von Ruth87 » Mi 1. Jul 2020, 11:09
Hallo, danke für die Antworten.
Sorry, es folgt ein Roman.
Meine Tochter ist schon immer sehr ehrgeizig gewesen.
Obwohl sie anfangs viele Schwierigkeiten hatte, fast 4 Wochen zu früh gekommen, Kiss Syndrom, Schreikind (wir kannten sie fast 2 Monate nur schlafend oder schreiend). Starke Trinkprobleme. Untergewicht. Viel zu wenig Schlaf….Trotzdem hatte sie eine sehr schnelle Entwicklung. Ist mit knapp 6 Monaten aufgestanden und hat laufen geübt. Alles Spielzeug war egal. Sie war nur noch auf ihr Ziel ausgerichtet. Als sie mit 8 Monaten frei laufen konnte, habe ich sie das erste mal in ihrem Leben wirklich zufrieden und glücklich erlebt.
Ich schreibe davon, weil sich ihr Verhalten nie geändert hat. Alles was sie spannend findet, wird gemacht. Und das lässt sie sich auch nicht nehmen.
Mit knapp zwei Jahren: die Schere…stundenlanges schnipseln. Knete….stundenlang. Fingerfarben….stundenlang. Wehe ich unterbracht nach 1 Stunde und wollte einkaufen, essen oder so, da gab es die schlimmsten Tobsuchtsanfälle. Ein Nachbarmädchen (6Jahre älter, war zu der Zeit viel bei uns).
Später mit 3Jahren gab es eine gleichaltrige Freundin aus einer Spielgruppe. Mit ihr trafen wir uns einige Jahre regelmäßig. Mittlerweile nur noch selten. Fantasiespiele, Spielplatz, toben….alles andere ging nicht. Endete in Streit seitens der Freundin. Meine Tochter war oft schockiert. Traurig, weil vieles, was meine Tochter hätte spielen wollen, nicht ging. Passte sich aber an. Drosselte auch ihren enormen Gerechtigkeitssinn (nicht lügen, teilen, alle mitspielen lassen,…) Irgendwann spielte die Freundin mehr mit dem 2 Jahre jüngeren Bruder.
Im KiGa…Das erste Jahr ging. Es gab vereinzelte Verabredungen. Aber meine Tochter hatte daran nur wenig Interesse. Sie hatte ja die eine Freundin für Nachmittags. Und ihre vielen „Hobbys“. In den ersten Sommerferien, freute sie sich darüber nun endlich genug Zeit zum Malen zu haben. Obwohl sie nur halbtags im Kiga war.
Das zweite Kiga Jahr war schon schwieriger und das letzte war eine Katastrophe. Sie hatte nur noch vereinzelt Kinder zum Spielen. Oft nur ihren jüngeren Bruder, der in ihrer Gruppe war. Viele haben sie ausgegrenzt. Falls sie mitspielen durfte, meist nur kurz und nur die unbeliebtesten Rollen. Eine Erzieherin meinte mal, dass die Kommunikation nicht hinhaute. Meine Tochter redet viel und lange, wenn sie etwas erklären will. Z.B. Spielregeln von einem neu ausgedachten Spiel. Darauf hatten die anderen Kinder keine Lust. Keine Geduld. Oder verstanden es nicht. Auf der anderen Seite, hatte meine Tochter aber auch wenig Interesse am Spiel der anderen. Sie sagte mir, dass da jeden Tag das gleiche gespielt wird, ohne Variationen. Das war langweilig.
Gegen Ende der Kiga Zeit fand sie etwas Anschluss bei den Jungs. Fußball spielen konnte sie recht gut. Das wurde anerkannt. Wir waren wegen dem Fußball besessenen kleinen Bruder oft nachmittags Fußball spielen.
Dann die Schule. Ein zugezogenes Nachbarmädchen wurde ihre beste Freundin. Sie kamen zusammen zur Schule. Meine Tochter war begeistert. Das Mädchen ist 1 Jahr älter. Sehr gebildetes Elternhaus. Viel Förderung. Kluges Mädchen.
