Das Wort "erziehen"

ganz allgemein zu Kleinkindern, ob nun aufgeweckt, klug oder hochbegabt
Bliss
Dauergast
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Re: Das Wort "erziehen"

Beitrag von Bliss »

Ich habe beim Wort "erziehen" auch eher negative Assoziationen. Eben irgendwie mit Kraftaufwand die Richtung ändern. Auch herausziehen hat für mich irgendwie etwas von: eigentlich ist die Zeit noch nicht reif dafür.

Und Erziehungsmaßnahmen oder Erziehungsmethoden klingt auch nach etwas, was nicht spontan und authentisch ist, also auch Kraft erfordert.
Momo hat geschrieben: Meine Tochter hat sich von uns Eltern und anderen Bezugspersonen/ Kindern alles abgeschaut.
Empfindest du das so? Ich glaube wir haben in vielen Dinge eine ähnliche Einstellung und sind wahrscheinlich auch in der Praxis relativ nah beieinander.

Aber ich tendiere immer mehr dazu, dass die angeborenen Charktereigenschaften und das Temperament der bestimmende Faktor sind und eben nicht das Umfeld. Und auf diese Eigenschaften muss man als Eltern eben reagieren. Und da gibt es dann geeignete und weniger geeignete Reaktionen. Das Umfeld ist natürlich auch wichtig und manche angeborene Eigenschaft kann sich in unpassenden Umfeld nicht richtig entfalten oder wird verstärkt.
Edainwen
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Re: Das Wort "erziehen"

Beitrag von Edainwen »

Bliss hat geschrieben:
Momo hat geschrieben: Meine Tochter hat sich von uns Eltern und anderen Bezugspersonen/ Kindern alles abgeschaut.
Empfindest du das so? Ich glaube wir haben in vielen Dinge eine ähnliche Einstellung und sind wahrscheinlich auch in der Praxis relativ nah beieinander.

Aber ich tendiere immer mehr dazu, dass die angeborenen Charktereigenschaften und das Temperament der bestimmende Faktor sind und eben nicht das Umfeld. Und auf diese Eigenschaften muss man als Eltern eben reagieren. Und da gibt es dann geeignete und weniger geeignete Reaktionen. Das Umfeld ist natürlich auch wichtig und manche angeborene Eigenschaft kann sich in unpassenden Umfeld nicht richtig entfalten oder wird verstärkt.
Dito! Durch meine Kinder tendiere ich auch dazu, dass die angeborenen Charaktereigenschaften und das Temperament bestimmende Faktoren sind. Ich glaube, das wird einem erst so richtig bewusst, wenn man mehrere Kinder hat, die eben sehr unterschiedlich sind
Linasina
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Re: Das Wort "erziehen"

Beitrag von Linasina »

Ich finde auch das Charaktereigenschaften und Temperament sehr viel aus machen. Jedes Kind ist da anders zu händeln.
Karen
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Re: Das Wort "erziehen"

Beitrag von Karen »

