Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Rabaukenmama
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Momo hat geschrieben: Bei freiem Lernen müssen wir wirklich alle Denkmuster über Bord werfen, die wir uns im Laufe unseres Lebens und durch unsere eigenen Schulerfahrungen bedingt angeeignet haben.
Ich stelle die Gegenfrage: Warum sollte ein Mensch, der frei seine Interessen verfolgen darf und dadurch begeistert verschiedenste Themen verfolgt, "unter seinem Potenzial" bleiben?
Verschiedene Antworten:
weil er einfach bequem ist...
weil er sein Potential nicht KENNT und eben etwas Druck braucht um es kennenzulernen...
weil er sich in Kleinigkeiten "verzettelt" wenn er keine klaren Vorgaben bekommt...
weil er von anderen Dingen zu abgelenkt ist...
weil ihm das Soma unserer Zeit (z.B. TV, PC, FB, whats app, Handy, Spielkonsole,...) wichtiger ist...

Nicht jeder "verfolgt begeistert verschiedenste Themen", nur weil er die Möglichkeit hat. Es hätte auch jeder gesunde Mensch die Möglichkeit, verschiedenste Sportarten auszuüben, und trotzdem betreiten ganz viele gar keinen Sport! Menschen sind genauso verschieden wie Gründe, etwas zu tun oder nicht zu tun!
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Bliss
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Bliss »

Momo hat geschrieben: Ich stelle die Gegenfrage: Warum sollte ein Mensch, der frei seine Interessen verfolgen darf und dadurch begeistert verschiedenste Themen verfolgt, "unter seinem Potenzial" bleiben?
Da geht es ja schon los. Verschiedenste Themen? Da hab ich so meine Zweifel. Dazu kenne ich zu viele Kinder, die schon vor Schuleintritt doch nur einen überschaubaren Interessenkreis haben. Und einige bringen es sogar fertig sich zu zuhause zu langweilen, obwohl eine anregende Umgebung vorhanden ist.

Meine Kinder gehören da zum Glück nicht dazu, aber bei freier Wahl würden meine Söhne wohl nur Fußballspielen wollen in der Schule, weil da halt genug Kinder da sind und den Interessen, denen man auch allein nachgehen kann würde sie lieber zuhause nachgehen. So wie sie es halt zur KiGazeit schon gemacht haben. Solange es da keine Anleitung von Erzieherseite gab wurde Fußball gespielt oder draußen rumgetobt. Und das 3 Jahre lang.
BiHa
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von BiHa »

Und wer sagt denn, dass das Kind merkt wofür es sich interessiert, wo sein Potential liegt?
Ich habe als ich die Schule abgeschlossen hatte, auch nicht so genau gewusst, was ich machen will. Am Ende bin ich über Umwege in einem technischen Beruf gelandet, in dem ich dann mein Interesse für die Elektrotechnik entdeckt habe. In meiner häuslichen Umgebung gibt es niemanden, der aus einem technischen Beruf kommt oder der den gleichen Bildungsabschluss hätte. In diese Richtung wäre ich nie gefördert worden. Das mag heute vielleicht anders sein, aber wie häufig hört man noch immer, dass Mädchen und Technik/Mathematik nicht zusammen passen? Das wird den Mädchen nicht mal offen gesagt, aber wenn man sich die Mann-/Frau-Verteilung in manchen Studiengängen anschaut...
Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Rabaukenmama hat geschrieben:
Nicht jeder "verfolgt begeistert verschiedenste Themen", nur weil er die Möglichkeit hat. Es hätte auch jeder gesunde Mensch die Möglichkeit, verschiedenste Sportarten auszuüben, und trotzdem betreiten ganz viele gar keinen Sport! Menschen sind genauso verschieden wie Gründe, etwas zu tun oder nicht zu tun!
Koschka hat geschrieben:
Ich stelle fest, dass kein Lernen, kein Wissen, keine Tätigkeit nur mit einem Hauch von Routine ans Baden, Spielen oder Lesen herankommt. Ein Erwachsener würde vermuttlich sich ohne Pflichten und Aufgaben schnell langweilen. Kinder sind diesbezüglich schmerzfrei. Daher müssen sie geführt werden, die meisten von ihnen, vor allem Jungs.
Bliss hat geschrieben:
Da geht es ja schon los. Verschiedenste Themen? Da hab ich so meine Zweifel. Dazu kenne ich zu viele Kinder, die schon vor Schuleintritt doch nur einen überschaubaren Interessenkreis haben. Und einige bringen es sogar fertig sich zu zuhause zu langweilen, obwohl eine anregende Umgebung vorhanden ist.
Biha hat geschrieben:
Und wer sagt denn, dass das Kind merkt wofür es sich interessiert, wo sein Potential liegt?
Hallo Ihr Lieben!
Interessant, was Ihr schreibt. Ich glaube, es fällt uns schwer uns vorzustellen, dass Kinder lernen WOLLEN, wenn es nicht durch Druck etc. zerstört wird. Wir können es uns nicht vorstellen, weil unsere Eigenmotivation in unserer Schulzeit ebenfalls (teilweise) zerstört worden ist. Und Druck, Vorgaben und Erwartungshaltungen gibt es schon im Kindergarten! Deshalb mochte meine Tochter zum Beispiel den Kindergarten nicht, wie sie mir heute erklären kann, da sie nun den Vergleich zum freien Lernansatz hat. Es gibt auch Kinder, die schon im Kindergarten die Lust am Lernen verlieren!

