Was ist Intelligenz?

ganz allgemein zu Kleinkindern, ob nun aufgeweckt, klug oder hochbegabt
Momo
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Was ist Intelligenz?

Beitrag von Momo »

Als Mama eines pfiffigen Mädels springt mich tagtäglich ihr Entwicklungsvorsprung an :D
Dies bringt mich dazu, mich mit dem Thema "Intelligenz" zu beschäftigen, ein Thema, welches mir mehr Fragen als Antworten bringt.

Was genau ist Intelligenz eigentlich?
Es wird bei Begabungen ja zwischen unterschiedlichen Bereichen unterschieden: Der soziale Bereich, der sportliche Bereich, der sprachliche oder musikalische Bereich oder der logisch-mathematische Bereich.
Wie können soziale oder sprachliche Begabungen gemessen werden?
Ist Intelligenz folglich wirklich messbar?
Hängt der Messwert nicht auch ganz stark von der Tagesform und diversen anderen Umständen ab?
Was bringt einem ein Messwert?

Ist Intelligenz angeboren?
Kann Intelligenz durch Nichtförderung verschwinden?
Ist nicht jeder Mensch in bestimmten Bereichen begabt?

Viele Fragen… ich freue mich über Eure Gedanken, Ideen und Antworten :)

LG Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
alibaba

Re: Was ist Intelligenz?

Beitrag von alibaba »

Momo hat geschrieben: Was genau ist Intelligenz eigentlich?
Es wird bei Begabungen ja zwischen unterschiedlichen Bereichen unterschieden: Der soziale Bereich, der sportliche Bereich, der sprachliche oder musikalische Bereich oder der logisch-mathematische Bereich.
Die neueste Defintion kann man im Internet nachlesen. Neben der kognitiven Intelligenz steht daneben noch andere, die jedoch nicht in das Kognitive hineinzählen. Wenn man sich hier schreibt, geht es immer und nur um die kognitive Intelligenz.
Momo hat geschrieben:Wie können soziale oder sprachliche Begabungen gemessen werden?
Nein, nicht wirklich, zumindest nicht die soziale.
Momo hat geschrieben:Ist Intelligenz folglich wirklich messbar?
Auch da teilen sich die Meinungen. Es gibt jedoch IQ-Tests die von vielen anerkannt werden.
Momo hat geschrieben:Hängt der Messwert nicht auch ganz stark von der Tagesform und diversen anderen Umständen ab?
Eine Psychologin hat mal zu mir gesagt, das es sich um Tageswerte handelt. Im Übrigen gilt, je jünger umso ungenauer.
Momo hat geschrieben:Was bringt einem ein Messwert?
Nichts, ausser der Gewissheit so als Mama, das man vielleicht doch Recht haben könnte. :mrgreen: Ansonsten haben uns Werte noch nie wirklich etwas genützt.
Momo hat geschrieben:Ist Intelligenz angeboren?
Ja, zum Teil angeboren, zum Teil durch Umweltwissen angeeignet. Also wie fördernd ist die Umgebung.
Momo hat geschrieben:Kann Intelligenz durch Nichtförderung verschwinden? Ist nicht jeder Mensch in bestimmten Bereichen begabt?
Da hilft ein Buch weiter: Kleine Kinder, große Talente von Nitzsch

Eine Begabung nicht unterstützt kann keine werden, also sich nicht entfalten.
Es gibt Savants da können Begabungen in der Tat verschwinden. Es gibt Talente, da können Begabungen stehen bleiben. Also ab einem gewissen Alter entwicklen sich die Kinder nicht weiter und passen sich dann dem Rest wieder an, obwohl sie mal flott vorgelegt haben.
In der Regel hat jeder Mensch einen Teilbereich wo er eine besondere Begabung hat. Jedoch ist diese kein gesellschaftliches Thema, nur das kognitive, sportliche und musische wird meistens unterstützt.

VG
Momo
Dauergast
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Re: Was ist Intelligenz?

Beitrag von Momo »

Hallo Alibaba,
vielen Dank für Deine Antworten, Denkanstöße und Deine Buchempfehlung!

LG Momo
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Rabaukenmama
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Re: Was ist Intelligenz?

Beitrag von Rabaukenmama »

Zur Vererbung der IQ: Rein statistisch gesehen sind Kinder hochbegabter Eltern zwar ebenfalls klug, der Wert geht aber in Richtung Durchschnitt.

z.B. Vater IQ 130 und Mutter IQ150 ergibt bei den Kindern - rein statistisch gesehen - nicht 140 sondern 120 (Durchschnittswert der Eltern plus Mittelwert der Bevölkerung durch 2). Bei minder begabten Menschen ist es genauso: Vater und Mutter IQ 80 ergibt rein rechnerisch einen IQ von 90 bei den Kindern.

