Hochsensibel - depressiv - altklug - präpubertär ???

Mein Kluges Kind macht was es will
Maca
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Re: Hochsensibel - depressiv - altklug - präpubertär ???

Beitrag von Maca »

Oh je,

Ich habe gerade beim Aufräumnen eine Kurzgeschichte meiner Tochter gefunden und gelesen ( ist ja kein Tagebuch).
Sie schreibt von einem Strassenkind in Brasilien,welches ,durch von Geschäftsleuten angeheuerten Killerkommandos ,schwer verletzt wird und sich daraufhin zum Sterben in einer Mülltonne verkriecht. In ihrem Todeskampf ziehen die grausamen aber auch die wenigen schönen Erinnerungen in ihren Gedanken vorbei ( es handelt sich natürlich um ein 12 jähriges Mädchen).Ihre letzten Gedanken gelten ihrer,vor einem Jahr verstorbenen Mutter,auf deren würdeloser Beerdigung sie war und nach der sie sich sehnt. :shock: .Das alles ist in wirklich bildgewaltigen Worten verpackt. :roll:

@ Antonia,auch was du so von deiner Tochter schreibst,läßt mich doch vermuten,daß zum Teil die unverarbeiteten Traumata ehemaliger Generationen bei sehr sensiblen Vertretern der Nachfolgegenerationen noch nachwirken.

LG
sinus
Dauergast
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Re: Hochsensibel - depressiv - altklug - präpubertär ???

Beitrag von sinus »

...ich hab jetzt quasi nur das Ausgangspost gelesen.
So phasenweise kenne ich das von meiner Tochter (grad 7 geworden) auch. Besonders auffällig war das im Voschuljahr. Da kamen ähnliche Aussagen, wie du sagst: "ich bin eine Belastung für dich", "ich bin nichts wert", "Ich habe keine richtigen Freunde", "keiner versteht mich wirklich", "ich wäre am Liebsten nicht da", "ich bin an allem schuld" und " du tust sooo viel für mich und ich tu gar nichts".
Das sind so Aussagen, die einen wirklich erschrecken können...

Sie konnte da auch keine konkreten Dinge nennen, die sie zu diesen Aussagen bringen, sie hat dann scheints eher so ein umfassenes Gefühl von nicht-da-sein wollen. Oder sich irgendwie schuldig fühlen.
Sie äußert dann sowas wie "An allem, was schief geht, bin ich schuld" und "Ich kann gar nichts!" und eben "ich bin eine Belastung für dich".
Einmal vor ca. einem Jahr sgte sie sogar unter schluchzen: "Jetzt heule ich dir die Ohren voll und nun machst du dir bestimmt auch noch Sorgen um mich".
Das hat mich so getroffen - dass sie sich nicht nur unter den eigenen Problemen leidet, sondern sich dabei noch um mich Sorgen macht, weil sie mir diese Sorgen aufbürdet... So verzwickt muss man erstmal denken in dem Alter! Wenn man sich vorstellt, dass sie häufiger so weit denkt - das muss tarsächlich oft überfordernd sein.

Zur Aussage "Ich hab gar keine richtigen Freunde.": sie hatte jede Menge Freunde, ständig wollte und will jemand uns besuchen und mit ihr spielen. Ich werde oft regelrecht bedrängt von den Kindern, dass sie mal wieder zu uns kommen wollen! Wie passt das zusammen?!
Sie war damals der Meinung, das seien alles keine "richtigen" Freunde, niemand verstünde sie so wirklich so richtig - außer mir.
Was sicher irgendwie auch stimmt - sie hat vermutlich hohe Ansprüche an Freundschaft, erwartet da mehr an Loyalität und tiefem Verständnis füreinander, als die meisten Gleichaltrigen ihr bieten können und wollen... so meine Vermutung.

