Könnte es sein, dass du den Rektor nicht magst, weil er die Sozialkompetenz deines Sohnes anzweifelt?
Hallo Katze,
ich habe da jetzt eine Weile (während der Physiotherapie) drüber nachgedacht und versucht zu rekapitulieren, wann in mir der "Ärger" im Gespräch mit unserem Rektor hoch kam. Ich kann sagen, dass es nichts damit zu tun hat, dass er die Sozialkompetenz angesprochen hat. Im Gegenteil. Ich bin direkt ein wenig erleichtert gewesen (und gleichzeitig beschämt, dass mein Sohn manchmal so daneben greift), dass ich mit meinem Eindruck, dass sein Verhalten oft auffällig wohl nicht komplett falsch liege. Es bestärkt mich auch darin, gegenüber meinem Mann dieses Problem immer wieder zu thematisieren.
Vielmehr hat mich geärgert, dass der Rektor meinen Sohn
sehr "einseitig" sieht, was ich mir gut erklären kann, da er vorwiegend diese Seite an ihm kennen gelernt hat (im Sport meint mein Sohn immer, er könne und dürfe sich jetzt mal richtig auspowern und läuft genau da dann auch zu "Hochformen" auf

) und anhand des unvollständigen Bildes, das er von meinem Sohn hat, der Meinung ist, er wisse BESSER als alle anderen, was das Problem ist.
Er schiebt nämlich ALLE Probleme meines Sohnes ( und das ist die Selbstregulation, Schwerpunkt Impulskontrolle) allein auf
zu wenig Sport (hat aber hier wie gesagt überhaupt keine Kenntnis darüber, wieviel Sport mein Sohn in seiner Freizeit macht und auch nicht danach gefragt.), was für mich zeigt, dass er eine vorgefertigte Meinung und direkt Lösung parat hat und nicht wirklich daran interessiert war, MEINE Sichtweise dazu zu hören, geschweige denn diese in seine Vorstellung von meinem Kind zu integrieren. Ich glaube nämlich, dass die Probleme meines Sohnes mit NOCH mehr Sport (und sonst nichts) sich nicht in Luft auflösen! Ich denke mein Sohn ist wahrnehmungsgestört UND hoch begabt. Da bringt MEHR Sport erstmal gleich nichts, vor allem mit der Kenntnis, dass das Kind bereits 3 verschiedene Sportarten ausübt (plus das übliche wie rad fahren oder Rollern, etc.pp). Nicht falsch verstehen: für meinen Sohn ist Sport und viel Bewegung tatsächlich wichtig. Daher legen mein Mann und ich auch viel Wert darauf, dass er sich viel bewegt und auch im Verein sportlich aktiv ist. Es löst aber nunmal nicht alle Probleme. Es löst nicht die kognitive Unterforderung und es löst auch nicht seine Verhaltensauffälligkeiten. Es bewirkt lediglich, dass er ein wenig von seiner vielen körperlichen Energie los wird und sozial interagieren muss.
Ich hätte es sicher nicht gemocht, vor allem beim ersten Kind in der Schule. Ich weiß nicht, wie kompetent dein Sohn wirklich ist, aber aus deiner Beschreibung ist klar zu lesen, dass er a)Probleme mit Impulskontrolle hat b) Selbstregulation nicht altersgemäß läuft, und erst recht nicht auf dem Niveau, das seiner Kognition entsprechen würde c) Extrinsich nur eingeschränkt motivierbar ist. Dieser Strauß an Problemen, schon ohne Feinmotorik, wird in jedem System auffallen. Sobald du deinen Sohn aber in ein freieres System als die Regelschule schickst, wird er dieses System zu seinem Vorteil ausnutzen. Das heißt an den Dingen arbeiten, die ihn stark machen und die vermeiden, die ihm Ärger bereiten.
