Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Koschka hat geschrieben:
Was lernt man dan von den Kindern, denen jede Art von Empathie und Mitleids fremd ist, und die nichts anderes zu tun haben, als die anderen Kinder zu drangsalieren?
Man könnte in einer Situation lernen, in der ein solches Kind in enger Begleitung eines Erwachsenen an eine neue Kindergruppe herangeführt wird, dass kein Kind nur schlecht und böse ist! Viele Kinder wollen einfach nur dabei sein und mitmachen, haben aber nicht gelernt, wie. Wenn es dann gelingt, dass die Kinder Wege finden, miteinander umzugehen, haben alle unglaublich viel gelernt! Doch natürlich kann man Kinder in solchen Situationen nicht völlig allein lassen, da braucht es Erwachsene, die vermitteln. Und evt. auch erkennen, wenn das betroffene Kind wirklich professionelle Hilfe in Form von Psychologen etc. nötig hat.


In der Schule meiner Tochter gibt es einen neuen Jungen, dem es sehr schwer fällt, in positiven Kontakt mit den Kindern zu kommen. Er reagiert aggressiv und versucht so in Kontakt durch Ärgern zu kommen. Seltsamer Weise ist es so, dass meine Tochter einen Zugang zu diesem Jungen bekommen hat. Sie sagt, sie hat ihn "gezähmt", er würde sie nicht ärgern, weil sie ihn versteht :) Sie hat also gestern viel mit ihm gesprochen und hat ihm versucht klarzumachen, dass die anderen Kinder nicht mit ihm spielen wollen, wenn er sie nur ärgert. Dann ging sie zu den anderen Kindern (ihren neuen Freunden) und hat versucht hier zu erklären, dass dieser Junge eigentlich nur gerne mitspielen möchte. Als die Situation sich trotzdem zuspitzte, hat sie eine Lernbegleiterin dazu geholt.
Die Situation ist noch nicht gelöst, es wird bestimmt eine Zeit brauchen, bis der Junge wirklich verinnerlicht hat, wie er in positiven Kontakt mit den Kindern kommen kann. Ich bin sehr gespannt, wie sich die Situation weiter entwickeln wird, doch ich denke schon jetzt, dass die Kinder viel gelernt haben und weiterhin lernen werden!


Momo
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Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Was mich an dieser Situation natürlich besonders als Mama freut ist, dass meine Tochter als jüngstes Kind dieser Schule schon so gefestigt ist, nicht in der Gruppe mit zu schwimmen, sondern selbst denkt, fühlt und handelt. Ihre Freundinnen mögen diesen Jungen nicht, doch sie geht zu ihm und nimmt Kontakt auf. Sie schließt ihn nicht aus, sie versucht, zu vermitteln. Und dies ist etwas, was ich meiner Tochter gerne für ihr Leben weitergeben möchte, doch was ich anscheinend gar nicht mehr brauche- sie hat es schon :D Dies sind Werte, die unsere Gesellschaft weiterbringen, hier müssen wir unsere Kinder stark machen!!

Momo
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orangenminze
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von orangenminze »

