Erblichkeit von Hochbegabung

Fragen, Antworten und Erfahrungen zu IQ-Tests
Rabaukenmama
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Erblichkeit von Hochbegabung

Beitrag von Rabaukenmama »

Angeregt von einem anderen Thread, in dem es um die Wahrscheinlichkeit, dass mehrere Geschwisterkinder hochbegabt sind, geht, schreibe ich hier mal meine persönlichen Erkenntnisse zur Erblichkeit und zu familiären Häufigen bei Hochbegabung.

Tatsächlich bewegt sich - zumindest statistisch - alles "zur Mitte" hin, was den IQ betrifft. Statistisch haben zwei Elternteile mit IQ130 Kinder mit IQ 115 und Eltern mit IQ 70 haben Kinder mit IQ 85. Individuell stimmt das natürlich nicht ;) .

Wenn man rein den IQ betrachtet muss man sich im klaren sein, dass die Tests bewusst so "geeicht" werden, dass 100 der Durchschnitt bleibt, die Hälfte drüber und die Hälfte drunter liegt und ca. 2% über der Bevölkerung einen Wert von 130 oder mehr und ebenso ca. 2% einen Wert von 69 oder weniger haben. Ebenso eine Tatsache ist, dass ein Kind nur dann sein maximal mögliches IQ-Potential erreichen kann, wenn AUCH die Bedingungen passen. Der Eichung der IQ-Tests orientiert sich nicht daran, was bei Idealbedingungen erreicht werden KÖNNTE, sondern das, was tatsächlich erreicht WIRD.

Ich bringe daher hier - rein fiktiv - zusätzlich den Wert der "Bedingungen" als dritte Größe in die Diskussion und nehme dafür - ebenso fiktiv - den Wert einer Standardabweichung, also 15 IQ-Punkte nach oben oder unten an. Meiner Meinung nach gehört dieser Faktor in der Intelligenzforschung ohnehin längst eingeführt, weil ja bereits bekannt ist, dass die Genetik nicht allein für die Intelligenzentwicklung verantwortlich ist, sondern eben AUCH das Umfeld. Ich habe mich aber noch zu wenig damit befasst, um eine Einschätzung darüber abzugeben, was jetzt wirklich mehr zählt und wie viel. Daher lasse ich die tatsächliche Bedeutung des fiktiven Wertes "Bedinungungen" auch ausdrücklich offen.

Um zum Anfangs-Beispiel zurück zu kommen: Die Kinder der Eltern mit IQ 130 erreichen unter mittelmäßigen Bedingungen einen IQ von 115, bei schlechtestmöglichen Bedingungen 100 und bei bestmöglichen Bedingungen 130. Die Kinder der Eltern mit IQ 70 erreichen bei mittlmäßigen Bedingungen einen IQ von 85, bei schlechtestmöglichen Bedingungen einen Wert von 70 und bei bestmöglichen Bedingungen einen Wert von 100.

Und genau DAS ist der Grund, warum es wirklich Familien gibt, wo sehr viele Hochbegabte vorkommen, während sie in anderen Familien eher "Randerscheinungen" sind. Da innerhalb einer Familie für alle Kinder normalerweise ähnliche Bedingungen gegeben sind (nicht GLEICHE!) ist daher ein vielfaches wahrscheinlicher, dass in einer Familie mit begabten oder hochbegabten Eltern UND guten Bedingungen mehrere Kind auch begabt oder hochbegabt sind. Die von Katze_keine_Ahnung zitierte Familie Curie ist so ein Beispiel.

