Einschulung als sanfter Loslösungsprozeß

ganz allgemein zu Kleinkindern, ob nun aufgeweckt, klug oder hochbegabt
heinerprahm
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Einschulung als sanfter Loslösungsprozeß

Beitrag von heinerprahm »

Hallo ihr Lieben,

ich wollte mich auch mal wieder melden und etwas zum Thema Einschulung schreiben.

Unseren Tochter wurde ja als eines der wenigen Kinder hier in der Umgebung als Kleinkind und Vorschulkind nicht in Fremdbetreuung gegeben und komplett von uns beiden Eltern bis heute betreut; um das zu präzisieren sie war bisher nicht eine Minute ohne unsere Aufsicht.

Jetzt ist sie am Samstag mit dem üblichen Schulfest regulär eingeschult worden und hatte soeben den Beginn ihres ersten Schultags. Ich habe sie (wie von der Schulleitung gewünscht) draußen vor der Schule mit einer Umarmung und einem Kuss verabschiedet und sie ist freudig hüpfend die Treppen hoch in ihren Klassenraum, wo ich dann von Außen noch sehen konnte, dass sie mit ihrer Klassenlehrerin sprach und diese gemeinsam ihre mitgebrachten Sachen verstauten. Sie ist also sozusagen gut angekommen.

In ihrer Klasse und der Parallelklasse sind, sie eingerechnet, 15 Schüler/innen, was im Vergleich zu allen anderen Schulen der Stadt 8-10 Schüler/innen weniger pro Klasse sind, also auch der Verzicht auf einen Umzug aus Platzgründen war eine gute Entscheidung, denn eine Betreuung ist in solche einer überschaubaren Gruppe doch besser möglich als mit weit über 20 Kindern.

Bei den beiden bisherigen Elternabenden haben meine Frau und ich auch die Klassenlehrerin kennengelernt, eine engagierte Frau, die Mathematik, Sachunterricht, Sport und Musik unterrichtet und uns aufklärte, dass und wie sie die Inhalte der unterschiedlichen Fachbereiche spielerisch miteinander verbindet, also z.B. Mathematik im Sport und in der Musik einbringt, aber auch Sport und Geschicklichkeitstraining in den Mathematik Unterricht, was unsere Tochter sofort begeistert aufgenommen hat, da sie das zu Hause ja ohnehin macht.

Wir hatten vor den Sommerferien einen Schnuppertag an dieser Schule, der leider nicht so locker verlief, es gab zwar keine Tränen, aber die Begeisterung hielt sich in Grenzen, als eines von zwei Kindern wurde damals die Frage der Rektorin, wer sich denn alles auf die Einschulung freut, nicht mit einem erhobenen Arm bekundet. Wir haben daraufhin zu Hause lange mit unserer Tochter gesprochen und uns ihre Sicht der DInge angehört, intensiv über ihre Befürchtungen und Ängste gesprochen und gemeinsam einen Plan geschmiedet.

Das von ihr damals geäußerte Problem hatte weniger etwas mit den Menschen zutun, sondern mit der Örtlichkeit und den Gepflogenheiten, also dem 'Was mache ich, wenn ich mich nicht zu Recht finde'. Das Problem haben wir aufgenommen und ich bin dann mit meiner Tochter die 6 Wochen vor den Sommerferien, in Absprache mit der Schule, täglich mit ihr zur großen Pause gefahren und sie hat dann mit den anderen Kindern auf dem Spielplatz der Schule gespielt und dabei auch gleich Freundinnen gefunden (leider alle aus den 4.Klassen, die jetzt auf weiterführenden Schulen sind), aber diese Zeit und diese Begegnungen haben ihr vollständig die Ängste genommen und zwar soweit, dass es am Ende der Sommerferien hieß, 'Papa, wann geht es endlich los?' und die Frage der Rektorin bei der Einschulungsfeier, 'wer sich denn alles freut' mit einem begeisterten ja und Hand hoch beantwortet wurde. Der Tag der Einschulung war ein sehr schöner Tag.

Als Anmerkung noch, wir haben uns alle drei zusammen auch bewusst dazu entschlossen, das ich diesen Prozess vollständig mit meiner Tochter mache und nicht meine Frau, dadurch hatten wir sanft praktisch auch gleich zwei Loslösungsprozesse in einem Rutsch.

Auf jeden Fall bin ich froh, dass alles so prima geklappt hat und ich gerade eben ein glückliches und vor Eigenmotivation platzendes Kind an ihre Schule gebracht habe und ich hoffe sie wird dort vier(?) oder zumindest ein paar schöne Jahre verbringen.

