Wie viel Differenzierung in 1. Klasse üblich

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
zweierpack
Dauergast
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Wie viel Differenzierung in 1. Klasse üblich

Beitrag von zweierpack »

Hallo,

die Frage steht ja schon in der Überschrift. Wie sieht/sah es bei Euch in Deutsch und Mathe aus? Was ist üblich? Kann man es der Lehrerin gegenüber ansprechen?

Ich habe ein sicher nicht hochbegabtes aber aufgewecktes und inzwischen etwas gefrustetes Mädchen zu Hause.
Differenzierung findet im normalen Unterricht wohl nicht statt (schnellere dürfen manchmal mit den Hausaufgaben anfangen - kann nachmittags Zeit sparen ;-).
Nach Aussage der Lehrerin ist ihr der gleiche Stand aller Kinder sehr wichtig.

Es gibt eine extra Förderstunde reihum für die Kinder. Meine Tochter war sehr stolz, dass sie inzwischen ihr erstes richtiges Buch gelesen hat. In der F-Stunde bekam sie ein Lese-Übungsheft, dass sie schon kannte (sie wurde als die Klasse aufgeteilt wurde damit von einer anderen Lehrerin "ruhig gestellt"). Sie hat das auch der Lehrerin gesagt, dass sie damit schon durch ist. Sie soll es jetzt zum zweiten Mal machen. Aussage der Lehrerin, das schadet ja nicht. Ehrlich nicht?

Wozu ist F-Unterreicht da, wenn die Kinder da nicht "gefordert" werden. Ich merke bei meiner Tochter zunehmende Unlust, dämliche Flüchtigkeitsfehler und den ersten kleinen Schulfrust (ich will heute nicht in die Schule) - dabei ist sie definitiv sehr leistungsbereit und engagiert (auch nach Aussage der Lehrerin).
Würdet Ihr das ansprechen? Ich will nicht so dumm rüberkommen ("meine Tochter kann das schon"). Es gibt auch noch einige andere "lesende" Kinder in der Klasse. Sie ist nur ein neugieriges Kind, dass sich manchmal mehr Futter in der Schule wünscht....
Habt Ihr Tipps? Viele Grüße!
charlotte12
Dauergast
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Re: Wie viel Differenzierung in 1. Klasse üblich

Beitrag von charlotte12 »

Hallo Zweierpack,

Puh, die Aussage, dass der Lehrerin der gleiche Stand aller Kinder sehr wichtig sei, erinnert mich an die Aussage eines Waldorf-Lehrers (alle schwimmen begeistert im großen "Lern-Fluss" mit...) und schließt meines Erachtens individuelle Förderung so ziemlich aus. Meine Tochter hat glaube ich ziemlich Glück - die Lehrerin bindet ihr Lesen-können geschickt in die Klassengemeinschaft ein, dh. sie hat das Amt des offiziellen "Vorlesers", wenn es was zu lesen gibt. Außerdem hat sie in Mathe und Deutsch schwierigere Extra-Hefte, die sie immer mal wieder bearbeiten darf, wobei sie das gar nicht immer will - immer wieder will sie auch einfach dasselbe tun wie der Rest der Klasse. Mit der Förder-/Forder-Stunde klappt es bisher noch nicht ganz so toll, die empfindet sie als sehr langweilig, da sie zwar schwierigere Dinge machen darf als der Rest, es ihr aber trotzdem noch zu einfach ist. Aber da von Lehrerseite her das Problembewusstsein da ist, denke ich, dass auch das noch wird, außerdem ist das ja nur ein Bruchteil des Unterrichts.

Hast Du die Möglichkeit, mit den Eltern der anderen lesenden Kinder zu sprechen, wie die das empfinden? Ansonsten, ja, ich würde das Gespräch mit der Lehrerin suchen, und das bevor Deine Tochter komplett verweigert, ich würde der Lehrerin vorsichtig mit ich-Aussagen und bloß nicht vorwurfsvoll und nicht besserwisserisch einfach mal schildern, wie Du Deine Tochter erlebst und Sie als pädagogische Expertin um Hilfe bitten. Wenn ihr allerdings der gleiche Stand der Kinder so sehr wichtig ist und sie in Unterforderung überhaupt kein Problem sieht, dann wirst Du auf Granit beißen... Aber vielleicht sieht sie ja Möglichkeiten für alternative Aufgaben, die nicht dem allgemeinen Lern-Stoff vorgreifen?

