sinus hat geschrieben:
Jetzt hätte ich ja echt gern eine Therapeutin, die uns da einen passenden Rat gibt...
Mal ne ganz blöde Frage: hast du schon mal überlegt, für DICH eine Therapeutin zu suchen? Und bevor du diese Frage gleich mal als Zumutung siehst, hier der Hintergrund dazu
:
Als mein älterer Sohn (damals 5) seine bislang schwierigste Phase hatte waren mein Mann und ich mit den Nerven total fertig. Er hat wildfremde Leute am Badestrand mit nassem Schlamm beworfen, kleine Kinder absichtlich von der Rutsche geschubbst, Fäkalien an die Wände geschmiert, seine kleinen Bruder mit einem scharfen Küchenmesser bedroht. Dazwischen hatte der kleine Bruder (knapp 3 Jahre) praktisch täglich seine autistischen Meltdown Anfälle, wo er mindestens 30 Minuten schreiend um sich geschlagen hat und die Schienen der Holz-Kugelbahn in hohem Bogen durch die Wohnung geflogen sind. Es war echt Wahnsinn pur, wir wussten uns absolut nicht mehr zu helfen, waren am Ende unserer Kräfte.
Und dann las ich in der Bezirkszeitung ein kleines Inserat "Fühlen Sie sich bei der Erziehung ihrer Kinder überforder? Kinderschutzzentrum hilft schnell und unbürokratisch! Tel:......". Ich habe dort spontan angerufen und einen Termin bekommen. Mein Mann und ich sind hingegangen und haben alle unsere Sorgen bei einer sehr netten und kompetenten Frau ausgeschüttet, die sowohl Sozialarbeiterin als auch Kinderpsychologin war. Als wir fertig waren haben wir einen neuen Termin von ihr bekommen für die kommende Woche. Da sind wir dann wieder hin, und die Woche darauf noch einmal. Ich glaube es war beim 4. Termin als ich mal gefragt habe, ob sie nicht auch unsere Kinder kennenlernen will. Denn ich hatte ehrlich gesagt die Hoffnung, dass sie die Kinder dann eben 1 oder 2x beim spielen beobachtet und uns dann sagt was wir tun können, damit wir unser Chaos wieder in den Griff bekommen. Aber sie meinte nur "später vielleicht einmal" und gab uns einen neuen Termin.
Und siehe da, nach 2 oder 3 Monaten merkten wird, dass es etwas besser geworden war. Die Kinder waren immer noch dieselben, mein Mann und ich auch, aber allein die Tatsache, dass wir unseren Wahnsinn zu Hause mit jemanden besprechen konnten, hat uns offensichtlich viel Druck weggenommen, was sich wieder positiv auf das Verhalten der Kinder ausgewirkt hat. Wir haben dann nur noch alle 2 Wochen einen Termin im Kinderschutzzentrum genommen, dann nur noch 1x im Monat und nach ca. einem Jahr (vom ersten Besuch an gerechnet) haben wir es "auslaufen" lassen. Danach haben wir aber in Krisensituationen noch 3 oder 4x sponten einen Extra-Gesprächstermin mit "unserer" Psychologin ausgemacht, der jedes Mal für uns entlastend und hilfreich war.
Ich merke jetzt bei deinen Beiträgen, dass du extrem unsicher bist, wie du deiner Tochter bei ihren Ängsten helfen kannst. Es erscheint mir fast so, als wären deine Ängste, bei deiner Tochter was falsch zu machen, genauso schlimm wie ihre Ängste vor bestimmten Lehrern und Gegenständen. Und gerade ein ängstliches Kind braucht als zumindest EINE enge Bezugsperson, die selbst nicht angstgesteuert agiert. Das musst nicht unbedingt du sein. Aber deine Tochter hat zu Dir eine sehr enge Bindung und vertraut Dir in der Hinsicht, weil du einer der wenigen Menschen bist, vor denen sie sich traut, zu den eigenen Ängsten zu stehen. Aber dieses Vertrauen bedeutet NICHT, dass du für deine Tochter eine Lösung finden musst. Denn das kannst du gar nicht. Was sie von Dir braucht ist umgekehrt ebenso Vertrauen, dass sie selbst einen Weg heraus finden wird. Und genau dieses Selbstvertrauen kannst du ihr nicht geben, wenn du selbst unsicher und angstgesteuert bist.
Meinem Mann und mir haben die Gespräche mit der Psychologin insofern gut getan, weil wir endlich mal Verständnis für uns und unsere Situation bekommen haben und weil sie uns indirekt in unserem Handeln bestärkt hat. Genau so eine Bestärkung könnte Dir jetzt auch gut tun. Das soll nicht heißen, dass deiner Tochter nicht auch von einer guten Psychologin geholfen werden kann. Aber zumindest wir haben die Erfahrung gemacht, dass es gar nicht immer notwendig ist, das Problem beim Kind zu sehen, auch wenn das Kind es ist, welches das Problem hat oder macht.
Was Psychologen betrifft so ist es ganz, ganz wichtig, zu sich selbst zu stehen und wirklich so lange zu suchen, bis man jemand passenden gefunden hat. Wenn ich ein ständig hustendes Kleinkind hätte und der Kinderarzt ist unfähig richtig zu diagnostizieren und zu behandeln suche ich ja auch weiter nach jemanden mit mehr Kompetenz und lege nicht mit den Worten "Naja, das hat eben nicht geklappt!" die Hände in den Schoss und höre dem Kind weiter beim husten zu. Ich werde so lange von einem Arzt und einer Ambulanz zur nächsten fahren bis ich endlich jemanden gefunden habe, der meinem Kind helfen kann. Und genau dieselbe Hartnäckigkeit ist bei psychischen Problemen wichtig!
Ich wünsche Dir und deiner Tochter von Herzen alles Gute und einen für SIE passenden Weg
!
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)