Leider bestand diese Freundschaft nicht einmal 1 Jahr. Das Problem? Die Freundin zeigte meiner Tochter viele Dinge: Seilspringen, Rollschuhfahren….Obwohl die Freundin alles schon viel länger konnte, war meine Tochter immer innerhalt von 2-3 Wochen viel besser, schneller, wendiger….Meine Tochter denkt sich gerne „Aufgaben“ aus. Z.B. ich kann jetzt Seilspringen, dann bau ich jetzt einen Parkuhr und muss da entlang springen. Dann könnte man ja auch rückwärts, seitwärts springen. Das war dem Nachbarmädchen alles zu viel. Ich hörte sie dann auch brüllen: „ Das ist doof, gemein, das du schon wieder besser als ich bist“.
Es gab auch anderen Dinge, Schachspielen, Schule spielen, Puzzeln….in allem hat meine Tochter mehr Konzentration, mehr Durchblick, mehr Ausdauer….sie würde gerne den ganzen Tag am Stück Puzzeln, die Freundin ist nach 15 Minuten fertig und will etwas anderes machen. Und meine Tochter stellte sich auf das Mädchen ein. Spielte, was sie wollte, ignorierte Schummeleien beim Schach und Brettspielen. Verlor mit Absicht. Nur damit diese Freundin ihr erhalten bleibt. Trotzdem hat sich das Mädchen im Frühling von ihr abgewandt. In einer grausamen Art und Weise, wie es vll nur Kinder können.
In der Schule…Meine Tochter ist eben nicht nur schlau und schnell. Sie liebt es auch ihre Schulhefte zu machen. Sie macht sogar die viel zu leichten Sachen. Ist zwar langweilig, aber wenn gerade nichts spannenderes ansteht, besser als rumsitzen.
Sie ist sehr vernünftig, sehr reif für ihr Alter. Sehr ernst. Sie hat sehr hohe moralische Ansprüche. Das passt überhaupt nicht mit gleichaltrigen. Sie kann auch nicht stehen lassen, wenn jemand lügt oder ein Kind ungerecht behandelt wird. Kaum Interesse an altersgerechtem kindlichem Spiel.
In der 2.Klasse, hat sie wohl ein paar sehr vorsichtige Versuche unternommen, Kontakt aufzunehmen. Z.B. in den freien Spielstunden. Aber als es nicht gut klappte, hat sie sich wohl einfach wieder auf ihren Platz gesetzt und die Hefte weiter gemacht. Sie hat quasi aufgegeben, sich ständig anpassen zu wollen und um ein bisschen Aufmerksamkeit und Freundschaft zu betteln. Obwohl sie darunter leidet, allein zu sein. Aber sie leidet auch unter der Unterforderung. Was ist nun wichtiger?
Und ja, da blutet mein Mutterherz. Vor allem, weil ich mich erinnere. Ich auch so ein „komisches Kind“ war. Alleine auf dem Schulhof stand. Nicht verstand, was für die anderen Kinder wichtig war. Ich habe zwar nie so super Schulleistungen gebracht. Habe in der Schule völlig abgeschaltet. War unsportlich und überängstlich. Und ich hatte zum Glück ein paar Nachbarkinder mit denen das draußen spielen klappte.
Falls sie mit 8 aufs Gymnasium kommt…wir haben hier keine reinen Hochbegabten Klassen. Ein paar Forderprogramme. Extra Stunden. Da kann sie dann aber einige ähnliche Kinder kennenlernen.
Ein Internat können wir uns gar nicht leisten. Und dann gäbe es noch die Möglichkeit Umzuziehen. Irgendwohin, wo es Hochbegabten Klassen gibt. Und wo wir uns das Wohnen leisten können. Was in diesen Zeiten schwierig wird.
Außerdem möchte ich, wenn die Corona Regeln entschärfter sind, eine Elterngruppe für Familien mit Hochbegabten Kinder gründen. Vll findet sie darunter auch einige Freundschaften.
Danke fürs lesen