Momo hat geschrieben:Rabaukenmama hat geschrieben:
Aber nun zu deiner Tochter: hast du ihr etwa auf ihre Frage, ob es diese Kinder wirklich gibt, mit JA geantwortet? Wenn es so wäre dann liegt doch auf der Hand dass sie enttäuscht ist wenn du sie belogen hast. Wenn ein Kind was fragt hat es mMn das Recht auf eine wahrheitsgemäße Antwort - auch dann, wenn die Antwort vielleicht anders ausfällt als das Kind erwartet. Auf wen soll sich denn ein Kind verlassen wenn ihm nicht mal seine eigenen Eltern die Wahrheit sagen?
Das sehe ich etwas anders, ich empfinde es nicht als "belügen". Ich habe abgewogen zwischen ihrer Begeisterung zu diesen Geschichten und den für sie sehr realen Figuren und der Realität, die sie sicherlich im Moment sehr enttäuschen würde. Ich empfinde es nicht als Lüge, sondern als Weg, meiner Tochter ihre Fantasie zu erhalten und ihre Figuren "am Leben zu lassen". Ähnlich geht es mir mit der Geschichte zum Osterhasen und zum Weihnachtsmann. Ich glaube, Kinder lieben diese Bilder und es ist in Ordnung, wenn man sie in diesem Alter in dem Glauben lässt.
Ich sehe das komplett anders. Es ist völlig ok, einem Kind seinen Glauben an alles möglich zu lassen, solange es nicht ausdrücklich danach fragt. Wenn ein Kind fragt "Gibt es Pippi Langstrumpf wirklich?" dann signalisiert es für mich: "Ich bin JETZT bereit, die Wahrheit auf meine Frage zu erfahren. Auch wenn die Antwort eine andere ist als ich sie mir wünsche bin ich mittlwerweile reif genug um damit leben zu können." Wann diese Phase eintritt ist unabhängig vom tatsächlichen Alter eines Kindes und sie zeigt sich - wie beschrieben - durch konkretes nachfragen zu einer bestimmten Sache.
Wenn Eltern bei konkretem nachfragen - aus welchen Gründen auch immer - die Unwahrheit sagen, dann ist das schlichtweg gelogen, mögen die Beweggründe für diese Lüge auch verständlich sein. Und genau betrachtet bedeutet es ja, dass man das Kind für zu klein oder unreif hält, mit der Wahrheit zurechtzukommen. Das ist meistens genau das, was das Kind eben NICHT will - nach dem Motto behandelt werden: "Das arme Kindchen wird fürchterlich leiden, dem kann ich die Wahrheit ja unmöglich zumuten."
Momo hat geschrieben:
Ich kann mich genau daran erinnern, wie ich mit ca. 5 Jahren verstand, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Ich war etwas traurig, dass ich mich von den Figuren verabschieden musste, doch es war auch völlig klar und in Ordnung, dass meine Eltern mich zuvor im Glauben gelassen hatten, diese Figuren seien real. Ich habe die Zeit und Aufregung davor ja schließlich sehr genossen, wie traurig wäre es gewesen, diese Vorstellungen nicht gehabt zu haben...
Noch mal - es ist ein großer Unterschied ob man einem Kind seinen Glauben lässt oder es auf konkrete Fragen wissentlich belügt. Als ich gefragt habe ob es das Christkind gibt habe ich mir zwar gewünscht dass die Antwort "ja" lautet, bin aber mißtrauisch geworden als meine Mutter dieser Frage ausgewichen ist. Also habe ich weiter "gebohrt" bis meine Mutter mir die Wahrheit gesagt hat. Meine Entäuschung dass nicht das Christkind die Geschenke bringt war dann nur kurz (sonst hätte ich es ja gar nicht wissen wollen), dafür war ich stolz, dass meine Mutter mir zugetraut hat, die Wahrheit zu hören.