Grundsätzlich finde ich auch das Charaktereigenschaften sehr viel ausmachen. Was mir ein wenig immer stört ist dass Temperament des Kindes und das Erziehungsstil der Eltern (oder Eltern grundsätzlich) werden für alles "Schuld" gegeben. Was wir alle dabei vergessen ist das Einfluss von unserem Umfeld. Und das Umfeld ist nicht nur Kita oder Grosseltern. Unter Umfeld verstehe ich alles: Unsere Schulsystem, Verkehrsplaner, Stadtplaner und Architekten, Logistik Abteilung von Supermarkten, die die entscheiden was am Fernsehen lauft, in Museen gemach wird, Politiker die auf alles Einfluss haben und 3 Monaten Elternzeit und immer noch sehr familienunfreundliche Betriebe in der Schweiz. Das Liste ist beliebig lang und alles hat auf uns ein Einfluss dass wir oft selber gar nicht bewusst sind . Ihr sagt vielleicht: ich übertreibe. Ja, gut möglich. Aber ich möchte hier ein Beispiel bringen: Ich bin geschäftlich oft in Afrika, in sehr ländlichen armen Gebieten. Ich habe auch dort immer mal wieder ein paar Monaten gelebt bis die Kleine geboren wurde. Wenn ich mir vorstelle dass ich meine Familie mitnehme, dort hinfliege und wir ein paar Jahren dort leben bleiben, was würde passieren? Mein Erziehungsstil und Umgang mit der Kleine beliebt dann am Anfang gleich und ihres angeborenen Charaktereigenschaften bleiben auch gleich. Das einzige was anderes ist, ist Umfeld dass sie und mich und meinen Mann beeinflussen würde und Gesellschaftliche Normen die komplett andere sind als in der Schweiz/Deutschland. Das wichtigste in kurzem: kleine Kinder sind meistens ohne Aufsicht der Eltern unterwegs, schon ab 2 Jahren, es gibt fast keine Autos, Internet ist langsam und mühsam, Strom und Wasser begrenzt, wenig bis kein fernsehen, Seen und Flüssen nicht für baden geeignet, Obst und Gemüse überall und sehr lecker, fast keine Süssigkeiten, viel zeit für andere und füreinander, viel Musik, Freude und Feste, oft ohne Alkohol, sehr autoritative Schulsystem (Kinder werden teilweise immer noch geschlagen), sehr hoche Kindersterblichkeit die du wirklich täglich mitbekommst, nicht funktionierende Polizei, dafür sehr gute selbstorganization und Bereitschaft andere zu beschützen und anderen zu helfen. Ich glaube fest daran dass in diesem Umfeld würde mein Kind ganz andere Probleme und fragen haben, sicher auch anderes wenigstens in Sozialem Bereich Entwickeln, anderes auffallen und damit lernen umzugehen. Wenn ich jetzt darüber nachdenke wir würde dann mein Kind in diesem Umfeld aufwachsen, kann ich mit grosse Sicherheit sagen dass es auf ihre Persönlichkeit und Verhalten Einfluss haben wird. Deshalb gehe ich davon aus dass unseren Umfeld in Schweizer Stadt auch sehr viel Einfluss hat, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen. Und deshalb ist es für mich falsch ganze Verantwortung auf Kindliche Temperament und Eltern überschieben wie es oft in unsere Gesellschaft gemacht wird.
Und da unsere Stadtlichte Umgebung sehr weit weg von ursprüngliche Situation ist, und Kinder gesehen aus Sicht der Evolution an der ursprungliche Situation angepasst sind, gibt es mehr konfliktpotenzial zwischen der Umgebung und natürlichen Bedürfnissen der Kinder. Als Eltern können wir diese Konflikte bewaltigen oder aus dem Weg gehen, ganz vermeiden können wir es nicht. Und deshalb verhalten unsere Kinder manchmal anderes als erwünscht für uns, Nachbarn, Lehrer, alte Mann in U-Bahn, ....
Es gibt ein Buch von Herbert Renz-Polster die genau diese Thema von Umfeld anspricht (wie kinder heute wachsen): http://www.kinder-verstehen.de/meine_buecher.html
Ich finde es gut mal darüber nachzudenken, und auch mal nachzudenken was wir ändern können unsere Umgebung ein wenig mehr Familienfreundlicher zu machen.
Rabaukenmama
Dauergast
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Re: Das Wort "erziehen"

Beitrag von Rabaukenmama »

