Hallo,
ein kleiner Zwischenbericht nach dem ersten Monat in der Schule und dann auch noch etwas zum Thema 'Loslassen'.
Schule ist nicht mehr ganz so toll: "Papaaaa, das ist da sooo langweilig, ich muss die ganze Zeit nur eine 1, oder 2 schreiben, hundert mal, oder ein A mindestens tausend mal, das kann ich doch alles schon!" ...Willkommen in der Realität!
Es ist aber nicht so schlimm wie es sich anhört, denn wir haben zum Glück genau dafür eine gemeinsam Strategie entwickelt, welche wir derzeit auch konsequent umsetzen und die bisher gut zu funktionieren scheint.
Wir haben uns im Vorfeld, so seit 1,5 Jahren vor der Einschulung, immer öfter über die Schule unterhalten, wobei ich meine Erfahrungen aus meiner Schulzeit berichtet habe (und wenn ich das so betrachte, hat sich da nichts Wesentliches verändert) und meine Frau ihre Erfahrungen. Was uns als Eltern sehr wichtig war, wir haben in häufigen gemeinsamen Gesprächen mit unserer Tochter auch immer ein Fazit aus der Retrospektive gezogen, nach dem Motto, wie würde ich mich als Schüler/in verhalten, mich positionieren und innerlich einstellen für die Schule, wenn ich das Wissen von heute hätte, in Bezug auf Anforderungen auf der einen, und Erwartungen der Lehrkräfte auf der anderen Seite?
Meine Frau und ich haben in der Schule völlig andere Erfahrungen gemacht.
Meine eigenen Erfahrungen hatte ich hier im Forum ja bereits 2010 einmal kurz beschrieben:
http://forum.klugekinder.at/viewtopic.p ... cht#p11370 ...das kommt mir irgendwie bekannt vor

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Meine Frau dagegen durchlief ihre Schulzeit völlig problemlos, immer mit besten Noten und hatte auch nie Probleme mit Lehrer/innen, sie hat einfach die an sie gestellten Anforderungen erfüllt, nicht mehr und nicht weniger und sie hatte damit vor allem auch emotionell keinerlei Probleme.
In diesem 'Spannungsfeld' bewegten sich dann auch unsere Gespräche in Sachen 'Was passiert in der Schule, was muss ich da machen, wie funktioniert das?'. Meine Frau schilderte meiner Tochter ihre Strategie, die im Prinzip nach dem Muster 'nicht denken, nicht fragen und einfach genau das machen was man dir sagt' ablief, mit dem sie problemlos ein 1er Abitur gemacht hat... und ich berichtete von meinen fast durchweg negativen Erfahrungen, mit ständigem Hinterfragen, über weit mehr Wissen als Lehrer/innen verfügen und diese im Unterricht ständig korrigieren, aber auch extreme Langeweile, Verweigerungshaltung im Unterricht und bei Hausaufgaben etc.pp, also das volle 'Programm' und letztendlich ein riesiger und dabei völlig unnötiger Aufwand und emotionaler Stress,( wobei man aber auch damit Abitur machen und studieren kann

