Wissensstand/Kompetenzen bei Einschulung

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
sinus
Dauergast
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Re: Wissensstand/Kompetenzen bei Einschulung

Beitrag von sinus »

Belana hat geschrieben: Wenn ich mir das Jammern befreundeter Eltern anhöre, dass ihre Kinder das Buchstabenzusammenziehen oder den Zehnerübergang noch immer nicht schaffen (für ersteres ist jetzt gerade wieder die Zeit, letzteres kommt dann im Frühling) dann bin ich wirklich froh, dass wir uns diese Probleme erspart haben.
Dafür verweigert meine Tochter leider die richtige Stifthaltung und schreibt nicht schön genug. Man kann eben nicht alles haben.
Sie ist jetzt in der 3. Klasse, liest lieber Sachbücher als Geschichten für ihre Altersstufe und langweilt sich beim Rechnen (hat aber auf fast jeder Seite mindestens einen Schlampigkeitsfehler) . Da wir bisher noch keine Noten hatten bin ich schon gespannt inwieweit ihr die Schrift Probleme bereiten wird und ob sie es schafft, ihr Wissen trotz Lärmbelästigung ("die sind so laut, da kann ich mich nicht konzentrieren....") bei den Tests auf Papier zu bringen.
Es kann also durchaus von Vorteil sein, wenn Kinder einen kognitiven Vorsprung mitbringen. Und an Langeweile leiden auch Kinder ohne Vorkenntnisse sehr bald, wenn sie neuen Stoff rasch kapieren. Da würde ich mir wirklich mehr Differenzierung wünschen.
Wir haben hier auch nicht Lesen und Rechnen geübt, vor allem aber deshalb, weil das Kind es verweigerte und dazu noch heftige Wutanfälle bekam, wenn es ihr nicht so gut gelang. Ich hab dann die Lehrerin gefragt, wie sie sich so macht, und ob sie z.B. das Lesenüben daheim für zwingend nötig hält. (Es gab an sich jede Woche einen Lesezettel mit heim, der abgearbeitet und von den Eltern danach abgehakt werden sollte.)
Da die Lehrerin meinte, sie mache sich gut und wäre sogar eine der Besten beim Lesen, hab ich es dann dem Kind überlassen und die Lesezettel immer einfach so abhakt, ohne es mir vorlesen zu lassen.
Sie kam trotzdem gut klar und es entspannte den Alltag ungemein, dass es keinen Zoff mehr darum gab.
Allerdings hatte sie dann halt wenig Vorleseerfahrung und bekam in Klasse 2 dann ab und zu beim Vorlesen nur eine 2, weil sie zu leise oder stockend vorlas.
(Still las sie aber sehr schnell und das Leseverständis war sehr gut)
In Mathe beim 1x1 auswendig Lernen klappte es dann später mit dem Abfragen dann auch wieder so gar nicht, weil das Kid so wütig wurde. Da hab ich sie dann kurzerhand an den Laptop gesetzt und nach einem Spiel/Programm dafür gesucht. Allerdings wurde sie da immernoch schnell wütend (ich habe sogar ein Video davon gemacht für sie später mal, wie sie dabei auf dem Sofa tobt und flucht und zetert), aber immerhin bekam ich das dann nicht unmittelbar ab.

Vorteil des sich Hilfe widersetzenden Kindes war und ist, dass ich mich schon ab Klasse 1 um nichts was Schule betrifft groß kümmern musste. HA, Ranzen packen - hat das Kind alles allein gemacht. Das war meine Bedingung, dass ich mich nur dann nicht mehr einmische, abfrage, überprüfe, wenn sie es allein hinbekommt.
Schriftbild ist hier aber auch immermal in der Kritik und sie hat auch eigensinnig so manche Zahl "falsch" geschrieben. (die 2 beim Schreiben unten angefangen, statt von oben nach unten z.B.)

Auf die weiterführende Schule bin ich schon gespannt - ich denke mal spätestens dann muss sie auch mal zu Hause noch was zusätzlich machen, was bisher ja nie der Fall war.
Ich werde dann wohl besser immer gleich gaaaaanz weit weg gehen.
Die Blätter sind bunt
nun bellt der Hund
nun lacht der Mund
Raureif liegt auf dem Gras.
Der Has`
friert um die Nas.

