@alibaba: ich finde das Thema äußerst interessant und finde, es passt hervorragend hierher.
@TE: Ja, ich habe in letzter Zeit auch schon mehrfach drüber nachgedacht, wo ich so stehe.
Als mir meine Tochter auffiel (schon als Baby), begann ich mich mit dem Thema Hochbegabung zu beschäftigen. Irgendwie rückblickend auch komisch, dass ich da bei ihr so relativ schnell drauf gekommen bin. Schließlich war sie ja auch mein erstes Kind und im Babyalter hat man noch nicht sooo viele Vergleiche. Vielleicht hat es ja irgendwas getriggert.
Als ich anfing, Bücher über Hochbegabung zu lesen, habe ich damals als erstes an meinen Bruder gedacht. Er scheint mir so ziemlich typisch für einen Hochbegabten und hat auch im Kindes- und Jugendalter bei Matheolympiaden immer recht gut abgeschnitten, sich Instrumente selbst beigebracht, ungewöhnliche Sprachen gelernt (Esperanto), da auch Bücher übersetzt, hat einige eher ungewöhnliche Interessen etc pp. und er denkt definitiv etwas "anders", als viele andere. Einerseits sehr kompliziert, so dass man ihm schwer folgen kann (auch seinen Humor verstehen viele, auch ich, oft nicht so recht), anderseits durchblickt er komplexe Sachverhalte dermaßen schnell und klar, dass ich schon öfters gestaunt habe. Er konnte mir auch immer schon sehr gut erklären, hat mir mitunter Mathe besser erklärt, als jeder Lehrer. (Er hat Mathe studiert)
Er hatte es wohl als Kind und Jugendlicher auch nicht immer leicht.
Er ist 8 Jahre älter als ich und ich habe davon als Kind natürlich nicht viel mitgekriegt, erst rückblickend erfuhr ich vieles davon.
Ich habe mit ihm mal drüber gesprochen, nachdem ich bei meiner Tochter definitiv bescheid wusste (seit ca. einem Jahr), er misst dem Thema aber keine Bedeutung zu. Er sagt, er würde bestimmt jetzt mit 50 Jahren bei Tests sicher eher schlecht abschneiden und Intelligenz sei eh ein "umstrittenes" Merkmal und er hält nichts von irgendwelchen Kategorisierungen und Werten, die würden doch genau gar nichts aussagen.
Ich selbst teile diese Meinung nicht ganz, denn MIR und meinem Kind hat es jetzt schon viel geholfen, bescheid zu wissen und wir können so einige Probleme jetzt aus anderem Blickwinkel neu betrachten.
Ich selbst habe inzwischen gut 6/7/8 Bücher über Hochbegabung und Hochsensibilität gelesen und lese hier im Forum seit Jahren aktiv mit.
Vor allem wegen meiner 10jährigen Tochter, denn sie hat so einige Probleme mit sich und ihrer Umwelt. (Wie ich inzwischen denke zum Großteil aus ihrer Hochbegabung bzw mangelnder Passung zur Umwelt entstehend)
Ich will sie einfach besser verstehen und suche Ansatzpunkte, um ihr zu helfen. Und ich interessiere mich auch sehr für das Thema. Das ist oft so, dass wenn mich ein Thema "gepackt" hat, ich dann sehr tief eintauche und sehr viel drüber lese und nachdenke.
(Ich habe z.B. auch gut 10 Bücher über Schwangerschaft und frühkindliche Entwicklung sowie Erziehung da.)
Über mich selbst habe ich natürlich auch schon nachgedacht, denke aber immer, dass ich zwar überdurchschnittlich bin, aber vielleicht noch nicht unbedingt hochbegabt.
Mir fiel Lernen immer leicht, Abi hab ich mit den Leistungskursen Kunst und Deutsch fast nebenbei gemacht mit relativ gutem Schnitt. (Aber näher an der 2 als an der 1)
Mathe und Physik fiel mir anders als vielen anderen in der Klasse nicht schwer, hat mich aber nie begeistert.
Sprachen waren nicht so mein Ding - da hätte ich ja was auswendig lernen müssen.