Es gibt aber auch noch andere, sehr interessante Anhaltspunkte. Nachdem in den US in den 1930er Jahren ein Paar einen Säugling aus einem Soldatenwaisenhaus adoptiert hatten, stellte sich heraus, dass dieser geistig schwer behindert war. Typisch amerikanisch wollte das Paar das Heim dafür klagen. Daher begann man, quasi aus "Qualitätssicherungsgründen" in diesem Heim die Kinder regelmäßig IQ-Tests machen zu lassen. Bei der Gelegenheit wurden zwei offensichtlich geistig behinderte Mädchen (13 und 16 Monate alt) gleich vorweg aussortiert und in eine "Schule für Schwachsinnige" verlegt. Da sie außerdem total lethargisch und auch körperlich unterentwickelt waren ging man davon aus, dass sie ohnehin niemand adoptieren würde.

Sie kamen in eine Abteilung mit geistig behinderten Frauen zwischen 18 und 50 Jahren, deren mentales Alter zwischen 5 und 9 Jahren lag. Als der Psychologe, der die schwere geistige Behinderung der Mädchen festgestellt hatte, diese 6 Monate später wieder sah, erkannte er sie nicht wieder. Ihr Bewegungsvermögen hatte sich extrem verbessert und der IQ beinahe verdoppelt! Das lag daran, dass die beiden Mädchen die einzigen Vorschulkinder in dieser Abteilung waren und die geistig behinderten Frauen total in sie vernarrt waren. Eine hat die "Mutterrolle" übernommen, die anderen waren liebevolle "Tanten". Den ganzen Tag beschäftigten sie sich mit den Kindern, spielten mit ihnen, nahmen sie auf Ausflüge mit und schenkten ihnen vom eigenen Taschengeld bezahlte Spielsachen und Bücher. Es war offensichtlich die liebevolle und anregende Betreuung, welche die Kinder aus ihrer Lethargie geholt hatte. Die Kinder wurden 12 Monate und 18 Monate später noch einmal getestet, erreichten normale IQ-Ergebnisse und fanden schließlich auch problemlos Adoptiveltern.

Bestärkt durch diese Erfahrung versuchte der Psychologe Harold M. Skeels es weiter: er gab 13 Kinder unter 3 Jahren mit sehr niedrigem IQ in verschiedene Abteilungen mit geistig behinderten Frauen. Daraufhin legten diese Kinder bei IQ-Tests im Schnitt um ganze 28 Punkte zu! Währenddessen verloren die Kinder, die im Waisenhaus geblieben waren, in derselben Zeit 26 IQ-Punkte! Doch Skeels wollte auch wissen, wie es weiter gegangen war und fand tatsächlich Jahre später alle Kinder des ehemaligen Experiments wieder. Von den 13 Kindern, die bei den geistig behinderten Frauen gewesen waren, waren 11 verheiratet, hatten einen Beruf oder waren Hausfrauen. Von den 12 Kindern, die im Heim geblieben waren, waren 9 unverheiratet und eines geschieden. Eines war im Heim für geistig behinderte gestorben, vier lebten noch immer in Heimen, drei waren Tellerwäscher.

Meiner Meinung nach zeigt dieses Experiment sehr deutlich, wie viel "Luft nach oben" (aber leider auch nach unten) bei Kindern in Sachen IQ ist. Instinktiv habe ich dabei einen Vergleich mit der Körpergröße angestellt. Da ist ja auch bekannt, dass diese einerseits erblich ist (größere Eltern bekommen größere Kinder als kleinere Eltern), es aber auch mit der Ernährung der Kinder zusammenhängt, ob diese ihre genetisch mögliche Größe erreichen. Die Menschen in Europa waren vor allem deshalb vor 100 und mehr Jahren deutlich kleiner als heute, weil ein ganze Leben ohne zumindest einer längeren Hungerphase (oft waren es mehrere) damals die Ausnahme war, heute aber die Regel ist. Daher wurden die Menschen ab dem Zeitpunkt, wo es genug zu essen gab, immer größer. Das wird aber nicht endlos so weiter gehen, sondern hat jetzt in-etwa das obere Limit erreicht.