(Herbstgedicht der 6jährigen)
alibaba

Re: Wissensstand/Kompetenzen bei Einschulung

Beitrag von alibaba »

Ich bin generell gegen die Zwangsverpflichtung zum Kigabesuch und auch gegen die Zwangsverpflichtung zur Ganztagsschule.

Ich wäre beim Kiga eher dafür, dass es für alle Kinder kostenlos wäre. So würde man nämlich auch die Leute greifen können, die die Kosten dafür lieber anderweitig ausgeben wollen. Und ich wäre für verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt.

Grundsätzlich wäre ich auch für ein einheitliches Vorschuljahr. Wenn ich hier sehe, wie unterschiedlich das Niveau der einzelnen Kindergärten ist, wird mir Angst und Bange. Da gibt es Konzepte die das Kind machen lassen. So darf man sich letzten Endes nicht wundern, wenn auch Defizite normaler Kigakinder recht groß sind. Ich sehe da nur klare Kann-Vorgaben als Lösung. Wir hatten Glück. Ein toller Kiga, der unterstützte wo es möglich war und auch die Kinder forderte. Also nicht nach dem Motto: "Wer will denn heute Gummistiefel anziehen?" sondern: "Wir ziehen Gummistiefel an!". Ich schrieb ja bereits, dass hier vom Kiga alle Kinder gut gerüstet in die Schule starteten.
alibaba

Re: Wissensstand/Kompetenzen bei Einschulung

Beitrag von alibaba »

Kinder erfahren durch erleben. Erleben muss man vorleben. Es reichen nicht nur Umweltreize, es bedarf dafür auch eines Elternhauses, welches für die Bedürfnisse des Kindes aufmerksam ist, die Reize aufnimmt und verstärkt. Das kann nicht jedes Elternhaus leisten, aus den verschiedensten Gründen.

Es kann und darf uns nicht egal sein, was ein Kind zur Einschulung kann. Hier in BW gibt es dafür aber bereits Vorgaben, die im jungen Alter von 4 Jahren überprüft werden. So verbleibt Zeit das anzugehen. Hauptaugenmerk ist dabei das sprachliche Vermögen des Kindes.

Nicht sehr verantwortungsvoll finde ich, dass jeder Kindergarten machen darf was er will. Mir persönlich reicht nicht nur glücklich und zufrieden. Ich erwarte, wenn ich mein Kind in den Kiga gebe, dass es gut auf Schule vorbereitet wird. Dabei meine ich nicht lesend oder rechnend. Wenn aber eine Lehrerin erst einem Kind erklären muss, wie man ausscheidet, finde ich das der Individualität des Guten zu viel.

Hier wurden alle Vorschulkinder in die Pflicht genommen. Dazu gehörten auch "Vorschulkurse" innerhalb der Kigazeit. Ein "Kurs" war das gemeinsame Zahlenland. Oder eben die Erwartung den eigenen Namen "drucken" zu können. Oder dass alle Vorschulkinder am jährlichen Theaterfest eine "Sprachrolle" übernehmen. Ja, dafür musste man einen kleinen Text auswendig lernen. Entsprechend "einfach" gelang hier allen der Start.
alibaba

Re: Wissensstand/Kompetenzen bei Einschulung

Beitrag von alibaba »

Nun, ich sehe was hier machbar ist und was eben nicht. Da hilft es mir auch nicht, wenn in schwarz Afrika deine Erlebnisse komplett anders waren. Das mag so sein und das mag toll sein, aber was nützt mir das denn hier vor Ort?

Wenn eine Lehrerin dem Kind richtig schneiden zeigen muss, hat es weniger Zeit sich um die anderen Dinge zu kümmern. Je älter die Kinder werden, umso krasser wird einem das bewusst. Nämlich dann, wenn das Kind keine Erklärung mehr bekommt und es sich das eben selber erarbeiten soll oder noch besser - die Eltern das sollen. Man muss sich oftmals nicht wundern, warum Differenzierung eben doch nicht klappt und es letzten Endes nur ein Zusatz ist. In der ARD-Themenwoche ging es um Gerechtigkeit. In einem schönen Beitrag zur Gerechtigkeit des Bildungssystems kam auch eine Lehrerin zu Wort, die eben genau diese Probleme hat. Ein Kind kann schneiden, ein anderes eben nicht. Und mein Herr Sohn bekam, letzte Woche, von seiner Chemielehrerin ein Prospekt, wo er denn separate Forderung bekommen könnte, da sie es im Unterricht so nicht stemmen kann. Unterricht reicht nicht für Differenzierung, er reicht nur für Unterricht.