Ich hab eigentlich erst im Studium (Ingenieurstudiengang) mal wirklich was schwierig gefunden. (z.B. Dreistromtechnik im Fach Elektrotechnik)
2 Instrumente habe ich als Kind gelernt, aber mit eher mittelmäßigem Erfolg und wenig Freude.
Malen konnte ich früh und gut, ziemlich sportlich war ich auch.
Also im Grunde konnte ich als Kind fast alles ziemlich gut, hatte aber keine herausragende Begabung.
Ich war recht selbstbewusst, Klassensprecher, einmal sogar Schulsprecher und war wohl recht beliebt. Aber auch irgendwie "eigen".
Ich hab mich als Jugendliche durchaus ab und an "anders" gefühlt, hatte bis Mitte 20 keinen Freund und wollte sehr lange auch gar keinen bzw konnte mir das einfach nicht vorstellen, sich so auf einen anderen Menschen einzulassen.
Und ich hab glaub ich unglaublich viel nachgedacht über vieles.
Auf der anderen Seite war ich aber auch unglaublich "ignorant", ich hab von so vielem um mich herum überhaupt gar nichts mitgekriegt. Keine Partys besucht, keine moderne Musik gehört (nur Klassik) und wusste und weiß bis heute oft nichts von dem, was zwischenmenschlich um mich herum so abgeht und habe oft das Gefühl, in einer Blase zu leben.
Wer mit wem wann... das könne mir auf Klassentreffen alle immer so genau erzählen. Ich bin froh, wenn ich überhaupt alle wiederkenne...
Bei Gesprächen unter Kollegen (bin seit 2 Jahren angestellt, vorher war ich selbstständig) kann ich meist nicht viel mitreden. Sind schlicht nicht meine Themen.
Mit anderen "Miteltern" habe ich keine Probleme, komme ihnen aber auch oft nicht wirklich nah.
Da fühle ich mich oft etwas außen vor, was aber auch daran liegen kann, dass ich Alleinerziehend bin und hier oft Paare befreundet sind, dann oftmals zusammen grillen usw.
Dazu muss ich sagen, dass "meine Themen" jetzt nichts hochtrabendes sind, also ich muss (und kann) nicht erschöpfend über Astronomie und neuste Forschungsgebiete reden oder so.
Ich kann und mag dagegen z.B. auch stundenlang über die Kinder reden. Aber ich möchte, wenn, dann immer gleich "tiefgehend" über ein Thema sprechen und für mein Empfinden bleiben die meisten Gespräche viel zu sehr an der Oberfläche. Und dass ich mit meinem Bedürfnis nach Tiefe oft nicht so gut ankomme, weil zu neugierig, zu intim, zu kompliziert und "verschwurbelt", zu widersprüchlich... habe ich früh gemerkt (als Jugendliche), so dass ich inzwischen eher weniger solche Gespräche führe und lieber im Internet diskutiere oder mit mir selbst in Disput gehe.
(Darum schriebe ich auch gern viel über ein Thema. Wie jetzt z.B.)
Und selbst in Foren empfindet man mich oft als kompliziert" und widersprüchlich. Z.B. weil ich zu allem immer ein "aber" finde und nie zu einem "Ergebnis" komme bzw man mir vorwirft, gar keine Lösung zu einem Problem finden zu wollen.
Gerade dieser Tage habe ich Andrea Brackmanns Buch "Jenseits der Norm - Hochbegabt und hoch sensibel" ausgelesen und fast all das, was ich hier jetzt von mir beschrieben habe, beschreibt sie dort auch...
Ich fand das sehr erhellend und allein die Annahme, ich könnte auch hoch begabt oder nahe dran sein und DESWEGEN so "kompliziert" sein, hilft mir schon und versöhnt mich ein bisschen damit.
Einen Test möchte ich aber nicht machen. Es reicht mir zu wissen, dass ich viele Eigenschaften habe, die in die Richtung weisen, und ich habe allein aufgrund meiner Schullaufbahn eigentlich eh nie daran gezweifelt, klug zu sein.
Ich habe auch nicht das Gefühl, ein Potential nicht genutzt zu haben. Ich hatte nie den Drang nach Karriere oder herausragenden Leistungen, ich war auch nie sonderlich fleißig.
Ich wollte vor allem immer eher kreativ sein und mich selbst verwirklichen und das habe ich beruflich und privat eigentlich getan.