Natürlich ist es nicht schön, wenn man solche Dinge von seinem Kind hört, aber es ist nun mal so und das muss man auch nicht totschweigen. Ich bin mir selbst ja sehr bewusst über diese Problematik, wie eigentlich durch meine Beiträge hier klar geworden sein sollte. Und von daher hat mich 'DAS nicht geärgert. Es hat (leider) das bestätigt, was ich an meinem Sohn auch sehe, viele andere aber nicht (die KJP, der "Experte", der die Diagnostik jetzt gemacht hat, Freunde und Verwandte..). Es ist absolut nicht mein Ziel, alles zu vermeiden, was meinen Sohn anstrengt. In der neuen Schule wird meiner Meinung nach (was ich bis jetzt kennen lernen durfte) Sozialkompetenz um einiges mehr gefOrdert, gefördert und gestärkt als in der jetzigen Schule. Das hier ist einfach eine ganz normale Grundschule, die sich gar nichts auf die Fahne schreibt, außer "Bewegung ist wichtig" und "gemeinsam sind wir stark". Das sind abgedroschene Floskeln, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, an JEDER Schule. In der neuen Schule sehe ich u.a. einen Vorteil, dass sich die Kinder mithilfe der anderen Kinder (unter anderem mit einem ihnen zugewiesenen Paten) viel untereinander organisieren und helfen müssen. Und stärkt meiner Meinung nach die Sozialkompetenz erheblich.
So ist es dem Sohn meiner Freundin in Montessorisystem ergangen. Die Schere zwischen Stärken und Schwächen ging immer weiter auseinander. Ich bin auch kein Freund des Konzeptes ständig auf den Schwächen herum zu hacken. Aber ohne Zwang beschäftigen sich solche ungleichmäßig entwickelte Kinder wie dein Sohn nicht mit den Baustellen. Sie haben Angst, bloß gestellt zu werden, Versagensängste. Das ist keine Faulheit, aber sie führt zu Arbeitsvermeidung. Deswegen habe ich nie einen Vorschlag akzeptiert, meine Kinder aus der Regelschulsystem zu nehmen. Die baut wenigstens den Peerdruck auf, indem sich Kinder untereinander vergleichen. Du siehst schon, dass dein Sohn sich über sein Testergebnis ärgert.
'Dieses Argument leuchtet mir ein. Allerdings verstehe ich nicht ganz wieso das Montessori-System deiner Meinung nach keine Sozialkompetenz fördert, bzw. kein "Zwang" herrscht sich besser zu regulieren und am Sozialverhalten zu arbeiten?
Ich verstehe, dass du dir ein schönes Modell vorstellst, in der dein Sohn das ungewollte über interessante Projekte lernt. Klingt gut, ABER dafür muss er fast ausschließlich individuell betreut werden. Du hast doch drei Kinder. Jetzt stell dir vor, sie sitzen alle vor dir, und wollen ihre Projekte gestalten. Multiplizier den Aufwand mindestens mit 5, und überleg, wie viele Hände und Ohren du dafür haben muss, und was für ein Lärmpegel dabei entsteht...
Ich habe das System an der neuen Schule bereits versucht zu erläutern. Die Kinder bekommen KEINE intensivere Betreuung (außer die, die Schulbegleiter haben) als in jeder anderen Grundschule auch. Es gibt einen Lehrer pro "Klasse". Für die Klassenstufen 1/2 gibt es 4 Klassen, für die Klassenstufen 3/4 ebenfalls. Es wird hier vor allem Wert darauf gelegt, dass sich die Kinder
untereinander helfen und unterstützen, dass sie zusammen Projekte erarbeiten und voneinander profitieren. Dass sie "selbstständig" werden.
Hierbei bekommen sie Unterstützung. Bei den Projekten selbst nicht, bzw. nicht mehr als an einer anderen Schule auch. Allerdings geht es hier eben nicht stur nach Shema F (alle Kinder basteln eine Laterne, nach Anleitung A und zwar GENAU so), sondern die Kinder sind (nicht immer, aber oft) freier, sich den zu lernenden Stoff zu erarbeiten (alle Kinder basteln eine Laterne. Punkt

).