Meistens kommt/kam sowas hier übrigens abends, dann ist da sicher auch die Müdigkeit bissle mitschuld, die sie so dünnhäutig macht.
Aktuell kam hier sowas übrigens länger nicht, was mich natürlich freut. Wir hatten das Problem eher im Vorschuljahr. (da war sin isngesamt etwas launisch, auch manchmal überbordend albern, was an sich auch nicht ihrem Charakter entspricht...)

Als es wirklich akut war und mir echt Sorgen bereitete, habe ich ein "Sorgentagebuch" angefangen mit ihr.
Eigentlich wollte ich damit ihre Wahrnehmung mehr auf die schönen Dinge im Leben lenken und bat sie darum, mir jeden Abend drei Dinge des Tages zu nennen, die schön gewesen waren.
Stattdessen bestand sie dann allerdings drauf, mir ihre Sorgen zu nennen, DIE sollte ich aufschreiben.
Das haben wir dann ein paar Wochen fast täglich gemacht und ich bilde mir ein, es hat geholfen.
Uns beiden.

Mir, weil ich ihre Sorgen besser kennenlernte und feststellte, dass es offensichtlich nicht ganz so "schlimm" war, wie ich dachte; dass es zumeist Sachen waren, über die sie hinwegkommen würde, Erfahrungen, durch die sie einfach - wie alle Menschen - einfach mal durch muss.
(Die meisten Sorgen bertrafen wirklich kleine Dinge. Ich hatte damals befürchtet, dass es die famliäre Situation sei, die kleine Schwester, zu wenig Zuwendung meinerseits etc, was ihr so zusetzte. Stattdessen kamen die Schwester und das zu Hause immer bei den schönen Dingen mit vor und die unschönen Dinge stammten allermeistens aus dem Kindergarten. Es ging da um Kleinigkeiten, Dinge, die andere Kinder gesagt oder gemacht hatten, die in dem Alter eigentlich normal sind, bei denen sie sich sicher nicht viel gedacht hatten, normale Kabbeleien unter Kindern hlat. Sie aber nahm das alles offensichtlich viel tiefer wahr, nahm es sich sehr zu Herzen und sehr persönlich. Kein Mobbing oder so übrigens, normale kleine Ärgereien und unbedachte Äußerungen!
(sowas wie "XZ sagt immer gleich, wenn es nicht nach ihrem Kopf geht, ich sei nicht mehr ihre Freundin. Wenn sie sowas sagt - da kann sie ja gar nicht wirklich meine Freundin sein...")
Ihr ging es danach - also nach dem Aufschreiben - wirklich besser, allein weil all die unschönen Dinge dann aufgeschrieben waren.
Sie meinte selbst, dass die Sorgen gleich viel kleiner wären, wenn ich sie aufgeschrieben habe und sie im Buch steckten, statt in ihrem Kopf und Herzen.
Ich hab auch bewusst damals gar nicht viel kommentiert, sie einfach diktieren lassen. Nur manchmal gab ich ein paar Denkanstöße, allerdings habe ich versucht zu vermeiden, Ratschläge zu geben. Darum ging es schließlich nicht, wenn sie Ratschläge hätte haben wollen, hätte sie mich ja direkt dazu gefragt und es mir nicht nur diktiert. Sie sollte ja auch auf keinen Fall den Eindruck bekommen, ihre Sorgen seien keine wirklichen Sorgen, weil es ja Lösungen dafür gibt - die ich kenne, sie selbst aber nicht...

Die schönen Dinge zusammenzu bekommen, fiel ihr leider übrigens oft richtig schwer. Selbst an Tagen, wo wir wirklich viele schöne und besondere Sachen zusammen unternommen haben, fiel ihr abends nicht viel für diese "Rubrik" ein und sie bestand immer vehement drauf, mir vor allem die nicht schönen Dinge zu sagen.
Nun gut, dann sollte es eben so sein. Ich hab einfach nur als "Medium" fungiert und geschrieben und ihr dann nochmal vorgelesen. Dann haben wir das Buch weggelegt, gekuschelt, vorgelesen und dann gings ins Bett.