Umgelegt auf den IQ wird dieser auch bei klugen Eltern und guten Bedingungen nicht ins Endlose steigen, sondern nur so weit, bis das genetisch festgelegte Maximum erreicht ist. Das würde auch das Abflachen und teilweise Ende des Flynn-Effekts (in Europa) erklären und ist meiner Meinung nach um einiges plausibler als andere Erklärungen. Insgesamt wird es mehrere Generationen (meiner Beobachtung nach mindestens zwei, aber eher drei oder vier) brauchen, bis - vorausgesetzt die "Bedingungen" sind überall wirklich gut - das obere mögliche Limit erreicht ist.

Die gute Nachricht für kluge Menschen, die in der Kindheit nur mittelmäßige oder gar schlechte Bedingungen hatten, ist, dass diese offensichtlich leichter "weggesteckt" werden können, wenn diese Personen als Kindern echte Vertrauenspersonen hatten. Also ein Opa, eine Tante, ein Vertrauenslehrer oder eine (im besten Fall ältere) beste Freundin. Meine Erfahrung ist, dass seelische Wunden (durch Vernachlässigung, Gewalt, Sucht, etc. in der Herkunftsfamilie) nur dann ohne gröberen Schaden auf die kognitiven Fähigkeiten bleiben, wenn man mit seinen Erfahrungen nicht alleine bleiben musste, sondern sie mit jemanden nahe Stehenden teilen konnte. War das nicht der Fall musste die Seele so viel Verdrängungsarbeit leisten dass auch die geistigen Fähigkeiten darunter gelitten haben. Diese können sich zwar im Erwachsenenalter, wenn dann die Bedingungen deutlich besser sind, bis zu einem gewissen Grad erholen, aber nicht mehr die Spitze erreichen, die bei guten Bedingungen in der Kindheit ODER einer Vertrauensperson, die einem durch die schlechten Zeiten begleitet hat, erreichbar gewesen wären.
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sinus
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Re: Erblichkeit von Hochbegabung

Beitrag von sinus »

Rabaukenmama hat geschrieben: Um zum Anfangs-Beispiel zurück zu kommen: Die Kinder der Eltern mit IQ 130 erreichen unter mittelmäßigen Bedingungen einen IQ von 115, bei schlechtestmöglichen Bedingungen 100 und bei bestmöglichen Bedingungen 130. Die Kinder der Eltern mit IQ 130 erreichen bei mittlmäßigen Bedingungen einen IQ von 85, bei schlechtestmöglichen Bedingungen einen Wert von 70 und bei bestmöglichen Bedingungen einen Wert von 100. .
Hier hast du einen Tippfehler, oder?
Du meinst im zweiten Satz sicher "Die Eltern der Kinder mit IQ 100", oder?
Zuletzt geändert von sinus am Mo 15. Jun 2020, 17:32, insgesamt 3-mal geändert.
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sinus
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Re: Erblichkeit von Hochbegabung

Beitrag von sinus »

...
Zuletzt geändert von sinus am Mo 15. Jun 2020, 18:57, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Erblichkeit von Hochbegabung

Beitrag von Rabaukenmama »

sinus hat geschrieben:
Rabaukenmama hat geschrieben: Um zum Anfangs-Beispiel zurück zu kommen: Die Kinder der Eltern mit IQ 130 erreichen unter mittelmäßigen Bedingungen einen IQ von 115, bei schlechtestmöglichen Bedingungen 100 und bei bestmöglichen Bedingungen 130. Die Kinder der Eltern mit IQ 130 erreichen bei mittlmäßigen Bedingungen einen IQ von 85, bei schlechtestmöglichen Bedingungen einen Wert von 70 und bei bestmöglichen Bedingungen einen Wert von 100. .
Hier hast du eine Tippfehler, oder?
Du meinst im zweiten Satz sicher "Die Eltern der Kinder mit IQ 100", oder?
Ja, stimmt , war ein Tippfehler! Aber ich wollte nicht schreiben "die Kinder der Eltern mit IQ 100" sondern "die Kinder der Eltern mit IQ 70"! Ich bessere es noch aus, danke :fahne: !
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Re: Erblichkeit von Hochbegabung

