Momo hat geschrieben:
Ich finde es sehr erschreckend, wie viele Kinder sich in der Schule nicht wohlfühlen, die sich unter- oder überfordert fühlen und vor allem eines nicht entwickeln oder besser gesagt beibehalten: die wirkliche Freude am Lernen.
Warum nehmen wir Eltern dies einfach so hin? Das Kind hat vielleicht 12 oder 13 Jahre (!!!) vor sich in diesem System, es hat ein Recht darauf, sich nicht langweilen zu müssen, sondern ganz im Gegenteil, seine individuellen Talente entwickeln zu dürfen! Und vor allem- mit wirklichem Interesse und in Eigenmotivation zu lernen.
Und es sie gibt sie, die Schulen mit neuen Ansätzen und anderen Wegen, Wissen zu vermitteln. Hier wird z.B. altersübergreifend in kleinen Lerngruppen gearbeitet, jedes Kind kann individuell in seinem Tempo arbeiten, Lehrer stehen dem Kind helfend und beratend zur Seite, gemeinsam werden Lernziele besprochen und begleitet. Es gibt wirkliche Schul- Perlen, man muss sie nur finden

Gebt Euch als Eltern nicht zu schnell zufrieden, ich denke es ist an der Zeit, selbst aktiv zu werden und auch deutliche Zeichen zu setzen, da das derzeitige Schulsystem einfach nicht mehr zeitgemäß ist.
Ich hoffe, Deine Tochter kann sich mit ihrer Situation arrangieren und sie verliert nicht die Motivation!
Hallo Momo,
genauso 'fühle' ich auch, aber ich bin halt durch und durch ein rational denkender, analytischer Realist und lasse mich auf dem Teil des Weg, den ich meine Tochter in ihrem Leben begleiten und zur Seite stehen darf, eben bewußt nicht von meinen Gefühlen leiten, sondern nutze mein fundierten Wissen, das, so weit es nur irgendwie möglich, sich auf valide empirischen Daten aus allem möglichen Fachgebieten stützt, kombiniere dieses mit tausenden Erfahrungsberichten von meist sehr besorgten und verunsicherten Eltern, oder eben solchen, die nach außen das glatte Gegenteil behaupten, jedoch offensichtlich gescheitert sind, schaue mir an was die sogenannten Experten raten und muss feststellen, dass NIEMAND von all denen zuvor genannten auch nur den Hauch einer Ahnung hat, was sie mit ihren Oberflächlichkeiten im besten Fall nicht erreichen, aber im schlechtesten Fall in der Psyche und der Seele der Kinder, für die sie Verantwortung tragen anrichten.
Was wurden uns nicht alles für Horrorszenarien ausgemalt (auch hier), wie schwierig es doch unsere Tochter später haben wird und was uns für Katastrophen erwarten, spätestens wenn sie in die Schule kommt und das wir uns schuldig machen, aber nichts von dem ist eingetreten, sondern hier das was ich erlebe ist ein ausserordentlich selbstbewusstes Mädchen, dass weiß mit ihren Gefühlen umzugehen und das von sich aus gelernt hat los zulassen und nicht mal im Ansatz zu irgendetwas gedrängt, oder gar gezwungen wurde.
Und um zur Schule zurückzukommen, es gibt aus meiner Sicht gute Konzepte, es gibt engagierte und fähige Lehrkräfte, aber die gibt es eben nur in einzelnen Leuchtturm-Projekten, die zudem nur auf Grund hohen persönlichen Einsatzes von Idealisten/innen (oft nur kurzen) Bestand haben, die Realität an den allermeisten der ca. 43.000 deutschen Schulen ist ein völlig andere und da man sich zumindest in Deutschland nur sehr bedingt die Schule aussuchen kann auf die das eigene Kind zu gehen hat, weil es in dem Sprengel wohnt, muss man im Prinzip schon bei der Wahl des Wohnortes beginnen, wenn man seinem Kind nicht die Zukunft versauen will. Ich habe das ja bei uns schon öfter beschrieben, dass wir nur noch in dieser Wohnung wohnen, weil sie dadurch auf eine Grundschule gehen kann in der je Jahrgangsstufe nur 15-16 Schüler pro Klasse sitzen, während das im Mittel an den anderen 27 Grundschulen min. 24 Schüler/innen pro Klasse sind (so die offizielle Statistik), aber eben nicht nur das, sondern auch bei solchen Dingen wie Gymnasialempfehlung gibt es erheblich Unterschiede, denn nur 3km Luftlinie entfernt an einer Grundschule, die in einem sozialen Brennpunkt liegt ist die Quote mit Gymnasialempfehlung bei nur 12% während sie auf der Schule unserer Tochter bei 100% liegt (so die offizielle Statistik) und oben drauf kommt der Fakt, dass sich in der Klasse nur Kinder von Akademikern/innen befinden (ich habe rein aus empirischen Interesse, ob die Theorie stimmt alle Eltern auf Telefonliste gegooglet), die schon auf Grund ihrer genetischen Disposition und den sozialen Umfeldern aus denen sie kommen, sich völlig anderes verhalten und benehmen, als z.B. eine Klasse mit 28 Schüler/innen auf einer Grundschule mit 600 Schülern, die sich zu 50% aus ALG2 Empfängern und zu den anderen 50% aus Migranten zusammensetzt (um mal zu übertreiben, aber nur etwas) und nein, das ist nicht rassistisch, homophob oder narzisstisch, denn ich bin mit 33% in unserer Familie auch in der Minderheit, die beiden anderen haben einen eindeutigen Migrationshintergrund und väterlicherseits bin ich selbst das Kind eines Vertriebenen und habe dieses als Kind der zweiten Generation auch noch deutlich zu spüren bekommen von den Einheimischen.