Ich bilde mir ein, dass ihr das wirklich geholfen hat. Vielleicht hat sie auf diese Weise auch loslassen können vom Kummer und womöglich durchs Konkretisieren der Probleme auch selbst Lösungen gefunden bzw sich damit besser abgefunden.... Ich weiß es nicht.
Das Tagebuch jedenfalls haben wir nur ca. einen Monat lang täglich benutzt, dann immer seltener. Jetzt liegts nur noch rum und derzeit ist sie eigentlich wieder sehr "in ihrer Mitte" habe ich den Eindruck. (Genau das war neulich die erste Anmerkung der Lehrerin im Elterngespräch - dass sie so sehr in sich zu ruhen scheint! Wie wunderbar!)

Grad neulich sagte sie mir auch "ich habe so viele neue Freunde in der Schule und im Hort... so viele brauche ich eigentlich gar nicht!"

Ich habe auch bisschen den Eindruck, dass sie ziemlich jahrszeitenfühlig ist. Die beschriebene Phase war letztes Jahr gegen Ende des Winters und ich hatte jedes Jahr den Eindruck, sie hätte im Winter vermehrt Probleme mit sich selbst.
Auffällig fand ich auch immer, dass sie ausgerechnet im Winter oft unglaublich farbenfrohe Bilder zu malen begann. Malt sie etwa Frühlingsbilder als Therapie gegen "Winterdepression"?!
So ab Januar meinte sie auch fast täglich, dass sie sich so sehr nach dem Frühling sehne....

Kürzlich las ich dieses Buch

http://www.amazon.de/gp/product/3406...=sr_1_1&sr=8-1

– die Autorin beschrieb in so vielen Punkten so treffend MEIN Kind...
Eine Menge scheinbarer Charaktereienschaften bzw Verhaltensweisen, die ich eher ihrem Naturell zuschob, habe ich im Buch wiedergefunden.

Das war auch irgendwie erleichternd, dass es mitunter vielleicht an ihrer Wahrnehmung der Welt und des genaueren Analysierens/Erfassens der Umfeldes liegt, dass sie so und nicht anders ist und reagiert... Grad bei so Dingen, die einem manchmal Sorgen bereiten, wie - nur mal eines von mehreren Beispieln - die schon erwähnte Sehnsucht nach "richtigen" Freunden.
Das Buch hat mir auch ein wenig Last von der Seele genommen und mir geholfen, so manches in anderem Licht zu sehen. Ich - ICH! - konnte mich plötzlich viel besser arangieren mit so einigen Sachen, die sie betreffen.
(Bsp: ihre ungewöhnlich intensiven Ausbrüche, wenn beim Instrument Üben mal was nicht klappt. Wo sie doch sonst so ausgeglichen ist! ... Genau sowas wird da auch im Buch beschrieben!)
Es gab wirklich viele Aha-Effekte für mich.

Ich vermute - vor allem nachdem ich das Buch las - dass es keine depressive Persönlichkeit ist, die sich in solchen Aussagen widerspiegelt – wie ich mitunter bei meiner Tochter ansatzweise befürchtete, wenn sie mal wieder sowas gesagt hatte –, sondern dass Ursache vermutlich eher ein sensibles, kluges Kind ist, welches geistig und kognitiv und was den Gebrauch seiner Sinne sowie die Ansprüche sich selbst gegenüber und seine Umwelt betreffend sehr viel "weiter" ist; mehr mitbekommt, als alterstypisch; wo aber die sozialen und emotionalen Erfahrungen dann noch hinterherhinken, weil diese Erfahrungen in em Alter eben einfach erstmal gemacht werden müssen, ganz unabhängig vom IQ.
Also es geht da darum, dass man gewisse Schluchten einfach überqueren muss, egal, mit welchem "Gepäck" und mit welcher Ausrüstung man nun unterwegs ist.
Und jemand mit viel Gefahrenbewusstsein und größerem Weitblick empfindet die Schlucht dann - obwohl er vielleicht viel besser für den Weg ausgerüstet ist - umso tiefer und gefährlicher.

