Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
alibaba

Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von alibaba »

@Rabaukenmama

Ich denke, wir missverstehen uns. ;)

Mir ging es um die Erfüllung im Beruf, die Traumerfüllung, das was ich schon immer machen wollte. Mir ging es überhaupt nicht darum nur einen Beruf zu wählen, weil er viel Geld einbringt.

Ich kenne nur Leute die haben sich arrangiert, aber die Erfüllung ist es nicht. Nur Glück und Seligkeit - nein. Ich gehe auch gerne zur Arbeit, aber Glückseligkeit habe ich damit nicht. Das übe ich im Hobby aus oder in der Freiwilligkeit der Nichtbezahlung. Selbst die Künstler, die alle irgendwie herumkrebsen, besonders die, die sich der Malerei verschrieben haben, machen zwar das was sie wollten, aber ich denke, der Ausgangspunkt das so zu tun war mit anderen Vorstellungen verknüpft. Gerade bei künstlerischen Berufen muss man sehr aufpassen, sei denn man weiß eine 99-jährige reiche Oma hinter sich, deren Vermögen einem den Traum ermöglicht. :D Der Preis der Kunst ist hoch. Das sehe ich hier an jedem Musikschullehrer.

Grundsätzlich sehe ich es wie koschka. Da haben wir sehr viel Annäherung mit den Erfahrungen.

"Für alle andere Fälle würde ich, aus meiner persönlichen Erfahrung, eine Schule bevorzugen, von der ich weiß, was sie den Kindern lehrt und was ich am Ende, unter gegebenen Bedingungen zu erwarten habe."

VG
Rabaukenmama
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Mein Sohn besucht ja auch eine eher "freie" Schule. Nicht ganz frei, weil sehr wohl derselbe Lehrplan existiert wie für alle anerkannten Volksschulen in Österreich, aber eben frei in der Herangehensweise und im individuellen eingehen auf Begabungen und Schwächen.

Gestern war ein "Lehrausflug zum Markt" angekündigt. Die Kinder sollten also mit den Lehrerinnen zum Markt fahren und dort diverse Dinge einkaufen, über die sie heute, in der Schule, sprechen sollten. Als ich meinen Sohn am Abend gefragt habe wie ihm der Ausflug gefallen hat meinte er, er sei nicht mitgefahren. Statt dessen sei er in der Schule geblieben und habe "weiter Buchstaben gelernt" (witzig, wo er sämtliche Buchstaben seit mehr als 4 Jahren kennt!).

Heute habe ich bei einer seiner Lehrerinnen nachgefragt und es wurde ein kurzes, aber interessantes Gespräch. Ja, mein Sohn war wirklich nicht mit! Aber die anderen sind gar nicht - wie geplant - auf den "großen" Markt gefahren sondern wegen des starken Regens nur zu Fuß zu einem nahe gelegenen Marktstand gegangen. Und da mein Sohn partout nicht mit wollte (mit Kreischanfall und allem drum und dran) meinte die Lehrerin, er könne auch in der Nachbarklasse bleiben, wo sie ohnehin auch ist (die andere ist mit den Kinder gegangen). Wörtlich sagte sie "Natürlich hätte ich ihn zwingen können, mitzugehen. Bei einem echten Schulausflug hätte ich das auch gemacht, weil das gibt es keine andere Möglichkeit. Aber da ich ohnehin hier geblieben bin habe ich keinen Grund gesehen, darauf zu bestehen, dass er mitgeht."

Ich habe dann weiter gefragt wie sie meinen Sohn so einschätzt. Sie meinte schmunzelnd er sei sozial noch etwas hinten, das seien aber mehrere Schulanfänger. Und er habe den großen Vorteil, den Stoff der ersten Klasse ohnehin schon komplett zu können und so könnten sie bei ihm "das ganze Jahr darauf konzentrieren, dass er endlich ankommt". Habe ich nett gefunden :) und ich hoffe, dass es klappt.