Also alleine schon dadurch, dass wir dafür gesorgt haben, dass sie auf eine solche Schule gehen kann, haben wir dafür gesorgt, dass sie in einem Umfeld lernen darf, wo die meisten Kinder wie sie eben schon ein bisschen rechnen, lesen und schreiben können und das ihre Mitschüler/innen eben nicht intellektuell 2-3 Standardabweichung von ihr entfernt sind, sondern vielleicht nur eine, oder eben auch auf dem selben Level, was auch erklären würde, dass sie so schnell, unproblematisch und selbstverständlich Anschluss gefunden hat und sich Freundschaften entwickeln. Und so Lernumfeld lässt sich in Deutschland an Regelschulen nicht erzeugen, das ist auf Grund der Bevölkerungsstruktur im Schulsprengel vorhanden, oder eben nicht.
Und zum Thema 'Lernen', unsere Tochter hat bereits die Erfahrung gemacht, dass sie wahrscheinlich auf der Schule nicht viel lernen wird, sie hat von sich aus ihre Karibu-Lernhefte bis zum Ende durchgeschaut und die DVDs auf dem Computer 'durchgespielt' und stellte dann ernüchternd fest, 'Das kann ich ja schon alles!'. Aber das ist halt etwas mit dem sie lernen muss umzugehen und sie muss auch lernen die kleinen Defizite zu beseitigen, die sie noch hat (also z.B. die 1 und die 3 in Spiegelschrift schreiben), denn bei jemandem wie sie, da schauen Lehrer/innen eben genauer hin und auch wenn sie bereits alle Grundrechenarten beherrscht, so macht sie doch den Fehler und schreibt die 1 falsch und das wiegt bei der Beurteilung von Lehrer/innen schwerer, weil damit davon ausgegangen wird, dass dieses Kind die Basics nicht hat und daher noch mehr Einsen schreiben muss und dann geh da mal hin und erkläre den Lehrkräften das Gegenteil.
Wo wir dann beim Thema 'Zeichen setzen' sind, meine Erfahrung ist, dass man besser nicht so schnell aus der Deckung herauskommen und schon gar nicht 'ehrlich' sein sollte, denn niemand von den Eltern ist ehrlich, denn z.B. auf dem zweitem Elternabend wurde gefragt, welches Kind den 'schon etwas lesen, oder rechnen kann' und da hat sich niemand gemeldet, außer natürlich ich Trottel, aber sich dann natürlich herausstellte, dass sich defacto alle Eltern hätten melden müssen, wenn sie ehrlich gewesen wären. Achja und was auffällt ist, das ALLE Eltern bei beiden Elternabenden vollzählig waren, also für jedes Kind war mindestens ein Elternteil anwesend, bei vielen auch beide. Im privatem Umfeld hat meine Frau von den drei befreundeten Grundschullehrerinnen gehört, dass bei denen oft nicht mal die Hälfte der Eltern am Elternabend teilgenommen haben und bei einer waren in ihrer ersten Klasse von den 26 Schülern nur ganze 8 Eltern anwesend.
Und zur Motivation unserer Tochter; auch das ist nicht ganz einfach, denn sie merkt ja deutlich, dass sie in der Schule wahrscheinlich nicht gefordert und auch nicht gefördert wird, sondern sich bestenfalls erhoffen kann, dass sie nicht vor Langeweile stirbt, was sie auch bereits genau so zu meiner Frau gesagt hat: "Mama, ich sterbe da vor Langeweile!"... aber da kann die Schule nichts dafür, die können auf Grund ihrer Ressourcen für so ein Kind eben kein Extraprogramm aufstellen und das wäre auch nicht hilfreich, denn eine elementare Erfahrung die z.B. ich in der Schule gemacht habe, aber damals leider nicht zu nutzen wusste ist, dass es, wenn man sich im öffentlichen Raum bewegt besser ist, sich dessen durchschnittlicher Geschwindigkeit anzupassen, denn in der Regel hilft es null immer weit vorzupreschen und alle hinter sich zu lassen, denn noch schlimmer als Langeweile ist unerträgliches Warten, gepaart mit der Missgunst und dem Hass in den Augen der Ehrgeizigen, die es hassen Zweiter zu sein und dann versuchen mit allen Mitteln, vor allem solchen die mit Ausgrenzung arbeiten, Dich auszuschließen.
