von petravera » Fr 10. Aug 2012, 14:05
Hallo!
Das trifft sich gut - manchmal kann man doch tief durchatmen, wenn man so einige Fragen schon geklärt hat...Hoffe, Dir nun mit unserer Geschichte weiterhelfen zu können.
Mein Sohn ist mit 5 Jahren und 5 Monaten (Diagnose 130+) zwischendrin im laufenden Schuljahr eingeschult worden, nachdem er in der Kita Probleme mit den anderen Kindern bekam: Er half den Schwachen bei Konflikten mit den Großen (und galt als Aggressor), wollte anderen vorlesen (und wurde beschimpft, weil das Schulthema sei) und er redete über StarWars während andere noch keine Idee vom Weltraum hatten.
Es ist alles gut! Er blühte auf, blühte in der gewählten Schule (der Dorfrektor weigerte sich, einen Gast mal für eine Woche aufzunehmen!) auf. Klar, es gab Konflikte, vor allem mit patriarchal erzogenen Mädels (i.d. Klasse waren's 13 gegen 5 Jungs), aber insgesamt lebte er sich schnell ein.
Feinmorisch war er eine Katastrophe. Nach 4 Jahren Krippe und Kita hat sich dann rausgestellt, dass er sich deshalb so elegant vor dem Basteln drückte, weil er es nicht konnte... DAS wäre also in einem Jahr auch noch so gewesen. In den letzten Monaten habe ich gehofft, ihm durch Ergo (es fehlt die Körperspannung, daher auch die Feinmotorik) helfen zu können - er will Fußballer werden und ist trotz "Labbrigkeit" eher ein aktives Kerlchen.
Gut, nach nunmehr 6 Monaten Ergo hat sich einiges getan, ich bin aber vor 20 Minuten zu dem Ergebnis gereift: Man muss nicht alles erreichen. Wenn die Feinmotorik eben hinterher hinkt, muss man eben Alternativen suchen. Vielleicht bekommt er mal einen Laptop für die Schule (Diktate) oder vielleicht wird er träge... Wichtig ist mir seit heute einfach, dass er seine Stärken kennen lernt und seinen Weg zu gehen lernt. Er selbst kam nach 4 Wochen Schule auf die Idee, dass es in einer Klasse immer einen gebe, der kleiner/jünger sei - und er sei das halt. Und dass er beim Sportunterricht als Fünfjähriger nicht mit Sieben- oder Achtjährigen mithalten muss, versteht sich schon von selbst (kognitiv weiß er's, emotional ist das Drama aber auch eher gering - und kein Vergleich zu den Verletzungen in der Kita - und Noten, liebe Rosi, gibt's in den ersten Jahren ohnehin nicht, von daher gibt's nur Erfolg oder Mißerfolg beim Sport"spiel").
Wenn eine Lehrerin /Erzieherin schon auf die Idee kommt, dass das Kind pfiffig ist und qua Einschulung gefördert werden soll: Weiter so, das Umfeld Eurer Familie stimmt! Zu Deinen Plänen, den Kurzen tageweise hospitieren zu lassen, hätte ich deutliche Bedenken: a) Durch die Gastfunktion hat er selbst keine Veranlassung, sich voll auf die Gemeinschaft einzulassen. Eher würde es seine Disposition zum Heraushalten aus Beziehungen verstärken b) Er wird von den anderen als Besonderheit aufgefasst, weil er Unterricht verpassen darf c) Das Schüler-Werden ist ein Prozess, ein "ich bin älter" und "ich bin verantwortlich für mich, meine Hausaufgaben, meine Familienaufgaben ..." wird hier gar nicht in Gang gesetzt, weil er dann die Doppelrolle des Schülers und Kitakindes innehaben wird - und das Behütetwerden vermischt sich dann mit einer Verantwortung als Schüler, die meiner Meinung nach nicht passt.... Na, ich bin doch sicher, dass bis 5,5 noch einiges passieren wird, dass Du noch umdenken wirst. Binnen einer Woche nach seiner Einschulung war meiner so weit, dass er die Babyklamotten nicht mehr haben wollte, nicht mehr an der Hand gehen wollte und mir einfach erklärte "Mama, Du hast ja KEINE Ahnung".
Meine Ahnung: Diagnosen zu körperlichen Einschränkungen sind leichter zu ertragen (weil wir als Mütter da was tun können) als die Tatsache, dass die sozialen Beziehungen unserer Kinder und ihre kognitive Entwicklung abweicht. Hier sind wir nicht zuständig, weil Lernen (und damit der Spaß unserer Kids) immer ein sozialer Prozess in der Gruppe ist. Es ist Aufgabe der Lehrer, die Gruppenarbeit so zu machen, dass Stärken gefördert werden (z.B. Faktenwissen) und unsere Kinder als Experten in der Gruppe anerkannt werden...
(P.S. Der zweite Satz im Zeugnis der 1. Klasse - nach 5 Monaten Schule - beschreibt, dass mein Sohn sogar schon Unterrichtsinhalte infrage stellt ... Ein Trost, wenn man bedenkt, dass er a) neu in die bestehende Klasse kam b) 2 Jahre jünger c) körperlich eingeschränkt (Grob- u. Feinmotorik und 1 Kopf kleiner) war.