Natürlich müsse er trotzdem etwas tun, aber sie lassen ihm dabei freie Hand. Im Moment schreibt er am Klassen-PC an einer Geschichte. Die Buchstaben nachziehen und aus diversen Materialien kleben will er übrigens selbst, die Lehrerinnen wissen natürlich dass er sie schon kennt und schreiben kann und nötigen ihn nicht dazu. Nach diesem Gespräch bin ich wieder etwas zuversichtlicher. Mit Hausübungen dagegen hat mein Sohn so seine Probleme. Er will sie im Hort oft nicht machen und zu Hause noch weniger. Solange kein Druck da ist frage ich ihn nur, nötige aber nicht. Zumindest bisher hat es ja geheißen er müsse nur das machen, was er selber will. Wir werden sehen ob es so weitergeht...
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Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Liebe Rabaukenmama,
das freut mich sehr zu lesen, wie die Lehrer auf die Bedürfnisse Deines Sohnes eingehen und dass ihnen wichtig ist, dass er in Ruhe in der Schule ankommen kann. Ich denke auch, das ist erstmal das allerwichtigste, alles Weitere entwickelt sich umso besser danach, bzw. darauf aufbauend!!!

Der Fokuns meiner Tochter liegt immer noch darauf, all die anderen Kinder kennenzulernen und in der Gemeinschaft ihren Platz zu finden. Es ist erstaunlich, was daraus wieder alles entstehen kann. Sie fühlt sich so wohl dort, das sie wirklich traurig ist, nachmittags nach Hause zu fahren. Und an die Herbstferien mag sie noch gar nicht denken und daran, dass sie so lange ihre Freunde nicht sieht :schwitz: Die Lernbegleiter ihrer Schule setzen den Fokus sehr auf "Beziehungsarbeit", alles Andere entsteht daraus. Das kann ich wirklich bestätigen!

Liebe Grüße von Momo
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Meersalz
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Meersalz »

Liebe Momo,

ich finde es wirklich sehr schön für Dich, dass Du eine Schule gefunden hast, die Dich in Deinem Lebenskonzept bestätigt und es für Deine Tochter so gut läuft.

Ich persönlich verurteile niemanden, der in seinem Beruf nicht die Erfüllung seines Lebens findet und nicht danach strebt, in der arbeitenden Zeit, die maximale Freude zu erreichen. Da würde ich mich selbst verurteilen.

Ich erzähle Dir nur meine Variante des "Spass an der Arbeit/Beruf". Mir macht die Arbeit dann am meisten Spass, wenn ich effizient bin. Das bedeutet für mich, es ist mir vollkommen egal, um welche einzene Tätigkeit es sich genau handelt, Hauptsache, es ist effizient. Habe ich das Projekt erfolgreich zu Ende gebracht, genau das macht mir Spass.

Effizient im Sinne von, so wenig wie möglich an Mühe/Energie/Kraft als auch Zeit aufwenden und damit so viel wie möglich verdienen, um meine persönlichen Ansprüche an Lebensunterhalt zu finanzieren, 0,7% meines Bruttoeinkommens spenden zu können an gemeinnützige Einrichtungen, und gleichzeitig ruhig schlafen können, weil ich weiss, dass ich meine Familie auch übermorgen noch meinen persönlichen Ansprüchen entsprechend versorgen kann.

Warum bringt mir die Effizienz so viel Freude? Weil ich mit dem Rest meiner Kraft und Zeit, mich all den vielen Interessen widmen kann und Zeit habe für die für mich wirkliche Erfüllung meines Lebens, nämlich meine Familie.

Meine Schulzeit in einer Regelschule habe ich öde und langweilig in Erinnerung, und ich würde nicht unbedingt sagen, ich habe dort viel gelernt, aber irgendwie scheine ich eben dort doch gelernt zu haben, dass ein Minimum an Disziplin und Beschäftigung mit langweilig aufbereitetem Regelschulstoff notwendig ist, um das notwendige MInium - in meinem Fall, das Abitur - zu erreichen.