Liebe Momo,

nur kurz: ich bin größtenteils Deiner Meinung; ich wäre die Letzte die behaupten würde, beim Romane lesen, "sinnlose" Kunst herstellen oder konsumieren etc. würde man nichts lernen ;) nur Rechtschreibung habe ich persönlich eben nur durch konsequentes Üben gelernt. Aber auch das eben erst ab ca. der 5. /6. Klasse als vermehrt Wert darauf gelegt wurde (mir wäre es wahrscheinlich eher egal geblieben, aber ich wollte, das meine selbsterfundenen Geschichten gelesen und verstanden werden), also auch das ging noch, es war nicht "schon alles zu spät".
Zu der abwertenden Haltung von Schülern einer Freien Schule hier (wiederholt mitbekommen): ich habe mich schon gefragt, ob es für jemanden, der nicht so selbstbewußt ist, nicht aus so einem sicheren Elternhaus kommt, angenehm ist, in einer solchen Gruppe zu sein--- ich denke, es wäre schwer. Wahrscheinlich war ich aber auch enttäuscht- gerade von den Eltern dieser Schüler hatte ich wiederholt gehört, dass das soziale Miteinander so wichtig und gut sei (an der freien Schule). Vielleicht waren meine Erwartungen überzogen.
Zu dem freien Spielen lassen: sehe ich ähnlich wie die Meisten hier. In den meisten Situationen und mit den meisten Kindern funktioniert es wunderbar und es braucht wirklich nicht viel eingreifen. Egal welcher Kindergarten, welche Familie, welche Schule. Ich greife nur ein, wenn es gar nicht anders geht (also eines meiner Kinder oder ein anderes Kind Hilfe einfordern oder erkennbar brauchen) oder mein Kind sich mit den Eltern von anderen Kindern auseinandersetzen muss, weil die (meiner Meinung nach oft viel zu früh) eingreifen. Mit anderen Kindern streiten finde ich ok, aber mit Erwachsenen muss mein Kind nicht streiten. Ich will das allerdings auch nicht, das ist mir oft zu blöd. Meistens beende ich einfach die Situation, streite aber nicht den Streit der Kinder zu Ende ;) .
Im Kindergarten von meinem Sohn wird auch viel "laufen gelassen" und die Kinder regeln viel untereinander. Größtenteils klappt das auch, allerdings ist es für meinen Sohn, der nun mal sensibel ist und einen extremen Gerechtigkeitssin oftmals auch anstrengend und herausfordernd, da er schon recht früh eine anerkannte und vermittelnde Position hatte. Manches Mal hätte ich mir da von den Erzieherinnnen auch einen Schutz für mein über- sozial-kompetentes Kind gewünscht. Es ist besser geworden, da er nun zu den älteren Kindern gehört, aber dennoch. Zwischen 6, 7 jährigen zu vermitteln war für meinen damals 3, bzw. 4 jährigen oft zu viel.
Aktuell gibt es auch im Kiga einen Jungen, der sämtliche freien Spiel "sprengt" und eigentlich ganz klare Regeln braucht--- vermute ich---- als Sicherheit, er ist von dem freien Miteinander auch oft überfordert, und das äußert sich auch durch massives ärgern, Spiele stören, hauen, treten etc. Ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickeln wird.

lg orangenminze
Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Liebe Orangenminze, ich verstehe, was Du meinst. Mein Kind ist auch von der über-sozial-kompetenten Sorte- vermute ich- und außerdem sehr sensibel. Ich staune auch darüber, über welche Sicherheit sie mittlerweile verfügt. Ich bin ebenfalls gespannt, wie es weitergeht. Im Moment merke ich, dass sie als Spielpartnerin sehr beliebt ist und dass sie sich sehr wohl fühlt, weil sie akzeptiert und gemocht wird und sie sich frei entwickeln darf. Denn dieser Aspekt, die freie Entwicklung, ist ihr selbst von herausragender Wichtigkeit. Wir werden sehen :)
Momo
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Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Für Euch alle, die Ihr Euch mit dem Thema beschäftigt, wie man Kinder und Jugendlich inspirieren kann und was Lernen bedeutet und mit Inspiration zu tun hat, ein wunderbares Interview mit dem Hirnforscher Gerald Hüther:
https://www.youtube.com/watch?v=SEa21m5IAKY
Nehmt Euch die Zeit!

Momo
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alibaba

Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von alibaba »

Moin,

über Lernmotivation und Inspiration habe ich schon viel gelesen, mich treibt dieses Thema einfach rum. Der Herr Hüther war da auch dabei. Nützt mir leider nur nichts.

Ich würde aber gerne auf koschkas Info zurück greifen wollen, weil ich es genau so sehe und erlebe. Das größte Problem besteht darin, das man es eben nicht weiß wo man landet. Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Auch der Vergleich mit der Tänzerin zeigt, wie schwer es werden kann oder eben wie einfach. Hier an der "normalen" Schule bekommt man das, was die Wirtschaft hier erwartet und verlangt.

VG
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Alibaba hat geschrieben:
Hier an der "normalen" Schule bekommt man das, was die Wirtschaft hier erwartet und verlangt.
Zumindest wiegt man sich in der "Sicherheit", doch wird die Wirtschaft in Zukunft nicht vor allem Querdenker und motivierte Persönlichkeiten brauchen? Trendforscher gehen davon aus und es ist schon heute zu merken. Und andererseits, wer sagt, dass die Kinder den geraden Schulweg gehen werden? Dass sie den (von den Eltern?) erwünschten "guten" Abschluss machen werden? Nichts ist sicher. Nur eines- wenn ein Kind gerne zur Schule geht und Freude am Lernen hat und motiviert und neugierig ist, dann ist das Kind auf jeden Fall auf dem richtigen Weg, darauf kommt es an.

Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Meine Tochter hat heute übrigens geweint, als ich sie abholen wollte, weil sie noch in der Schule bleiben wollte... dass ich das noch erleben darf- dies wäre im Kindergarten undenkbar gewesen :shock:

Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Koschka hat geschrieben:
nein, so eindeutig sehe ich das nicht. Als Querdenker wird man geboren, und nicht mal die klassische Ausbildung in den letzten Jahrhunderten schaffte es die Freigeister zu töten.
Leider wissen wir nicht, wie viele Freigeister ihren freien Geist aufgegeben haben, das lässt sich nicht nachvollziehen! Doch was auffällig ist- die wirklichen Querdenker und Genies sind in der Mehrzahl frustrierte Schulabbrecher. Der norwegische Komponist Edvard Grieg sagte z.B. "Die Schule entwickelte in mir nichts als das Schlechte und ließ das Gute unberührt". Sie haben weder besondere Schulerfolge noch besondere akademische Auszeichnungen vorzuweisen. John Lennon wurde aus dem Kindergarten geworfen, Woody Allen achtete in der Schule auf alles, nur nicht auf seinen Lehrer. Salvador Dali zeichnete am Liebsten den ganzen Tag und Pablo Picasso weigerte sich, rechnen zu lernen. Wie Ihr bestimmt alle wisst, gibt es noch viel mehr Beispiele. Diese Menschen fragten, forschten, malten, träumten. Und bewiesen Charakter, Eigensinn und Ausdauer. Doch das kam natürlich nicht gut bei den Lehrern an, Eigensinn wird nicht positiv bewertet.
Also, wie viele freie Geister konnten sich wohl nicht entwickeln und haben sich schließlich angepasst und ihre Freiheit aufgegeben...???

Momo
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Rabaukenmama
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Die Beispiele sind allesamt nichtssagend. Abgesehen davon kann man die Schule zu Dalis und Picassos Zeiten nicht unbedingt mit der heutigen in Deutschland oder Österreich vergleichen. Wenn ich suche kann ich ad hoc 100 berühmte Persönlichkeiten finden, welche die Schule abgebrochen haben und im Gegenzug 100 andere, die einen Schulabschluss "mit ausgezeichnetem Erfolg" vorweisen können.

Für mich ist relevant, was ich beobachte. Ich habe einen großen Bekanntenkreis. Wie gesagt hauptächlich ältere Frauen und darunter sind wirklich viele Eltern von Schulabbrechern. Diese Kinder sind heute in meinem Alter oder bis zu 20 Jahre jünger und in Österreich aufgewachsen, also viel eher vergleichstauglich also Schule vor über 100 Jahren in Spanien. Trotz Schulabbruch haben sie durch die Bank "ihren" Weg gefunden.

Ist es Zufall dass etwa die Hälfte dieser Kinder, deren Eltern viel Zeit, Geld und Kraft investiert haben, trotz besten Voraussetzungen keine Matura (in der Regelschule gemacht) haben? Wenn in einer HTL, HAK oder HBLA drei erste Klassen starten, warum gibt es dann einige Jahre später nur eine Abschlussklasse? Sind wirklich 2/3 der Kinder zu dumm für diese Schule oder liegt es am Frust, der SEHR WOHL durch ein zu starres System ausgelöst wird, das einerseits scheinbar willkürlich bestimmte Leistungen oder Fertigkeiten einfordert und andererseits keinen Platz für die Auslebung echter Interessen und die Entfaltung von Talenten hat.

Ist es Zufall dass Lehrstellensuchende heute bei relativ einfachen Testaufgaben scheitern, obwohl sie mindestens 8 1/2 Schuljahre hinter sich haben? Ist das sinkende Niveau der Pflichtschulabschließer dadurch entstanden, dass immer öfter höhere Schulformen "probiert" werden? Als Eltern hört man ständig dass Matura so ziemlich das mindeste sein sollte, was ein Kind an Schulabschluss erreichen sollte. Klar kommen da auch einige Kinder auf Maturaschulen, denen das Niveau eigentlich zu hoch ist. Aber etliche haben alle Voraussetzungen und brechen dann trotzdem ab. Und siehe da, in fast allen Sparten geht´s auch ohne Vorzugs-Maturazeugnis, wenn man die nötige Motivation und Einsatzbereitschaft (beides in der normalen Schule nicht erlernbar) mitbringt.

Ich halte Regelschulen absolut nicht per se für schlecht. Aber "der sicherer Weg für einen guten Abschluss und gute Berufsaussichten" sind sie nicht!
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
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