Leider muss ich eure Erfahrungen bestätigen. Für meinen Sohn war in der Schule mit Begabungsförderung spätestens ab Klasse 3 Schluss mit Aufgaben auf seinem Niveau in Deutsch und Sachunterricht. Da es eine Mehrstufenklasse ist, war es in Klasse 1 und 2 noch kaum ein Problem, er bekam einfach die Aufgaben der Dritt- und Viertklässer. Wobei das auch nicht immer geklappt hat. Ich erinnere mich an seine Verzweiflung, wo er, als der Buchstabe Ä gelernt wurde, schriftlich etliche Mehrzahl-Wörter damit bilden musste: der Schwan - die Schwäne, das Haus - die Häuser,... sicher 30 Wörter! Für ihn war es Frust pur, denn das hatte er mit 5 Jahren bereits gekonnt! Vermutlich ging es ihm dabei, wie einem Erwachsenen, dem man ein paar Duplo-Steine hinlegt und sagt "Na, spiel mal schön!"

. Aber diese Dinge ließen sich mit Gesprächen mit den grundsätzlich kooperativen Lehrerinnen minimieren.
Ab Klasse 3 wurde es schwieriger mit angepasstem Lernstoff, weil er in Deutsch und Sachunterricht bereits so weit war, dass ihn auch Viertklässler-Stoff gelangweilt hat. Ich weiß noch, dass es bei Schuleinstieg auf mein Nachfragen geheißen hat, wenn der Grundschulstoff nicht mehr ausreicht kann das Kind auch in der 4. Klasse Gymnasium-Material bekommen. Nun, mein Sohn ist jetzt in der vierten Klasse, aber von Gymnasium-Material habe ich noch absolut nichts bei ihm gesehen. Er wiederholt in seinen Deutsch-Grammtik-Heften zum x-ten Mal Dinge, die er großteils schon vor Schuleintritt wusste. Das einzige, was er im vierten Schuljahr doch noch gelernt hat, ist Schreibschrift. Das hatte er vorher ja lange verweigert und alles in Druckschrift geschrieben.
Aber die Lehrerin, die damals zugesagt hat, auch Gymnasiumstoff zu geben, ist ja auch längst nicht mehr in seiner Klasse. Ihre Nachfolgerin auch nicht...naja....
Wobei ich mich - wenn ich eure Geschichten lese - insgesamt absolut nicht beschweren will. Ich bin froh und dankbar, dass aus den immer noch vorkommenden Verhaltensauffälligkeiten meines Sohnes kein Drama gemacht wird, dass er ohne offiziellen Nachteilsausgleich im Turnunterricht nicht am Teamsport teilnehmen muss und dass die Lehrerinnen nach individuellen Lösungen suchen, wenn sie merken, dass mein Sohn von einer erwarteten Aktivität autismusbedingt überfordert ist. Vor allem aber darf er im Unterricht seine geliebten Comics lesen, wenn er seine Arbeiten erledigt hat. Das ist nicht mal eine "Extrawurst", denn das dürfen alle flotteren Kinder, die ihre Aufgaben erledigt haben

. Ohne diese Option hätte sich der Unterricht mit meinem Sohn sicher noch um einiges schwieriger gestaltet. Denn wenn ihm sehr langweilig ist, macht er Blödsinn! Und die Aussicht, nur noch schnell die paar Lernwörter abschreiben zu müssen, und dann die Auswahl aus einem ganzen Schrank "lustige Taschenbücher" zu haben, hat ihn doch immer wieder bei der Stange gehalten.
Ich frage mich echt, was so schlimm oder demoralisierend sein soll, wenn ein Kind, das mit seinen Aufgaben fertig ist, im Unterricht leise liest? Auch bei uns gibt es Klassen, wo das nicht erlaubt ist, mir erschließt sich nur die Sinnhaftigkeit nicht. Auch das Argument "das wollen sonst alle" verstehe ich nicht - dann sollen es doch ALLE dürfen - sobald sie mit ihren Arbeiten fertig sind und unter der Bedingung, dass sie sich dabei leise verhalten! Ich kann mir vorstellen, dass malen oder lesen zu dürfen auch bei langsameren Kindern ein positiver Anreiz sein kann. Und es ist ja nur dann erlaubt, wenn das Kind seine "Pflichten" bereits erfüllt hat.
@Meine3: Dein Sohn ist laut Klassenlehrerin das einzige Kind, welches nicht die Fleiß-Hausaufgaben macht? Dann ist nicht er extra faul, sondern die anderen Eltern sind vermutlich extra ehrgeizig. Ich erinnere mich an den Streit eines Schulkollegen meines Sohnes mit seiner Mutter, weil er eben die Fleiß-Hausaufgaben NICHT machen wollte, die Mutter aber darauf bestanden hat, weil das ein "besseres Bild" macht. Zumindest von einem Mädchen weiß ich auch, dass die erledigten Fleiß-Hausaufgaben dem Zwang durch die Mutter geschuldet sind.
Mein Sohn hat nie auch nur eine einzige Fleiß-Hausaufgabe gemacht, obwohl ich manchmal versucht habe, sie ihm schmackhaft zu machen. Aber ich hätte ihn nie dazu gezwungen, was aber bei einigen anderen Eltern gängige Praxis sein dürfe. Das geben diese aber natürlich nicht zu, und der Lehrperson, die das nicht weiß, erscheint es, als wären alle diese Kinder fleißige Bienchen die mit Freunde zu Hause Extra-Arbeiten erledigen. Und wenn nur wenige Kinder diese Aufgaben NICHT abgeben, erscheinen diese natürlich als "faul".
Klassenlehrer haben offensichtlich auch eine seltsame Vorstellung von "differenziertem Unterricht" - demnach müssen die klugen Kinder zuerst mal alle langweiligen Sachen, die sie ohnehin längst beherrschen, "abarbeiten" um DANN VIELLEICHT Extra-Aufgaben zu bekommen, die, wenn sie erledigt sind, meistens nicht mal angeschaut werden. Und wenn sie das nicht begeistert tun, wird über fehlende Motivation und "Faulheit" geklagt

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Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)