Tiefstapeln?!

ganz allgemein zu Kleinkindern, ob nun aufgeweckt, klug oder hochbegabt
alibaba

Re: Tiefstapeln?!

Beitrag von alibaba »

elboku hat geschrieben: Das sehe ich genauso wie du, doch ab einem gewissen Alter fangen auch Kinder an sich zu vergleichen, selbst, wenn die Eltern das nicht forcieren.
Das ist richtig. Sie vergleichen sich. Aber werten sie das auch? Ich denke die Wertung des Kindes wäre eina andere, wenn wir Erwachsene sie nicht prägen würden. Und das tun wir, oft ganz unbewusst. Wir sind einfach stolz wenn Kind die Sonne besser malen kann als Lisa vom Nachbartisch. :D
elboku hat geschrieben: Das mit dem Toll-Finden ist so eine Sache. Beim Malen z.B. lobe ich wirklich nur die Dinge, die mir gerade gut gefallen. Und ich versuche meiner Tochter zu vermitteln, dass es wichtig ist, dass die Bilder ihr gefallen und keinem sonst...
Es gibt genügend wissenschaftliche Beweise und Tests, das wir uns gegenseitig beeinflussen. Wie lernen Kinder. Durch abschauen und probieren, ganz instinktiv. Durch Lob erfahren sie, das war gut, das weniger. Je kleiner das Kind umso weniger versteht es erst einmal für wen sie das macht. Das kleine Kind macht etwas um der Bezugsperson zu gefallen und nicht, weil es die Sonne jetzt malen kann. Erst später lernen Kinder das sie das was sie tun, nicht mehr für die Bezugsperson tun, sondern für sich. Täten sie das nämlich, würden sie Dir nicht stolz das Bild/Ergebnis zeigen, sondern würden es einfach in eine Mappe legen, des Kommentares nicht notwendig. Aber was machen denn kleine Kinder? Sie zeigen Dir das was sie geschafft haben, egal ob es die Sandburg ist, das Bild, die Schwimmübungen, die Höhle............

Eine Art Perfektionismus trägt jeder in sich. Sonst würden wir nämlich nicht das tun können, was wir tun. Der Drang es immer besser zu machen liegt in uns. Leider nur bis zu einem gewissen Alter, denn bald schon lernen Kinder die andere Seite kennen, die Prägung durch uns Erwachsene kommt. Das lässt sich nicht vermeiden. ;)

VG
Edainwen
Dauergast
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Re: Tiefstapeln?!

Beitrag von Edainwen »

Ich denke, das Vergleichen ist zu 90% Charaktersache, die restlichen 10% sind gelernt.

Beispiel: meine Tochter hat nie verglichen und vergleicht immer noch nicht - außer mit ihrem Bruder ;) Sie weiß nicht, wie weit die anderen Kinder im Schulstoff sind, es ist ihr egal, ob ihre Freunde langsamer oder schneller rennen als sie, sie ist mit ihren Bildern immer zufrieden, und Fußball spielt sie, weil es ihr Spaß macht, auch wenn ihre Oma denkt (aber nicht sagt), dass sie es besser lassen sollte, weil sie sich sonst vor den anderen blamiert.

