unbedingt alles auf höchstem Niveau, aber zumindest gute Grundkenntnisse, auf denen man aufbauen kann. Mit einem IQ von 130+ kann man diese Grundkenntnisse ziemlich sicher auch noch dann nachholen, wenn man sie benötigt. Aber was ist mit einem IQ von 100 oder 80?

Und wer wäre am schlimmsten von dieser Situation betroffen? Kinder aus sozial benachteiligten Familien, Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund, Kinder mit körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen - also genau jene, die es auch im etablierten System (welches ich absolut nicht vorbeahltlos gut finde!) schon schwer haben. Und während diese - zumindest in Wien - im etablierten System Sozialleistungen wie Deutschunterricht, kostenlose Nachhilfe und Hilfe durch psycvholsoziale Dienste bekommen, würden sie ganz durch den Rost fallen, wenn man sie in der Schule unbehelligt von jeglicher Erwartungshaltung sich selbst überlassen würde.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
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