Das Abitur habe ich sehr wohl gebraucht, um mich für mein technisches Studium einzuschreiben. Nach der öden Schulzeit war die Studienzeit eine wahrhaftige Befreiung. Ich musste keine öden Stunden absitzen, bin quasi nicht in die Vorlesungen gegangen, habe während des Studiums viel Geld verdient (bin zwar nicht mit einem goldenen Löffel, dafür aber mit viel Liebe und Fürsorge aufgewachsen), viele Parties gefeiert, viele neue Leute aus aller Welt kennengelernt und mein Studium mit dem Mindestaufwand durchgezogen.

In meinem Studiengang gab es einige Komilitonen, die von freien Schulen (z.B. Waldorf) gekommen sind. Die sind bei den ersten Prüfungen ausgesiebt worden. Die konnten den Druck in keinster Weise vertragen. Die konnten in keinster Weise sich irgendwie organisieren, oder dem Ablauf an der Uni folgen. Ich hingegen empfand es nicht als Druck, sondern als angenehme Herausforderung. Endlich frei auf dem Uni-Campus rumlaufen, Prüfplan zusammenstellen, selbst entscheiden, organisieren...

Ich bin gerne effizient, weil ich im Grunde genommen faul bin. Wäre ich an einer freien Schule gewesen, die sich so schön liest, ich hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gelernt, dass ein Minimum an Disziplin (sich mit Unangenehmen zu beschäftigen) notwendig ist und hätte das Studium mit Sicherheit nicht bestanden.

Z.B. dauerte im Prüfungsfach Höhere Mathematik die Prüfung zwei Tage lang, jeden Tag 4 Stunden (mit einer halben Stunde Pause nach 2 Stunden), sofern mich meine Erinnerung nicht trügt. Man durfte zur Prüfung alles reintragen, was man schleppen konnte, alle Bücher, Aufschriebe, Formelsammlungen, alte Prüfungen, Taschenrechner. Du kannst die Prüfung aber nicht bestehen, wenn Du nicht ein Mindestminimun an Übung investiert hast. Auch wenn Du die Materie verstehst und dich das total interessiert, die Zeit reicht nicht, um die Prüfung zu bestehen, wenn Du nicht geübt hast. Übung ist aber nur mit Disziplin zu bewätigen.

Ich bin froh, nicht an einer freien Schule gewesen zu sein, denn das hätte mir als von Natur aus fauler Mensch mit Sicherheit das Studium gekostet. In der Studienzeit habe ich dann noch mehr gelernt, wie wichtig Disziplin ist. Öde war die Regelschullaufbahn schon, aber Freunde und Familie machen einiges wett. Und das, was ich während der schönen Studienzeit gelernt habe, ermöglicht mir heute mein schönes Leben mit meiner kleinen Familie ;)

Berichte auch weiterhin von Deinem Zwerg, gerne lese ich die Sicht aus Augen der Eltern eines "freien Kindes"!
Geniesse den Augenblick, denn der Augenblick ist Dein Leben!
Rabaukenmama
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

@orangenminze: Das, was du schreibst, ist einer der Gründe, warum ich freie Schulen nicht für JEDES Kind geeignet halte. Wobei das lernen, sich zu organisieren, durchaus nicht an allen Regelschulen automatisch erlernt wird. Ich hatte in Volks- und Hauptschule nie klassischen "Schulstreß" und als ich in der höhren Schule bemerkte, dass ich hier für positve Noten wirklich WAS TUN MUSS habe ich es als Zumutung empfunden und abgebrochen.

Es gibt Kinder (so wie ich eines war) die auch in Regelschulen durch den Rost fallen. Wenn ich mit nichts-tun einen Hauptschul-Anschlusszeugnis mit lauter "befriedigend" bekommen habe, wie wäre es an einer "freien Schule" für mich gelaufen? Besser oder schlechter? Hätte ich eher gelernt, mich zu organisieren? Ich weiß es nicht!
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Rabaukenmama hat geschrieben:
Es gibt Kinder (so wie ich eines war) die auch in Regelschulen durch den Rost fallen. Wenn ich mit nichts-tun einen Hauptschul-Anschlusszeugnis mit lauter "befriedigend" bekommen habe, wie wäre es an einer "freien Schule" für mich gelaufen? Besser oder schlechter? Hätte ich eher gelernt, mich zu organisieren? Ich weiß es nicht!
Liebe Rabaukenmama,
lass Dich doch mal auf das folgende Gedankenspiel ein:

