Liebe Sinus,
...ich schiebe nicht alles auf die HB, bestimmt fehlt dem Kind bspw auch der Vater im Sinne von einer Identifikationsfigur, die bestimmte Eigenschaften mit ihr gemeinsam hat.
(sie hat da viel von ihm, er nimmt bspw auch immer alles gleich persönlich und ist sehr empfindlich und sensibel bswp)
Außerdem sieht sie auch anders aus, als andere Kinder, weil sie nunmal ein mixed ethnic Kind ist. Und als sensibles Kind wird sie sehr genau spüren, dass sie entsprechend auch mitunter anders angeschaut wird, als das durchschnittliche mitteleuropäische Kind. (in unserer ostdeutschen Kleinstadt gibt es nach wie vor nur sehr wenige Menschen anderer Hautfarbe. In ihrem 100-Kinder-Kiga bspw war damals nur noch ein weiteres Kind, was erkennbar anders aussah, in ihrer Grundschulklasse ist auch nur eines, in der aktuellen Klasse ist auch wieder nur eines.)
Und sie hat außerdem ihre ersten 5 Jahre als einziges Kind mit 3 Erwachsenen zusammengelebt. (die Großeltern wohnen mit im Haus)
Und dann gabs da noch den Unfall, der durchaus Potential für eine postraumatische Belastungsstörung hatte. Und der vielleicht auch vorübergehend unsere Beziehung beeinflusst hat.
(ich hab mich damals auch eine Zeit lang öfters mit dem Gedanken beschäftigt, "was wäre gewesen wenn... ich sie verloren hätte?" und habe mich eventuell emotional tw vor ihr verschlossen, um den damit verbundenen Schmerz zu vermeiden.)
Da sind viele verschiedene Ansatzpunkte und dessen bin ich mir sehr bewusst.
Ich habe aber jetzt mehrfach erlebt, dass die HB und die HS aus der Betrachtung völlig ausgeschlossen wird und das finde ich falsch.
Und ich sehe da einfach die Gefahr von Fehldiagnosen.
Ich wünsche mir jemanden, der das ganzheitlich betrachtet und dabei MIT berücksichtigt, dass das Kind in bestimmten Bereichen nunmal "außerhalb der Norm" ist.
Was dann ja evtl auch Einfluss drauf hat, wie das Kind Fragebögen ausfüllt - und wie es auf unterstellte "Diagnosen" reagiert.
Und auch, wie intensiv und kritisch es bspw eine fehlende Passung wahrnimmt.
Ich hatte bisher nie das Gefühl, dass das Thema irgendwie einbezogen wurde bzw die Bereitschaft dazu besteht. (Außer bei den entsprechenden Beratungsstellen und die behandeln nicht)
Im Gegenteil - es wurde immer direkt abgewiegelt. Das KANN doch nicht richtig sein, wenn ein Aspekt so komplett ausgeklammert wird.
Wenn man wenigsten gesagt hatte: "Ja, das kann durchaus ein Problemfeld sein" oder "Ja, da müssen wir mal schauen, ob und wie viel das zum Problem beiträgt"
Bisher fühlte ich mich aber schlicht da nicht richtig ernst genommen. Wie Charlotte es schrieb. Eher so "jaja, lass die mal reden"
PS: Eine Bekannte mit ähnlich gestricktem Kind mit ähnlichen, tw viel heftigeren Problemen (psychosomatische Beschwerden, wieder Einnässen) war übrigens damals (im Grundschulalter) auch bei einem Psychologen mit dem Sohn.
Ergebnis war "Passungsproblem", beobachten, verwächst sich. (was sich dann auch bewahrheitete)
Leider ist der Therapeut ein Mann und Kind möchte lieber zu einer Frau. (Weil sie tw eben auch Probleme mit der beginnenden Pubertät hat und sowas ungern mit einem Mann besprechen würde)
PS2: Beim letzten Gespräch hat mich eher abgeschreckt, dass die Therapeutin scheinbar recht schnell eine bestimmte Meinung entwickelt hatte (der Eindruck hatte mit Thema HB gar nicht zu tun, sie hatte mir bspw schon am Telefon bei Vereinbarung des Termins irgendwas auf den Kopf zugesagt, was mich etwas irritierte, weil ich es für verfrüht hielt) und dass sie mir am Ende das Gefühl vermittelte, sie möchte uns eigentlich abwimmeln.
mir ist es wichtig, dir dazu nochmal zu antworten, weil ich das Gefühl habe, ich habe dich verletzt oder verärgert, was absolut nicht meine Absicht war.
Ich hatte einfach durch die Art, wie du die Situation mit der Psychologin eingangs beschrieben hast, den Eindruck, dass das Gespräch mit dieser Psychologin sehr unglücklich gelaufen ist (eben nicht nur von ihrer Seite aus, sondern auch von deiner Seite... ) und es theoretisch hätte anders laufen können, wenn du grundsätzlich eben nicht deine (verständliche) Skepsis gegenüber Therapeuten und Co. hättest.