Klar denke ich manchmal, dass ich sicher auch eine gute Ärztin hätte werden können, wie einige meiner Verwandten. Eine Zeit lang habe ich auch daran gedacht, auf Lehramt umzusatteln, denn ich kann mich ganz gut in Kinder eindenken glaube ich und Sachen gut erklären.
Aktuell interessieren mich psychologische Themen sehr. Vielleicht hätte ich auch Psychologin werden können.
Aber dann weiß ich auch schnell wieder, dass mir die Verantwortung einer Ärztin zu groß wäre und es mir zu viel meiner Lebenszeit beanspruchen wurde, Ärztin zu sein. Ich brauche viele Freiräume für anderes nebenher.
Beim Lehramt denke ich, dass ich dann vielleicht doch auch zu ungeduldig wäre und es gar nicht täglich aushalten würde, Kinder zu unterrichten.
Aktuell arbeite ich 20 Stunden angestellt als Grafik-Designerin, bearbeite zusätzlich noch einige freie Aufträge, gebe an einem Tag der Woche 3x hintereinander eineinhalbstündige Malkurse für Grundschulkinder (bin da also eine Art Lehrer und es macht mir viel Freude, aber mehr als 1x die Woche möchte ich das tatsächlich nicht machen) und bin familiär als Alleinerziehende ziemlich eingespannt.
Ich habe vor ca. 3-4 Jahren die Geige wieder raus geholt (nach 25 Jahren Pause!), bald darauf begonnen, etwas Ukulele und Flöte zu lernen (leider übe ich zu wenig und komme nur langsam voran, aber mein Ansprüche sind nicht so hoch) , musiziere relativ regelmäßig mit Freunden (Folkmusik) und bin auch wieder zurück zum Esperanto gekommen (das hatte ich als Jugendliche durch meinen Bruder begonnen) und war mit meinen Kindern und meinem Bruder und seiner Familie, die das aktiver betreiben, ab und an mal wieder auf einigen internationalen Treffen in Deutschland.
Ich habe unzählige Ideen und Projekte im Kopf, was ich gern noch machen und lernen möchte, arabisch hatte ich wegen eines Partners mal begonnen, samt Schrift, habe aber inzwischen fast alles wieder vergessen.
Indische Schriftzeichen (Devanagari) konnte ich auch schonmal sehr gut lesen, auch das habe ich mangels Praxis inzwischen wieder vergessen.
Klavier hatte ich als Kind nur 3-4 Jahre lang gelernt und bin dabei nicht sehr weit gekommen. Auch das steht ganz oben auf meiner Wunschliste, was ich gern noch lernen/wieder lernen möchte.
Ich würde derzeit gern ein Esperanto-Rätselbuch für Kinder (im Stile der typischen Vorschulhefte, aber eher fürs Sprache lernen, eingebettet in eine Geschichte) entwickeln, komme aber leider nicht dazu, obwohl ich das schon komplett im Kopf habe und sowas beruflich deutschsprachig schon mehrfach zumindest gestaltet habe.
Das "Babytagebuch", was ich in der ersten Schwangerschaft (also vor ca. 11 Jahren) begonnen habe, umfasst inzwischen weit über 500 Seiten und ich möchte es gern aktuell halten. (Obwohl ich gar nicht weiß, wer das alles jemals lesen will und wird...) Aber Fotoalben gibt es nur 1-2, es gibt da riesige Lücken, die ich eigentlich noch gern füllen würde...
Ich bin jedenfalls definitiv nicht unterfordert, mir fehlt eher die Zeit für all das, was ich gern täte.
Den Anspruch, den ich als Kind und Jugendliche hatte - etwas nur dann zu tun, wenn ich wirklich GUT oder SEHR GUT darin bin, habe ich inzwischen nicht mehr. Aber es stört mich natürlich, wenn ich Sachen nur so halb bzw nicht weitermachen kann, wie bspw Flöte, Ukulele oder die Sprachen. Aber das liegt wirklich vor allem an mangelnder Zeit und da hoffe ich auf später, wenn die Kinder (10 und 5) größer sind. Aktuell beanspruchen sie mich schon sehr.
Was mich aber durchaus auch sehr erfüllt – ich bin sehr gern Mutter und empfinde das auch als eine ziemliche Herausforderung und als Chance, mich weiterzuentwickeln.