Ich glaube weiterhin nicht, das die Begabten schon etwas für ihren Geist finden. Sag das doch mal deiner sich langweilenden Tochter. ;)

Ich glaube, dass Kinder auf uns Eltern angewiesen sind, zumindest bis zu einem gewissen Alter. Mein 9.Klässler kann mittlerweile was für seinen Geist finden. Als 3-jähriger konnte er das nicht.

Übrigens: an unserer Grundschule fing man nicht bei A an. Da konnte man dann die Zahlen bis 10 schon mal überspringen oder viel schneller voran treiben. So kam es dann auch, dass das kleine 1x1 bereits in Klasse 1 angerissen wurde.

Pädagogisch wertvolles Spielzeug hatte ich auch nie, da meine Kinder eh nicht die klassischen Spielkinder waren und sind. Mein Sohn hat gar kein Spielzeug mehr, meine Tochter nur noch ihr heißgeliebtes Schleich. Meine Kleine ist eher ein Ich-gehe-nach-draußen-Spielkind, mein Teenager trifft sich mit seiner Peergroup, die einen immer größeren Raum einnimmt. Gestern war er, 2 Stunden zur Orchesterprobe und 2-Stunden Basketball spielen, dann gingen alle ins Cafe. Von dem hört man nichts mehr, nur wenn man mal vorsichtig anfragt, wo er denn gerade sei. :mrgreen: Aber wenn ich ihm nie seine Talente aufgezeigt hätte, dann wüsste er jetzt auch nichts Adäquates anzufangen. Die Teenager sehe ich hier nämlich auch sitzen, rauchend und trinkend auf den Bänken vor einer anderen Schule. Und Spaß am Leben hat mein Großkind ganz bestimmt. Das muss sich nicht ausschließen. Es gibt ja jede Menge dazwischen .. zwischen Roboter und komplett ohne Förderung. Ich bin weder für das Eine noch für das Andere. ;)
Willow77
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Re: Wissensstand/Kompetenzen bei Einschulung

Beitrag von Willow77 »

Koschka, ich habe auch Schwierigkeiten, zu differenzieren, als Lehrerin.
Die lernschwächeren haben ihr Heft geöffnet und den Bleistift gefunden, wenn die Starken und Schnellen die Aufgabe schon beendet haben.
Gebe ich ihnen dann was Neues? Etwas was sie selbständig machen können, do dass ich wenigstens einen Teil der Aufgabe aus den Langsameren herausquetschen kann? Dann langweilen sie sich aber. Denn, was sie alleine schaffen können ist ja kognitiv meist zu leicht. Gebe ich ihnen etwas Anspruchsvolleres? Dann brauchen auch sie meine Unterstützung, schaffen es eventuell nicht allein, und ich habe keine Zeit mehr, irgendwas aus den Schwächeren herauszuholen. Selbstverständlich bevorzuge ich die erste Variante, bei der die Schnellen etwas aufbekommen, was sie ohne meine Hilfe schaffen können. Alternativ können sie natürlich auch immer einfach ein Buch lesen, oder eine Geschichte schreiben. Dabei ist es gar nicht mein Ziel alle gleich zu machen. Der Unterschied ist sowieso schon zu groß dazu. Nur ist es meine von meinen Vorgesetzten auferlegte Pflicht, die Schwächeren auf ein minimales Mindest Niveau zu bringen. Was mir nicht gelingen wird. Von 16 Kindern müssten eigentlich 5 das Jahr wiederholen, weil sie bis zum Ende des 2. Schuljahres nicht gut genug lesen können, Null Rechtschreibung beherrschen, und keinen Satz selbständig hinbekommen, geschweige denn einen zusammenhängenden Text. Wenn ich dann aber 5 Kinder "sitzen" lasse, ist das auch nicht gut, weil das zeigt ja, dass ich meine Arbeit nicht gemacht habe.
Das hat nichts damit zu tun, das ich nicht für Mehraufwand für Differenzierung bezahlt werde als vielmehr, dass ich gerade dafür bezahlt werde, dass die schwächsten nicht total versagen. Und die Stärkeren, da gibt es ja kein Problem. Wo ist das Problem? Ah, natürlich, die langweilen sich ja wenn sie chronisch unterfordert werden. Manchmal wünsche ich mir, ich wäre mehrere Personen, oder sie würden endlich den 30-Stunden-Tag einführen, damit ich Zeit habe all meine Aufgaben genau so zu erledigen, wie es sein soll. 24 Stunden reichen einfach nicht.

