Liebe Momo,
ich finde es wirklich sehr schön für Dich, dass Du eine Schule gefunden hast, die Dich in Deinem Lebenskonzept bestätigt und es für Deine Tochter so gut läuft.
Ich persönlich verurteile niemanden, der in seinem Beruf nicht die Erfüllung seines Lebens findet und nicht danach strebt, in der arbeitenden Zeit, die maximale Freude zu erreichen. Da würde ich mich selbst verurteilen.
Ich erzähle Dir nur meine Variante des "Spass an der Arbeit/Beruf". Mir macht die Arbeit dann am meisten Spass, wenn ich effizient bin. Das bedeutet für mich, es ist mir vollkommen egal, um welche einzene Tätigkeit es sich genau handelt, Hauptsache, es ist effizient. Habe ich das Projekt erfolgreich zu Ende gebracht, genau das macht mir Spass.
Effizient im Sinne von, so wenig wie möglich an Mühe/Energie/Kraft als auch Zeit aufwenden und damit so viel wie möglich verdienen, um meine persönlichen Ansprüche an Lebensunterhalt zu finanzieren, 0,7% meines Bruttoeinkommens spenden zu können an gemeinnützige Einrichtungen, und gleichzeitig ruhig schlafen können, weil ich weiss, dass ich meine Familie auch übermorgen noch meinen persönlichen Ansprüchen entsprechend versorgen kann.
Warum bringt mir die Effizienz so viel Freude? Weil ich mit dem Rest meiner Kraft und Zeit, mich all den vielen Interessen widmen kann und Zeit habe für die für mich wirkliche Erfüllung meines Lebens, nämlich meine Familie.
Meine Schulzeit in einer Regelschule habe ich öde und langweilig in Erinnerung, und ich würde nicht unbedingt sagen, ich habe dort viel gelernt, aber irgendwie scheine ich eben dort doch gelernt zu haben, dass ein Minimum an Disziplin und Beschäftigung mit langweilig aufbereitetem Regelschulstoff notwendig ist, um das notwendige MInium - in meinem Fall, das Abitur - zu erreichen.
Das Abitur habe ich sehr wohl gebraucht, um mich für mein technisches Studium einzuschreiben. Nach der öden Schulzeit war die Studienzeit eine wahrhaftige Befreiung. Ich musste keine öden Stunden absitzen, bin quasi nicht in die Vorlesungen gegangen, habe während des Studiums viel Geld verdient (bin zwar nicht mit einem goldenen Löffel, dafür aber mit viel Liebe und Fürsorge aufgewachsen), viele Parties gefeiert, viele neue Leute aus aller Welt kennengelernt und mein Studium mit dem Mindestaufwand durchgezogen.
In meinem Studiengang gab es einige Komilitonen, die von freien Schulen (z.B. Waldorf) gekommen sind. Die sind bei den ersten Prüfungen ausgesiebt worden. Die konnten den Druck in keinster Weise vertragen. Die konnten in keinster Weise sich irgendwie organisieren, oder dem Ablauf an der Uni folgen. Ich hingegen empfand es nicht als Druck, sondern als angenehme Herausforderung. Endlich frei auf dem Uni-Campus rumlaufen, Prüfplan zusammenstellen, selbst entscheiden, organisieren...
Ich bin gerne effizient, weil ich im Grunde genommen faul bin. Wäre ich an einer freien Schule gewesen, die sich so schön liest, ich hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gelernt, dass ein Minimum an Disziplin (sich mit Unangenehmen zu beschäftigen) notwendig ist und hätte das Studium mit Sicherheit nicht bestanden.
Z.B. dauerte im Prüfungsfach Höhere Mathematik die Prüfung zwei Tage lang, jeden Tag 4 Stunden (mit einer halben Stunde Pause nach 2 Stunden), sofern mich meine Erinnerung nicht trügt. Man durfte zur Prüfung alles reintragen, was man schleppen konnte, alle Bücher, Aufschriebe, Formelsammlungen, alte Prüfungen, Taschenrechner. Du kannst die Prüfung aber nicht bestehen, wenn Du nicht ein Mindestminimun an Übung investiert hast. Auch wenn Du die Materie verstehst und dich das total interessiert, die Zeit reicht nicht, um die Prüfung zu bestehen, wenn Du nicht geübt hast. Übung ist aber nur mit Disziplin zu bewätigen.
Ich bin froh, nicht an einer freien Schule gewesen zu sein, denn das hätte mir als von Natur aus fauler Mensch mit Sicherheit das Studium gekostet. In der Studienzeit habe ich dann noch mehr gelernt, wie wichtig Disziplin ist. Öde war die Regelschullaufbahn schon, aber Freunde und Familie machen einiges wett. Und das, was ich während der schönen Studienzeit gelernt habe, ermöglicht mir heute mein schönes Leben mit meiner kleinen Familie
Berichte auch weiterhin von Deinem Zwerg, gerne lese ich die Sicht aus Augen der Eltern eines "freien Kindes"!