Also abschließend gesagt - ein Test würde mir vermutlich nichts neues über mich erzählen und mich auch nicht irgendwie weiterbringen, glaube ich. Ob der Wert bei 120 oder 140 wäre, ist glaube ich FÜR mich bzw mein Leben und mein Selbstbild auch völlig egal. (Dass er unter 120 liegt glaube ich eigentlich nicht.)
Was mir aber durchaus hilft, ist die Literatur über Hochbegabung zu lesen. Weil ich nicht nur meine Tochter, sondern auch mich in einigen Punkten besser verstehen kann (z.B. das komplizierte Denken nicht mehr als "Macke" oder Charakterfehler sehe, sondern eher als Begleitsymptom) bzw aus neuen Blickwinkel betrachten und neu einordnen kann.
Meine "persönliche Problemzone" ist das Thema Partnerschaft. Ich habe nie ganz verstanden, warum ich damit so große Probleme habe. Als Jugendliche konnte ich mir eine Partnerschaft schlicht gar nicht vorstellen und fand körperliche Nähe eher abstoßend und viel zu "animalisch". Das ging so weit, dass ich bis mindestens Anfang 20 fand, sowas wie Sex wäre doch nun wirklich nichts für vernunftbegabte Menschen.
Ich habe dann später auch einfach nie einen Partner gefunden, der gepasst hat und habe auch den Eindruck, für Männer nicht anziehend zu sein. Dabei bin ich mindestens durchschnittlich attraktiv, schlank und sportlich, jung geblieben und glaube nicht, dass ich charakterlich jetzt irgendwie "unverträglich" bin ... Und meine Meinung zum "animalischen" Teil habe ich natürlich längst revidiert.
Meine zwei einzigen Beziehungen waren jeweils Männer aus einem anderen Kulturkreis und somit waren wir allein durch kulturelle Unterschiede nie wirklich ganz auf Augenhöhe unterwegs.
Inzwischen denke ich, dass ich mich für diese Männer entschieden habe, weil sie interessant für mich waren, eine spannende "Herausforderung". Weil ich hungrig auf neue, ungewöhnliche Erfahrungen und Erlebnisse war.
All das haben mir die Beziehungen natürlich gebracht. Aber natürlich am Ende keine Partnerschaft, auf die man ein "konservatives" Leben und eine Familie aufbauen könnte, die ich eben auch immer haben wollte. Darum habe ich mir zumindest den Kinderwunsch dann anderweitig und eher unkonventionell erfüllt.
(Der Vater meiner Kinder ist einer der erwähnten ausländischen Männer und lebt mit seiner eigenen Familie gut 5000 km von uns weg)
Da gucke ich mich schon manchmal etwas traurig um und frage mich, warum ich nicht wie die meisten Freunde, Verwandten und Bekannten in meinem Umfeld ganz normal mit Mann, Kind und Hund im Einfamilienhaus mit Garten lebe. Und ob es nicht schöner wäre, nicht so viel allein entscheiden zu müssen und für alles allein verantwortlich zu sein.
Dann denke ich aber auch wieder, dass ich das an sich oft auch ganz gut finde und es ja gar nicht anders kenne.
(Bei beiden meiner Beziehungen war es auch bloß so, dass ich für alles verantwortlich war und alles managen musste...)
Genau das Problem der Partnerwahl scheint aber bei "klugen Frauen" auch kein seltenes zu sein.
Das tröstet und versöhnt mich ein bisschen, denn in diesem Zusammenhang habe ich schon manchmal Gedanken wie "Was stimmt bloß mit mir nicht? Was mache ich falsch?"
Aber bei diesem Thema würde mir ein IQ Test/Wert jetzt auch nicht konkret weiterhelfen.
Zwei Bücher mag ich dir noch empfehlen, die ich ganz gut und hilfreich fand:
Einmal das schon erwähnte.
Jenseits der Norm - hochbegabt und hoch sensibel
Die seelischen und sozialen Aspekte der Hochbegabung bei Kindern und Erwachsenen
von Andrea Brackmann
und
Die Rätselhaften: Wie Hochbegabte besser mit sich und anderen leben
von Claudia und Andreas Niklas