Karen hat geschrieben: Ich bin geschäftlich oft in Afrika, in sehr ländlichen armen Gebieten. Ich habe auch dort immer mal wieder ein paar Monaten gelebt bis die Kleine geboren wurde. Wenn ich mir vorstelle dass ich meine Familie mitnehme, dort hinfliege und wir ein paar Jahren dort leben bleiben, was würde passieren? Mein Erziehungsstil und Umgang mit der Kleine beliebt dann am Anfang gleich und ihres angeborenen Charaktereigenschaften bleiben auch gleich. Das einzige was anderes ist, ist Umfeld dass sie und mich und meinen Mann beeinflussen würde und Gesellschaftliche Normen die komplett andere sind als in der Schweiz/Deutschland. Das wichtigste in kurzem: kleine Kinder sind meistens ohne Aufsicht der Eltern unterwegs, schon ab 2 Jahren, es gibt fast keine Autos, Internet ist langsam und mühsam, Strom und Wasser begrenzt, wenig bis kein fernsehen, Seen und Flüssen nicht für baden geeignet, Obst und Gemüse überall und sehr lecker, fast keine Süssigkeiten, viel zeit für andere und füreinander, viel Musik, Freude und Feste, oft ohne Alkohol, sehr autoritative Schulsystem (Kinder werden teilweise immer noch geschlagen), sehr hoche Kindersterblichkeit die du wirklich täglich mitbekommst, nicht funktionierende Polizei, dafür sehr gute selbstorganization und Bereitschaft andere zu beschützen und anderen zu helfen. Ich glaube fest daran dass in diesem Umfeld würde mein Kind ganz andere Probleme und fragen haben, sicher auch anderes wenigstens in Sozialem Bereich Entwickeln, anderes auffallen und damit lernen umzugehen. Wenn ich jetzt darüber nachdenke wir würde dann mein Kind in diesem Umfeld aufwachsen, kann ich mit grosse Sicherheit sagen dass es auf ihre Persönlichkeit und Verhalten Einfluss haben wird. Deshalb gehe ich davon aus dass unseren Umfeld in Schweizer Stadt auch sehr viel Einfluss hat, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen. Und deshalb ist es für mich falsch ganze Verantwortung auf Kindliche Temperament und Eltern überschieben wie es oft in unsere Gesellschaft gemacht wird.
Damit liegst du mMN richtig. Eine Bekannte von mir ist bis sie 9 Jahre alt war in Südamerika aufgewachsen. Dort war sie auf Grund ihrer offenen, lebhaften Wesensart bei Kindern und Erwachsenen beliebt. Sie ist dort sehr selbstständig und eigenverantwortlich aufgewachsen was "Freiheiten" (=selbstständig Leute besuchen, tauchen, surfen)betrifft, hatte aber auch die Annehmlichkeiten eines Diplomatenkindes z.B. Dienstmädchen. Als sie nach Österreich zurückkam war das der totale Schock. Die Charaktereigenschaften, die in Südamerika fast jeder gemocht hatte, waren hier unerwünscht. Das christlich orientierte Internat ließ keine Freiheiten zu und ihr wurde immer nur vorgehalten, was sie nicht konnte, anstatt anzunehmen dass sie einfach aus einem anderen Kulturkreis kam und ihr z.B. einfach wertfrei beizubringen wie man z.B. ein Bett bezieht. Statt dessen wurde sie als "faul" und "verzogen" betrachtet.

Die Eltern verlangten außerdem von ihr, sich den in Ö üblichen gesellschaftlichen Erwartungen anzupassen, die meine Bekannte ja gar nicht kennen konnte. Die Schulleistungen sackten in den Keller weil sie (von Natur auf offen und lebhaft) sich nicht mal traute, den Mund aufzumachen, aus Angst, wieder was "falsches" zu sagen. So wurde binnen kurzer Zeit aus einem lebhaften, fröhlichen, sportlichen Mädchen ein einerseits "schüchternes" andererseits aber "störrisches" Kind voll Ängsten und Selbstzweifel :( .


Momo hat geschrieben: Durch meine Ausführungen wollte ich mich als Mutter nicht toll und allwissend etc. darstellen, sondern ich wollte auf BiHas Einwand eingehen, dass Eltern ein bestimmtes gesellschaftskonformes Verhalten bei ihren Kindern erreichen wollen. Mir war es an dieser Stelle wichtig zu schreiben, dass diese Gesellschaftsfähigkeit auch ohne die klassischen Erziehungsmaßnahmen und Methoden zu erreichen ist (jedenfalls in unserem Fall).
Was ist "gesellschaftskonform" für Dich? Sind das die Dinge, die du aufgelistet hast: höflich grüßen, fragen wenn man was will und freundlich bedanken, gutes Benehmen bei Tisch, früh auf die Toilette gehen, durchschlafen, sedlbstständiges Verhalten?

Das sind mMn alles Dinge, die Außenstehende gar nichts angehen! Natürlich ist es angenehm, wenn sich ein Kind so verhält, keine Frage. Aber wenn es nur ein unverständliches "Hallo" nuschelt oder gar nicht grüßt, brüllt wenn es etwas haben will, nicht danke sagt, bei Tisch kleckert, die Füße auf den Tisch legt und mit Geschirr herumwirft, in die Hose macht, jede Nacht 5x aufwacht und Aufmerksamkeit will und sich am liebsten wie ein Baby "bedienen" lässt? Man mag den Eltern zwar falsche Erziehung vorwerfen, tatsächlich aber geht es niemanden etwas an weil dadurch - außer den Eltern selbst - niemand zu Schaden kommt.