Das ist natürlich stark vereinfacht und es gibt immer wieder Ausnahmen in alle Richtungen. Ich bin selbst getestete Hochbegabte und der IQ meiner beiden Eltern liegt zwar etwas über dem Durchschnitt aber deutlich unter meinem.

Intelligenz kann durch Nicht-Förderung zwar nicht komplett "verschwinden" aber die äusseren Faktoren spielen trotzdem eine Rolle. Eineige Zwillinge, die im Babyalter getrennt und in sozial unterschiedlich gestellten Familien untergebracht wurden hatten im Erwachsenenalter durchaus ein paar Punkte Unterschied beim IQ (obwohl rein genetisch gleiche Voraussetzungen) - diejenigen, deren Pflegeeltern selbst intelligenter waren, hatten dabei den höheren IQ. Mir sind aber keine Fälle bekannt wo der Unterschied sehr krass war, z.B. ein Zwilling einen IQ von 150 hatte und der andere 100.

Generell finde ich, dass der IQ total überbewertet wird. Er sagt nämlich nur über die grundsätzlichen geistigen Voraussetzungen und Fähigkeiten aus, aber nichts über die praktische Umsetzung. Dazu sind ganz andere Dinge wichtig, die unabhängig vom IQ auftreten: Motivation, Durchhaltevermögen, Resilienz, Hartnäckigkeit, soziale Kompetenzen, usw. Eine tolle Berufslaufbahn kann auch an wichtigen "Kleinigkeiten" scheitern wie z.B. sozialer Angepasstheit oder Pünktlichkeit.

Anders formuliert: ein hoher IQ ist für MANCHE Bildungswege EINE von vielen Voraussetzungen. In den meisten Fällen ist es aber eine blosse Zahl, die über die tatsächlichen Fähigkeiten eines Menschen kaum Aussagekraft hat.

Der Umgang mit der eigenen Hochbegabung muss auch erst mal erlernt werden. Ich selbst erwähne meinen IQ (als Zahl) nirgends, weil sonst leicht der Eindruck entstehen könnte, ich wolle mich damit wichtig machen. Auch die Tatsache, dass ich HB bin, wissen nur sehr wenige Leute in meinem Umfeld. Einerseits gibt es einige Neider ("Na, so klug wie DIE bin ich aber schon lange") und andererseits bin ich als HB natürlich auch nicht vor Fehlern oder falschen Einschätzungen gefeit. Da möchte ich mir dann nicht noch anhören "Na, bei dem IQ hätte sie das aber schon anders hinkriegen können...". Bei der Millionenshow war mal ein bekennender Hochbegabter dabei. Die Fragen sind ihm nicht so gelegen und er ist relativ früh ausgeschieden. Hätte er seine Hochbegabung NICHT erwähnt dann wäre er einer unter vielen gewesen die´s nicht weiter geschafft haben, aber so war ihm ein hämisches "Na, so klug ist der aber auch wieder nicht..." sicher.

Dann wiederum gibt´s Menschen für die ist Hochbagbung etwas ganz tolles, bewundernswertes und die betrachten jemanden mit einem hohen IQ als eine Art Halbgott. Auch diese Sichtweise ist für die meisten HBs nicht angenehm. Schliesslich hat man selbst ja nur sehr geringen Einfluss auf den eigenen IQ, es ist also keine Bewunderung für einen bestimmten, erarbeiteten Verdienst (die man vielleicht leichter annehmen könnte).

Was man vor allem nicht vergessen sollte: 2% der Bevölkerung sind hochbegabt. Unter 10.000 Menschen sind immerhin 200 HBs und diese gehören unterschiedlichen Berufsgruppen und sozialen Schichten an. Wahrscheinlich sind auch ein paar "Underarchiever" dabei, die zwar einen hohen IQ haben, ihn aber (z.B. beruflich) nicht nutzen können. Umgekehrt gibt´s z.B. etliche Akademiker mit durchschnittlichem IQ, die eben ausreichend Ehrgeiz hatte, diesen Weg trotzdem erfolgreich zu gehen.