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Da wir im Vorfeld ja keine Erfahrungswerte für unsere Tochter hatten, haben wir also diese beiden Pole ausführlich dargestellt und gemeinsam verschiedene Szenarien durchgespielt und uns am Ende zum Einen auf einen festen organisatorisch Ablauf geeinigt (Also ich bringe sie in die Schule, die Kleidung für den nächsten Tag wird am Abend davor ausgesucht und auch nicht mehr getauscht, es wird nicht getrödelt, sie geht alleine in den Klassenraum und auch wieder heraus, Hausaufgaben werden sofort nach dem Mittagessen gemacht und zwar - mit Stoppuhr vom Handy gemessen - maximal in den geforderten 10min, die maximal auf 20min ausgedehnt werden dürfen, wenn es Spaß macht etc.pp), den wir jetzt tatsächlich genau so seit 4 Wochen konsequent durchziehen und zum Anderen unserer Tochter nahegelegt, sich innerlich am Besten so einzustellen, wie es meine Frau in ihrer Schulzeit gemacht hat (und wie ich es damals sicher auch gemacht hätte, mit dem Wissen von heute), also nicht zu hohe Erwartungen an die Schule, die Lehrer/innen, Mitschüler und vor allem den Lernstoff stellen und auch wenn es tot langweilig ist und sie das schon kann, einfach die Anweisungen der Lehrer/innen befolgen, ohne diese ständig innerlich, oder gar offen zu hinterfragen, oder gar zu diskutieren, sondern sich diese Momente zu merken und für zu Hause aufbewahren, wo wir drei dann ausgiebig, z.B. beim Mittagessen, oder nach den Hausaufgaben, oder wann sie möchte, darüber diskutieren können. Und das macht uns Dreien komischerweise einen heiden Spaß, es sind weniger Eltern-Kind-Gespräche, sondern sie haben eher einen freundschaftlichen Charakter als Erfahrungsaustausch! Für diese Gespräche hat sich derweil das Mittagessen etabliert und wir lachen fast jeden Tag über die Dinge, die ihr in der Schule so passieren und man merkt ihr deutlich an, dass die dort aufgebaute Spannung sich durch dieses lockere Reflektieren (auf)löst.
Jetzt sitzen wir drei also jeden Tag am Mittagstisch und quatschen über die Schule wie die 'alte Hasen' und dabei geht es zum einen um die Personen, aber auch um Inhaltliches und da haben wir vereinbart, dass sie mich, wenn nach den Hausaufgaben ihre Freizeit beginnt und wenn sie es wünscht, jederzeit damit beauftragen darf ihr Aufgaben zu stellen, die sie dann bearbeiten kann, oder das wir uns gemeinsam hinsetzen und z.B. im Internet forschen, oder experimentieren.
Sie kam z.B. diese Woche an und wollte, dass ich ihr Rechenaufgaben stelle, und zwar 'nur bis 10, weiter dürfen wir nicht rechnen, aber Du kannst das ja komplizierter machen'. In der Schule wird derzeit die "liebenden Zahlen" gelernt, also die Lehrerin sagt ein Zahl im Zehnerraum z.B. (9) und die Schüler/innen müssen blitzschnell die liebende Zahl nennen die in der Summe 10 ergibt (also in dem Beipiel hier die 1). Das ist für unsere Tochter keine Herausforderung, also haben wir beide das dann erweitert und mit den vier Grundrechenarten ergänzt ( heinerprahm.lima-city.de/zahlen_1.jpg ). Das hat uns beiden viel Spaß gemacht, auch wenn es dann doch etwas zu einfach war. Oder wir haben als Experiment blaue Kristalle gezüchtet und wir haben uns über das Thema Reiten im Internet informiert (inspiriert durch Bibi und Tina) und so kam es dann, dass meine Tochter und mein Frau einen Pferdehof besucht haben, dort eine Probereitstunde absolviert haben und wir jetzt eine kleine Reiterin im Haus haben, mit stolzer Vollausstattung, die auf 'ihrem' Leon reitet, als ob sie nie etwas anderes gemacht hätte. Also hier zu Hause passiert sehr viel und derzeit reicht es aus, um die wenigen langweiligen Momente aus ihrem Schulalltag zu kompensieren und sie geht letztlich weiterhin sehr gerne zur Schule, auch weil Sie dort schnell neue Freunde/innen gefunden und sich sogar schon eine kleine Clique gebildet hat, die auch bereits auf gegenseitigen Besuchen zu Hause waren.
Bisher geht also unsere gemeinsame Strategie auf und wir sind alle gespannt auf die nächsten Wochen und Monate.
Ach ja und zum Thema loslassen. Ich persönlich habe ohnehin keinerlei Problem mit dem 'Loslassen', da ich schon seit ich denken kann als Kind, auf intellektueller Ebene alle Menschen als eigenständige Individuen betrachte, die jeweils im Rahmen ihrer Fähigkeiten (Alter,körperliche und geistige Zustand, Motivation etc.) völlig frei über sich selbst bestimmen können und ich bei einem Kind nur dann Hilfestellung gebe, wenn diese logischerweise, oder sichtbar erforderlich ist, oder das Kind diese berechtigter Weise selbst einfordert, ansonsten ist auch meine Tochter für mich ein völlig eigenständiger Mensch, bei dem ich mich sehr freue, wenn sie bei mir sein möchte und mit mir etwas unternehmen möchte; aber z.B. wie 'Klammern' ist (und war mein ganzes Leben) mir dabei vom Gefühl her völlig fremd.
Etwas anders sieht das bei meiner Frau aus, sie hat solche Tendenzen und damit verbundene Gefühle, die sie aber intellektuell gut bewältigen kann und da wir alle gemeinsam die Regelung getroffen haben, dass ich für den Schultransport zuständig bin, hat sich das mit dem Trennungsschmerz auch schnell erledigt, wobei jedoch das Wiedersehen am Mittag immer ein kleines Freundenfest für die Beiden ist, das sich schön anhört (ich kann das immer nur hören, weil ich nicht so schnell die Treppen hochrenne wie Miss Lightning

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Soweit erstmal...
Liebe Grüße
Heiner