Ich will nicht sagen, dass mir völlig egal ist, ob sich mein Kind in diesem Sinn gesellschaftskonform benimmt, aber besonders kratzt es mich nicht. Da gibt es ganz andere Dinge, die wesentlich wichtiger sind.

Momo hat geschrieben: Bewusstes Erziehen (ich tue/sage etwas, damit mein Kind ein bestimmtes Verhalten zeigt) geht bei uns immer voll nach hinten los, meine Tochter durchschaut dies sofort und verlässt ebenfalls die "Augenhöhe". Sie geht gegen an und ein Machtkampf entsteht. Sie will ernstgenommen und auf Augenhöhe behandelt werden, im Grunde genauso wie wir Erwachsenen. Ich denke, dieses Recht haben alle Kinder!
Genau DA (mit der Augenhöhe) gibt es Schwierigkeiten! Vor allem, wenn das nicht-gesellschaftskonforme Verhalten des Kindes andere Menschen unmittelbar verletzt oder beeinträchtigt. Wie gehe ich "auf Augenhöhe" damit um, wenn mein Sohn am Strand wildfremde Personen mit Schlamm bewirft? Was mache ich, wenn er andere Kinder, die ihm absolut nichts getan haben, absichtlich und schmerzhaft beißt? Was, wenn er andere Erwachsene oder Kinder mitwillig beschimpft? Was, wenn er harmlos auf der Badedecke schlafenden, ihm unbekannten Erwachsenen eine Flasche Wasser über den Bauch schüttet?

Auch wenn mir bewusst ist, das hinter so einem Verhalten tiefer liegende Probleme stecken geht es ja um meine Reaktion in der Situation. Das ist mir bewusst und wir arbeiten daran. Aber wie verhalte ich mich unmittelbar in der Situation?

Würdest du gut finden wenn ein anderes Kind deine Tochter beißt und die daneben stehende Mutter offensichtlich nicht reagiert? Oder wie schaut deiner Meinung nach in solchen Fällen eine angemessene Reaktion "auf Augenhöhe" aus?

Und ich hoffe doch sehr, dass man mir glaubt, dass weder mein Mann noch ich noch sonstige Bezugspersonen unserem Sohn so ein Verhalten VORLEBEN :evil: !

Übrigens verhält sich unser Kleiner von Natur aus wesentlich gesellschaftskonformer als es der Große je getan hat. Der braucht keinen Hinweis dass man die Kinder im Rutschenauslauf zuerst weggehen läßt, bevor man selbst nachrutscht. Wenn er etwas bekommt sagt er automatisch freundlich und mit Blickkontakt danke (eines der 5 Wörter, die er aussprechen kann) und ich habe noch nie erlebt dass er einem anderen Kind weh getan oder etwas weggenommen hätte (außer seinem Bruder, aber da gibt´s öfter Zoff von beiden Seiten).

Wie schaut eigentlich Verhalten auf Augenhöhe bei Geschwisterstreit aus? Wann darf ich eingreifen? Beim verbalen Beginn, wenn die Schlägerei losgeht, wenn der erste heult oder erst bei der ersten ernsthaften Verletzung? Es geht mir übrigens absolut nicht darum, mich als "Richter" aufzuspielen!

Ich denke immer noch dass die Augenhöhe bei einem ohnehin vom Wesen her gesellschaftskonformen Einzelkind nicht dieselbe Herausforderung ist als wenn man immer wieder mit ernsthaften Grenzverletzungen der Grenzen anderer zu tun hat und nebenbei noch ein zweites Kind da ist.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Momo
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Re: Das Wort "erziehen"

Beitrag von Momo »

Ich habe ein wunderschönes Zitat von Astrid Lindgren entdeckt, welches mir aus der Seele spricht und auf den Punkt bringt, was ich in meinen ganzen langen Ausführungen sagen wollte:

"Schenkt den Kindern Liebe, mehr Liebe und nochmals Liebe, dann stellen sich die guten Manieren von ganz allein ein."
Astrid Lindgren
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Rabaukenmama
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Re: Das Wort "erziehen"

Beitrag von Rabaukenmama »

Ach Momo, KANNST oder WILLST du nicht kapieren dass es - zumindest bei meinem älteren Sohn - nicht um "gesellschaftskonformes" Verhalten sondern um echte Verletzungen der Grenzen anderer geht?