So, also her mit praktikablen Tipps, wie man denn nun richtig differenziert und trotzdem noch 8 Stunden Schlaf, 3 Malzeiten am Tag und Familienzeit mit den eigenen Kindern bekommt.

LG,
Willow77
alibaba

Re: Wissensstand/Kompetenzen bei Einschulung

Beitrag von alibaba »

Koschka hat geschrieben: Sie sind die meiste Zeit damit beschäftigt, alle Kinder auf gleichen Stand zu bringen, was grundsätzlich nicht geht, weil sie schon in der ersten Klasse in der Entwicklung Jahre auseinander sind. Ich habe mal ausgerechten, dass kognitiver Unterschied zwischen dem schnellsten und dem langsamsten Kind in der 4. Klasse locker 6 Jahre betragen kann.
Woran machst du das denn fest? Woher weißt du das? Hast du die getestet? Woher nimmst du die felsenfeste Gewissheit, dass da 6 Jahre dazwischen liegen.

Aaaalso, ich weiß das nicht. Woher weiß man das? Ich kann nur berichten, dass in VERA3 also auch in VERA8 keine solcher Unterschiede festzustellen waren, weder an der Grundschule noch am Gymnasium in den Klassen meiner Kinder. Natürlich gibt es Kinder die hatten eben mal ein Kreuzchen mehr bei sehr gut und dann bei gut, aber wo ist da der Unterschied ob ich nun nur 2x gut und 1x sehr gut habe, zu 1xgut und 2x sehr gut, mitnichten sind das 6 Jahre kognitiver Unterschied. Selbst innerhalb der Schulen, beträgt die Differenz Realschule zu Gymnasium in Klasse 10, 1-2 Jahre - höchstens.
Koschka hat geschrieben: Nehmen wir die Klasse meine Tochter. Die Englischlehrerin hat dort Probleme mit der Differenzierung nicht weil die dort sitzenden Kinder nicht in dem KG Englisch gelernt haben, sondern in erster Linie weil viele Kiinder absolut demotiviert sind und überhaupt nichts machen wollen. Grips ist vorhanden, aber absolut keine Lust zum Vokabeln und Grammatik lernen. Dazu kommen noch Kinder, die es kognitiv nur hart an der Grenze schaffen und eigentlich nicht in diese Schulform gehören.
Das gibt es auch hier nicht. Das in diesem Extrem nicht, weder an der GS noch am Gymnasium. Klar gibt es Kinder die mal mehr oder mal weniger Lust haben, aber denen wird hier ganz schnell klar gemacht, was das letzten Endes bedeutet, nämlich die schlechte Note.
Koschka hat geschrieben: Ich kann auch in unserer Schule beobachten, dass es für Förderung kongitiv schwacher Kinder de facto genaso wenig geschiet wie bei den Begabten.
Das gibt es hier auch nicht.

Koschka hat geschrieben: Wenn ich was aus meiner sozialistischen Kindheit gelernt haben, ist es die Tatsache dass der Versuch alles für alle gleich zu machen immer schief geht.
Das kann ich so nicht behaupten. Differenzierung ist nur bedingt machbar, auch am Hb-Zug. Differenzierung erfolgt hier vor allem aus eigenem Antrieb. So "unterrichtete" letzte Woche mein Sohn in Mathematik die Bankreihe 1+2, der Lehrer 3+4. Da kam der Lehrer auf meinen Sohn zu, fragte ob er das machen könne und dann teilten die sich auf. Gleich sind dann aber trotzdem alle nicht.
Ich weiß jetzt natürlich nicht, was in deiner Kindheit gleich war, aber hier erlebe ich nicht, dass die Lehrer versuchen alle gleich zu halten. Denn in Mathe war das Thema dann durch, ein neues wurde begonnen. Ewig erklärt wird hier gar nix!