So, jetzt muss ich erstmal die Kleine "abfüttern", sorry, wenn es tw etwas unstrukturiert geschreiben ist. Die eineinhlabjährige hängt mir hier grad am Rockzipfel..
Zuletzt geändert von sinus am Mi 16. Dez 2015, 19:39, insgesamt 1-mal geändert.
Die Blätter sind bunt
nun bellt der Hund
nun lacht der Mund
Raureif liegt auf dem Gras.
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(Herbstgedicht der 6jährigen)
sinus
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Re: Hochsensibel - depressiv - altklug - präpubertär ???

Beitrag von sinus »

Nachtrag: Ich habe übrigens auch lange gegrübelt, ob sie so Aussagen wie "eine Belastung sein" und "nichts wert sein" woanders herhaben kann. Aber defintiv NEIN.
Auch selbst kenne solche Sätze nicht und habe sie nie gehört.
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(Herbstgedicht der 6jährigen)
Momo
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Re: Hochsensibel - depressiv - altklug - präpubertär ???

Beitrag von Momo »

Sinus hat geschrieben:
Als es wirklich akut war und mir echt Sorgen bereitete, habe ich ein "Sorgentagebuch" angefangen mit ihr.
Eigentlich wollte ich damit ihre Wahrnehmung mehr auf die schönen Dinge im Leben lenken und bat sie darum, mir jeden Abend drei Dinge des Tages zu nennen, die schön gewesen waren.
Stattdessen bestand sie dann allerdings drauf, mir ihre Sorgen zu nennen, DIE sollte ich aufschreiben.
Das haben wir dann ein paar Wochen fast täglich gemacht und ich bilde mir ein, es hat geholfen.
Uns beiden.

Mir, weil ich ihre Sorgen besser kennenlernte und feststellte, dass es offensichtlich nicht ganz so "schlimm" war, wie ich dachte; dass es zumeist Sachen waren, über die sie hinwegkommen würde, Erfahrungen, durch die sie einfach - wie alle Menschen - einfach mal durch muss.
(Die meisten Sorgen bertrafen wirklich kleine Dinge. Ich hatte damals befürchtet, dass es die famliäre Situation sei, die kleine Schwester, zu wenig Zuwendung meinerseits etc, was ihr so zusetzte. Stattdessen kamen die Schwester und das zu Hause immer bei den schönen Dingen mit vor und die unschönen Dinge stammten allermeistens aus dem Kindergarten. Es ging da um Kleinigkeiten, Dinge, die andere Kinder gesagt oder gemacht hatten, die in dem Alter eigentlich normal sind, bei denen sie sich sicher nicht viel gedacht hatten, normale Kabbeleien unter Kindern hlat. Sie aber nahm das alles offensichtlich viel tiefer wahr, nahm es sich sehr zu Herzen und sehr persönlich. Kein Mobbing oder so übrigens, normale kleine Ärgereien und unbedachte Äußerungen!
(sowas wie "XZ sagt immer gleich, wenn es nicht nach ihrem Kopf geht, ich sei nicht mehr ihre Freundin. Wenn sie sowas sagt - da kann sie ja gar nicht wirklich meine Freundin sein...")
Ihr ging es danach - also nach dem Aufschreiben - wirklich besser, allein weil all die unschönen Dinge dann aufgeschrieben waren.
Sie meinte selbst, dass die Sorgen gleich viel kleiner wären, wenn ich sie aufgeschrieben habe und sie im Buch steckten, statt in ihrem Kopf und Herzen.
Ich hab auch bewusst damals gar nicht viel kommentiert, sie einfach diktieren lassen. Nur manchmal gab ich ein paar Denkanstöße, allerdings habe ich versucht zu vermeiden, Ratschläge zu geben. Darum ging es schließlich nicht, wenn sie Ratschläge hätte haben wollen, hätte sie mich ja direkt dazu gefragt und es mir nicht nur diktiert. Sie sollte ja auch auf keinen Fall den Eindruck bekommen, ihre Sorgen seien keine wirklichen Sorgen, weil es ja Lösungen dafür gibt - die ich kenne, sie selbst aber nicht...
Sag Mal Sinus, hattest Du meine Beschreibung mit unserer abendlichen "Erzählkuschelsituation" gelesen? Im Grunde haben wir ein ähnliches Ritual wie Ihr, nur dass ich nichts aufschreibe, sondern meiner Tochter zuhöre und dabei auch versuche, nicht zu kommentieren. Sie erzählt mir meistens auch Dinge aus dem Kindergarten, die sie beschäftigen. Sogar das Beispiel mit der Aussage "dann bist Du nicht mehr meine Freundin" von einem anderen Kind und dem identischen Rückschluss meiner Tochter wie Deine Tochter. Die Gedanken Deiner Tochter scheinen generell den Gedanken meiner Tochter recht ähnlich zu sein... es ist schon spannend, dass es manchmal so identische Parallelwelten gibt ;)