Du hast 10 Jahre lang Zeit, frei Deinen Interessen nachzugehen. Du darfst in dieser Zeit Deine Talente (wie zB. Dein Schreibtalent?) voll entfalten und wirst, so wie Du bist, wahrgenommen, geschätzt und unterstützt. Du merkst, welches Deine Talente sind, entwickelst immer mehr Eigenmotivation und Ideen für Deinen zukünftigen Lebensweg (wie viele junge Menschen, wissen nicht, was sie beruflich machen wollen... sie hatten ja auch keine Zeit, sich selbst und die eigenen Wünsche und Träume zu entdecken). Und genau diese Eigenmotivation ist der Motor für EIGENE Organisation. Nicht fremdbestimmte Organisation. Du würdest lernen, Dinge zu tun, weil sie für Dich und Deine Ziele wichtig sind und weil Du es selbst tun WILLST.

Somit ist es für mich eine logische Schlussfolgerung, dass Kinder freier Schulen sehr gut lernen, sich zu organisieren- einfach aus der Praxis heraus.

Liebe Grüße von Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

@Momo: Die Fähigkeit, sich zu organisieren wird nicht automatisch durch die Schulform erworben. Ich bin aber sicher dass meines Chancen, es zu lernen, im Gymnasium besser gewesen wären, als in der Hauptschule. Warum? Weil ich DURCH SCHLECHTE NOTEN bemerkt hätte, dass ich was falsch mache! Diese Erfahrung wurde mir in der Hauptschule genommen. Ehrgeiz war nicht meine Stärke und hauptsächlich "befriedigend" und hie und da mal ein "gut" oder "genügend" haben mir völlig ausgereicht. Mein IQ liegt an der Grenze zur Höchstbegabung und ich lerne extrem leicht auswendig, so gesehen hätte ich in der Hauptschule sicher das Zeug für ein 1er Vorzugszeugnis gehabt. Im Gymnasium hätte ich aus der Notwendigkeit heraus andere Strategien entwickeln müssen um weiter positive Noten zu schreiben. Das war in der Hauptschule nicht nötig und in einer freien Schule ohne Noten wäre es das auch nicht. So viel gebe ich schon mal zu bedenken.

Meine Hobbys habe ich damals neben der Schule aber intensiv ausleben können (Streß hatte ich ja keinen). Eines war das auswendig-lernen von Gedichten und Theaterstücken. Ich konnte von etlichen Theaterstücke sämtliche Rollen auswendig, von "Lumpazivagabundus" bis "Charlies Tante" und zum drüberstreuen noch etliche (teil ellenlange) Gedichte von Schiller, Kästner, Brecht, Kaleko usw. Und ich las Unmengen von Büchern, unter anderem etliche Biografien von historischen Persönlichkeiten. Das habe ich so weit vertieft wie ich wollte. Mehr hätte ich in einer "freien Schule" auch nicht gemacht. Nur gibt es eben keinen Beruf "Rezitierer von Gedichten und Theaterstücken", so dass dieses Wissen zwar nett, aber nicht wirklich berufsfördernd war " :fahne: .

Mathe hat mich nie sonderlich interessiert. Bin ja immer noch überrascht, dass meine Begabungsspitze (zumindest lt. IQ-Test) im mathematischen Bereich liegt und nicht im sprachlichen :P . Durch das MUSS in der Schule hat mir Mathe aber zeitweise doch etwas Spaß gemacht, vor allem, wenn es Herausforderungen waren (wie heute beim Mathekänguru). Aber so groß, dass ich in meiner Freizeit was in Richtung Mathe gemacht hätte, war mein Interesse nie :mrgreen: .