Was du über die Differenzierung der GS-Lehrerin schreibst, hört sich für mich nicht nach Differenzierung an, sondern eher nach dem berühmten "Mehr" nach eigener Lust. Denn das was Du beschreibst, kommt mir bekannt vor. Das hat aber nichts mit Differenzierung innerhalb des Unterrichts zu tun. Und auch hier wurde NWT zusammen unterrichtet. Das war aber eine Mogelpackung. Denn die Kinder in Kl.3 und 4 wurden mit den gleichen Themen unterrichtet. Also nicht, Klasse 3 erzähle ich etwas über Kartoffelstärke, Klasse 4 hört weg, sondern das System war rotierend. Im nächsten Jahr hörte dann die aufrückende Klasse 2 nach 3 nichts über Kartoffelstärke, sondern eben erst in Klasse 4, da ja sonst die von 3 nach 4 vorrückende Klasse 2x etwas über Kartoffelstärke gehört hätte.

Ich sehe durchaus bemühte Lehrer, die aber am System scheitern. Ich sehe natürlich auch weniger bemühte Lehrer, die gar kein Interesse haben, aber das streut sich spätestens auf der weiterführenden Schule und mit steigender Klassenstufe, da Unterricht immer mehr eigenständig wird und immer weniger Lehrer-steht-an-der-Tafel-und-erzählt-was-bestimmt.

VG
Edainwen
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Re: Wissensstand/Kompetenzen bei Einschulung

Beitrag von Edainwen »

@Willow: bei uns waren es ja auch Doppelklassen, so dass mein Sohn immer jeweils in der höheren oder in der niedereren Klasse mitgemacht hat, je nachdem, was er interessanter fand. Als er dann in die 4. Klasse kam, war natürlich wirklich die Frage, wie wird es ihm dort ergehen, wenn er nicht mehr zur höheren Klasse springen kann. Die Lösung war im Prinzip ganz einfach: er durfte allen Stoff in seiner selbst gewählten Reihenfolge und ins einem Tempo bearbeiten. Gelernt hat er dadurch natürlich nichts (bzw. er hat den Stoff ja ohnehin schon beherrscht), aber dadurch, dass er selbstbestimmt arbeiten durfte, war er wesentlich zufriedener ... er durfte auch eigene Sachen mitbringen und hat dann öfters mal Sachen aus dem Mathebuch seiner Schwester (6. Klasse) bearbeitet. Hilfe hat er dabei keine gebraucht, wird ja alles im Buch erklärt.

Irgendwelche Knobelaufgaben, die ihm angeboten wurden, die sich danach aber niemand angesehen hat, hat er abgelehnt.

Bei uns war natürlich der Vorteil, dass das auch nur Mathe und Deutsch betraf. Alle anderen Fächer waren ohnehin sehr differenziert und die Schüler konnten sich immer mit sehr interessanten Projekten beschäftigen, so dass da keine Langeweile aufkam.
Rabaukenmama
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Re: Wissensstand/Kompetenzen bei Einschulung

Beitrag von Rabaukenmama »