Liebe Grüße
Heiner
Momo
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Re: Einschulung als sanfter Loslösungsprozeß

Beitrag von Momo »

Guten Morgen Heiner!
Es freut mich sehr, wieder von Dir zu hören! Ich kann es sehr gut nachvollziehen, wie Ihr Euch heute fühlen müsst- meine Tochter ist ja auch gerade erst in den Kindergarten (mit knapp 5 Jahren) eingewöhnt und war vorher auch zu 100% mit uns Eltern zusammen. Bei meiner Tochter verlief es erst sehr gut (am ersten Tag hat sie schon viele Freunde gefunden), dann kam nach ein paar Wochen in ein schlimmes Tief, welches wir zum Glück alle meisterten. Nun hat sie sich sehr gut von uns gelöst und ist super selbstständig und sicher.
Ich finde es sehr schön zu lesen, wie Ihr Eure Tochter an die Schule herangeführt habt. Natürlich konnte sie sich nicht vorstellen, was sie wirklich erwartet und durch Eure Zeit in den Pausen dort hatte sie die Möglichkeit, die Situation viel besser einschätzen zu können und erste Freundschaften zu knüpfen.
Ich wünsche Euch sehr, dass sie gut in der Schule ankommt und sich dort schließlich geborgen und zu Hause fühlt! Ich bin überzeugt, dass Kinder, die lange bei ihren Eltern bleiben durften, ein hohes Maß an Sicherheit, Vertrauen und sozialer Kompetenz auf den Weg bekommen haben und sich somit auch gut zurecht finden! Jetzt heißt es loslassen und vertrauen, alles Gute!!!

Momo
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heinerprahm
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Re: Einschulung als sanfter Loslösungsprozeß

Beitrag von heinerprahm »

@ Momo

So, die Familie ist wieder vollzählig zu Hause. Begeisterung pur, auf dem nach Nachhauseweg sprudelte es aus ihr nur so heraus: 'Schule ist so toll', 'Alle Lehrerinnen und Schülerinnen und Schüler sind total nett', 'Die Turnhalle ist super', 'der Unterricht macht total Spaß' etc.pp... 'Papa, das Einzige was doof ist, wir haben keine Hausaufgaben bekommen, wozu haben wir denn dann jetzt den großen Schreibtisch für mein Zimmer gekauft?' :lol:

Ich denke zwar nicht das diese Begeisterung die ganze Grundschulzeit anhalten wird, aber der Start war zumindest mal kein Reinfall ;)

Ich freue mich auch sehr für euch, dass es so super im Kindergarten klappt :D und ich denke so ein Tief hat, wenn man es gemeinsam bewältigt, im Grunde mehr Vor- als Nachteile, denn das Leben ist ja nicht immer nur Sonnenseite :?

Liebe Grüße
Heiner
Momo
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Re: Einschulung als sanfter Loslösungsprozeß

Beitrag von Momo »

Hallo Heiner,
das klingt ja wirklich toll und ich hoffe sehr, dass es Deiner Tochter weiterhin so gut gefällt!!

Heiner hat geschrieben:
und ich denke so ein Tief hat, wenn man es gemeinsam bewältigt, im Grunde mehr Vor- als Nachteile, denn das Leben ist ja nicht immer nur Sonnenseite :?
Das sehe ich auch so und in unserem Fall war es scheinbar ein Loslösungsprozess, der einfach sehr emotional war. Vielleicht wäre es ein oder zwei Jahre später bei der Einschulung anders verlaufen, weil meine Tochter schon älter gewesen wäre. Doch in dieser Situation ließ es sich scheinbar nicht vermeiden und hat letztendlich dazu geführt, dass meine Tochter nun viel unabhängiger und selbstständiger ist. Also mit anderen Worten, dieses emotionale Tief gehörte zum Prozess dazu und hat uns alle wieder ein ganzes Stück weitergebracht :)

Alles Gute wünscht Momo
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Linasina
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Re: Einschulung als sanfter Loslösungsprozeß

Beitrag von Linasina »

Hallo Heiner, schön dass deine Tochter so gerne in die Schule geht und Hausaufgaben gerne machen will. Meine Tochter hat den ersten Schultag auch sehr toll gefunden und wollte es ihr ganzes Leben lang machen. Hausaufgaben hat Sie zu Hause nicht gerne gemacht. Sie geht gerne in den Hort und macht dort auch gerne Hausaufgaben. Sie wird immer selbstständiger. Der Start war schwer aber jetzt fühlt Sie sich zunehmend wohler. Motivierend sind wohl auch die immer guten Stempel die Sie bekommt.
Ich halte mich raus und frage Sie nicht viel dann klappt es am besten.
Ich wünsche Euch ein erfolgreiches Schuljahr ohne Ärger und ganz viele gute Stempel.
Lg
heinerprahm
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Re: Einschulung als sanfter Loslösungsprozeß

Beitrag von heinerprahm »

Linasina hat geschrieben: Ich wünsche Euch ein erfolgreiches Schuljahr ohne Ärger und ganz viele gute Stempel.
Lg
Hallo Linasina,

vielen Dank für die Wünsche und euch auch alles Gute für das neue Jahr und schön, das dass mit der Selbstständigkeit bei euch klappt !!!