Es geht mir hier nicht darum, Argumente gegen freie Schulformen zu finden (schließlich besucht mein Sohn selbst eine), aber gewissen Mindestvorgaben laut einem durchdachten Lehrplan, halte ich dennoch für wichtig. Ich glaube wir muten unseren Kindern teilweise zu viel zu, wenn wir ausschließlich darauf vertrauen, dass sich schon selbst wissen, was sie machen wollen. Bei manchem mag das funktionieren, aber nicht bei allen!
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Rabaukenmama hat geschrieben:
@Momo: Die Fähigkeit, sich zu organisieren wird nicht automatisch durch die Schulform erworben. Ich bin aber sicher dass meines Chancen, es zu lernen, im Gymnasium besser gewesen wären, als in der Hauptschule. Warum? Weil ich DURCH SCHLECHTE NOTEN bemerkt hätte, dass ich was falsch mache! Diese Erfahrung wurde mir in der Hauptschule genommen. Ehrgeiz war nicht meine Stärke und hauptsächlich "befriedigend" und hie und da mal ein "gut" oder "genügend" haben mir völlig ausgereicht. Mein IQ liegt an der Grenze zur Höchstbegabung und ich lerne extrem leicht auswendig, so gesehen hätte ich sicher das Zeug für ein 1er Vorzugszeugnis gehabt.


Ganz sicher wärst Du mit Deinen Fähigkeiten in einem Gymnasium weit besser aufgehoben gewesen als in einer Hauptschule- keine Frage!! Doch Deine Argumentation verstehe ich nicht ganz. Du meinst, Du hättest in einem Gymnasium durch schlechte Noten gemerkt, dass Du etwas falsch machst. Doch warum hast Du dies durch die nicht so überzeugenden Noten in der Hauptschule nicht bemerkt? Meinst Du wirklich, gute oder schlechte Noten hätten Deinen Ehrgeiz wecken können? Oder vielleicht einfach ein Anerkennen Deiner Begabungen? Ich finde Noten, zumindest für junge Kinder, absolut kontraproduktiv.
Ich glaube wir muten unseren Kindern teilweise zu viel zu, wenn wir ausschließlich darauf vertrauen, dass sich schon selbst wissen, was sie machen wollen. Bei manchem mag das funktionieren, aber nicht bei allen!
Ich denke schon, dass Kinder sehr genau wissen, was sie wollen, wenn man sie nur lässt und ihnen vertraut. Schwierigkeiten sehe ich bei Kindern, die dieses Vertrauen im Elternhaus nicht erleben oder die wirkliche (Wahrnehmungs-) Störungen haben und dadurch bedingt eine klare Führung und immer wiederkehrende Rituale für ihre Orientierung und ihren Halt brauchen.
Doch ich denke schon, dass "gesunde" Kinder, wenn wir sie sich frei entwickeln lassen würden, mit genau dieser Freiheit wunderbar umgehen könnten. Doch natürlich wachsen viele Kinder anders auf und diese sind dann vielleicht tatsächlich mit der plötzlichen Freiheit überfordert.

Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Momo hat geschrieben: Ganz sicher wärst Du mit Deinen Fähigkeiten in einem Gymnasium weit besser aufgehoben gewesen als in einer Hauptschule- keine Frage!! Doch Deine Argumentation verstehe ich nicht ganz. Du meinst, Du hättest in einem Gymnasium durch schlechte Noten gemerkt, dass Du etwas falsch machst. Doch warum hast Du dies durch die nicht so überzeugenden Noten in der Hauptschule nicht bemerkt? Meinst Du wirklich, gute oder schlechte Noten hätten Deinen Ehrgeiz wecken können? Oder vielleicht einfach ein Anerkennen Deiner Begabungen? Ich finde Noten, zumindest für junge Kinder, absolut kontraproduktiv.
Versetzungsgefahr hätte wahrscheinlich meinen Ehrgeiz so weit geweckt, dass ich die Notwendigkeit erkannt hätte, eigene Strategien zu entwickeln um weiter in der Klasse/Schule bleiben zu können.