Ich habe immer gehasst, belogen zu werden und ich wurde in meiner Kindheit leider sehr oft belogen. Nicht von meinen Eltern (darum habe ich auch heute noch so tiefes Vertrauen zu ihnen), aber leider von anderen Erwachsenen wie Großeltern, Lehrern, Ärzten, usw.
Momo hat geschrieben:
Es ist keine boshafte Lüge sondern es geht um Fantasie und um die Frage, ob Kinder nicht auch ein Recht haben, in ihrer Fantasiewelt leben zu dürfen, wenn ihnen diese so viel bedeutet. Und gerade in Bezug auf meine seeehr realistische Tochter halte ich dies für so besonders wichtig.
Wie sie es in einiger Zeit empfinden wird, werde ich dann sehen
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Momo
Nein, es ist keine boshafte Lüge, aber eine Lüge. Kinder haben ein Recht auf ihre Fantasiewelt wenn sie gerne darin leben und es gar nicht genauer wissen WOLLEN. Kinder haben aber auch ein Recht auf die Wahrheit, wenn sie ausdrücklich danach FRAGEN. Vor allem sehr realischen Kindern ist es wichtig, ernst genommen zu werden. Und das ist dann nicht der Fall, wenn sie bewusst belogen werden.
Ich erinnere mich an eine Mitschülerin in der VS (7 oder 8 Jahre alt), die mit unserer Religionslehrerin diskutierte, ob es Gott gibt. Das Mädchen war der Ansicht dass Gott einfach eine Erfindung von Eltern für Kinder ist - genauso wie das Christkind oder der Osterhase. Argument: "Meine Mama hat mir gesagt dass es das Christkind und den Osterhasen gibt - das war gelogen! Du sagst mir jetzt dass es Gott gibt. Das ist sicher genauso gelogen!".
Ich habe damals die Enttäuschung meiner Mitschülerin deutlich gespürt - und zwar nicht darüber, dass es kein Christkind und keinen Osterhasen gibt, sondern über die Lüge seiner Mutter. Daraus hat sich die Erkenntnis "Erwachsene lügen Kinder doch nur an" gefestigt.
Abgesehen davon - warum sollte die Fantasie eines Kindes nicht mehr "am Leben bleiben", wenn es weiß, dass die schönen Geschichten, die ihm so gut gefallen, der Fantasie eines anderen Menschen entsprungen sind?
Die Fantasiewelt eine Kindes bricht ja nicht mit der Wahrheit auf eine konkrete Frage in sich zusammen. Das tut sie viel eher wenn das Kind merkt, dass es schon öfter belogen wurde und sich nicht darauf verlassen kann, von den Eltern ernst genommen zu werden. Wie soll es den Unteschied zwischen wahr oder falsch erkennen wenn es keine verlässliche Vertrauensperson hat, die es dabei unterstützt?
Ich habe bei meinem Sohn die Erfahrung gemacht dass seine Phantasie überhaupt nicht leidet, obwohl ich ihm bisher immer die Wahrheit gesagt habe, wenn er danach gefragt hat. Im Gegenteil, wenn meinem Sohn die Wirklichkeit zu langweilig ist dann erzählt er von all den tollen Dingen, die in "seinem" Land passieren: dass dort alle Autos Augen und Mund haben und sich unterhalten, dass Autos dort auch fliegen können, sogar in den Weltraum und vieles mehr.
Mittlerweile bin ich mir sicher dass mein Sohn weiß, dass es "sein Land" nur in seiner Phantasie gibt. Na und? Solange er gerne in seinem Land lebt und uns (meinen Mann und mich) manchmal teilhaben lässt, ist das doch voll ok! Und wenn er mal nach der Wahrheit fragt und ihm diese nicht passt, kommt meistens ein "Aber in MEINEM Land ist das komplett anders, nämlich...."
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Insgesamt ein interessantes Thema, ich eröffne mal einen eigenen Thread dafür damit der "Kindermund" nicht ganz damit gefüllt wird
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Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)