Gruß
Charlotte
inessa73
Dauergast
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Re: Wie viel Differenzierung in 1. Klasse üblich

Beitrag von inessa73 »

Meine Kleine kam auch sehr gut lesend in die Schule.

Inzwischen haben sie ab und zu eine Art Freiarbeit, in denen sie Arbeitsblätter etc. nach Vorgabe der Lehrerin bearbeiten. Bei ihr sind manchmal andere Aufgaben aufgeführt als beim Zwillingsbruder. Die scheinen auch etwas schwieriger zu sein. Aber ich denke, eine große Herausforderung sind sie nicht wirklich. Aber da sie gar keinen großen Wert darauf legt, besonders schwere Aufgaben zu bekommen, geht das erstmal in Ordnung.

Der Bruder ist in Mathe sehr fit, aber scheinbar hat das die Lehrerin noch nicht wirklich mitbekommen, zumal er im letzten Lernstandstest 3 Fehler hatte (einmal z.B. vergessen das Ergebnis hinzuschreiben - der Schusselkopf ;- ). Seine Schwester war da besser und hatte letztens, als sie mal am PC Matheaufgaben lösen durften, die schwierigeren Aufgaben bekommen. Da wird also auch etwas differenziert.

Die Differenzierung erfolgt aber wirklich nur in einem sehr kleinen Rahmen. Bei 25 Kindern in der Klasse, die alle einen anderen Stand haben ist das sicher auch nicht einfach umsetzbar.

Wie gesagt, meine Beiden sind erstmal zufrieden soll, aber wenn ich feststellen sollte, dass ihnen extrem etwas fehlt, würde ich dann doch noch einmal Rücksprache mit der Lehrerin halten. Beim Großen war das z.B. am Ende der 1.Klasse aufgefallen, dass er sehr unkonzentriert wurde, weshalb wir den Test angestoßen haben.
Schnegge
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Re: Wie viel Differenzierung in 1. Klasse üblich

Beitrag von Schnegge »

Bei uns gibt es für Lese-Kinder eine extra Lesegruppe in der Schule.

Davon kann ich aber noch nicht viel berichten weil wir die Problematik erst in drei Jahren haben ;)
Unser Sohn hat sich erst jetzt und auch nur gezwungener Maßen mit Buchstaben auseinander gesetzt ... im Gegensatz zur 3 Jährigen Schwester :D

Ich würde auf jeden Fall das Gespräch mit der Lehrerin suchen um eine Lösung zu Finden mit der alle zufrieden sind!
Vielleicht hilft es auch wenn du der Lehrerin im Gespräch verdeutlichst, dass sie sich langweilt und mittlerweile sogar ungern zur Schule geht.
Wieso soll sie z.B. ein Buch zum 2. mal lesen ... ob die Lehrerin ihre Bücher auch doppelt liest weils ja nicht schaden kann ?

Grüße Katrin
mamma42
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Re: Wie viel Differenzierung in 1. Klasse üblich

Beitrag von mamma42 »

Ich kann mich nur Charlotte anschliessen. Unbedingt mit der Lehrerin reden. Und vorsichtig formulieren. Deine Beobachtungen schildern bzgl. des Kindes. Aussagen des Kindes hervorheben. Lehrer(innen) fühlen sich leider schnell auf den Schlips getreten, vertrauen auch nicht auf das Urteil anderer Lehrerinnen.

Ich war in KLasse 1 beim Junior auch mehrmals vorstellig - es war mühsam. Sie hat ja durchaus zugehört, aber wollte sich immer erst vom Können des Kindes überzeugen, bevor sie etwas schwierigeres gegeben hat. D.h. hin und wieder durfte er Aufgaben der 2. Klasse lösen, die ihm aber immer noch zu leicht waren.
UNd: erst die Pflicht, dann das Vergnügen. D.h. nur wenn der Standardstoff vorbei war, durfte er dann beliebige Bücher lesen (sogar sein e LegoComics).
Erst nach dem Testergebnis war sie dann verstärkt bereit, ihn zu fordern, er durfte dann bei Wiederholungsstunden etwas anderes machen, aber: es war immer noch zu leicht und: er wollte nicht der einzige sein. Was prinzipiell gut war: es gab auch hin und wieder Freiarbeitsstunden, da konnte er sich aus dem vohandenen Material selber etwas holen, da hat er unter anderem zu den chwierigeren Logeos-Aufgaben gegriffen. Allerdings hängt dies vom Arbeitsmaterila und derEigenmotivation des Kindes ab.
Was ich sher schade fand, dass sie mir nicht geglaubt hat, dass er zu uns sagte, dass es ihm in der Schule sehr schlecht geht, sie würde davon nichts merken.
(Aber trotzdem würde ich an deiner Stelle die auflkommende Schulunlust erwähnen, schliesslich wollen doch alle lehrerinnen, dass sich ihre Schützlinge wohlfühlen).