In der Hauptschule gab es etliche Kinder die für ein Zeugnis mit lauter "befriedigend" ganz schön gebüffelt haben. Man vergleicht sich mit dem, was man beobachtet. So ähnlich wäre es vermutlich auch an einer freien Schule gewesen. Wenn dort lauter begeisterte, motivierte Kinder sind ist man eher dabei als wenn es etliche gibt, die mit Minimalaufwand ihre Zeit absitzen. Und ich habe noch keinen Ort der Welt erlebt wo es KEINE solchen Minimalaufwand-Typen gibt (auch keine Schule). Wenn man ein Kind hat, das in die Richtung neigt, hängt es sehr von der echten Klassenkonstelkation ab, wie es agiert.

Auch ich bin eher für eine verbale Beurteilung als für Noten. Dann wäre in meinem Abschlusszeugnis gestanden "kann einwandfrei rechnen und rechtschreiben, hat eine gute Ausdrucksweise, ist aber zu faul um gestellte Aufgaben zu erledigen". Hätte mehr ausgesagt als jeweils ein "befriedigend" in Mathe und Deutsch. Ob es mir bei der Lehrstellensuche geholfen hätte wage ich aber zu bezweifeln.

Ich halte Noten als Bewertung für nicht aussagekräftig und als Druckmittel nur bedingt geeignet, finde es aber gefährlich, sie ersatzlos zu streichen. Da drängt sich dann die Frage auf: wie weit darf ein Lehrer einer freien Schule Druck machen, wenn er sieht, das ein Schüler schon lsnge deutlich unter seinem Potential bleibt? Ist es ok mal zu sagen "Hör mal, du bist schon hier um was zu lernen! Ich erwarte jetzt dass du Dir ein Thema aussuchst zu dem du ein aussagekräftiges Projekt verwirklicht. So, wie es in den letzten Monaten war, kann es nicht weitergehen. Wenn du Hilfe brauchen solltest unterstütze ich dich gern, aber jetzt ist mal Eigeninitiative gefragt!"?
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Rabaukenmama hat geschrieben:
Da drängt sich dann die Frage auf: wie weit darf ein Lehrer einer freien Schule Druck machen, wenn er sieht, das ein Schüler schon lsnge deutlich unter seinem Potential bleibt?
Bei freiem Lernen müssen wir wirklich alle Denkmuster über Bord werfen, die wir uns im Laufe unseres Lebens und durch unsere eigenen Schulerfahrungen bedingt angeeignet haben.
Ich stelle die Gegenfrage: Warum sollte ein Mensch, der frei seine Interessen verfolgen darf und dadurch begeistert verschiedenste Themen verfolgt, "unter seinem Potenzial" bleiben? Unter seinem Potenzial bleibt man doch nur, wenn man nicht motiviert ist, wenn man sich mit Dingen beschäftigen muss, die einen nicht interessieren. Wenn einen jedoch etwas interessiert, dann wächst man ganz automatisch und teilweise auch über sich hinaus, oder? Und letztendlich sind die verschiedensten Themenbereiche auch wieder miteinander verwoben- wenn also gebacken wird, wird z.B. auch eine Einkaufsliste erstellt (Schreiben und Lesen), eingekauft (Rechnen, Organisation, Kommunikation etc.) vorbereitet, abgemessen, etc. (Mathematik etc etc.). Das ist nur ein Beispiel. In unserer Schule gibt es eine Teenie- Mädchenclique, die sich sehr für Mangas interessiert. Letztendlich entstand der Wunsch, Japanisch zu lernen. Die Lernbegleiter organisierten eine japanischlehrerin und begeistert stürzten sich die Mädels in die Sprache. Und das Ende vom Lied? Eines der Mädchen ist so begeistert von dieser Sprache, dass sie nun ihr Abitur auf japanisch machen möchte. Fragt mich nicht, wie das funktioniert, doch diese Geschichte finde ich toll!!

Also mein Fazit- in Freiheit kann sich das Potential ganz natürlich entfalten, weil es nicht gebremst wird. Denn jeder Mensch möchte von Natur aus lernen, viele haben nur leider diese Eigenmotivation verloren- durch Druck und Beurteilung und Vorgabe von Wissensaneignung.

Momo
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