Wie soll ich das Zitat von Astrid Lindgren denn verstehen? Dass ich bisher zu wenig Liebe geschenkt habe und mein Sohn daher das Verhalten zeigt, das er zeigt?

Oder meinst du dass ich einfach untätig daneben stehen soll wenn er anderen weh tut, weil ich ohnehin weiß dass durch die Liebe, die ich ihm gebe, irgenwann einmal alles besser wird?

So sehr ich Astrid Lindgren auch schätze (und dieses Zitat ebenso) - in diesem Konsens sind wir wieder auf dem Punkt wo ich mich total unverstanden, ja sogar provoziert fühle...

...vor allem weil ich immer noch auf deine Vorschläge für die vielen, konkreten Situationen, die ich hier erzählt habe, warte.
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Momo
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Re: Das Wort "erziehen"

Beitrag von Momo »

Rabaukenmama hat geschrieben:

Wie soll ich das Zitat von Astrid Lindgren denn verstehen? Dass ich bisher zu wenig Liebe geschenkt habe und mein Sohn daher das Verhalten zeigt, das er zeigt?

Oder meinst du dass ich einfach untätig daneben stehen soll wenn er anderen weh tut, weil ich ohnehin weiß dass durch die Liebe, die ich ihm gebe, irgenwann einmal alles besser wird?
Hui, Du fühlst Dich aber wirklich schnell angegriffen :schwitz: Dieses Zitat war allgemein zum Thema Erziehung gemeint und zu meiner These, dass Kinder keine Erziehung im herkömmlichen Sinne bedürfen, sondern dass sie sich aus sich heraus entwickeln. Eure Situation ist speziell, das verstehe ich und ich möchte Dir nicht die Schuld dafür geben. Ich kenne Euch nicht persönlich und deshalb fällt es mir auch schwer, von außen die Situation einzuschätzen. Wenn ich die von Dir geschilderten Situationen auf uns übertrage, würde ich folgendermaßen reagieren:
Rabaukenmama hat geschrieben:
Würdest du gut finden wenn ein anderes Kind deine Tochter beißt und die daneben stehende Mutter offensichtlich nicht reagiert? Oder wie schaut deiner Meinung nach in solchen Fällen eine angemessene Reaktion "auf Augenhöhe" aus?
Angenommen meine Tochter bewirft fremde Menschen mit Schlamm, beißt aus heiterem Himmel andere Kinder: Sachen packen und gehen! Später in Ruhe darüber sprechen und dem Kind ohne Umschweife und völlig diskussionslos klar machen, dass ich ein solches Verhalten nicht toleriere. Die Freiheit des einen hört da auf, wo das Recht des anderen beginnt“, sobald die Freiheit anderer Menschen eingeschränkt oder verletzt wird, zeige ich meiner Tochter diese Grenze ganz klar auf!
Übrigens bin ich immer noch dabei, das Buch "Wackeln die Zähne, wackelt sie Seele" zu lesen. Viele Deiner beschriebenen Verhaltensweisen Deines Sohnes passen in diese Zeit des inneren Umbruchs, sogar seine Bauchschmerzen, von denen Du an anderer Stelle geschrieben hast. Eine Zahnärztin und eine Antroposophin (Waldorfpädagogin) versuchen diese Zusammenhänge zu erklären und mir ist dadurch vieles klar geworden. Wie ich Dich kenne, wird Dir dieses Buch sehr seltsam vorkommen, doch vielleicht auch den einen oder anderen Grund für das Verhalten Deines Sohnes aufzeigen ;)
Rabaukenmama hat geschrieben:
Wie schaut eigentlich Verhalten auf Augenhöhe bei Geschwisterstreit aus? Wann darf ich eingreifen? Beim verbalen Beginn, wenn die Schlägerei losgeht, wenn der erste heult oder erst bei der ersten ernsthaften Verletzung? Es geht mir übrigens absolut nicht darum, mich als "Richter" aufzuspielen!
Da ich nur ein Kind habe, kann ich hier nur theoretisch antworten. Ich denke, ein Geschwisterstreit ist ein Geschwisterstreit und ich als Mutter würde versuchen, mich rauszuhalten. Sobald ich mich einmische, kommt eine neue Komponente hinzu und ich kann mir vorstellen, dass dadurch alles viel komplizierter wird. Eine andere Möglichkeit wäre, zu vermitteln, indem ich die Bedürfnisse beider Kinder benenne, ohne Vorschläge zu machen oder zu bewerten. Oder beide Kinder frage, welche Lösungsvorschläge sie haben. Doch die Hauptarbeit liegt meiner Meinung nach auch hier in den entspannten Situationen, in denen gezielt die Beziehung der Geschwister gestärkt werden kann.