...aber das Konzept mit den Stempeln ist mir völlig fremd, ich habe jetzt dazu ein wenig gelesen, aber ich glaube das machen die an der Schule meiner Tochter nicht und auch an keiner anderen Schule, zumindest habe ich davon noch nichts gehört und weder von Grundschullehrerinnen (davon haben wir vier an der Zahl im Freundes- bzw. Bekanntenkreis) und auch andere Eltern haben nichts davon berichtet, vielleicht ist das hier unüblich?

Liebe Grüße
Heiner
Linasina
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Re: Einschulung als sanfter Loslösungsprozeß

Beitrag von Linasina »

Das mit den Stempeln ist an der Schule schon immer so. Ich bin selbst auf diese Schule gegangen und habe auch Stempel in der ersten Klasse bekommen. In der 2. Klasse schreibt die Lehrerin dann schon hin was die Leistungen für ein Note entsprechen.
Im Hausaufgabenheft gibt es auch Stempel wie sich das Kind die ganze Woche verhalten hat.
Es ist alles ziemlich klassisch und streng es gibt aber auch Projekt und Gruppenarbeiten.
Lg
elboku
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Re: Einschulung als sanfter Loslösungsprozeß

Beitrag von elboku »

Ich freu mich auch für euch, dass der Loslösungsprozess so gut gestartet ist!

Was mich fast ein wenig geschreckt hat, ist der Satz, dass sie bis jetzt keine Minute ohne eure Aufsicht war. Ich bin ein sehr Freiheiten liebender Mensch, und meine Tochter ist das ebenso, daher kann ich mir das gar nicht vorstellen.
Eure Tochter war bis jetzt wirklich noch nie alleine bei einer Freundin/Freund, noch nie alleine bei einem Geburtstagsfest, bei Nachbars Kinder, Oma/Opa usw...?

LG, Lisa
heinerprahm
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Re: Einschulung als sanfter Loslösungsprozeß

Beitrag von heinerprahm »

elboku hat geschrieben: Eure Tochter war bis jetzt wirklich noch nie alleine bei einer Freundin/Freund, noch nie alleine bei einem Geburtstagsfest, bei Nachbars Kinder, Oma/Opa usw...?
Hallo elboku,

das ist tatsächlich so und es war dabei in den letzten Jahren nicht so, dass wir das ihr nicht mehrfach angeboten hätten, oder die Möglichkeiten eröffnet hätten, ihre Freundinnen und Freunde waren z.B. auch öfter ohne ihre Eltern bei uns zu Besuch, auch über Nacht, aber sie wollte das nicht, sie bestand immer darauf, dass ihre Mutter dabei ist, oder falls das nicht möglich war als letzte Alternative ich. Da wir hier keinen verfügbaren Familienanschluss haben, (Opa und Oma väterlicherseits sind bereits verstorben, mütterlicherseits wohnen die Großeltern sehr weit entfernt, ebenso ihre Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen), bestand auf familiärer Ebene auch nicht die Möglichkeit.

Da dieses Bindungsverhalten alleine von ihr ausging und die wissenschaftliche Fachliteratur dieses Verhalten als für Primaten normal bezeichnet, haben wir uns da auch keinen Stress gemacht, denn laut der Forschung geschieht die Loslösung von ganz alleine und völlig Problemlos, wenn diese vom Kind ausgeht und von diesem bestimmt wird, was praktisch automatisch geschieht, wenn eine gewisse kognitive Reife erreicht wurde. Ich denke das hat bei uns prima funktioniert, daher war es auch gut regulär Einzuschulen und nicht ein Jahr früher, denn da wäre das mit Sicherheit so wie jetzt nicht gegangen, wobei es ist wirklich sehr erstaunlich mit was für einer Selbstverständlichkeit das gerade abläuft.

Liebe Grüße
Heiner
Momo
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Re: Einschulung als sanfter Loslösungsprozeß

Beitrag von Momo »

Heiner, interessant was Du schreibst. Meine Tochter zeigt ein ähnlich starkes Bindungsverhalten und zwar von Anfang an. Ich weiß nicht, ob auch ich als Mutter viel dazu beigetragen habe- ich bin einfach sehr auf ihre Bedürfnisse eingegangen (habe sie sehr viel getragen, lange gestillt, sie sehr aufmerksam begleitet). Vielleicht ist es auch eine Typfrage? Ich beobachte jetzt jedenfalls auch, dass meine Tochter erstaunlich selbstständig ist, an (fast) alles alleine denkt und für sich sorgt. Sie hat alles im Blick und denkt sogar manchmal für mich mit (ob ich das gut finde, weiß ich allerdings nicht...). Schön zu wissen, dass auch noch so anhängliche Kinder irgendwann selbstständig werden und das dann auch auf ganzer Linie und sehr selbstsicher ;) Man braucht nur Geduld...

Geht Deine Tochter weiterhin gerne zur Schule, nachdem die ersten aufregenden Tage vergangen sind?

Momo
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