Koschka hat geschrieben: die Rechnung ist ganz einfach. Bei einem Alter von 10 Jahren bedeutet IQ 80 2 Jahre Rückstang bezogen auf die Norm, also kognitives Alter von 8 Jahren. Ein IQ von 140 bedeutet 40% Vorsprung, also kognitives Alter von 14 Jahren. Kreuzchen bei VERA spielen keine Rolle. Es geht ja darum, dass man dem Kind, das kognitiv gesehen 8 Jahre alt ist die Sachen nicht auf der gleichen Ebene vermitteln kann wie einem, das im Geiste 14 Jahre alt ist. Einem sagen die abstrakten Begriffe noch gar nichts, der andere findet konkrete Beispiele doof. Verlangt ist aber, dass sie etwa glech viel können.
Das mit den 6 Jahren Unterschied zwischen kognitiv fittestem und am wenigsten fitten Viertklässler kommt mMn in etwa hin. So ähnlich ist es auch im Buch "Schülerjahre" von Remo H. Largo beim Vergleich 13jähriger verteilt. Wobei mit dem Übertritt in die weiterführende Schule wieder alle Karten neu gemischt werden. Selbst ein bestmöglich gefördertes Kind wird mit IQ 80 kaum ins Gymnasium kommen und selbst wenn, wird es nicht lange dort bleiben. Sogar MANCHE Grundschullehrer wollen kognitiv sehr schwache Kinder nicht in ihren Klassen haben und geben schon lange vor dem 4. Schuljahr eine Sonderschulempfehlung ab.
Koschka hat geschrieben:Was bedeutet bei euch eine schlechte Note zu haben? Wir haben hier Kinder, die eine 5 in einem Vokabeltest ganz cool finden.
Das (eine 5 im Vokabeltest ganz cool finden) beobachte ich hier erst bei Kindern, wo die Pupertät schon begonnen hat. Da gibt es einige Exemplare, für die wirklich ALLES cool ist, was das Gegenteil von dem ist, was Eltern und Lehrer sich wünschen. Schulisch gesehen kenne ich das Problem in erster Linie an Hauptschulen, wo oft die schlimmsten Rabauken den Ton angeben und auch Anführer der Peergroups sind. Wer da dazu gehören will, darf ja kein "Streber" sein! Ist aber auch verschieden und kommt vor allem sehr auf die Klasstenkonstellation an (Geschlechterverteilung, soziale Herkunft, kognitive Fähigkeiten der Schüler, Führungsqualitäten der Lehrer...). In Realschulen ist diese Erscheinung schon deutlich seltener. An Gymnasien gibt es diese Kinder meiner Erfahrung nach nur sehr vereinzelt (bevor sie in eine Haupt- oder Realschule wechseln). Im Grundschulbereich kenne ich so was (stolz auf eine schlechte Note sein) gar nicht.

Diese Konstellation (schlechte Leistungen sind cool, Schüler mit guten Noten werden als "Streber" verachetet) ist für kluge Kinder (in der Pupertät) vor allem dann schwierig, wenn sie zufällig so einer Klasse "landen". Einer Freundin von mir ist es so ergangen. Die hatte viel Freude am lernen in der Grundschule und in allen Zeugnissen lauter Einser. Die Eltern waren einfache Leute vom Land und nicht sehr ehrgeizig. Sie wollten dem "armen, zarten Mädchen" nicht zumuten, täglich mit dem Bus in die nächste größere Stadt inst Gymnasium zu fahren und gaben sie daher in die Hauptschule. Dort wurde meiner Freundin schnell klar, dass man mit lauter-Einser nicht bewundert sondern eher verachtet wird, und sie hat absichtlich in der Schule nicht mehr ihre volle Leistung gezeigt, um nicht "aufzufallen". Sie hat sich in Folge auch bemüht, ihren sehr großen Wortschatz (sie hat sehr viel gelesen) nicht in der Unterhaltung mit ihren Mitschülern einfließen zu lassen, weil die sie dann nicht verstanden bzw. komisch angeschaut haben. Als sie mit gutem (aber nicht mehr sehr gutem) Abschlußzeugnis in die höhrere Schule wechselte, war die Motivation zum lernen schon pupertätsbedingt weg. Matura hat sie keine mehr geschafft (war aber trotzdem in späterer Folge beruflich durchaus erfolgreich).
Koschka hat geschrieben:... und nein. Differenzierung, die meine Kinder in den ersten 2 Jahren hatten, bedeutete nicht einfach mehr von 2 plus 3 oder statt dessen 12 plus 3. Der ganze Unterricht war anders gestaltet als man es von der traditionellen Schule kennt. Die Lehrerin wäre auch so weit die Kinder nach einer Leistungserhebung von dem Lehrplan ganz befreien zu lassen. Aber meine waren so jung, dass sie es nicht nötig hatten. Das hat auch ohne perfekt funktioniert. Sie müssten trotzdem nicht die Hefte voll füllen und jede Übung mitmachen. Wenn die Kinder was konnten, was es genug Übung. Dann durften sie was anders machen. Auch wenn sie was nicht konnnten, hat mir die Lehrerin zugehört, und alternative Wege ausprobiert. Als die üblichen Rechenwege meinen Sohn total verwirrt haben, so dass er nicht mehr rechnen konnte, hat sie ihn einfach in Ruhe gelassen statt exzessiv zu üben.
Solche Lehrer gibt es Gott sei Dank, aber sie sind sehr selten. Ich selbst hatte so eine Lehrerin in der 3. und 4. Grundschulklasse. Dann habe ich keine mehr kennengelernt, weder selbst noch über meine oder andere Kinder. Mein jüngerer Sohn hat mMn zwei Lehrer, die sehr gut differenzieren können. Aber durch die spezielle Klasse (gebärdensprachige, Gehörlosen-Autisten-Kleinklasse) und den extrem guten Betreuungsschlüssel (4 Schüler, 2 Lehrer) ist das natürlich nicht mit einer Grundschullehrerin vergleichbar, die allein 20 oder mehr Kinder unterrichtet (in meiner Grundschulklasse waren es 32).
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
alibaba