Dann kam mein Sohn: schon mit 2,3 Jahren wollte er mit seinem 10-Zoll-Fahrrad unbedingt schneller fahren als seine Schwester auf ihrem 18-Zoll-Rad. Habe ich jemals gesagt, dass schneller fahren besser ist? Im Gegenteil! Ich habe mir schließlich den Mund fusselig geredet, bis er irgendwann akzeptiert hat, dass man mit einem 10-Zoll-Rad (bei dem man sogar den Berg herunter treten muss) einfach nicht schneller fahren kann. Ich hatte nicht einmal erwartet, dass man mit 2,3 Jahren überhaupt Fahrrad ohne Stützräder fahren kann :oops: - Genauso muss mein Sohn bei jedem Spiel gewinnen. Er denkt auch, dass er nicht malen kann, obwohl der KiA bei der letzten U ganz entzückt von seinem Männchen war. Aber mein Sohn möchte möglichst realitätsnah malen. Bei ihm war schon mit 2 Jahren der Himmel blau, das Gras grün und die Sonne gelb. Er sieht halt, dass sein Männchen nicht so aussieht wie ein echter Mensch - also denkt er, dass er nicht malen kann. Niemand hat ihm diese Weisheit eingepflanzt oder Bilder verglichen. - Und er vergleicht sehr genau: So hat er vor KiGa-Beginn schon Puzzels mit 100 Teilen gemacht. Kaum war er - mit 2,3 Jahren - ein Paar Tage im KiGa, hieß es: "der E. kann gar nciht puzzeln". Ein paar Tage später: "ICH kann nicht puzzeln." Irgendwann hat er sich im KiGa heillos gelangweilt, weil er nur das spielen wollte, was die anderen Kinder in seiner Gruppe spielten - obwohl anderes Material da gewesen wäre. Ein klassischer Fall von Tiefstapelei also. Seine Erzieherin wunderte sich, "warum er sich so heillos unterfordert." Anpassung!
Midnite Madness
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Re: Tiefstapeln?!

Beitrag von Midnite Madness »

Edainwen hat geschrieben:Ich denke, das Vergleichen ist zu 90% Charaktersache, die restlichen 10% sind gelernt.

Beispiel: meine Tochter hat nie verglichen und vergleicht immer noch nicht - außer mit ihrem Bruder ;) Sie weiß nicht, wie weit die anderen Kinder im Schulstoff sind, es ist ihr egal, ob ihre Freunde langsamer oder schneller rennen als sie, sie ist mit ihren Bildern immer zufrieden, und Fußball spielt sie, weil es ihr Spaß macht, auch wenn ihre Oma denkt (aber nicht sagt), dass sie es besser lassen sollte, weil sie sich sonst vor den anderen blamiert.

Dann kam mein Sohn: schon mit 2,3 Jahren wollte er mit seinem 10-Zoll-Fahrrad unbedingt schneller fahren als seine Schwester auf ihrem 18-Zoll-Rad. Habe ich jemals gesagt, dass schneller fahren besser ist? Im Gegenteil! Ich habe mir schließlich den Mund fusselig geredet, bis er irgendwann akzeptiert hat, dass man mit einem 10-Zoll-Rad (bei dem man sogar den Berg herunter treten muss) einfach nicht schneller fahren kann. Ich hatte nicht einmal erwartet, dass man mit 2,3 Jahren überhaupt Fahrrad ohne Stützräder fahren kann :oops: - Genauso muss mein Sohn bei jedem Spiel gewinnen. Er denkt auch, dass er nicht malen kann, obwohl der KiA bei der letzten U ganz entzückt von seinem Männchen war. Aber mein Sohn möchte möglichst realitätsnah malen. Bei ihm war schon mit 2 Jahren der Himmel blau, das Gras grün und die Sonne gelb. Er sieht halt, dass sein Männchen nicht so aussieht wie ein echter Mensch - also denkt er, dass er nicht malen kann. Niemand hat ihm diese Weisheit eingepflanzt oder Bilder verglichen. - Und er vergleicht sehr genau: So hat er vor KiGa-Beginn schon Puzzels mit 100 Teilen gemacht. Kaum war er - mit 2,3 Jahren - ein Paar Tage im KiGa, hieß es: "der E. kann gar nciht puzzeln". Ein paar Tage später: "ICH kann nicht puzzeln." Irgendwann hat er sich im KiGa heillos gelangweilt, weil er nur das spielen wollte, was die anderen Kinder in seiner Gruppe spielten - obwohl anderes Material da gewesen wäre. Ein klassischer Fall von Tiefstapelei also. Seine Erzieherin wunderte sich, "warum er sich so heillos unterfordert." Anpassung!
Ich sehe es mittlerweile ähnlich, daß der Charakter eine erhebliche Rolle spielt, auch, was den Perfektionismus angeht.