Bei meiner Tochter in der ersten ist das "Pultbuch" auch Standard, meine Tochter nimmt auch hin und wieder etwas zu lesen mit. Sie durfte von Anfang an auch schon beim Austeilen helfen. Ob sonst viel passiert, weiss ich nicht. Töchterchen ist zwar echt fit, kann sich aber wunderbar mit der Situation abfinden, weil sie immer genung anderes findet, was ihr Spass oder Freude macht. Ich hab mit der Lehrerin über sie persönlich noch nicht gesprochen, aber bei einem Zufallstreffen hat sieaber anklingen lassen, dass sie selber ziemlich fitte Kinder hat und dass die allgemeine Differenzierung (Thema war Mathe) in anderen Schulen eigentlich selbstverständlich war. Wahrscheinlich hat sieein offeneres Ohr...

Ich kann dir nur noch den Tip geben: engagier Dich wenn möglich bei KLassenveranstaltungen, bei denen die Lehrer UNterstützung von Eltern brauchen, z.B. Lesemama, Ausflugsbegleitung,..., da kommt man eher mal ins Gespräch und die Lehrerinnen sind dann auch offener für Vorschläge...
Rabaukenmama
Dauergast
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Re: Wie viel Differenzierung in 1. Klasse üblich

Beitrag von Rabaukenmama »

charlotte12 hat geschrieben: Puh, die Aussage, dass der Lehrerin der gleiche Stand aller Kinder sehr wichtig sei, erinnert mich an die Aussage eines Waldorf-Lehrers (alle schwimmen begeistert im großen "Lern-Fluss" mit...) und schließt meines Erachtens individuelle Förderung so ziemlich aus.
So ziemlich dasselbe habe ich auch gedacht, als ich diesen Beitrag von zweierpack gelesen habe.

An der Schule meines Sohnes (städtische Schule in Wien) wird bestmöglich differenziert. In deutsch ist er (Erstklässler, im September regulär eingeschult) mindestens am Stand der 2. Klasse und bekommt entsprechend "Stoff". So darf er z.B. am Klassen-PC eine Geschichte schreiben. Auf eigenen Wunsch "arbeitet" er aber auch alle Buchstaben durch. Mir kommt vor er fühlt sich sicherer wenn er etwas macht, was er schon gut kann.

In Mathe ist er auch weiter als die von den Lehrern so genannte "Basisgruppe" der Erstklässler. Ein anderer Erstklässler ist in Mathe noch weiter, der darf schon mal-rechnen. Mein Sohn rechnet im Moment im Hundertfeld und übt den 10er Sprung. Da er schon lange gut und sinnerfassend liest bekommt er in Mathe auch einfache Textaufgaben, so etwa "Susi hat 8 Äpfel und Markus hat 9 Äpfel, wie viele haben sie zusammen?"
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
basket
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Re: Wie viel Differenzierung in 1. Klasse üblich

Beitrag von basket »

Oh je, wenn ich als Lehrerin höre, ich möchte die Kinder auf dem gleichen Stand haben, bekomme ich Halskratzen :schwitz:
Individualisierung ist in Zeiten von Inklusion extrem wichtig (Ich bin Sonderpädagogik) und zwar in alle Richtungen. Schülerschaft ist heute so heterogen und da funktioniert ein "gleichmachen" einfach nicht mehr. Wenn ich überlege das ich in meiner Förderschulklasse bei 14 Schülern 7 Lerngruppen in Mathe habe und wir in Deutsch sowieso nur noch in Förderbändern arbeiten, um den Schülern halbwegs gerecht zu werden, denke ich immer, dass die Grundschule langsam mal ihr System überdenken sollte.

Ich denke es wird schwer mit der Lehrerin zu reden, aber ich würde es vorsichtig versuchen. Mein Großer ist als spätes Musskind mit noch 5 in der Schule gekommen und konnte locker den Stoff der 1 Klasse in Mathe. Der Klassenlehrer ist sehr langsam im Stoff vorgegangen, was ja für die schwächeren Kinder nicht schlecht ist.
Wir hatten damals im Dezember ein total frustriertes heulendes Kind zu Hause, der nicht verstanden hat "warum die anderen in der Klasse so dumm sind"!