Was der IQ-Test misst ist übrigens tatsächlich ziemlich abhängig von der Tagesverfassung. Mein bestes und mein schlechtestes Ergebnis (innerhalb von 25 Jahren, wo ich 3x getestet wurde bzw. habe) liegen immerhin ganze 18 Punkte auseinander, wobei das schlechteste Ergebnis das älteste ist, ich aber nicht glaube, dass ich seither tatsächlich deutlich klüger geworden bin. Wenn man häufig IQ-Tests macht (z.B. im Internet ja leicht möglich) gewöhnt man sich übrigens an die Fragestellungen und das Ergebnis wird durch die Gewohnheit besser, natürlich ohne den "echten" IQ zu verändern.

Der im Eingangsbeitrag angesprochene "sportliche Bereich" hat übrigens meines Wissens nach nichts mit dem IQ zu tun. Ob es Tests gibt, die den musikalischen Bereich berücksichtigen, weiss ich gar nicht. Bei den Tests, die ich gemacht habe, gab´s jedenfalls keine Fragen in diese Richtung. Aber da weiss alibaba mehr, ich kann gar nicht mit Sicherheit sagen was zum "kognitiven Bereich" zählt und was nicht.

Als "hochbegabt" gilt man übrigens wenn der IQ zwischen 130 und 145 liegt, zwischen 115 und 130 ist man "begabt". Liegt nur ein Teilwert (z.B. im sprachlichen Bereich) jenseits der 130 (und der aus allen Bereichen zusammengesetzte IQ liegt unter 130) so ist die Person nicht allgemein "hochbegabt" sondern eben nur in diesem Bereich.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Momo
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Re: Was ist Intelligenz?

Beitrag von Momo »

Hallo Rabaukenmama, spannend, was Du aus Deiner Perspektive zu berichten hast!
In einem anderen Thread ging es gerade um das Thema soziale und emotionale Reife, dazu hattest Du folgendes geschrieben:
Und da ist bei hochbegabten Kindern oft noch die Kluft zwischen intellektuellen Fähigkeiten und emotionaler und sozialer Reife, die ihnen (und oft auch ihrer Umgebung) zu schaffen machen kann.
Wie erklärst Du Dir als selbst Betroffene dieses Phänomen? Was genau ist damit gemeint? Meine Tochter ist z.B. teilweise noch recht anhänglich und vor allem auf mich als Mama fixiert (das war von Anfang an sehr extrem, seit dem 3. Geburtstag verhält sie sich nun endlich immer selbstsicherer in fremder Umgebung). Kann ich dieses Verhalten auch darunter verstehen, oder ist mit emotionaler und sozialer Reife Deiner Meinung nach etwas ganz anderes gemeint?

LG Momo
Zuletzt geändert von Momo am Do 20. Mär 2014, 13:39, insgesamt 1-mal geändert.
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alibaba

Re: Was ist Intelligenz?

Beitrag von alibaba »

Um das klar zu stellen, es gibt nur kognitive Tests, die nur für den IQ gedacht sind. Nur hier gibt es Werte, nämlich den IQ. :mrgreen:

Daneben gibt es natürlich diverse Tests wo man kreative, musische und sportliche Talente "entdecken" kann. Die haben aber rein gar nichts mit einem IQ-Test gemein.

Warum klugen Kindern gerne eine soziale Unreife attestiert wird, beschreibt meine oben zitierte Buchautorin ganz nett. Sie sagt, die hohe soziale Kompetenz wird von den Lehrern und Betreuern nicht wirklich erkannt und Verweigerungen, eben diese doofe Spiel mit xy zu spielen, werden als Unreife sich zu assimilieren, dargestellt. Dabei weiß aber das betroffene Kind sehr gut warum es das nicht will. Dumm ist nur, man findet selten Einen der das versteht und nicht falsch interpretiert oder das dann trotzdem verlangt.

So kann mein Sohn nicht in Gruppen arbeiten, zummindest nicht an der Grundschule. Warum nicht? Im Gespräch zur weiterführenden Schule gab mir DAS die Lehrerin als Problem an, das sei eins. :mrgreen: Gott sei Dank fragte sie mal meinen Sohn, den ich mitgenommen hatte. Er erklärte sich und, für mich sehr überraschend, verstand das die Lehrerin und akzeptierte seine Argumentation auch. Mein Sohn ist definitiv nicht unreif für eine Gruppe, nur diese Gruppe an der GS passt halt einfach nicht zu ihm. Durch seine hohe soziale Kompentenz erkennt er das auch und verweigert gleich die Arbeit in der Gruppe. NUR die Lehrer erkennen das nicht und bescheinigen dann eben die soziale Unreife. ICH habe sehr lange gebraucht um genau DAS zu erkennen. Interessantes Thema, was mich Jahre kostete. Heute gehe ich das ganz konfrontativ an.