Meine Eltern erzählen häufig, ich war ein ziemlich schlimmes Kind, das immer das beste, tollste, schnellste, klügste sein wollte und daß ich im Kindergarten sogar Kunstwerke von anderen Kindern zerstört habe, weil ich meins nicht so gut fand :oops: Ich bin charakterlich tatsächlich auch eher Tiefstapler, Lob nehme ich zwar zur Kenntnis und freue mich vielleicht kurz, Kritik nehme ich mir allerdings sehr zu Herzen. Von daher kommt meine Tochter wohl von daher auch nach mir, reagiert aber völlig anders auf die jeweilige Situation.

Ich habe bei meiner Kleinen auch nie das Gefühl, daß sie aktiv vergleicht. Sie sagt nie, der und der kann das und das besser/ schlechter/ schöner. Sie sagt: Der soundso hat heute einen schönen Traktor gemalt. Oder derundder ist ganz hoch auf den Baum geklettert. Oder auch Mama, guck mal, was ich gemacht habe (was gebastelt oder geknetet oÄ.). Sie sagt nie: Ich war heute die Einzige, die einen Frosch fangen konnte. Oder sowas wie: Guck mal, was ich Tolles gemacht habe.

Ich würde nie auf die Idee kommen zu sagen: Ey, dieunddie kann aber schon ganz toll malen/ schwimmen/ sonstwas und du nicht. Oder zu sagen: Das hast du aber gar nicht schön gemacht, das kannst du viel besser, gib dir mal Mühe. Wenn sie mal wieder ein Blatt Papier vollgekrickelt (also babykrickelkrackel) hat, ziehe ich auch mal auf damit, klar. Sie kann Ironie und subtilere Gefühle ziemlich gut deuten und lacht dann mit. (Übrigens kann sie auch ganz prima lügen und liebt es, Leute zu veräppeln).

Nochmals vielen Dank an alle, die hier zur Diskussion beitragen- die Beiträge regen sehr zum Nachdenken an 8-)
Rabaukenmama
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Re: Tiefstapeln?!

Beitrag von Rabaukenmama »

@Midnite Madness: Bei uns ist es schon so, dass ich meinen Sohn darauf aufmerksam mache, wenn mir auffällt, wenn er etwas absichtlich schlecht macht (z.B. eine Zeichnung). Dabei verzichte ich bewusst auf Ironie, weil ich gar nicht will, dass er die lernt. Früher war ich sehr ironisch, aber dann bin ich draufgekommen dass mir dieses Verhalten selbst schadet. Wenn etwas nicht gut ist dann ist es nicht gut (oder eben schlecht) und wenn ich etwas toll finde dann benenne ich es auch. Selbst in Internet-Foren, wo man Ironie noch mit Smilies unterstreichen kann, kommt es immer wieder zu Missverständnissen wie etwas gemeint ist. Daher finde ich persönlich ganz wichtig, dass zumindest ich selbst das sage, was ich auch wirklich denke, und nicht das Gegenteil. Ich hoffe, meinem Sohn damit ein Vorbild zu sein, weiß aber, dass ich es auch hinnehmen werde, wenn er sich später mal FÜR Ironie entscheidet (ist so ähnlich wie mit Zigaretten).