Re: Wissensstand/Kompetenzen bei Einschulung

Beitrag von alibaba »

Rabaukenmama hat geschrieben:
Koschka hat geschrieben: die Rechnung ist ganz einfach. Bei einem Alter von 10 Jahren bedeutet IQ 80 2 Jahre Rückstang bezogen auf die Norm, also kognitives Alter von 8 Jahren. Ein IQ von 140 bedeutet 40% Vorsprung, also kognitives Alter von 14 Jahren. Kreuzchen bei VERA spielen keine Rolle. Es geht ja darum, dass man dem Kind, das kognitiv gesehen 8 Jahre alt ist die Sachen nicht auf der gleichen Ebene vermitteln kann wie einem, das im Geiste 14 Jahre alt ist. Einem sagen die abstrakten Begriffe noch gar nichts, der andere findet konkrete Beispiele doof. Verlangt ist aber, dass sie etwa glech viel können.
Das mit den 6 Jahren Unterschied zwischen kognitiv fittestem und am wenigsten fitten Viertklässler kommt mMn in etwa hin. So ähnlich ist es auch im Buch "Schülerjahre" von Remo H. Largo beim Vergleich 13jähriger verteilt. Wobei mit dem Übertritt in die weiterführende Schule wieder alle Karten neu gemischt werden. Selbst ein bestmöglich gefördertes Kind wird mit IQ 80 kaum ins Gymnasium kommen und selbst wenn, wird es nicht lange dort bleiben. Sogar MANCHE Grundschullehrer wollen kognitiv sehr schwache Kinder nicht in ihren Klassen haben und geben schon lange vor dem 4. Schuljahr eine Sonderschulempfehlung ab.
Hier saß und sitzt kein Kind mit einem IQ von 80 in der Grundschule bzw. auch nicht auf einer normalen weiterführenden Schule. Dann wäre der Schnitt der Arbeiten schlechter gewesen. Das die Arbeiten und Test zu gering angesetzt wurden, konnte ich nicht beobachten. Das sich dann diese Differenz am Gymnasium durchziehen würde, halte ich für Blödsinn. Hier sitzt kein Kind mit einem IQ von 80. Letzten Endes weiß ich es nicht (woher auch) aber ich sehe den Klassenschnitt der Arbeiten.

Ich weiß nicht woher Ihr die Gewissheit nehmt, dass an euren Schulen solche Differenzen bestehen, ich kann das für hier überhaupt nicht bestätigen. Zumal das auch vorher sortiert wird. Auffälligkeiten erkennt hier der Kindergarten ganz gut. Spätestens im Vorschulprogramm sähe man solche extremen Differenzen. So wie ich angesprochen wurde, dass mein Kind weiter sei, so wurden auch andere Eltern angesprochen, in die eine oder eben in die andere Richtung. Und nicht alle wurden dann in der Grundschule eingeschult. Einige bleiben noch ein Jahr im Kindergarten oder besuchten eine Vorschule.

Ich denke, dass ein Kind einen schlechten Test nur vorspielend als cool empfindet. Unweigerlich findet das cool finden hier ein trauriges Ende. Die Kinder die mir bisher begegneten, fanden schlechte Noten NIE cool, sondern immer sehr demotivierend, auch wenn sie es nicht immer zugaben. Aber die ganze Körpersprache zeigte, dass das keiner so cool fand, im Gegensatz zur akustischen Argumentation. Und selbst mein Teenager argumentiert zwar "Ist mir doch egal", aber egal ist es ihm definitiv nicht.