Beitrag von Rabaukenmama »

sinus hat geschrieben:
Rabaukenmama hat geschrieben: Die gute Nachricht für kluge Menschen, die in der Kindheit nur mittelmäßige oder gar schlechte Bedingungen hatten, ist, dass diese offensichtlich leichter "weggesteckt" werden können, wenn diese Personen als Kindern echte Vertrauenspersonen hatten. Also ein Opa, eine Tante, ein Vertrauenslehrer oder eine (im besten Fall ältere) beste Freundin. Meine Erfahrung ist, dass seelische Wunden (durch Vernachlässigung, Gewalt, Sucht, etc. in der Herkunftsfamilie) nur dann ohne gröberen Schaden auf die kognitiven Fähigkeiten bleiben, wenn man mit seinen Erfahrungen nicht alleine bleiben musste, sondern sie mit jemanden nahe Stehenden teilen konnte. War das nicht der Fall musste die Seele so viel Verdrängungsarbeit leisten dass auch die geistigen Fähigkeiten darunter gelitten haben. Diese können sich zwar im Erwachsenenalter, wenn dann die Bedingungen deutlich besser sind, bis zu einem gewissen Grad erholen, aber nicht mehr die Spitze erreichen, die bei guten Bedingungen in der Kindheit ODER einer Vertrauensperson, die einem durch die schlechten Zeiten begleitet hat, erreichbar gewesen wären.
Zum Thema Resilienz gibt es inzwischen einige Untersuchungen. Vor Jahren gab es mal eine GEO, wo die Titelstory sich mit Resilienz beschäftigte.
Da ging es auch Fälle, wo Kinder, die die schlechstmöglichsten Bedingungen erlebt haben zu starken und erfolgreichen Persönlichkeiten wurden.
Das wurde, genau wie du schreibst, auf oft nur eine einzige Person zurückgeführt, die an das Kind geglaubt hat und ihm Liebe und Unterstützung zuteil werden ließ. Das waren dann nicht selten Lehrer oder auch nur eine Nachbarin.
Meiner Erinnerung war es nicht nur die Titelstory in einem GEO-Wissen-Heft. Ein "Gehirn und Geist"-Heft aus dem Verlag "Spektrum der Wissenschaft" habe ich auch mal gelesen, das ging komplett um Resilienz. Hab´s gerade beim googeln gefunden, weil ich nicht nachschlagen konnte, da ich die Wissenschaftszeitschriften meistens von der Bücherei ausborge, weil sie mir zum kaufen zu teuer sind.

Sehr authentisch (aber leider auch erschütternd) war für mich auch das Buch "Wenn die Kindheit krank macht" von Donna Jackson Nakazawa. Dabei ging es nicht um Intelligenz, sondern um alle möglichen körperlichen und psychischen Krankheiten. Aber die (wissenschaftlich fundierten!) Erkenntnisse dieses Buchs legen nahe, dass auch die geistige Entwicklung unter widrigen Bedingungen leidet.
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Katze_keine_Ahnung
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Re: Erblichkeit von Hochbegabung

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Was die geistige Entwicklung bestimmt, weiß man nicht. In einer und derselben Situation entwickeln manche Kinder Resilenz und die andere knicken ein. Die Kindheit von Rey Charles z.B. würde sich kaum jemand wünschen wollen, auch wenn man weiß, dass man danach ein Musikgott werden wird.