Wobei es mir nicht darum geht, mein Kind zu kritisieren oder zu "besseren" Leistungen drängen zu wollen. Aber wenn er sich z.B. vornimmt, dem Opa zum Geburtstag ein Bild zu malen, dann finde ich schon angebracht zu sagen, dass sich der Opa über reines krixi-kraxi nicht sehr freuen wird. Das Bild muss absolut kein Meisterwerk werden, aber wenn es als Geschenk gedacht ist dann soll mein Kind schon wissen, dass man sich damit Mühe gibt. Wenn er einfach so zum Spass krixi-kraxi malt dann kommentiere ich es gar nicht - die Freizeitgestaltung meines Sohne obliegt ihm selbst. Wenn er aber (schelmisch grinsend) ein Lob dafür will dann kriegt er´s von mir nicht (auch nicht ironisch). Er soll wissen, dass mir der Unterschied zwischen "irgendwie hingepfuscht" und "hat sich bemüht" auffällt.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Midnite Madness
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Re: Tiefstapeln?!

Beitrag von Midnite Madness »

Guten Morgen Rabaukenmama :)

ich geb gerne zu, daß ich etwas durchs Raster falle, was die Benutzung von Stilmitteln wie Ironie, Sarkasmus, Veräppeln etc. gegenüber der Kleinen angeht- wir sind schon ein paar Mal schräg angeguckt worden, was in der Öffentlichkeit aber mehr darauf beruhte, daß Töchterchen diese angewandt hat :oops:

Sie hatte irgendwie von Anfang an einen echt subtilen Humor und sehr feine Antennen für Emotionen. (Klingt jetzt ganz komisch, aber ich habe, als sie noch im Säuglingsalter war, ein paar Mal unwillkürlich gedacht, daß mich grade ein Erwachsener im Säuglingskörper anguckt. Manchmal fand ich das sogar etwas unheimlich. Gesagt hat sie damals freilich noch nix, aber diese Blicke und wie sie beobachtet hat... Ich weiß echt noch genau, wie sonderbar ich das fand...)

Ich finde emotionale Intelligenz wahnsinnig wichtig. Einzuschätzen und zu fühlen, was denkt der andere, was fühlt er. Jeder Mensch weist eine ganz individuelle Bandbreite an Ausdrücken auf; manche schreien bei einer Schürfwunde vor Schmerzen, anderen kullert ein Tränchen, andere treten erstmal gegen die Tür, aber alle empfinden irgendwie Schmerz. Und deshalb halte ich mich im Umgang mit der Kleinen nicht zurück, was verschiedene Ausdrucksmittel angeht. Ob sie sie mal selber benutzt, steht ihr natürlich völlig frei (ich glaube auch nicht, daß man das forcieren oder verhindern kann).

Ob man sauer, traurig, müde, glücklich, sonstwas ist, merkt sie eigentlich sofort (auch, wenn man sich nicht heulend auf dem Boden wälzt) und fragt nach oder nimmt in den Arm o.Ä. Finde ich wahnsinnig schön und gut. Ich bin Schmerztyp "erstmal gegen die Wand hauen und fluchen", wenn ich auf dem Spielzeugauto ausgerutscht bin und mir den Fuß verdreht habe- und sie weiß trotzdem, Mama hat sich wehgetan, obwohl ich nicht "aua mein Fuß, mein Fuß" schreie. Sie hat früh angefangen, zu sagen, ob sie sauer, böse, traurig, glücklich oder sonstwas ist und ich bin froh drum.