Deshalb bremsen wir unsere Tochter nicht aus, sondern wir erklären ihr genau dieses Dinge, so wie ich sie auch artikuliere und wir geben ihr den Raum für eigene Erfahrungen zu machen, damit sie selbst prüfen kann, ob das was wir ihr als Information mitgeben, auch ihrer erlebten Realität entspricht und das tut es und ich habe jetzt schon bestimmt 5-6 mal von ihr gehört, dass sie 'ja so froh ist', dass wir ihr versprochen haben, dass sie zu Hause das machen und lernen darf was sie möchte, dass würde für sie die Zeit in der Schule im Unterricht viel erträglicher machen ('Papa, ich brauche dann nicht so traurig sein!'). Sie hat also verstanden, dass sie sich in der Schule sich nicht selbst stressen braucht, sondern differenziert erleben kann und die guten Seiten des Schullebens, wie z.B. mit Freunden/innen treffen und spielen, sich manchmal ein bisschen Austoben, oder etwas lustiges Basteln, oder Lieder lernen und singen, also alles was nicht langweilig ist, mitnehmen kann und den Rest einfach bewusst dort lässt, zu Hause noch schnell direkt nach dem Mittagessen die letzte Pflicht (also Hausaufgaben) erledigt und den Rest des Tages einfach das machen kann was sie will und davon gibt es mehr als genug, ihr Terminkalender platzt (Reiten, Sport, Judo, Basteln, Skateboard fahren, Inliner fahren, Musikschule etc.pp und immer mit Freunden/innen und z.B. Jazz-Dance hat sie angefangen und fand das ganz toll, musste aber feststellen, dass bei 3 mal Training in der Woche wenig Zeit bleibt für ihre anderen Hobbys und hat das dann traurig gestrichen; und das sind alles ihrer eigenen Termine, da ist nichts dabei, wo wir sie als Eltern hintreiben, das einzige was wir machen, ist ihr die Möglichkeiten zu geben und das einzige was daran negativ ist, das sind die Kosten, als z.B. bei Jazz-Dance müssen wir den angefangenen Kurs natürlich bezahlen auch wenn sie nicht mehr hingeht. Aber da dieses jetzt für uns nicht unermesslich hohe Beträge sind, geben wir ihr die Möglichkeiten, sehen aber auch, dass so etwas für z.B. Leute mit niedrigem Einkommen wahrscheinlich nicht finanzierbar ist und diskutieren auch gerade solche Themen mit unserer Tochter und schauen z.B. immer zusammen die Logo-Nachrichten (die haben wir auch als Serienaufnahme programmiert), oder auch Reportagen, weil dort halt auch gesellschaftskritische Themen angesprochen werden, wie z.B. das oft schwierige Leben der Kinder von ALG2-Empfänger, oder Flüchtlinge die als Kinder ohne Eltern unterwegs sind, oder erkrankte Kinder etc.pp... sie weiß also, dass all das was sie hat und machen kann keine Selbstverständlichkeit ist und behandelt daher z.B. ihr Eigentum und das anderer mit aller Vorsicht und ist oft richtig entsetzt, wie respektlos andere Kinder mit ihren Spielsachen und den Spielsachen anderer umgehen.
Und wie ich jetzt feststelle hat all das was ich schreibe sehr wenig mit der Schule zutun und das denke ich ist genau richtig, denn die Schule ist nur ein Teil des Lebens und für Menschen wie bei vielen von euren Kindern hier und auch meine Tochter wird die Schule nicht der wichtigste Teil sein. Die Schule hat ihre Berechtigung und ist eine unschätzbare zivilisatorische Errungenschaft, aber sie ist eben nicht der Ort an dem hochintellektuell befähigte Menschen Expertise erlangen können, sondern ein Stätte an der für die durchschnittliche Bevölkerung allgemeine Bildungsinhalte vermittelt werden und für Hochbegabte gibt es an solchen allgemein bildenden Schulen vor allem in den ersten beiden Sekundarstufen, eben selten etwas das sie wirklich lernen müssen und da unsere Tochter in der Schule wahrscheinlich nicht lernen wird, wie Lernen funktioniert, werden wir hier zu Hause diesen Part übernehmen und ihr Wege zeigen, wie sie sich selber Lerninhalte erarbeiten kann (was sie aber heute eigentlich schon kann, denn ihre Lexika in Buchform, sowie FragFinn, Google, Wikipedia sind bereits ihre 'Freunde')
Liebe Grüße
Heiner