Mangel der Zuwendung jeder Art, wie es in schlechten Heimen passiert, wirkt sich auf jeden Fall negativ auf die Entwicklung aus. Es könnte aber sein, dass das Fehlende unter späteren günstigen Bedingungen aufgeholten werden kann.
Rabaukenmama
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Re: Erblichkeit von Hochbegabung

Beitrag von Rabaukenmama »

Katze_keine_Ahnung hat geschrieben: Mangel der Zuwendung jeder Art, wie es in schlechten Heimen passiert, wirkt sich auf jeden Fall negativ auf die Entwicklung aus. Es könnte aber sein, dass das Fehlende unter späteren günstigen Bedingungen aufgeholten werden kann.
Es geht nicht nur um den Mangel an Zuwendung sondern um echte Bezugspersonen. In Remo H. Largos Buch "Kinderjahre" beschreibt er einen Jungen, der ein zufriedener, aktiver Säugling war, der sich außergewöhnlich gut entwickelte. Die Eltern ließen sich scheiden als er 2 Jahre alt war, er kam in mütterliche Obhut. Ein halbes Jahr später erkrankte die Mutter an Brustkrebs und verbrachte immer wieder Wochen und Monate im Spittal. Sie starb als der Junge 6 Jahre alt war. Zwischen dem 3. und dem 7. Lebensjahr war der Junge in mehreren Pflegefamilien und in einem Heim untergebracht. Sowohl in den Pflegefamilien als auch im Heim haben sich alle sich sehr um den Jungen bemüht. Es war kein "schlechtes Heim", wo die Kinder sich selbst überlassen waren und nur abgefüttert und mit dem Notwendigsten versorgt wurden.

Trotzdem wirkte er mit 7 Jahren sehr traurig und passiv. Seine intellektuellen Leistungen waren beim Schuleintritt im unteren Normalbereich. Dann wurde der Bub im Alter von 7 Jahren adoptiert und bekam wieder die notwendige Geborgenheit und Zuwendung, was sich auf sein psychisches Wohlbefinden und seine intellektuelle Leistungsfähigkeit sehr positiv auswirkte. Wie du richtig schreibst konnte er das Fehlende unter späteren, günstigeren Bedingungen wieder aufholen.

Was dem Jungen im Heim und in den Pflegefamilien wirklich gefehlt hat war die Kontinuität der Betreuung. Er war mit keiner der betreuenden Personen länger als 6 Monate zusammen und konnte daher keine Bindung aufbauen, auch wenn die Betreuung durchwegs zugewandt und liebevoll war. Er wurde weder vernachlässigt noch war er Gewalt oder ähnlichem ausgesetzt. Aber kaum hat er begonnen, sich an jemanden zu gewöhnen, war diese Person auch schon wieder weg. Zuwendung ALLEINE war in diesem Fall nicht genug um dem Kind die Ausschöpfung seines geistigen Potentials zu ermögliche, es brauchte auch mindestens EINE Bezugsperson, der es vertrauen konnte. Durch die Adoptiveltern hat es zwei solche Bezugspersonen bekommen, was für dieses Kind ein riesiges Glück war.

So, wie Mascha Kaleko das in einem ihrer Gedichte schreibt:

"Man braucht nur eine Insel, allein im weiten Meer. Man braucht nur einen Menschen, den aber braucht man sehr!"
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Katze_keine_Ahnung
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Re: Erblichkeit von Hochbegabung

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

@Rabaukenmama

das sind alles Einzellfälle, aus denen sich m.E. nur das Bild ergibt, dass das Leben bunt ist. Bei dem Jungen war es so, bei machen anderen fühlten die fehlenden Bezugspersonen zwar zu Bindungsunfähigkeit in späteren Jahren aber zu keinen kognitiven Beeinträchtigungen.
Rabaukenmama
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Re: Erblichkeit von Hochbegabung

Beitrag von Rabaukenmama »

Katze_keine_Ahnung hat geschrieben:@Rabaukenmama

das sind alles Einzellfälle, aus denen sich m.E. nur das Bild ergibt, dass das Leben bunt ist. Bei dem Jungen war es so, bei machen anderen fühlten die fehlenden Bezugspersonen zwar zu Bindungsunfähigkeit in späteren Jahren aber zu keinen kognitiven Beeinträchtigungen.
In der Ausprägung ist es vermutlich wirklich ein Einzelfall. Der von Remo H. Largo beschriebene Junge hatte mit ca. 2 Jahren einen IQ um 130, fiel dann bis ca. 7 Jahre stetig ab (auf ca. 70) und stieg dann kontinuierlich er bis mit ca. 14 Jahren wieder auf einem IQ nahe an der HB-Grenze war.