Das mit der Ironie... Mag doof klingen, aber man kann im realen Leben ja anhand des jeweiligen Gesichtsausdrucks oder Gestik ganz gut einschätzen, wie was gemeint ist. Jetzt nicht auf Ironie bezogen- Ich sage manchmal, wenn sie nachts um halb 11 mit Turbopower noch rumfetzt und nicht mal ansatzweise Bock aufs Bett hat "Oh, da ist jemand aber verdammt müde, du schläfst ja fast im Stehen ein- komm, wir gehen hoch, schlafen". Mit einem theatralischen Gesichtsausdruck. Sie weiß genau, wie ich das meine, daß das gesprochene Wort nicht unbedingt mit dem korreliert, was man eigentlich denkt. Der negative Nebeneffekt: Sie kann perfekt lügen :oops: Obwohl sie recht wenig lügt, aber wenn sie keine Lust auf ausgiebige Gespräche übers Mittagessen im KiGa hat, bekomme ich schonmal ein "es gab nur Nachtisch, und zwar Zitronen. Sonst nix. War sehr lecker." zurück. Oder das Bein tut plötzlich SEHR weh, wenn Madame keine Lust hat, die Treppe selbst zu erklimmen. Schwindeln lasse ich bis zu einem gewissen Grad mit entsprechendem Kommentar durchgehen ("ui. Sooo STARK SCHMERZENDE Beine müssen unbedingt eingegipst werden. Ich hole gleich den Gips hoch.") und wird meist mit Kichern (erwischt!) quittiert. Lügen, wenn es um wichtige Dinge geht (Papas Portemonnaie geklaut und versteckt), wird natürlich nicht geduldet und da reagiere ich sehr direkt und OHNE Ironie oder Umschreibungen.

Und jetzt bekomm ich den Schwenk zum Malbeispiel nicht mehr hin, weil ich zur Arbeit muß :oops: Wird nachgeholt ;)
Momo
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Re: Tiefstapeln?!

Beitrag von Momo »

Hallo Midnite Madness,
ich verstehe genau, was Du meinst. Ich kenne diese Situationen auch und es gibt Momente, in denen ich mich gemeinsam mit meiner Tochter über skurrile Situationen kaputtlache. Ach, es ist schön, das Gefühl zu haben, das Kind versteht eine bestimmte, irgendwie "erwachsene" Humorebene ;) In diesen Momenten bin ich meiner Tochter irgendwie in einer bestimmten Weise sehr nah. Oder andererseits kann durch Humor auch eine schwierige Situation entschärft werden. Ich passe andererseits aber genau auf, ob meine Tochter mich wirklich versteht, nicht dass durch meine Ironie Missverständnisse aufkommen.

LG Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Midnite Madness
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Re: Tiefstapeln?!

Beitrag von Midnite Madness »

Momo hat geschrieben:Hallo Midnite Madness,
ich verstehe genau, was Du meinst. Ich kenne diese Situationen auch und es gibt Momente, in denen ich mich gemeinsam mit meiner Tochter über skurrile Situationen kaputtlache. Ach, es ist schön, das Gefühl zu haben, das Kind versteht eine bestimmte, irgendwie "erwachsene" Humorebene ;) In diesen Momenten bin ich meiner Tochter irgendwie in einer bestimmten Weise sehr nah. Oder andererseits kann durch Humor auch eine schwierige Situation entschärft werden. Ich passe andererseits aber genau auf, ob meine Tochter mich wirklich versteht, nicht dass durch meine Ironie Missverständnisse aufkommen.

LG Momo
Ja, genau das :D Das mit der Verbundenheit und Nähe empfinde ich ganz genauso, und gemeinsam lachen verbindet ohnehin so intensiv... Meine Tochter ist ohnehin so´n Scherzkeks, die lacht wahnsinnig gerne und fand es schon immer ziemlich gut, auch andere zum Lachen zu bringen. Kürzlich habe ich mich tierisch über irgendwas (nicht über sie) aufgeregt und etwas erregt zusammen mit meinem Vater diskutiert (quasi gelästert, daß die Schwarte kracht), da kam sie mit ner Zitrone aus ihrem Kaufladen an und meinte: Probier mal. Sauer macht lustig :mrgreen: Naja, Ziel erreicht.
Rabaukenmama
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Re: Tiefstapeln?!

Beitrag von Rabaukenmama »

Auf Ironie zu verzichten schließt Spaß miteinander haben nicht aus. Auch um Verbundenheit und Nähe mit meinem Kind zu empfinden musste ich bisher nie ironisch sein - zumindest bei uns klappt das auch so. Ich habe meine eigene Einstellung zu Ironie und lebe sie. Ich sage auch einem Erwachsenen, dessen Outfit mir gut gefällt nicht mit einem Augenzwinkern wie häßlich er angezogen ist, sondern eher "Hey, das steht dir echt super! Toll siehst Du aus!".