Meiner Tochter hat dieses Ritual übrigens auch sehr geholfen und mir auch. Sie lernt ihre Sorgen und Gedanken zu kommunizieren und ich lerne mich zurückzunehmen und einfach nur genau zuzuhören. Dadurch erhalte ich ein sehr detailliertes Bild von ihrem Innenleben und kann sie wiederum gut unterstützen.

Ganz liebe Grüße von Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Rabaukenmama
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Re: Hochsensibel - depressiv - altklug - präpubertär ???

Beitrag von Rabaukenmama »

Sinus hat geschrieben: Als es wirklich akut war und mir echt Sorgen bereitete, habe ich ein "Sorgentagebuch" angefangen mit ihr.
Eigentlich wollte ich damit ihre Wahrnehmung mehr auf die schönen Dinge im Leben lenken und bat sie darum, mir jeden Abend drei Dinge des Tages zu nennen, die schön gewesen waren.
Stattdessen bestand sie dann allerdings drauf, mir ihre Sorgen zu nennen, DIE sollte ich aufschreiben.
Das haben wir dann ein paar Wochen fast täglich gemacht und ich bilde mir ein, es hat geholfen.
Uns beiden.
Ich finde gut, dass du auf ihren Wunsch eingegangen bist ihre Sorgen aufzuschreiben statt der schönen Dinge. Dazu gehört viel einlassen und Mut.
Sinus hat geschrieben: Mir, weil ich ihre Sorgen besser kennenlernte und feststellte, dass es offensichtlich nicht ganz so "schlimm" war, wie ich dachte; dass es zumeist Sachen waren, über die sie hinwegkommen würde, Erfahrungen, durch die sie einfach - wie alle Menschen - einfach mal durch muss.
(Die meisten Sorgen bertrafen wirklich kleine Dinge. Ich hatte damals befürchtet, dass es die famliäre Situation sei, die kleine Schwester, zu wenig Zuwendung meinerseits etc, was ihr so zusetzte. Stattdessen kamen die Schwester und das zu Hause immer bei den schönen Dingen mit vor und die unschönen Dinge stammten allermeistens aus dem Kindergarten. Es ging da um Kleinigkeiten, Dinge, die andere Kinder gesagt oder gemacht hatten, die in dem Alter eigentlich normal sind, bei denen sie sich sicher nicht viel gedacht hatten, normale Kabbeleien unter Kindern hlat. Sie aber nahm das alles offensichtlich viel tiefer wahr, nahm es sich sehr zu Herzen und sehr persönlich. Kein Mobbing oder so übrigens, normale kleine Ärgereien und unbedachte Äußerungen!
(sowas wie "XZ sagt immer gleich, wenn es nicht nach ihrem Kopf geht, ich sei nicht mehr ihre Freundin. Wenn sie sowas sagt - da kann sie ja gar nicht wirklich meine Freundin sein...")
Genau solche Dinge beschäftigen zur Zeit auch meinen älteren Sohn. Er sinniert darüber nach was er falsch gemacht haben könnte dass die E.... aus dem Kindergarten, die gestern noch gemeint hat, seine Freundin zu sein, heute nicht mehr seine Freundin sein mag. Und er spricht so Dinge aus wie "Das mag ich gar nicht wenn jemand gestern mein Freund war und heute nicht mehr. Da weiß ich dann nicht, was wirklich ist."