Liebe Grüße von Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Maca
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Registriert: Do 21. Mai 2015, 16:30

Re: Das Wort "erziehen"

Beitrag von Maca »

Hallo Rabaukenmama,
Ich bin nicht kompetent genug Dir hilfreiche und konkrete Tips zu geben,aber vieles von dem was Du berichtest kenne ich auch.
Meine Kinder sind beide EXTREM stur und in einer ungewöhnlichen Geschwisterkonstellation und nur allein daraus hat sich Konfliktpotential entwickelt,was schnell zu einer blöden Eigendynamik führte,die mir entglitt.
Meine Tochter provozierte mich mit einer leidenschaftlich,ausdauernden Hingabe,als gäbe es nicht wichtigeres auf der Welt,jedes Tun meinerseits befeuerte sie nur noch mehr und aufgrund ihrer Sturheit HÖRTE sie nicht auf.
Mein Sohn war ähnlich,als wir einmal ,da war er knapp drei,auf einer langen Fahrt auf der Autobahn unterwegs waren, kam es ,nachdem ich das letzte Apfelstück aus der Proviantdose gegessen hatte,( mein Sohn äußerte ganz deutlich keinen Apfel mehr zu wollen),dazu,daß unser Kleiner anfing zu brüllen er wolle doch noch Apfel!
Zwei Stunden schrilles Kreischen auf der Autobahn! Er hörte erst auf ,als ich sein Lieblingskuscheltier aus dem Fenster hielt und drohte loszulassen (hätte ich auch getan,aus lauter Hilflosigkeit).
Situationen solcher Art ,gab es bei und sehr viele,ich habe mich oft hilflos und überfordert gefühlt.
Bis einmal eine Dame von der Erziehungsberatung meinte,nur Kinder mit einem schier unerschütterlichen Urvertrauen würden sich so verhalten,das hat mir zwar nicht konkret geholfen,aber trotzdem gutgetan.
Du liebe Rabaukenmama bist auch in einer so ungewöhnlichen und unvergleichlichen Situation,auch,wenn Du es schon weißt ;) !
Man kann ZWEI Kinder nicht liebend,beschützend durch einen Wutanfall begleiten,
das endete bei meine Tochter mal mit einem tiefen ,sehr schmerzende Hornhautriß (hatte mir ein Holzpuzzleteil ins Auge gerammt,als ich sie umarmen wollte).
Meine Umwelt dachte wohl mitunter,was für 'Monster',das mal werden,
Und siehe da,meine Tochter,( von der ich mal befürchtete,sie könne einen miesen Charakter ;)haben,)ist ein so wunderbarer,hochempathischer,interessierter,sozialkompetenter Mensch geworden ,so daß ich nun häufig angesprochen werde,wie wir das hinbekommen haben,
Frage ich mich auch oft.
Die Situationen,die Du mit Deinem Kleinem beschreibst sind extrem,ich kann nur sagen ,Hut ab,daß Du das aushältst,präsent bist,ihn ja in gewisser Weise diese Erfahrungen auch unbewußt machen lassen willst,
dieses massive Austesten Deiner Grenzen,wenn er Provokationen immer und immer wiederholt.
Wann jemals sind wir unseren Kindern näher?
Was ich eigentlich nur sagen möchte ohne konkrete Tips geben zu können,mach Dir keine Sorgen irgendetwas FALSCH zu machen,
es gibt hier kein falsch oder richtig,
eben nur zielführende Handlungen oder nicht,
und auf dem Weg dorthin,reibt ihr Euch einander,
nur aufreiben darfst Du Dich nicht!
Maca
Dauergast
Beiträge: 390
Registriert: Do 21. Mai 2015, 16:30

Re: Das Wort "erziehen"

Beitrag von Maca »

Eigentlich finde ich Dein Umgang mit Deinen Kindern trifft doch auf Momos Zitat durchaus zu!
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