Sehr gut bringt es der Hirnforscher Prof. Gerald Hüther auf den Punkt- hier in einem sehr kurzen Interview zum Thema "Das selbstorgansierte Kind" :
https://www.youtube.com/watch?v=tzV5blBmfCE
Wenn wir über diese Thematik nachdenken, müssen wir uns wirklich selbst und unsere ebenso aus diesem Schulsystem geprägten Denkmuster hinterfragen, sonst kommen wir nicht weiter...

Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Bliss »

Momo hat geschrieben: Ich glaube, es fällt uns schwer uns vorzustellen, dass Kinder lernen WOLLEN, wenn es nicht durch Druck etc. zerstört wird. Wir können es uns nicht vorstellen, weil unsere Eigenmotivation in unserer Schulzeit ebenfalls (teilweise) zerstört worden ist. Und Druck, Vorgaben und Erwartungshaltungen gibt es schon im Kindergarten!
Mir fällt das gar nicht schwer, ich habe ja jede Menge neugierige und lernwillige Kinder zuhause. Trotzdem kenne ich wie gesagt Kinder, die schon bevor sie in Fremdbetreuung kamen keine Lust auf Neues und keine Anstrengungsbereitschaft zeigten. Und das lag nicht an den Eltern (außer dass sie halt schon früh fernsehen durften), die haben jede Menge Angebote gemacht.

Und auch Kinder wie meine, ziehen in Gesellschaft anderer Kinder Beschäftigung wie Fußball vor, wenn sie denn frei entscheiden könnten. Das hat absolut nichts mit Druck zu tun, in unseren Kindergärten gab es da gar keinen Druck.
Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Liebe Bliss, meiner eigenen Erfahrung nach ist Fernsehen ein Fantasie- und Ideenkiller. Meine Tochter darf fernsehen, doch sehr reduziert und wenn sie mal länger schauen durfte, stelle ich jedes Mal ein frustriertes, aggressives, ideenloses Verhalten fest, das sich erst nach einiger zeit wieder beruhigt. Doch im Grunde hat sie so viel Fantasie, dass Fernsehen für sie eine sehr untergeordnete Rolle im Alltag spielt- zum Glück.

Bliss hat geschrieben:
Und auch Kinder wie meine, ziehen in Gesellschaft anderer Kinder Beschäftigung wie Fußball vor, wenn sie denn frei entscheiden könnten. Das hat absolut nichts mit Druck zu tun, in unseren Kindergärten gab es da gar keinen Druck.
Und- was ist gegen Fußballspielen einzuwenden??? Meinst Du, Kinder würden 10 Jahre lang nichts anderes tun? Und was lernen sie andererseits beim Fußballspiel? Meiner Meinung nach sehr viel, angefangen von motorischer Bewegung, die ja erwiesener Weise in direktem Zusammenhang mit der Hirnentwicklung steht, über strategisches Denken, Teamarbeit, Sozialverhalten, Lernen und Einhalten von Regeln, etc. etc. Warum sollte ein Kind, dessen Bewegungsdrang sehr groß ist, nicht einfach mal wochenlang Fußballspielen dürfen? Ich bin mir sicher, es würden auch Zeiten kommen, in denen das selbe Kind eben gerade durch die lange Fußballspielzeit ausgeglichen am Tisch sitzt und liest oder sich mit anderen Dingen beschäftigt. Warum meinen wir eigentlich immer zu wissen, was Kinder tun müssen, was gerade gut für sie ist und was sie unbedingt jetzt lernen müssen, egal was es kostet? Und zur Not werden bewegungsfreudige Kinder dann ruhiggestellt...

Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Liebe Koschka,
leider konnte ich mir (noch) kein eigenes Bild von der afrikanischen Kultur machen, doch ich vermute ganz stark, dass dieses Verhalten nichts mit dem Fussballspielen der Jungen bzw. der schon frühen harten Arbeit der Mädchen zu tun hat. Sondern mit den ganz tief sitzenden kulturellen Ansichten und Werten- auch auf die Männer- und Frauenrolle bezogen, die hier in Nordeuropa ja zum Glück eine völlig andere ist.

Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Bliss »

Momo hat geschrieben:Liebe Bliss, meiner eigenen Erfahrung nach ist Fernsehen ein Fantasie- und Ideenkiller. Meine Tochter darf fernsehen, doch sehr reduziert und wenn sie mal länger schauen durfte, stelle ich jedes Mal ein frustriertes, aggressives, ideenloses Verhalten fest, das sich erst nach einiger zeit wieder beruhigt. Doch im Grunde hat sie so viel Fantasie, dass Fernsehen für sie eine sehr untergeordnete Rolle im Alltag spielt- zum Glück.
Ich bin auch froh, dass bei uns Fernsehen erst ab Vorschulalter ein Thema war und aufgrund vielfältiger anderer Interessen sowieso kaum Zeit dafür bleibt, aber das ist halt nicht die Regel. Und dass die Kinder auch ein Leben außerhalb der Schule haben ist auch so.
Und- was ist gegen Fußballspielen einzuwenden??? Meinst Du, Kinder würden 10 Jahre lang nichts anderes tun? Und was lernen sie andererseits beim Fußballspiel? Meiner Meinung nach sehr viel, angefangen von motorischer Bewegung, die ja erwiesener Weise in direktem Zusammenhang mit der Hirnentwicklung steht, über strategisches Denken, Teamarbeit, Sozialverhalten, Lernen und Einhalten von Regeln, etc. etc. Warum sollte ein Kind, dessen Bewegungsdrang sehr groß ist, nicht einfach mal wochenlang Fußballspielen dürfen? Ich bin mir sicher, es würden auch Zeiten kommen, in denen das selbe Kind eben gerade durch die lange Fußballspielzeit ausgeglichen am Tisch sitzt und liest oder sich mit anderen Dingen beschäftigt. Warum meinen wir eigentlich immer zu wissen, was Kinder tun müssen, was gerade gut für sie ist und was sie unbedingt jetzt lernen müssen, egal was es kostet? Und zur Not werden bewegungsfreudige Kinder dann ruhiggestellt...

Momo
Nun immerhin 9 Jahre dauert die Fußballkarriere meines Ältesten, in der er nicht nur im Verein, sondern eben auch fast jede Minute Freispielzeit im KiGa und Hort investiert hat. Sowieso zahlreiche Stunden mit Nachbarskindern. Gut ab und zu machen sie Nerfschlachten, da ist mir Fußball noch lieber. Klar kann er inzwischen super Fußballspielen und ein für ein paar Softskills wird es auch gelangt haben, aber ich bin doch froh, dass das nicht alles ist, was er aus der Schulzeit mitnimmt.

Und nein, ich glaube nicht, dass die Jungs irgendwann freiwillig reinkämen und sich ausgeglichen und intensiv was anderem widmen. Niemals in der Gruppe und in der Schule wären sie ja nun mal eine Gruppe.
Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Momo »

Bliss hat geschrieben:
Und nein, ich glaube nicht, dass die Jungs irgendwann freiwillig reinkämen und sich ausgeglichen und intensiv was anderem widmen. Niemals in der Gruppe und in der Schule wären sie ja nun mal eine Gruppe.
Das kann ich bei den Kindern in unserer freien Schule, in der Kinder so lange Fußballspielen dürfen, wie sie wollen, nicht bestätigen. Die Jungs spielen gerne auch mal Fußball, aber genauso gerne widmen sie sich anderen Themen unterschiedlichster Art. Je nach Interessengebiet der jeweiligen Kinder. Wenn man Kinder lässt, entwickeln sie sich zu sehr selbstständigen und autarken Persönlichkeiten, die von keiner Gruppe abhängig sind, aber gerne in Gruppen arbeiten. Und die vielfältige Interessen ausbilden.

Momo
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Re: Lagebericht 2 Wochen Freie Schule

Beitrag von Bliss »

Ich habe ihn gerade mal gefragt, und er glaubt auch nicht daran. Er meint, dass er zuhause deutlich effektiver lernt. Wenn andere dabei sind, dann dauert alles in Richtung lernen immer ewig lang. Und Fußballspielen wiederum geht zuhause nicht so gut, also wäre das seine bevorzugte Tätigkeit.

Und das Wort Lernbegleiter hat im gerade ein: das fehlte grad noch abgerungen.

Da frag ich morgen noch mal nach, was ihn daran stört.
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