Außerdem hat mein Sohn ja noch seinen "Lieblingsfeind" im Kindergarten. Mit diesem Bub gibt es fast täglich irgendwelche Streitigkeiten. Oft sind die Sachen sehr banal. Einmal hat sich mein Sohn sehr gekränkt weil eben dieser Bub seine Zeichnung nicht schön gefunden hat. Ich habe ihn dann gefragt wie den anderen seine Zeichnung gefallen hat (er zeichnet sehr gut) und die Antwort war dass sie alle anderen schön gefunden haben, auch die Schulkinder (die nachmittags in seinem Kindergarten im Hort sind). Aber das war meinem Sohn längst nicht so wichtig wie die Meinung dieses EINEN, ein Jahr jüngeren Buben.

Ein anderes Mal war mein Sohn tief gekränkt als eine seiner Kindergartenfreundinnen die Zeichnung seines kleinen Bruders nicht schön gefunden hat. Da war das Mädchen nur ehrlich denn die Zeichnung war vielleicht kreativ, aber wirklich nicht "schön". Aber mein Sohn meinte dann ganz enttäuscht "Das ist voll unhöflich von dir dass dir das nicht gefällt was mein Bruder gezeichnet hat" und war richtig sauer auf sie.

Also so, wie du beschreibst: kein Mobbing sondern einfach ganz normale, kindliche Konfliktsituationen.
Sinus hat geschrieben: Ihr ging es danach - also nach dem Aufschreiben - wirklich besser, allein weil all die unschönen Dinge dann aufgeschrieben waren.
Sie meinte selbst, dass die Sorgen gleich viel kleiner wären, wenn ich sie aufgeschrieben habe und sie im Buch steckten, statt in ihrem Kopf und Herzen.
Ich hab auch bewusst damals gar nicht viel kommentiert, sie einfach diktieren lassen. Nur manchmal gab ich ein paar Denkanstöße, allerdings habe ich versucht zu vermeiden, Ratschläge zu geben. Darum ging es schließlich nicht, wenn sie Ratschläge hätte haben wollen, hätte sie mich ja direkt dazu gefragt und es mir nicht nur diktiert. Sie sollte ja auch auf keinen Fall den Eindruck bekommen, ihre Sorgen seien keine wirklichen Sorgen, weil es ja Lösungen dafür gibt - die ich kenne, sie selbst aber nicht...

Die schönen Dinge zusammenzu bekommen, fiel ihr leider übrigens oft richtig schwer. Selbst an Tagen, wo wir wirklich viele schöne und besondere Sachen zusammen unternommen haben, fiel ihr abends nicht viel für diese "Rubrik" ein und sie bestand immer vehement drauf, mir vor allem die nicht schönen Dinge zu sagen.
Nun gut, dann sollte es eben so sein. Ich hab einfach nur als "Medium" fungiert und geschrieben und ihr dann nochmal vorgelesen. Dann haben wir das Buch weggelegt, gekuschelt, vorgelesen und dann gings ins Bett...
Ich werde das jetzt auch einfach mal ausprobieren. Über das, was ihn belastet SPRECHEN tut mein Sohn ja ohnehin. Und so eine Art Sorgen-Tagebuch kann ja auch später, wenn er mal älter wird, zeigen, wie er sich emotional entwickelt. Ist vielleicht auch mal für ihn interessant zu lesen, wie er als 5jähriger empfunden hat.
Sinus hat geschrieben: Ich vermute - vor allem nachdem ich das Buch las - dass es keine depressive Persönlichkeit ist, die sich in solchen Aussagen widerspiegelt – wie ich mitunter bei meiner Tochter ansatzweise befürchtete, wenn sie mal wieder sowas gesagt hatte –, sondern dass Ursache vermutlich eher ein sensibles, kluges Kind ist, welches geistig und kognitiv und was den Gebrauch seiner Sinne sowie die Ansprüche sich selbst gegenüber und seine Umwelt betreffend sehr viel "weiter" ist; mehr mitbekommt, als alterstypisch; wo aber die sozialen und emotionalen Erfahrungen dann noch hinterherhinken, weil diese Erfahrungen in em Alter eben einfach erstmal gemacht werden müssen, ganz unabhängig vom IQ.
Danke mal für den Buchtipp. Ich sehe das ja ähnlich wie du: die sozialen und emotionalen Erfahrungen um mit für uns banalen Situationen angemessen umzugehen, fehlen einfach noch. Und Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

