WISC V - Interpretationshilfe

Fragen, Antworten und Erfahrungen zu IQ-Tests
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Knusperkatze
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WISC V - Interpretationshilfe

Beitrag von Knusperkatze »

Guten Morgen,

wir waren zu Beginn des Jahres mit unserem siebenjährigen Sohn zur ADHS Diagnostik. Gestern kam endlich der Bericht, ein Abschlussgespräch gab es bereits im Februar.
Unser Sohn hat im Zuge des Diagnostik den WISC V gemacht. Da sein Gesamt-IQ mit 132 im Bereich der Hochbegabung liegt, wurde ADHS erstmal zurück gestellt.
Folgende Werte hat er erzielt:

Sprachverständnis 130 (98)
Visuell-Räumliche Verarbeitung 108 (70)
Fluides Schlussfolgern 126 (96)
Arbeitsgedächtnis 122 (93)
Verarbeitungsgeschwindigkeit 126 (96)

Gesamt 132 (98)

Ich verstehe die Berechnung nicht ganz. Die Einzelergebnisse liegen ja alle unter 130, wie kommt es zu dem Gesamtergebnis?

Zudem habe ich jetzt häufiger gelesen, dass ADHSler im Bereich der Verarbeitunsggeschwindigkeit eher Diskrepanzen aufzeigen. Das ist hier ja nicht der Fall. Das schließt ADHS aber nicht aus, oder? Ich bin mir nämlich immer noch nicht sicher, ob da nicht doch noch zusätzlich ADHS vorliegt.

Was könnte der Ausreißer in der visuell-räumlichen Verarbeitung bedeuten? Uns sagte man, dass unser Sohn noch nicht recht wüsste, wo sein Körper anfängt und wo er aufhört. Daher soll er wieder Ergotherapie machen (er steht auf der Warteliste).

Und interpretiere ich das richtig, dass der Test an sich eigentlich recht homogen ist?

Liebe Grüße

Knusperkatze

P.S.: Ich freue mich total, dieses Forum gefunden zu haben. :)
Katze_keine_Ahnung
Dauergast
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Registriert: Do 23. Jan 2020, 09:33

Re: WISC V - Interpretationshilfe

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Hallo Knusperkatze,

der Test wird nicht als arithmetisches Mittel gerechnet, sondern gewichtet. Da die hohen Werte in vielen Bereichen seltener sind als einzelne Ausreißer, ergeben sie zusammen einen höheren IQ, der ja als Prozentrang ermittelt wird.

Konzentrationsschwäche bedeutet nicht unbedingt ADHS. Sie kann auch andere Natur sein. Wie geht dein Sohn die Aufgaben an? Ist er planlos? Hat er Strategien, die es ihm ermöglichen zeitsparend, wenn auch schlampig, mit den Aufgaben fertig zu werden?

Probleme mit der Körperwahrnehmung kommen aus der autistischen Ecke. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dein Sohn auch einiges davon in sich trägt, auch wenn das nicht so stark ausgeprägt ist, wie bei seiner Schwester. Die Konzentrationsprobleme bei den von außen gestellten Aufgaben können auch den gleichen Ursprung haben.
Knusperkatze
Beiträge: 5
Registriert: Mi 26. Jun 2024, 08:49

Re: WISC V - Interpretationshilfe

Beitrag von Knusperkatze »

Vielen Dank, liebe Katze.

Seine Lehrerin hat tatsächlich den Verdacht auf Asperger geäußert, allerdings sagte unser Arzt bereits beim Erstgespräch, dass er das eigentlich ganz klar ausschließt, da unser Sohn viel zu offen und Autismus untypisch agiert habe. Ich muss dazu sagen, dass wir in einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychatrie waren. Daran angegliedert ist eine Klinik mit Autismusambulanz. Der Arzt hatte bereits unsere Tochter diagnostiziert und wir sind dort seit Jahren Patienten.

Interessanterweise war unser Sohn beim Test alles mögliche: abgelenkt, strukturiert, interessiert. Er hatte einen großen Bewegungsdrang und erzählte der Testerin währenddessen alles, was ihm in den Kopf kam. Wie er jetzt die Aufgabe löse bis hin zu seinen Ängsten und Erlebnissen. Und trotzdem hat er ein recht hohes Ergebnis erzielt, weil er offensichtlich parallel gut die Aufgaben bearbeiten konnte. Er war wohl auch häufig selbst von Vogelgezwitscher abgelenkt, woraufhin er dann von Vögeln erzählte und gleichzeitig seine Aufgaben bearbeitete.
Schlampig ist er eigentlich gar nicht, sondern eher überkorrekt. Er konnte bei den schriftlichen Teilen teilweise nicht mal den Stift absetzen, weil in seinen Augen das optische Schriftbild zerstört wäre. Das kenne ich aber auch vom Malen zu Hause. Wir haben einen hohen Papierverbrauch, bis dann mal das Meisterwerk steht. ;)

Aber danke für deine Ausführung zur Berechnung vom WISC. Wäre es sinnvoll, den kompletten Test anzufordern? Wir haben ja nur die Zusammenfassung.