Obwohl ich bewusst auf Ironie verzichte halte ich mich nicht für humorlos. Viele Dinge im Leben sind mit einem lächeln viel leichter zu nehmen. Aber abgesehen davon, dass Ironie gerade für kleinere Kinder oft schwer zu verstehen ist (weil Aussage, Mimik und Gestik sich widersprechen) will ich selbst klar über meine Gefühle kommunizieren.

In der Zeit, als ich noch ironisch war, gab es immer wieder Missverständnisse, vor allem wenn ich unbewusst mit meiner Ironie wunde Punkte bei meinen Mitmenschen getroffen habe. Das passiert jetzt gar nicht mehr. Wenn ich jetzt sage "da kommt eine Freundin" weiß jeder, dass diejenige, die da kommt, wirklich eine Freundin ist (ohne nachkontrollieren zu müssen ob ich nicht die Augen verdrehe) und nicht etwa eine Person, mit der ich lieber nichts zu tun haben würde.

Positiver Nebeneffekt meines Verzichtes auf Ironie: ich habe innerhalb relativ kurzer Zeit gelernt, mit Lob umzugehen (was ich viele Jahre meines Lebens nicht gut konnte). Wenn früher jemand zu mir gesagt hat "Das hast du gut gemacht" bin ich entweder gar nicht darauf eingegangen oder habe (weil mir nichts anderes eingefallen ist) eine ironische Bemerkung gemacht, mit der ich meine eigene Leistung heruntergespielt habe.

Wenn mir heute jemand sagt "Gut siehst Du aus" kann ich mich ehrlich darüber freuen und "Danke für das Kompliment!" sagen. Da gibt´s manchmal sogar Menschen, die ganz erstaunt sind wenn jemand Lob annimmt. Vor Jahren hatte ich mal in meiner Firma eine neue Idee (wegen Preisauszeichnung) und diese habe ich mal probehalber in Eigenregie umgesetzt (nachdem ich mir vorher die Erlaubnis geholt hatte). Mein Vorgesetzter war begeistert und meinte "Wow, das sieht echt toll aus! Da haben sie eine gute Idee gehabt!". Und ich konnte ganz ehrlich antworten "Ja, das finde ich auch" (was ihn etwas verwundert hat, aber im positiven Sinn).

So gesehen lebe ich meinem Sohn vor, dass man auf gute Leistungen stolz sein darf und es auch ok ist, Dinge, die nicht in Ordnung sind, offen zu kritisieren. Ironische Zwischenbemerkungen erfordern nämlich meist weniger Mut (und bringen auch weniger Erfolg) als ehrliche, klare Aussagen.

Trotzdem bin ich nicht päpstlicher als der Papst. Als ich vor einiger Zeit mal was verschüttet hatte meinte ich (in einem Rückfall in alte Verhaltensmuster): "Na super! Jetzt ist die Milch auch noch ausgeschüttet! Toll!" Mein Sohn sah mich fragend an und meinte "Ja Mama, die Milch ist ausgeschüttet. Aber was ist daran super oder toll?".

Er wird sicher auch noch draufkommen, was Ironie ist. Sie umgibt einem ja überall. Und es ist nicht möglich (und auch nicht mein Plan) meinen Sohn von allen ironischen Menschen fernzuhalten. Er wird selbst entscheiden , wie eindeutig oder ironisch seine Aussagen sind.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Midnite Madness
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Re: Tiefstapeln?!