Vielen Dank für deinen Beitrag, das ist einer von denen, derentwegen ich dieses Forum so mag :) !
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Antonia
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Re: Hochsensibel - depressiv - altklug - präpubertär ???

Beitrag von Antonia »

nur ganz kurz, ausführlich kommt später (weil es so viele Ansatzpunkte gibt in Euren Posts, vielen Dank dafür, wow!):

ich kann den Buchtipplink nicht öffnen, dann kommt immer sowas wie "Seite gibts nicht". Sinus, kannst Du mir nochmal schreiben, wie das Buch heißt?

Merci!
sinus
Dauergast
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Re: Hochsensibel - depressiv - altklug - präpubertär ???

Beitrag von sinus »

Ups, ja, stimmt, der Link funktioniert nicht. Es geht um das Buch, das ich kürzlich hier schonmal erwähnte.
(Es war der Anlass meines Themas vom 9.November unter Schulkinder -> Hochbegabung?)

Aiga Stapf "Hochbegabte Kinder: Persönlichkeit, Entwicklung, Förderung"

Weiterhin möchte ich dir gleich noch wärmstens dieses Buch empfehlen:

Oggi Enderlein "Große Kinder: Die aufregenden Jahre zwischen 7 und 13"

Das beschreibt sehr schön, was Kinder ab 6/7 Jahren so für Entwicklungsaufgaben meistern und so "durchmachen".
Das Buch hat mir auch sehr gefallen und auch da gab es viele Aha-Effekte.
Die Blätter sind bunt
nun bellt der Hund
nun lacht der Mund
Raureif liegt auf dem Gras.
Der Has`
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(Herbstgedicht der 6jährigen)
Antonia
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Re: Hochsensibel - depressiv - altklug - präpubertär ???

Beitrag von Antonia »

Vielen Dank, schon bestellt (das zweite). Ich bin inzwischen ganz erleichtert, weil ich von so vielen Leuten genau diese Aussagen, Geschichten und Themen gehört habe - von Euch, von Freunden und auch von denen, die das Buch rezensiert haben :D

Wir grooven uns so langsam auf unser neues Kind ein. Waren bei einer Homöopathin, die einen sehr guten Eindruck machte (heute gabs dann drei Gobuli Phosphor), freuen uns auf die Weihnachtsferien und hoffen, dass wir bis Anfang der letzten Schulwochen gut erholt und ganz entspannt sein werden.

Auf jeden Fall würde ich gern die Einschlafgeschichten-Rituale hier mal installieren, aber lesen oder spielen (mit Mama!) ist bisher immer interessanter. Ich behalts im Kopf. Und bei Elaine Aron hab ich nochmal nachgelesen; sie hat ein schönes Kapitel zum Thema "Scham vermeiden", das will ich mit in Ruhe ansehen über die Ferien. Scham spielt eine große Rolle bei meiner Tochter, bei meinem Mann übrigens auch.

Ich wünsche Euch schöne Ferien und eine gute Zeit! Auf bald, es ist gut zu wissen, dass hier viele kluge Menschen ihre Erfahrungen teilen!

Antonia
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