Ich habe es damals versucht anzusprechen, darauf wurde mir gesagt, dass er zu langsam wäre beim Arbeiten. Wenn er den Stoff in der Stunde schnell schafft, bekäme er Zusatzmaterial. Ich habe mit meinem Kind gesprochen. Daraufhin erklärte mir mein Sohn dann, dass er dann die Zusatzseite im Arbeitsheft (zur Vertiefung und Förderung) rechnen darf und die ist ja genauso langweilig. Dann könnte er auch langsam arbeiten! Recht hatte er!

Auf dem letzen Sprechtag beim Klassenlehrer (er ging dann zum Glück in Rente) sagte er mir, dass mein Sohn die ganze Zeit doch wohl im Mathematikunterricht unterfordert war (ach ne)!

In der Klasse meines kleinen Sohnes ist auch ein Mädchen, dass sehr weit ist und springen könnte (meine Freundin, die Mutter, möchte es jedoch nicht und hat auch ihre Gründe). Sie wurde gebeten Zusatzmaterial anzuschaffen und das Kind stellt ab und an gelesen Bücher vor usw. Das hätte ich mir für meinen Großen auch gewünscht.

Ich wünsche dir gute Nerven und viel Erfolg
VG Basket
Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit! (Sören Aabye Kierkegaard)
basket
Dauergast
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Re: Wie viel Differenzierung in 1. Klasse üblich

Beitrag von basket »

Ach ja, es erinnert mich sehr an das Bild "klettert auf den Baum"

http://www.grundschulpaedagogik.uni-bre ... eiheit.pdf
Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit! (Sören Aabye Kierkegaard)
zweierpack
Dauergast
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Re: Wie viel Differenzierung in 1. Klasse üblich

Beitrag von zweierpack »

Hallo,

vielen Dank für Eure Antworten. Es zeigt mir, dass mein Gefühl stimmt, dass die Philosophie "alle müssen immer auf einem Stand sein und immer das gleiche bearbeiten" so nicht stimmen kann. Meine Tochter hat sich berappelt. Nach dem kleinen Durchhänger hat sie jetzt das besagte Leselernheft (ca. 50 Seiten) im Hauruckverfahren zum zweiten Mal fertig bearbeitet und wird es der Lehrerin geben. Sie ist manchmal eine unglaubliche Zicke, aber sie hat Power... sehen wir, was die Reaktion ist...
Viele Grüße
Ruckizucki
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Registriert: Di 10. Jan 2017, 00:47

Re: Wie viel Differenzierung in 1. Klasse üblich

Beitrag von Ruckizucki »

Ich bin auch ziemlich gefrustet. 1. Klasse Waldorfschule. Sohn (7) konnte schon vorher lesen/rechnen...(und das habe ich ihm NICHT beigebracht.
Er hasst die Schule, möchte nicht hin. Heute nach den Ferien kam er mit den Worten nach Hause: "Warum bin ich nicht gleich in die 2. Klasse eingeschult worden?" Hab ich nie mit ihm in irgendeiner Art und Weise thematisiert. Ich halte ihn jetzt nicht für hochbegabt, aber eben an allem interessiert, schnelle Auffassungsgabe, kreativ, lösungsorientiert..... Im Unterricht macht er nicht mit, hört nicht, stört, ist Klassenkasper und "habe soziale Defizite" (aus den vorgenannten Gründen). In der Vergangenheit habe ich nur das Gegenteil gehört (außerhalb der Schule).
Heute haben sie in der Schule die Vokale wiederholt, morgen gibt es einen neuen Buchstaben mit Geschichte, den Buchstaben schreiben sie dann auch schon übermorgen. Die Lehrerin hofft, dass das dann für ihn wieder interessant wird....
Sohn: "Ich hör gar nicht mehr zu, das interessiert mich alles nicht." Er war ein notorischer Fragensteller, das Warum-Zeitalter hat er nie verlassen - bis jetzt! Fragen sind vorbei. Keine 3 Wochen Unterricht und der Spaß am Lernen, die Freude ist vorbei....Er hat noch 90 Jahre vor sich. Er bekommt schon Extraaufgaben, darf in seinem Büchlein blättern/lesen. Dadurch ist es auch schon besser, aber nicht wirklich... Jetzt entwickle ICH sogar schon Angst vor der Schule. Hat jemand Erfahrung mit dem Überspringen einer Klasse an einer Waldorfschule oder wie man das Kind dort abholt, wo es steht? Nicht nur die "langsameren", sondern auch die "schnelleren". Danke!
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