Beitrag von Midnite Madness »

Guten Abend :)

Natürlich hast du recht, Rabaukenmama (ich mag deinen Nick übrigens sehr- und das ist explizit nicht ironisch gemeint!). Spaß und Ironie sind ja zwei völlig andere Paar Schuhe... Ich benutze Ironie eigentlich nur als *Spaßmittel* gegenüber meiner Tochter, dann aber wirklich in allen Varianten- bierernstes Gesicht und lustige Botschaft und komplett umgekehrt mit allen Zwischenstufen. Wenn sie Mist gebaut hat, sage ich ihr schon direkt, was ich davon halte. Dein Beispiel mit dem "das hast du ja toll gemacht!" bei der verschütteten Milch ist gut- Ironie benutze ich in dem Zusammenhang tatsächlich nicht. War mir vorher noch nichtmal bewußt :) Du scheinst Ironie eher negativ zu verknüpfen, und von daher kann ich nachvollziehen, daß du sie als Stilmittel ablehnst.

Meine Tochter wird zweisprachig erzogen, auch von daher ist es mir wichtig, möglichst viele Facetten der Sprache aufzuzeigen (deutsch ist meine Muttersprache). Da gehören für mich auch Stilmittel dazu, genauso wie Satzmelodien, Sprichwörter, Floskeln, Metaphern... Sie hat einen irre großen Wortschatz in beiden Sprachen, spricht aber relativ undeutlich und eher verhalten, da sprechen einige Kinder in dem Alter sicher deutlich besser und flüssiger, wenn auch nicht mit der Wortwahl. Wobei sich da irgendwie wieder der Kreis zum Ausgangspost "Tiefstapelei" schließt- morgens, wenn sie noch verpennt ist, und ich sie beim Aufwachen im Arm halte, kloppt sie in letzter Zeit so Sachen raus wie (O-Ton): "Mama- wenn der Mond untergeht, geht die Sonne auf und es wird hell- aber da am Himmel sehe ich doch noch den Mond und es ist hell!". Tagsüber im Wachzustand hätte sie gesagt: Mama- Wenn Mond untergangen, dann geht Sonne auf und es ist hell. Aber da oben isser Mond!" :roll:

Ich habe übrigens ein Problem mit Ironie/ Sarkasmus/ Zynismus im Internet, weil ich dem jeweiligen eben nicht ins Gesicht blicken kann und dadurch Mißverständnisse vorprogrammiert sind. Selbst wenn Smileys o.Ä. benutzt werden.
Rabaukenmama
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Re: Tiefstapeln?!

Beitrag von Rabaukenmama »

@Midnite Madness: Wir sind auch eine zweisprachige Familie weil mein jüngerer Sohn gehörlos ist. Aber gerade in Gebärdensprache (ÖGS) spielt die Mimik eine wichtige Rolle und es ist für das gesamte Verständnis einer Unterhaltung wichtig, dass Mimik und Gebärden zusammenpassen. Viele Gebärden ähneln sich und eine kleine Veränderung der Geste bedeutet schon ganz was anderes. Und da ÖGS ja nicht meine Muttersprache ist, sondern ich erst mit über 40 Jahren damit begonnen habe, mache ich natürlich immer wieder Gebärden-Fehler. Da ist dann besonders wichtig, die "richtige" Mimik zur Aussage zu haben.

Natürlich gibt es auch native signer, die ironisch sind. Aber das ist deren Muttersprache, da ist es wesentlich einfacher. Wenn ich ohnehin noch unsicher beim gebärden bin und dann auch noch absichtlich das Gegenteil dessen gebärden wollte, was ich sagen will, die Mimik aber korrekt machen - dann bin ich hoffnungslos überfordert.

Ich verknüpfe Ironie nicht grundsätzlich negativ : Aber ich betrachte sie nicht als Bereicherung, sondern als komische Abart der Kommunikation, wo Missverständnisse vorprogrammiert sind. Vor allem halte ich Ironie für unnötig. Sprache, Mimik und Gestik ermöglichen mir, alles so auszudrücken, wie ich es meine - warum soll ich es dann bewusst anders machen?
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