Vielleicht lebe ich ja auch auf einer Insel, das kann ich jetzt natürlich nicht beurteilen. Ich kann nur für die Schulen sprechen, die meine Kinder besuchten, allgemein gültig ist das nicht. Aber zumindest hier kann ich nicht beobachten, dass ein Entwicklungsunterschied von bis zu 6 Jahren bestand. Dann wären auch die VERA-Ergebnisse anders ausgefallen. Denn daran kann man gut den Klassenschnitt erkennen.

Anmerken möchte ich noch, dass hier in Baden-Württemberg keine Inklusion vorgeschrieben ist. Es gibt hier für alle Entwicklungsstufen verschiedene Schulen. Schulen für Gehörlose, Schulen für Körperbehinderte, Schulen für geistig Behinderte, Schulen für Lernschwache oder verhaltensauffällige Kinder. Es gibt weiter Grundschulen, Gemeinschaftsschulen, Realschulen und Gymnasien.
Hier findet man zu 90% auch Kinder am Gymnasium (für eine andere Schulform kann ich nicht sprechen) die die Unterstützung von den Eltern haben und auch grundsätzlich motiviert sind. Auch haben die Meisten hier die Empfehlung für die besuchte Schulform.

VG
alibaba

Re: Wissensstand/Kompetenzen bei Einschulung

Beitrag von alibaba »

Koschka hat geschrieben: Der ganze Unterricht war anders gestaltet als man es von der traditionellen Schule kennt. Die Lehrerin wäre auch so weit die Kinder nach einer Leistungserhebung von dem Lehrplan ganz befreien zu lassen.
Nein, das wäre hier nicht gegangen.
Koschka hat geschrieben: Sie müssten trotzdem nicht die Hefte voll füllen und jede Übung mitmachen. Wenn die Kinder was konnten, was es genug Übung. Dann durften sie was anders machen. Auch wenn sie was nicht konnnten, hat mir die Lehrerin zugehört, und alternative Wege ausprobiert. Als die üblichen Rechenwege meinen Sohn total verwirrt haben, so dass er nicht mehr rechnen konnte, hat sie ihn einfach in Ruhe gelassen statt exzessiv zu üben.
Aber DAS ist doch keine Differenzierung! Das gab es hier an der Grundschule auch. War vom Lehrer abhängig. Aber in der Regel, vor allen bei den Lehrern meines Sohnes, musste das (zumindest mein Sohn) auch nicht machen, wenn die Lehrerin gesehen hat, das kann das Kind. Aber dafür gab es keinen anderen Unterricht. Was dann folgte, war eben eigenständig sich leise zu beschäftigen. Das wollte aber mein Kind nicht. Selber Knobelaufgaben lösen, was soll das denn? Der wollte schon das 1x1 lernen, das gab es aber nicht erklärt und wenn dann der Rest der Klasse fertig war, musste man zum Programm wieder einsteigen.

Auch gab es hier die Akzeptanz über verschiedene Rechenwege. Nur musste eben der Rechenweg aufgezeigt werden. Aber auch das hat nichts mit Differenzierung zu tun. DAS gibt es auch hier am Gymnasium. Wenn man seinen Rechenweg aufführen kann, wird der akzeptiert. Nur hinschreiben muss man ihn, nur ein Ergebnis reicht hier nicht.

Unter Differenzierung stelle ich mir etwas anders vor. In etwa so, wie aktuell im Chemieunterricht. Da sagt die Lehrerin "ich kann das nicht", weil es der Rahmen nicht zulässt, aber schau mal hier, hier gibt es die Differenzierung. Das ist zumindest mal ehrlich. Theoretisch müsste mein Sohn für Chemie einfach eine oder zwei Jahrgangsstufen höher, aber das geht nicht, wie auch. Das wäre richtige Differenzierung.

Ich gebe allerdings zu, dass eine Lehrerin, bei der Tochter, ständig drauf bestand, das alle alles machen. Selbst Nichtgemachtes im Unterricht gab es dann für zuhause auf. Aber das war eine! Lehrerin. Das hab ich jedoch sportlich gesehen und hab mein Kind tatkräftig unterstützt. :lol: Jetzt kann ich drüber schmunzeln.

VG
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