Natürlich hat die Psychologin aber sicherlich auch ein paar "Schnitzer" begangen, die nicht okay waren.
Jetzt nachdem du nochmal geschildert hast, dass sie schon ganz zu Beginn die Hochbegabung quasi als relevanten Fakt ausgeschlossen hat, kann ich dich auch besser verstehen.
Ich verstehe dich mit all deiner Skepsis total. Und natürlich sollte ein gut und umfassend geschulter Therapeut eine Hochbegabung nicht ausschließen, wenn es darum geht, sich ein Bild von der Situation zu machen. Das "Problem" ist einfach, dass viele Hochbegabung eben nicht als mögliche Ursache von Problemen erkennen, obwohl es mehr als einleuchtend ist, dass man sich dadurch "anders" (denn man weicht nunmal in einem nicht unbedeutenden Bereich der gesamten Persönlichkeit stark von der Norm ab) fühlen kann und DAS wiederum, je nach Charakte, weitere Probleme nach sich zieht. Ich glaube nicht, dass das erst seit "Rost" so ist. Ich kenne die Studie auch (nicht die Studie selbst, aber die Ergebnisse) und höre hier auch extrem meinen Bruder mit seinem so angepassten höchstbegabten Kind heraus. Der Tenor laute hier: Hochbegabung an sich verursacht keine Probleme.
Damit bin ich auch erst einmal einverstanden.
ABER Hochbegabung in Kombination mit bestimmten Charakterzügen (starke Ungeduld, schlechtes Selbstbild, Jähzorn, starke Unentschlossenheit, etc.pp.), familiären Problemen (wie in meinem Fall), einer nicht akzeptierenden Umwelt (wie bei meinem Sohn: im alten Kindergarten wurde er gemocht und angenommen wie er war=keine Probleme. Im neuen Kindergarten war Individualismus und Anders sein ein Problem= Kind wurde verhaltensauffällig) oder anderen unglücklichen Umständen kann sehr wohl zu massiven Problemen führen.
Es ist schade, wenn das ein Psychologe nicht anerkennt oder mit einbezieht und du darfst dir das zurecht wünschen. Fakt ist aber, dass du es nicht von jedem fordern kannst. Du musst einfach weiter suchen, bis du einen Psychologen/Therapeuten findest, dem du vertrauen kannst, weil du das Gefühl hast, er kann deine Tochter "sehen". Es ist doch grade gut, dass es derzeit nicht so brennt, weil Schulferien sind. Ich würde die Zeit nutzen, um in aller Ruhe weiter meine Fühler auszustrecken.
Ich denke auch, dass es für dich gut wäre, Hilfe zu bekommen. Du bist allein erziehend, berufstätig und hast zu Hause ein Kind, dass dir immer wieder Sorgen bereitet und dazu noch ein zweites Kind, dass auch deine Aufmerksamkeit braucht. Eventuell würde es schon helfen, wenn DU jemanden hast, bei dem du deine Sorgen ohne schlechtes Gewissen und ohne Gegenleistung (in Form von auch zuhören müssen) abladen kannst.
Ich habe den Eindruck wir sind uns ein einem Punkt recht ähnlich. Wir sind oft "zu nah" dran.
Ständig am denken, zweifeln, mit der Entscheidung hadern, versuchen alles von allen Seiten zu beleuchten, versuchen alles zu berücksichtigen und nichts "wesntliches" zu verpassen. Ich bin manchmal so sehr in einer bestimmten Stimmung oder einem bestimmten Gefühl "gefangen" (wenn es zum Beispiel grade mal wieder ein paar Tage schweirig ist mit dem Sohn oder auch das Gegenteil) und dann fehlt mir die nötige Distanz "klar zu sehen". Es ist so als würde ich das Buch zu nah vor meine Nase halten, mit der Absicht besser lesen zu können, aber genau durch diese Anstrengung verschwimmen die Buchstaben vor den Augen erst recht. Eine "neutrale Brille" tut da oft gut.
Ich glaube Deine Tochter hat keinen pathologischen Grund für ihre Ängste, Unsicherheiten etc. Es ist vielmehr ein Zusammenspiel aus vielem (äußerlich und innerlich "anders" sein, keine Vaterfigur, der Unfall, alles was du eben auch siehst und eventuell noch ein paar Dinge, die du nicht siehst). Dennoch sehe ich die Gefahr, dass sie z.B. in eine Depression abrutschen könnte in der Pupertät oder sich die Tendenz sich zurück zu ziehen oder Ängste zu entwickeln verstärken. Dem kann man sicherlich entgegenwirken, wenn sie jemanden außerhalb der Familie hat, bei dem sie sich verstanden und sicher fühlt und der ihr zuhört. Aber da die richtige Person zu finden, braucht eben manchnmal seine Zeit, die ihr ja auch habt.