Im November sind wir zur Wiedervorstellung in der Praxis. Ich bin mal gespannt, was da noch kommt.

LG!

Knusperkatze
Katze_keine_Ahnung
Dauergast
Beiträge: 1497
Registriert: Do 23. Jan 2020, 09:33

Re: WISC V - Interpretationshilfe

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Auf die Meinung des Arztes, der beim Erstgespräch autistisches Spektrum "ganz klar" ausschließt werde ich nicht viel Wert legen, ganz egal wo er arbeitet.

Das vorliegende Testergebnis bescheinigt dem Kind eine harmonische Entwicklung auf dem hohen Niveau ohne Schwächen. Nicht zu viel IQ, um deswegen Probleme zu haben, und nicht zu wenig um für die Schule kämpfen zu müssen. Ich vermute nur, dass diese Einschätzung euch nicht wirklich passt, sonst wäre kein Besuch von KJP nötig gewesen.

Ich würde mit der Lehrerin sprechen. Was konkret stört sie, und warum ist sie zu dieser Meinung gelangt. Detaillierte Testergebnisse würden euch dagegen kaum helfen.

Wie geht es deinem Sohn in der Schule? Fühlt er sich dort wohl?
Rabaukenmama
Dauergast
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Re: WISC V - Interpretationshilfe

Beitrag von Rabaukenmama »

Katze_keine_Ahnung hat geschrieben: Mo 1. Jul 2024, 19:03 Auf die Meinung des Arztes, der beim Erstgespräch autistisches Spektrum "ganz klar" ausschließt werde ich nicht viel Wert legen, ganz egal wo er arbeitet.
Da bin ich ganz bei Katze! Mein 14jähriger Sohn mit überdurchschnittlichem IQ und einer extremen Teilleistungsstärke im sprachlichen Bereich ist trotz seiner Extrovertiertheit ganz klar im Autismusspektrum (und hat außerdem noch ADHS).

Wenn du in Sachen Autismus bzw. auf die Frage "Was könnte die Ursache der Schwierigkeiten meines Kindes sein?" Klarheit willst, wirst du bei einem (sehr) klugen, gut kompensierenden Kind um eine Autismusambulanz nicht herumkommen.

Dort erwartet euch eine aus 4-6 Terminen bestehende, umfangreiche Disgnostik, wo echte Profis (in Sachen Autismus) genau wissen, worauf sie achten müssen. Vor allem die Beobachtung in der Gruppensituation ist da oft aufschlussreich.

In 1:1 Situationen mit ihnen zugewandten Erwachsenen können die meisten klugen Autisten sehr gut kompensieren. Wenn ein Kind da nicht sonderlich auffällig ist hat das aber keine Aussagekraft für eine mögliche Diagnose.

Eine unfähige KJP hat auch bei meinem älteren Sohn im Alter von 4 Jahren sowohl Autismus als auch ADHS nach 5 Minuten ausgeschlossen - beides Diagnosrn, die er mittlerweile gesichert hat.

Kleine Info am Rande: sollte Autismus diagnostiziert werden, seid ihr nicht verpflichtet, das irgend wem mitzuteilen. Wichtig ist aber, ja KEINE Schweigepflichtentbindung zu unterzeichnen!
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Knusperkatze
Beiträge: 5
Registriert: Mi 26. Jun 2024, 08:49

Re: WISC V - Interpretationshilfe

Beitrag von Knusperkatze »

Danke, ich werde das beobachten.

Die Wiedervorstellung ist ja im November.
Wie eine Autismusdiagnostik abläuft weiß ich. Ich hatte es hier nicht richtig erwähnt, aber im Vorstellungspost: Unsere große Tochter ist frühkindlich autistisch. Unsere Geschichte ist in der Praxis bekannt, wir sind zudem seit 2019 Patienten in der Autismusambulanz. Derselbe Arzt hat unsere Tochter diagnostiziert.
Ich weiß, dass man die Diagnose dort sehr ernst nimmt. Wir hatten allein 12 Termine in der Ambulanz, davon 9 reine Diagnostiktermine.

Ich werde das Thema ansonsten nochmal ansprechen. :)
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