Testen oder nicht?

mein Kind verhält sich anders als die anderen - ist es hochbegabt?
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Gast_(Yani)

Testen oder nicht?

Beitrag von Gast_(Yani) »

Hallo, ich bin ganz neu und erhoffe mir Rat und Hilfe (wie so viele).

Ich weiß, dass man keine Ferndiagnosen stellen kann. Aber hier sind so viel Erfahrene, dass mir vielleicht eine Antwort helfen kann, die Entscheidung zu treffen, ob wir unsere 8-jahrige Tochter testen lassen sollen oder nicht.
Sie findet die Schule (2. Kl.) langweilig. Von Einschulung an (mit genau 7).
Sie brachte sich das Lesen selbst bei (aber eben erst? oder schon? mit 6).
Vielleicht auch früher, wir wissen es nicht, weil sie sich immer ganz sicher sein muss, dass sie bestimmte Sachen "richtig" beherrscht.

Als wir ganz erstaunt und sehr stolz darüber waren, gruben wir in unseren Erinnerungen und stellten Folgendes fest:
Mit ca. 3 zeigte sie mit ihren Fingern die Buchstaben ihres Namens auf der PC-Tastatur und sagte "das bin ich".
Wir hakten das eben einfach als Zufall ab.

Im selben Alter wollte sie immer und immer wieder eine bestimmte Geschichte hören (ca. 6 DIN A 4 Seiten). Sie konnte die komplette G. auswendig und wir "experimentierten" mit ihr, indem wir ein beliebiges Wort beim Vorlesen ausließen. Sie ersetzte es ohne Mühe. Egal, welches Wort.
Aber haben nicht alle Kinder ein gutes Kurzzeitgedächnis?

Mit ca. 4 1/2 - 5 hielt sie zwischendurch dann auch bei einer Freundin kleine Vorträge über Insekten. Oder uns erklärte sie einmal auf die Bemerkung, der Durchfall kommt vielleicht von falscher Ernährung, dass das nicht gehen kann, weil Nahrung so und so viele Tage durch den Darm braucht.
Das war aber alles zu einer Zeit, als wir ihr ständig Kinderlexika vorlesen sollten.
Oder sie fragte mal ganz nebenbei, wo ist links - wo ist rechts?. Ich sagte es ihr einmal. Sie konnte ab da links und rechts.

Beim Eignungstest zur Kann-Einschulung war man erstaunt darüber, dass sie darum bat, nicht die linke oder rechte Hand zu heben, sondern lieber "links, rechts" sagen wollte.
Nach dem Eignungstest wurde mir geraten, sie noch nicht in die Schule zu schicken, damit sie eben noch 1 "Spieljahr" hat. Ich war damit einverstanden, weil ich ihr Sozialverhalten auch noch nicht für gut genug entwickelt hielt. Sie spielte und spielt auch heute lieber mit älteren Kindern, kann überhaupt nicht verlieren, ist fremden Kindern gegenüber absolut kontaktscheu, Stubenhocker.

Mit 6 machte sie ihr "Seepferdchen" mit großer Mühe und Druck, weil sie mal einen Unfall hatte, der leider die Folge Angst vor Wasser hatte. Sie schaffte es ganz toll und war auch stolz. Wir auch. Am Tag des Bestehens und nach Erhalt der Urkunde, tat sie so, als wäre sie noch nie im Wasser gewesen. Seitdem kann sie nicht mehr schwimmen. Sagt sie.
Die Vorfreude auf die Schule war groß, besonders nach Erlernen des Lesens.

Die Hänseleien der anderen Kinder waren leider nicht so toll, sie verstand einfach nicht, warum sie lesen kann und andere nicht. Und warum die Kinder so gemein sind.
Lehrergespräch nach drei Wochen Schule, weil sie ständig weinte und sagte, die Schule ist so langweilig und sie ist so enttäuscht. Dort wurde uns mitgeteilt, dass es ja schön für uns ist, wir uns doch freuen sollten, wenn unser Kind so klasse ist. (Wir hatten den Eindruck, die Lehrer empfanden uns als "Eislaufeltern" und verstehen überhaupt nicht, was uns eigentlich bewegt).
Sie bekam zwischendurch immer mal Extrablätter, die ihr auch einigen Spass machten, aber dann doch schnell langweilten.