Früher habe ich mich immer gefragt, warum er bei einem so hohen sozialen IQ (ja auch ein Teril misst ein IQ-Test) solche Probleme mit seiner Peergroup hat. :schwitz:

Anhänglichkeit und Mamafixierung konnte ich dagegen noch nie bei meinen Zweien beobachten.

VG
heinerprahm
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Re: Was ist Intelligenz?

Beitrag von heinerprahm »

(Teil 1, Beitrag geteilt weil mehr als 5 Links im Beitrag dazu führen, das dieser nicht veröffentlicht wird)

Ich poste mal einen Link zu einem früheren Artikel, denn es gibt auch andere klinische Verfahren, um verlässlich eine Aussage in Sachen IQ machen zu können, z.B. den Kurztest für allgemeine Basisgrößen der Informationsverarbeitung KAI, das ist ein psychometrischer Leistungstest zur Erfassung der Kurzspeicherkapazität, dauert ca. 10 min und korreliert sehr hoch mit dem IQ. http://forum.klugekinder.at/viewtopic.p ... est#p15231, da steht auch noch etwas zum Thema Vererbung und zu dem von Rabaukenmama angesprochenen Thema Francis Galtons Regression zur Mitte.

... und Intelligenz und Hochbegabung, wenn man sehr intelligent ist, dann kann es auch zu Problemen mit der Passung kommen:

http://www.ardmediathek.de/swr-fernsehe ... d=17139266

... da hilft dann ein hoher IQ nur bedingt weiter, hilfreich ist es dann, wenn man über ein hohes Verständnis der Erlebnis-, Gefühls- und Moralvorstellungswelt der normbegabten Bevölkerung verfügt:

http://forum.klugekinder.at/viewtopic.p ... erg#p17201
heinerprahm
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Re: Was ist Intelligenz?

Beitrag von heinerprahm »

(Teil 2, Beitrag geteilt weil mehr als 5 Links im Beitrag dazu führen, das dieser nicht veröffentlicht wird)

... solche Bereiche kann man auch testen und auch diese gehören neben den kognitiven und biometrischen Messverfahren meiner Meinung nach ebenfalls zwingend zur menschlichen Intelligenz, auch wenn die klassischen Testverfahren davon nicht viel wissen wollen und man da eher im theoretischen Bereich von Howard Gardner bewegt.

http://www.bbc.co.uk/science/humanbody/ ... ys/morals/
http://heinerprahm.he.funpic.de/BBC_Kohlberg_Test.jpg

http://forum.klugekinder.at/viewtopic.p ... 54&p=13151
http://www.psychomeda.de/online-tests/eq-test.html
http://heinerprahm.he.funpic.de/EQ_1.jpg

Liebe Grüße
Heiner
alibaba

Re: Was ist Intelligenz?

Beitrag von alibaba »

heinerprahm hat geschrieben: ... solche Bereiche kann man auch testen und auch diese gehören neben den kognitiven und biometrischen Messverfahren meiner Meinung nach ebenfalls zwingend zur menschlichen Intelligenz, auch wenn die klassischen Testverfahren davon nicht viel wissen wollen und man da eher im theoretischen Bereich von Howard Gardner bewegt.
Der reine IQ-Test lässt in der Tat nicht viel mehr zu als das kognitive Potential zu messen. ;) Jedoch muss ich hier zu den vielen Links mal anmerken, das diese Techniken sehr umstritten sind. Hier sagt A etwas anders als B und C wiederrum etwas anderes. Geeinigt hat sich sich wohl auf klassische IQ-Verfahren. :mrgreen:

ich möchte auch betonen das eine theoretische Messung nie den Praxisumgang ersetzen oder vorhersagen kann. Ich kann vielleicht wunderbar den Gesichtausdruck des Menschen in diesem Test erkennen und zuornden, ihn aber im praxisorientierten Umgang sehr wohl verfehlen, weil cih da nämlich Hintergrundgeräusche habe, Kinder die stören, nicht nur einen Ausdruck deuten muss, sondern viele Interaktionen gleichzeitig einschätzen muss und mir so meine Theorie nur bedingt weiter hilft.

Das ist wie mit dem gemessenen IQ. Ich kann sehr wohl sehr intelligent und trotzdem der Trottel vom Dienst sein. 8-)

VG
Momo
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Re: Was ist Intelligenz?

Beitrag von Momo »

Da haben wir ja wieder Futter zum Studieren! Danke Heiner!
LG Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
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