Dass sich das Fehlen von verlässlichen Bezugspersonen negativ auf die kognitiven Fähigkeiten auswirkt ist für mich trotzdem kein Einzelfall. Nur normalerweise ist es nicht so krass wie in dem Beispiel und es gab bisher (zumindest meines Wissens) noch keine aussagekräftigen Studien zum Zusammenhang von IQ und Bezugspersonen.

Aber auch in meinem Beispiel im Eröffnungsthread (Heimkinder in der Obhut geistig behinderter Frauen) wurde festgestellt, dass diejenigen Kinder, die unter den behinderten Frauen eine fixe, bleibende Bezugsperson hatten (eine Art Ersatzmutter) kognitiv am besten abgeschnitten haben.

Für mich ist daher die Verfügbarkeit oder Nicht-Verfügbarkeit von zumindest eine Bezugsperson Teil des Kriteriums "Bedingungen". Im Beispiel aus dem Buch von Largo ist waren die Auswirkungen sehr krass - ob das an der besonderen Sensibilität des Kindes lag, oder Ursachen hatte, die uns nicht bekannt sind (z.B. verdrängter Missbrauch oder Gewalt). Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass allein die Tatsache, ob man in der Kindheit zumindest EINE verlässliche Bezugsperson hat, oder nicht, einige IQ-Punkte rauf bzw. bedeutet (zB. 125 oder 135 statt 130).
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alibaba

Re: Erblichkeit von Hochbegabung

Beitrag von alibaba »

Rabaukenmama hat geschrieben:Angeregt von einem anderen Thread, in dem es um die Wahrscheinlichkeit, dass mehrere Geschwisterkinder hochbegabt sind, geht, schreibe ich hier mal meine persönlichen Erkenntnisse zur Erblichkeit und zu familiären Häufigen bei Hochbegabung.
Deine Informationen kenne ich auch. Mir ist das auch alles theoretisch bewusst und logisch her leitbar. Eine Theorie.

In der Praxis erlebe ich aber etwas anderes. Ein viel komplizierteres Konstrukt als die vermeintlich klare logische Theorie und finde den Satz von @katze dazu wunderbar passend:
Katze_keine_Ahnung hat geschrieben: das sind alles Einzellfälle, aus denen sich m.E. nur das Bild ergibt, dass das Leben bunt ist.


Ich bin nicht statistisch mit dem was ich "sehe" brauchbar. Aber ich sehe hier, in meiner Umgebung, dass das Leben bunt ist. Bunt verteilt dazu der IQ. Wie schon geschrieben, eine Familie, 4 Kinder - gleicher Vater und Mutter - und doch alle herrlich verschieden im IQ. Oder eine bekannte Familie, Vater Studium, Mutter HS-Abschluss. Tochter studiert, Sohn schafft den RS-Schulabschluss mit Ach und Krach. Tochter locker, pfiffig, gut lernend, Sohn hat sicherlich einige Baustellen. Letzten Endes alles wahnsinnig spannend und so gar nicht in eine Theorie pressbar.

Das fehlende Bindungen zur Minderung des IQ führen können und sicherlich auch werden, wurde ja bereits in vielen Studien zur Kindes Entwicklung aufgezeigt. Das ist sicherlich ein interessantes Themenfeld. Aber dazu kann ich persönlich nichts beitragen. Mir fehlen da einfach die praktischen Erfahrungen (Gott sei Dank).
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