Hier einfach mal das Leitbild und das pädagogische Konzept:
Leitbild
Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.
Sören Aabye Kierkegaard
Unsere Grundschule ist ….
ist offen für alle Kinder: große – kleine, schnelle – langsame, ältere -jüngere.
ist offen für „Neues Lernen“.
ist offen für die Natur und handelt umwelt- und energiebewusst.
ist offen für gemeinsames Lernen füreinander – miteinander.
ist offen für unseren Ort und lädt Eltern, Kindergarten und Vereine zum Mitmachen ein.
ist offen für „Bewegtes Lernen“.
Pädagogisches Konzept:
Jahrgangsgemischt mit kleinen, großen, schnellen und bedachten Schritten unterwegs: so kommen wir ans Ziel.
Zentrale Themen
Jahrgangsgemischte Eingangsstufe 1/2 mit 1 – 3jähriger Verweildauer
2 Einschulungstermine: September und Februar
Jahrgangsgemischte Klassenstufe 3/4
Teamstunden zur Differenzierung
Miteinander lernen / soziales Lernen
Kleine lernen von Großen, Große lernen mit Kleinen
Integration inklusiver Schulangebote
eigene Kompetenz erleben als Pate für Erst- oder Drittklässler
Persönlichkeitsbildung durch Einbindung sozialer Erfahrungen in den Wissenserwerb
Arbeit mit Plänen und Lerntreppen in allen Klassen (fach- und themenabhängig)
Zertifizierte Schule für Bewegtes Lernen
Kooperation mit Sonderschulen (Erich-Kästner-Schule, Turmbergschule)
Pull-out-Stunde für besonders begabte Kinder im Fach Mathematik
Natur- und Umweltschutz
ganzjährige Zusammenarbeit mit dem Kindergarten „Die Katze“
Projekt „Schulreifes Kind“ der Schule im Kindergarten als frühe Förderung
Gemeinsames, mehrwöchiges Projekt mit dem Kindergarten vor der Einschulung
Die "ungewollten" Pflicht-Aufgaben wird es weiterhin geben. Pflichtaufgaben, die die Kinder absolvieren MÜSSEN. Was weg fällt ist zwanghaftes Wiederholen von Stoff, den das Kind bereits durchdrungen hat. Und genau DAS finde ich sinnig. Übrigens nicht nur für mein Kind, sondern generell. Ich habe in der neuen Schule einfach mal nachgehakt, wie das denn so läuft mit dem "nacharbeiten" von fehlendem Stoff ( da mein Sohn derzeit in der jetzigen Schule noch keine Rechtschreibung berücksichtigen soll, bzw. muss. In der neuen Schule wird Rechtschreibung aber von Anfang an berücksichtigt) und erfragt ob wir dann die Unterlagen aus dem 1. Halbjahr bekommen oder wie das sonst von statten geht. Mir wurde dann erklärt, dass ein "nacharbeiten" von Stoff so nicht vorgesehen ist, bzw. verlangt wird. Dass die "neuen" Kinder ihre Lücken füllen durch das Material vor Ort und den Unterricht und die gegenseitige Hilfe der Kinder bei der Freiarbeit. Dass sie, bei den Angaben zu meinem Kind (in Bezug auf seine Begabung) keinerlei Bedenken hat, dass er die Lücken, die er vielleicht noch hat, schnell schließen wird.
Mein Sohn ist auch nicht grundsätzlich abgeneigt gegenüber Aufgaben, die von außen kommen. ERschließt sich ihm aber der SINN dahinter nicht, dann wird es schwierig. Das Problem haben wir daher hauptsächlich in Mathe und da auch nur, weil der Stoff sich eben über Tage und Wochen wiederholt. Wenn etwas "neues" gelehrt wird, ist er immer erst einmal interessiert und motiviert. Dieses Interesse flaut nur schnell ab, wenn er merkt, dass er das bereits kann oder beherrscht. Und er ist oft stur, wenn es um den Weg zu einem Ziel geht.
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.