Jetzt ist sie in der 2. Kl. und macht nur noch das Nötigste. Fordert nichts, meldet sich wenig. Wir müssen ihr alle Infos über die Schule aus der Nase ziehen. "Alles ist pippi-einfach". Zu Hause liest sie ein 100 Seiten Buch in 2 Stunden. Und hat jetzt Junior-Sudokus entdeckt.
Kurzgespräch mit Lehrer: Ihr Kind ist guter Durchschnitt mit sehr guten Lesefähigkeiten.
Wir haben das Gefühl, dass sie unterfordert ist, wissen aber nicht, ob das gerechtfertigt ist.

Kann jemand helfen?
sylvia
Moderator
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Registriert: Do 1. Mai 2003, 00:00

Re: Testen oder nicht?

Beitrag von sylvia »

Also, ich denke, da muesstet Ihr tatsaechlich mal ueber einen Test nachdenken.
Sie zeigt so einige Verhaltensmuster, die man eben von HBs erwarten kann - rechts-links (meine wolten nie die Bilder-Chart beim Sehtest machen, soondern die Buchstaben), die Entschlossenheit, Dinge zu koennen oder eben nicht zu koennen (wie perfektionistisch ist sie? Will sie ALLES genau richtig machen? Deine Mail klingt danach!) die sozialen Probleme (nicht alle sozialen Probleme deuten auf HB hin!!!)
Das Denken - und infragestellen unbewiesener Aussagen...
Um weiterzukommen haette ich mal ein paar Fragen:
Wie gut liest sie jetzt? Und was? Was passiert, wenn Ihr ihr schwierigen Kram andreht (Sudokus - nicht Junior, komplizierte Puzzle, Buecher, die fuer deutlich ueber 8J Kinder gedacht sind...)? Wie habt Ihr der Lehrerin vermittelt, was zuhause abgeht (Und wer? Du alleine oder in maennlicher Begleitung)? Habt Ihr Aerger mit Hausaufgaben?
Ist sie sensitiv gegenueber Laerm, Geschmaecker, Licht, Ungerechtigkeiten, Gefuehlserlebnissen, Etiketten an der Kleidung oder irgendwas anderem?

Also: Soforthilfe erstmal: bringe Deine Tochter mit HBs zusammen (notfalls tun es auch aeltere Kinder aber auf die Dauer eben doch auch HBs. Sie koennte sich komplett alleine und unverstanden fuehlen, weil sie niemanden in der Klasse findet, der ihre Sprache spricht. Sie hat anscheinend ja schon den Unterschied Lesen/Nichtlesen erkannt - erklaere ihr bitte, was es damit auf sich hat (Unsere Kinder bekamen das Gleichnis von den Talenten, die jeder nutzen soll zum Guten und zum Vermehren - und dass Gott jeden so mit seinen Talenten liebt, die er vergeben hat; wenn Ihr nicht christlich seid, musst Du Dir was aehnliches zum Erklaeren ausdenken)
Hattest Du/Dein Mann aehnliche Kindheitserlebnisse (Haenseleien etc.) - erzaehlt sie ihr.
Was macht ihr besonders Spass? Insekten/Biologie? Organisiert Euch eine Nachhilfe in Bio - irgendeinen Studenten, der mit ihr Blumen pflanzt und nachher seziert (usw...)
Was sie gerade am dringendsten lernen muss ist zusammengefasst auf einem Autoaufkleber, den ich hier neulich gesehen habe: "I am not weird, I am gifted" - ich bin nicht komisch, ich bin begabt - und das ist ok so. sIE MUSS LERNEN, DASS SIE EBEN in keinerlei Schublade passt - und soll stolz drauf sein. Auch hier: persoenliche Erfahrungen Deinerseits (oder von jemand anderem, dem sie vertraut) helfen.
Zum Thema perfektionismus: Ihr koennt Biographien lesen, von Leuten, die Fehler gemacht haben (Edison mit seinen 1000 Lampenfilamenten, die nicht funktioniert haben, die Erfindung von Penicillin usw) Ausserdem helfen Spiele wie Master Mind, in denen man Fehler braucht um zum Ziel zu kommen.

Und vor allem (und ich denke, das hat sie) braucht Eure Tochter den vollen Rueckhalt von Euch Eltern. Ihr muesst dazu stehen, dass sie schon supergut liest und Sudokus loest, dass sie manchmal etwas altklug daherkommt und anders ist. Auch, wenn Euch diverse "Freundinnen" als Eislaufeltern und Rabenmuetter anklagen.
Gruesse von Sylvia
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